Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 31 RA 1392/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 176/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10. Juli 2001 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rentenanpassung zum 1. Juli 2000 sowie die vom Kläger gerügte Verfahrensweise der Beklagten.
Durch streitige Mitteilung vom 01.07.2000 passte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung des durch das Haushaltssanierungsgesetz vom 22.12.1999 (BGBl I S. 2534) eingefügten § 255 c SGB VI an. Danach werde die Rente zum 01.07.2000 und zum 01.07.2001 in der Weise angepasst, dass der aktuelle Rentenwert (West) und der aktuelle Rentenwert (Ost) - und damit der Umfang der jeweiligen Rentenanpassung - nach dem Verhältnis, in dem der Preisindex des jeweils vergangenen Kalenderjahres für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte im gesamten Bundesgebiet von dem des vorvergangenen Kalenderjahres abweiche ("Inflationsausgleich"), fortgeschrieben werde.
Der im Jahre 1932 geborene Kläger wandte sich mit Widerspruch vom 08.08.2000 gegen die Erhöhung seiner Rente zum 01.07.2000 nur in Höhe der Inflationsrate (Widerspruch I) sowie gegen die irreführende Mitteilung auf der Rückseite des Bescheides, insbesondere die falsche Berechnung bzw. die falsche Bezeichnung "Nettorentenerhöhung" bzw. "Nettorentenanpassung". Die Renten hätten sich seit 01.07.1998 nicht in dem Maße wie die Nettoarbeitsentgelte der Arbeitnehmer im zurückliegenden Jahr erhöht, vielmehr sei, bedingt durch die Erhöhung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die Nettorente zeitweise gesunken (Widerspruch II). Mit dem von der Beklagten vorgeschlagenen Ruhen, betreffend die Rentenanpassung zum 01.07.2000, erklärte sich der Kläger wegen der anhängigen Musterverfahren einverstanden, nicht aber bezüglich seines weiteren Widerspruchs II.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2000 wies die Beklagte dennoch den Widerspruch zurück. Das Begehren des Klägers, die Altersrente zum 01.07.2000 an die Nettolohnentwicklung der Arbeitnehmer anzupassen, könne keinen Erfolg haben. Nach der Begründung im Gesetzgebungsverfahren sollten auch die Rentnerinnen und Rentner an der solidarischen Anstrengung der ganzen Gesellschaft zu sparen und insbesondere die Altersvorsorge langfristig zu sichern, beteiligt werden. Die Rentenanpassungsverordnung vom 31.05.2000 (BGBl I S. 788) habe daher aufgrund gesicherter Daten des Vor- und Vorvorjahres eine Veränderung des Preisindex von 1998 zu 1999 von 0,6 v.H. festgestellt und die aktuellen Rentenwerte (West) bzw. (Ost) entsprechend fortgeschrieben. Die Regelung stehe auch mit dem Grundgesetz im Einklang.
Der Kläger hat seine zum Sozialgericht München (SG) erhobene Klage im Wesentlichen damit begründet, der Widerspruchsbescheid sei rechtswidrig und verstoße gegen das Rechtsstaatsgebot, da die Beklagte in ein am Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schwebendes Verfahren) eingegriffen habe. Er sei aufzuheben und das Verfahren dem BVerfG vorzulegen. Die Beklagte hat wegen der beim Bundessozialgericht (BSG) anhängigen Revisionen (B 4 RA 125/00 R, B 4 RA 120/00 R, B 4 RA 3/01 R) das Ruhen des Verfahrens beantragt.
Durch Urteil vom 10.07.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei mangels Klageart unzulässig, soweit sich die Beklagte an das BVerfG wenden solle bzw. soweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt werde. Soweit § 255 c SGB VI als verfassungswidrig angegriffen werde, stütze sich das SG vollinhaltlich auf das Urteil des Sächsischen LSG vom 10.10.2000, L 4 RA 76/99. Danach verstoße § 255 c SGB VI nicht gegen Art. 14 GG. Die Beschränkung der Anpassung der Renten auf einen Inflationsausgleich diene dem Gemeinwohlzweck. Auf diese Weise sollen auch die Rentner dazu beitragen, dass die Neuverschuldung des Bundes begrenzt werde und die Renten für die Zukunft finanziert werden könnten. Weiterhin solle die Belastung für die derzeit in Arbeit Stehenden auf einem erträglichen Maß gehalten werden. Damit liege die Entscheidung des Gesetzgebers im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums.
