L 12 KA 164/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 8831/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 164/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. Februar 2001 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2000 abgewiesen.
II. Die Kläger haben der Beklagten die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um die Erweiterung bzw. Aus- setzung des Praxisbudgets nach A I. Allgemeine Bestimmungen, Teil B des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM).

Die Kläger sind als praktische Ärzte in B. (Oberallgäu) in Gemeinschaftspraxis zugelassen. Im Quartal 3/97 hatten sie 1.190 budgetrelevante Behandlungsfälle. Dem daraus resultierenden Praxisbudget in Höhe von 1.087.881,2 Punkten standen Anforderungen in Höhe von 1.372.473,5 Punkten gegenüber. Damit ergab sich eine Quote von 79,266 %. Hinzu kamen folgende Zusatzbudgets: "Psychosomatik", "Phlebologie" und "Allergologie".

Mit Schreiben vom 22. Juni 1997 beantragten die Kläger u.a. die Erweiterung bzw. Aussetzung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets gemäß A I. Teil B Nr.4.3 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM (A I. B 4.3 EBM). Zur Begründung führten sie aus, im Quartal 4/95 habe der Beschwerdeausschuss die Betreuung einer im Vergleich zur Fachgruppe außergewöhnlich großen Zahl multimorbider Patienten durch regelmäßige Hausbesuche als Praxisbesonderheit anerkannt. Dies sei auch in den Folgequartalen so. Die Kläger betreuten pro Quartal ca. 100 multimorbide, überwiegend bettlägerige und/ oder demente Patienten kontinuierlich zu Hause. Ein großer Teil wohne in abgelegenen Gebieten ohne öffentliche Verkehrsmittel und ohne Arztpraxis am Ort. Hinzu komme die Höhenlage zwischen 800 und 1.200 m mit Schnee von Oktober bis Anfang Mai. Daraus resultiere ein erhöhter Bedarf insbesondere bei den EBM-Nummern 25 und 14.

Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 28. Oktober 1997 ab. Für die genannten Leistungen sei eine Erweiterung des Praxisbudgets nicht vorgesehen. Werde ein Arzt verstärkt in einem Leistungsbereich tätig, könne er andere ärztliche Leistungen nur in entsprechend geringerem Umfang erbringen, so dass das insgesamt zur Verfügung stehende Praxisbudget grundsätzlich nicht geändert werden müsse.

Die Kläger haben dagegen mit Schriftsatz vom 15. November 1997 Widerspruch eingelegt und u.a. zur Begründung vorgetragen, bei der Betreuung von Patienten in beschützenden Einrichtungen werde ein besonderer Versorgungsbedarf nach A I. B 4.3 EBM angenommen, nicht aber für die weit aufwendigere kontinuierliche Betreuung derselben Patientengruppe zu Hause, wie die deutliche Höherbewertung der EBM-Nr.14 gegenüber EBM-Nr.15 zeige. Die Kläger hätten ihren diesbezüglichen besonderen Versorgungsbedarf bereits im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nachgewiesen. Dem werde durch den höheren Fallwert Rentner bei der Budgetberechnung nicht hinreichend Rechnung getragen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 1998 zurück. Leistungspositionen des EBM seien Bestandteil der Praxisbudgets, wenn sie Standardleistungen der Arztgruppe darstellten. Hausbesuche und die kontinuierliche hausärztliche Betreuung im Sinne von EBM-Nr.14 gehörten zum normalen Leistungsspektrum und seien daher bei der Berechnung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahlen des Praxisbudgets mit einbezogen; insbesondere werde der erhöhte Leistungsbedarf bei den Rentnern durch entsprechend höhere Fallpunktzahlen berücksichtigt. Hausbesuche und die kontinuierliche hausärztliche Betreuung im Sinne von EBM-Nr.14 seien persönliche Leistungen, so dass während dieser Zeit keine anderen Leistungen erbracht werden könnten und das insgesamt zur Verfügung stehende Budget grundsätzlich nicht geändert werden müsse. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung festgestellte Tatbestände seien nicht einem besonderen Versorgungsbedarf nach A I. B 4.3 EBM gleichzusetzen.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München mit dem Az.: S 38 KA 1247/98 führten die Kläger u.a. aus, die Beklagte habe den Nachweis eines besonderen Versorgungsbedarfs nicht beachtet. Ihre formalen Argumente bezögen sich auf Sachverhalte, die mit den Anträgen und der Realität der Patientenbetreuung nichts zu tun hätten. Die Beklagte instrumentalisiere den ab 01.07.1997 gültigen EBM dazu, der Praxis die vorher bestehenden Chancen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung mit der Möglichkeit zur individuellen Rechtfertigung und zur Berücksichtigung der Gesamtwirtschaftlichkeit vorzuenthalten. In der Sitzung der 38. Kammer des Sozialgerichts München (SG) am 28. Juni 2000 wies der Vorsitzende darauf hin, dass dem angefochtenen Widerspruchsbescheid die tragenden Gründe der vorgenommenen Ermessensentscheidung nicht zu entnehmen seien. Es erscheine abwegig, die Budgeterweiterung mit dem Argument abzulehnen, dass ein Arzt, der in einem Leistungsbereich verstärkt tätig sei, andere Leistungen nur im geringeren Umfang erbringen könne. Die Beklagte hätte die Besonderheiten des Einzugsgebietes der klägerischen Praxis in Betracht ziehen müssen. Daraufhin erklärte sich die Beklagte im Vergleichswege bereit, nochmal in eine Prüfung einzutreten, ob die Kläger einen Anspruch auf Erweiterung oder Aussetzung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs gemäß A I. B 4.3 EBM hätten und hierüber bis 1. Oktober 2000 einen rechtsbehelfsfähigen Widerspruchsbescheid zu erteilen.

In Ausführung des Vergleichs hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2000 den Widerspruch der Kläger erneut zurückgewiesen. Im Planungsbereich "Oberallgäu" würden Hausbesuche nach EBM-Nr.25 von 95 weiteren Allgemeinarztpraxen erbracht und die Leistung nach EBM-Nr.14 von 69 weiteren Allgemeinarztpraxen durchschnittlich 714-mal. Im Bereich der Gemeinde B. erbrächten zwei weitere Allgemeinarztpraxen die EBM-Nrn.14 und 25. Ein besonderer Versorgungsbedarf liege insoweit bei den Klägern wegen der sichergestellten vertragsärztlichen Versorgung im Planungsbereich nicht vor.

Die Kläger haben daraufhin erneut das Sozialgericht angerufen (Az.: S 38 KA 8831/00) und zur Begründung u.a. ausgeführt, offenbar werde die Versorgung des weit überwiegenden Teils der multimorbiden, dementen Patienten