Die gewählte Lösung verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Zum einen sollten durch die Regelungen des Gesetzes zur Sanierung des Haushalts alle Bürger an den Sparmaßnahmen beteiligt werden. Zum anderen betreffe die Maßnahme alle Rentner in gleichem Umfang. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei eingehalten, denn die Maßnahme sei auf zwei Jahre beschränkt.
In seiner zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung rügt der Kläger im Wesentlichen Verstöße gegen das Rechtsstaatsgebot und Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie die Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs. Er habe sich mit dem Ruhen des Verfahrens, betreffend die Rentenanpassung zum 01.07.2000, einverstanden erklärt. Durch Erlass des Widerspruchsbescheides habe die Beklagte rechts- und verfassungswidrig in ein schwebendes Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingegriffen, das mit ihm vereinbarte Stillhalteabkommen gebrochen und die Zusicherung, es entstünden ihm durch das Ruhen keine Nachteile, verletzt. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe er einen solchen Bescheid durch sein Schreiben vom 14.10.2000 nicht veranlasst. Er habe einen Bescheid der Beklagten allein wegen des Widerspruchs II (Nettorentenanpassung bzw. Nettorentenerhöhung) gefordert, die Antwort darauf stehe bis heute aus. Streitgegenstand vor dem LSG sei allein die unverzügliche Weitergabe des Verfahrens an das BVerfG, nicht die Rentenanpassung in Höhe des Inflationsausgleichs zum 01.07.2000.
Der Kläger beantragt sinngemäß, a) das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.07.2001 sowie den Widerspruchsbescheid vom 23.11.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ruhen des Verfahrens bezüglich des Bescheides vom 01.07.2000 anzuordnen, hilfsweise b) den Rechtsstreit wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaats-prinzip sowie wegen Nichtgewährung von rechtlichem Gehör dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, weiter hilfsweise c) das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.07.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2000 zu verurteilen, den für die Rente maßgeblichen aktuellen Rentenwert zum 01.07.2000 nicht nach § 255 c SGB VI, sondern nach den bisherigen Vorschriften (vgl. §§ 68, 255 a SGB VI) anzupassen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.07.2001 zurückzuweisen.
Das Angebot der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2002, über den Widerspruch vom 08.08.2000 nochmals zu entscheiden, wenn über die Frage der Rentenanpassung rechtskräftig entschieden sei (vgl. BSG, B 4 RA 120/00 R), hat der Kläger nicht angenommen. Mit an diesen persönlich gerichteten Schreiben vom 16.03.2003 hat der Kläger den Vizepräsidenten Dr. G. als Vorsitzenden des 13. Senats und deshalb das gesamte Bayer. Landessozialgericht abgelehnt.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Prozessakten beider Rechtszüge, die erledigte Berufungsakte des Bayer. LSG (L 13 An 44/88) sowie die Verwaltungsakten der Beklagten. Auf ihren Inhalt wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der Senat konnte über den Rechtsstreit entscheiden. Er war ordnungsgemäß besetzt, da der vom Kläger abgelehnte Vorsitzende des Senats urlaubsbedingt an der mündlichen Verhandlung und Entscheidung nicht mitgewirkt hat. Soweit der Kläger gleichzeitig das gesamte Bayer. Landessozialgericht abgelehnt hat, ist diese Ablehnung missbräuchlich und muss nicht berücksichtigt werden (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, Kommentar, 23. Auflage 2002, § 42, Rn. 3 und 6, m.w.N.).
Nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist das Begehren des Klägers, das sich mit den Hinweisen im Bescheid vom 01.07.2000 zur Rentenerhöhung bzw. Rentenanpassung beschäftigt. Über diesen Teil des Widerspruchs vom 08.08.2000 (sog. Widerspruch II, siehe oben) hat die Beklagte bisher nicht entschieden. Insoweit hat der Käger in diesem Gerichtsverfahren keinen Antrag gestellt.
Der Antrag des Klägers, die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2000 zu verurteilen, das Ruhen des Verfahrens bezüglich des Bescheides vom 01.07.2000 anzuordnen, hilfsweise den Rechtsstreit wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip sowie wegen Nichtgewährung von rechtlichem Gehör dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, ist nicht begründet.
Nach § 42 Satz 1 SGB X kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Eine Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2000 kann der Kläger nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 31. Juli 2002 (B 4 RA 120/00 R) nicht mehr verlangen.
Der Erlass des Widerspruchsbescheides war fehlerhaft. Denn die Beklagte hatte sich wegen anhängiger Musterverfahren bereit erklärt, das Widerspruchsverfahren gegen die Rentenanpassung offen zu halten. Einwände hat der Kläger nicht erhoben. Um den Bescheid vom 01.07.2000 nicht bestandskräftig werden zu lassen, war der Kläger verpflichtet, Klage zum SG zu erheben. Der Kläger war durch den Widerspruchsbescheid auch beschwert, weil die Beklagte die im Widerspruchsverfahren eingetretene Sach- und Rechtslage nicht berücksichtigt hat. Würde der Widerspruchsbescheid nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens (SG, LSG, BSG) rechtskräftig, wäre der Kläger von einer späteren, positiven Entscheidung in den anhängigen Musterverfahren nicht mehr begünstigt. Insofern hatte der Kläger ein berechtigtes rechtliches Interesse, dass das Ruhen seines Verfahrens wieder hergestellt wird.
Entgegen der Ansicht des Klägers kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht. Voraussetzung dafür wäre, dass der Senat eine Vorschrift für verfassungswidrig erachtet, die für die Entscheidung des Rechtsstreits entscheidungserheblich ist. Der Kläger rügt aber eine Verletzung des Rechtsstaatsgebots und die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs. Ob Verstöße gegen Verfassungsrecht und einfaches Recht vorliegen, hat aber nicht allein das Bundesverfassungsgericht, sondern vorrangig jedes Gericht im Instanzenzug im Rahmen eines anhängigen Rechtsstreits zu prüfen. Der Erlass eines materiellen Bescheides (hier: Widerspruchsbescheides) trotz Zusage, das Verfahren ohne Entscheidung in der Sache offen zu halten, verstößt im Hinblick auf § 42 Satz 1 SGB X nicht gegen Verfassungsrecht. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht kommt daher nicht in Betracht.
Der Grund des Ruhens, wegen anhängiger Musterverfahren den Widerspruch gegen die Rentenanpassungsmitteilung vom 01.07.2000 offen zu halten, ist entfallen. Denn das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 31. Juli 2002 (B 4 RA 120/00 R) entschieden, dass die Rentenanpassung zum 01.07.2000 nach der Inflationsrate verfassungsgemäß ist. Die Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden (vgl. Beschluss vom 28.10. 2002, 1 BvR 1736/02). Damit ist das Urteil des BSG rechtskräftig. Eine Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2000 kommt damit nach § 42 Satz 1 SGB X nicht mehr in Betracht.
Jedoch kommt auch in der Sache eine andere Entscheidung nicht in Betracht, so dass die Berufung auch im 2. Hilfsantrag keinen Erfolg haben kann.
Das BSG hat im seinem Urteil vom 31.07.2002 (B 4 RA 120/00 R) die Vorschrift des § 255 c SGB VI für rechtmäßig erklärt. Die Regelung verstoße insbesondere nicht gegen den Eigentumsbegriff aus Art. 14 GG. Der vom Gesetzgeber vorgenommene Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG geschützte Teilhaberecht des Rentners auf systemgerechte Teilhabe an der Entwicklung der Löhne und Gehälter der aktiven Versicherten sei durch sachlich vertretbare Gründe gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe hier einen weiten Beurteilungsspielraum und eine große Gestaltungsfreiheit. Das Renteneigentum schütze den Rentner nicht vor der Absenkung seiner Rente, soweit die Entwicklung der Löhne und Gehälter der aktiv Versicherten eine entsprechende Entwicklung nehme. Die Eingriffsmöglichkeit des Gesetzgebers werde aber begrenzt durch die sog. Gesamtäquivalenz. Ein typischer Rentner müsse im Alter in etwa eine Alterssicherung erhalten, die im Großen und Ganzen seiner während seines aktiven Erwerbslebens zumindest durch Beiträge erbrachten Vorleistung für die Rentenversicherung Rechnung trage. Dem stimmt der Senat nach eigener Überprüfung zu.
Zudem ist die mit Wirkung zum 01.01.2000 eingeführte Vorschrift des § 255 c SGB VI durch Gesetz vom 21.03.2001 (BGBl I S. 403) mit Wirkung zum 27.03.2001 geändert worden. Danach ist die Rentenanpassung nach dem Inflationsausgleich auf den 01.07.2000 begrenzt worden. Im Jahre 2001 sind die Renten wieder nach den vorher gültigen Regeln angepasst worden, eine Beschwer über das Jahr 2000 hinaus ist damit entfallen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Streitig ist die Rentenanpassung zum 1. Juli 2000 sowie die vom Kläger gerügte Verfahrensweise der Beklagten.
Durch streitige Mitteilung vom 01.07.2000 passte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung des durch das Haushaltssanierungsgesetz vom 22.12.1999 (BGBl I S. 2534) eingefügten § 255 c SGB VI an. Danach werde die Rente zum 01.07.2000 und zum 01.07.2001 in der Weise angepasst, dass der aktuelle Rentenwert (West) und der aktuelle Rentenwert (Ost) - und damit der Umfang der jeweiligen Rentenanpassung - nach dem Verhältnis, in dem der Preisindex des jeweils vergangenen Kalenderjahres für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte im gesamten Bundesgebiet von dem des vorvergangenen Kalenderjahres abweiche ("Inflationsausgleich"), fortgeschrieben werde.
Der im Jahre 1932 geborene Kläger wandte sich mit Widerspruch vom 08.08.2000 gegen die Erhöhung seiner Rente zum 01.07.2000 nur in Höhe der Inflationsrate (Widerspruch I) sowie gegen die irreführende Mitteilung auf der Rückseite des Bescheides, insbesondere die falsche Berechnung bzw. die falsche Bezeichnung "Nettorentenerhöhung" bzw. "Nettorentenanpassung". Die Renten hätten sich seit 01.07.1998 nicht in dem Maße wie die Nettoarbeitsentgelte der Arbeitnehmer im zurückliegenden Jahr erhöht, vielmehr sei, bedingt durch die Erhöhung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die Nettorente zeitweise gesunken (Widerspruch II). Mit dem von der Beklagten vorgeschlagenen Ruhen, betreffend die Rentenanpassung zum 01.07.2000, erklärte sich der Kläger wegen der anhängigen Musterverfahren einverstanden, nicht aber bezüglich seines weiteren Widerspruchs II.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2000 wies die Beklagte dennoch den Widerspruch zurück. Das Begehren des Klägers, die Altersrente zum 01.07.2000 an die Nettolohnentwicklung der Arbeitnehmer anzupassen, könne keinen Erfolg haben. Nach der Begründung im Gesetzgebungsverfahren sollten auch die Rentnerinnen und Rentner an der solidarischen Anstrengung der ganzen Gesellschaft zu sparen und insbesondere die Altersvorsorge langfristig zu sichern, beteiligt werden. Die Rentenanpassungsverordnung vom 31.05.2000 (BGBl I S. 788) habe daher aufgrund gesicherter Daten des Vor- und Vorvorjahres eine Veränderung des Preisindex von 1998 zu 1999 von 0,6 v.H. festgestellt und die aktuellen Rentenwerte (West) bzw. (Ost) entsprechend fortgeschrieben. Die Regelung stehe auch mit dem Grundgesetz im Einklang.
Der Kläger hat seine zum Sozialgericht München (SG) erhobene Klage im Wesentlichen damit begründet, der Widerspruchsbescheid sei rechtswidrig und verstoße gegen das Rechtsstaatsgebot, da die Beklagte in ein am Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schwebendes Verfahren) eingegriffen habe. Er sei aufzuheben und das Verfahren dem BVerfG vorzulegen. Die Beklagte hat wegen der beim Bundessozialgericht (BSG) anhängigen Revisionen (B 4 RA 125/00 R, B 4 RA 120/00 R, B 4 RA 3/01 R) das Ruhen des Verfahrens beantragt.
Durch Urteil vom 10.07.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei mangels Klageart unzulässig, soweit sich die Beklagte an das BVerfG wenden solle bzw. soweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt werde. Soweit § 255 c SGB VI als verfassungswidrig angegriffen werde, stütze sich das SG vollinhaltlich auf das Urteil des Sächsischen LSG vom 10.10.2000, L 4 RA 76/99. Danach verstoße § 255 c SGB VI nicht gegen Art. 14 GG. Die Beschränkung der Anpassung der Renten auf einen Inflationsausgleich diene dem Gemeinwohlzweck. Auf diese Weise sollen auch die Rentner dazu beitragen, dass die Neuverschuldung des Bundes begrenzt werde und die Renten für die Zukunft finanziert werden könnten. Weiterhin solle die Belastung für die derzeit in Arbeit Stehenden auf einem erträglichen Maß gehalten werden. Damit liege die Entscheidung des Gesetzgebers im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums.
Die gewählte Lösung verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Zum einen sollten durch die Regelungen des Gesetzes zur Sanierung des Haushalts alle Bürger an den Sparmaßnahmen beteiligt werden. Zum anderen betreffe die Maßnahme alle Rentner in gleichem Umfang. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei eingehalten, denn die Maßnahme sei auf zwei Jahre beschränkt.
In seiner zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung rügt der Kläger im Wesentlichen Verstöße gegen das Rechtsstaatsgebot und Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie die Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs. Er habe sich mit dem Ruhen des Verfahrens, betreffend die Rentenanpassung zum 01.07.2000, einverstanden erklärt. Durch Erlass des Widerspruchsbescheides habe die Beklagte rechts- und verfassungswidrig in ein schwebendes Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingegriffen, das mit ihm vereinbarte Stillhalteabkommen gebrochen und die Zusicherung, es entstünden ihm durch das Ruhen keine Nachteile, verletzt. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe er einen solchen Bescheid durch sein Schreiben vom 14.10.2000 nicht veranlasst. Er habe einen Bescheid der Beklagten allein wegen des Widerspruchs II (Nettorentenanpassung bzw. Nettorentenerhöhung) gefordert, die Antwort darauf stehe bis heute aus. Streitgegenstand vor dem LSG sei allein die unverzügliche Weitergabe des Verfahrens an das BVerfG, nicht die Rentenanpassung in Höhe des Inflationsausgleichs zum 01.07.2000.
Der Kläger beantragt sinngemäß, a) das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.07.2001 sowie den Widerspruchsbescheid vom 23.11.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ruhen des Verfahrens bezüglich des Bescheides vom 01.07.2000 anzuordnen, hilfsweise b) den Rechtsstreit wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaats-prinzip sowie wegen Nichtgewährung von rechtlichem Gehör dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, weiter hilfsweise c) das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.07.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2000 zu verurteilen, den für die Rente maßgeblichen aktuellen Rentenwert zum 01.07.2000 nicht nach § 255 c SGB VI, sondern nach den bisherigen Vorschriften (vgl. §§ 68, 255 a SGB VI) anzupassen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.07.2001 zurückzuweisen.
Das Angebot der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2002, über den Widerspruch vom 08.08.2000 nochmals zu entscheiden, wenn über die Frage der Rentenanpassung rechtskräftig entschieden sei (vgl. BSG, B 4 RA 120/00 R), hat der Kläger nicht angenommen. Mit an diesen persönlich gerichteten Schreiben vom 16.03.2003 hat der Kläger den Vizepräsidenten Dr. G. als Vorsitzenden des 13. Senats und deshalb das gesamte Bayer. Landessozialgericht abgelehnt.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Prozessakten beider Rechtszüge, die erledigte Berufungsakte des Bayer. LSG (L 13 An 44/88) sowie die Verwaltungsakten der Beklagten. Auf ihren Inhalt wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der Senat konnte über den Rechtsstreit entscheiden. Er war ordnungsgemäß besetzt, da der vom Kläger abgelehnte Vorsitzende des Senats urlaubsbedingt an der mündlichen Verhandlung und Entscheidung nicht mitgewirkt hat. Soweit der Kläger gleichzeitig das gesamte Bayer. Landessozialgericht abgelehnt hat, ist diese Ablehnung missbräuchlich und muss nicht berücksichtigt werden (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, Kommentar, 23. Auflage 2002, § 42, Rn. 3 und 6, m.w.N.).
Nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist das Begehren des Klägers, das sich mit den Hinweisen im Bescheid vom 01.07.2000 zur Rentenerhöhung bzw. Rentenanpassung beschäftigt. Über diesen Teil des Widerspruchs vom 08.08.2000 (sog. Widerspruch II, siehe oben) hat die Beklagte bisher nicht entschieden. Insoweit hat der Käger in diesem Gerichtsverfahren keinen Antrag gestellt.
Der Antrag des Klägers, die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2000 zu verurteilen, das Ruhen des Verfahrens bezüglich des Bescheides vom 01.07.2000 anzuordnen, hilfsweise den Rechtsstreit wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip sowie wegen Nichtgewährung von rechtlichem Gehör dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, ist nicht begründet.
Nach § 42 Satz 1 SGB X kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Eine Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2000 kann der Kläger nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 31. Juli 2002 (B 4 RA 120/00 R) nicht mehr verlangen.
Der Erlass des Widerspruchsbescheides war fehlerhaft. Denn die Beklagte hatte sich wegen anhängiger Musterverfahren bereit erklärt, das Widerspruchsverfahren gegen die Rentenanpassung offen zu halten. Einwände hat der Kläger nicht erhoben. Um den Bescheid vom 01.07.2000 nicht bestandskräftig werden zu lassen, war der Kläger verpflichtet, Klage zum SG zu erheben. Der Kläger war durch den Widerspruchsbescheid auch beschwert, weil die Beklagte die im Widerspruchsverfahren eingetretene Sach- und Rechtslage nicht berücksichtigt hat. Würde der Widerspruchsbescheid nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens (SG, LSG, BSG) rechtskräftig, wäre der Kläger von einer späteren, positiven Entscheidung in den anhängigen Musterverfahren nicht mehr begünstigt. Insofern hatte der Kläger ein berechtigtes rechtliches Interesse, dass das Ruhen seines Verfahrens wieder hergestellt wird.
Entgegen der Ansicht des Klägers kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht. Voraussetzung dafür wäre, dass der Senat eine Vorschrift für verfassungswidrig erachtet, die für die Entscheidung des Rechtsstreits entscheidungserheblich ist. Der Kläger rügt aber eine Verletzung des Rechtsstaatsgebots und die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs. Ob Verstöße gegen Verfassungsrecht und einfaches Recht vorliegen, hat aber nicht allein das Bundesverfassungsgericht, sondern vorrangig jedes Gericht im Instanzenzug im Rahmen eines anhängigen Rechtsstreits zu prüfen. Der Erlass eines materiellen Bescheides (hier: Widerspruchsbescheides) trotz Zusage, das Verfahren ohne Entscheidung in der Sache offen zu halten, verstößt im Hinblick auf § 42 Satz 1 SGB X nicht gegen Verfassungsrecht. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht kommt daher nicht in Betracht.
Der Grund des Ruhens, wegen anhängiger Musterverfahren den Widerspruch gegen die Rentenanpassungsmitteilung vom 01.07.2000 offen zu halten, ist entfallen. Denn das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 31. Juli 2002 (B 4 RA 120/00 R) entschieden, dass die Rentenanpassung zum 01.07.2000 nach der Inflationsrate verfassungsgemäß ist. Die Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden (vgl. Beschluss vom 28.10. 2002, 1 BvR 1736/02). Damit ist das Urteil des BSG rechtskräftig. Eine Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2000 kommt damit nach § 42 Satz 1 SGB X nicht mehr in Betracht.
Jedoch kommt auch in der Sache eine andere Entscheidung nicht in Betracht, so dass die Berufung auch im 2. Hilfsantrag keinen Erfolg haben kann.
Das BSG hat im seinem Urteil vom 31.07.2002 (B 4 RA 120/00 R) die Vorschrift des § 255 c SGB VI für rechtmäßig erklärt. Die Regelung verstoße insbesondere nicht gegen den Eigentumsbegriff aus Art. 14 GG. Der vom Gesetzgeber vorgenommene Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG geschützte Teilhaberecht des Rentners auf systemgerechte Teilhabe an der Entwicklung der Löhne und Gehälter der aktiven Versicherten sei durch sachlich vertretbare Gründe gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe hier einen weiten Beurteilungsspielraum und eine große Gestaltungsfreiheit. Das Renteneigentum schütze den Rentner nicht vor der Absenkung seiner Rente, soweit die Entwicklung der Löhne und Gehälter der aktiv Versicherten eine entsprechende Entwicklung nehme. Die Eingriffsmöglichkeit des Gesetzgebers werde aber begrenzt durch die sog. Gesamtäquivalenz. Ein typischer Rentner müsse im Alter in etwa eine Alterssicherung erhalten, die im Großen und Ganzen seiner während seines aktiven Erwerbslebens zumindest durch Beiträge erbrachten Vorleistung für die Rentenversicherung Rechnung trage. Dem stimmt der Senat nach eigener Überprüfung zu.
Zudem ist die mit Wirkung zum 01.01.2000 eingeführte Vorschrift des § 255 c SGB VI durch Gesetz vom 21.03.2001 (BGBl I S. 403) mit Wirkung zum 27.03.2001 geändert worden. Danach ist die Rentenanpassung nach dem Inflationsausgleich auf den 01.07.2000 begrenzt worden. Im Jahre 2001 sind die Renten wieder nach den vorher gültigen Regeln angepasst worden, eine Beschwer über das Jahr 2000 hinaus ist damit entfallen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
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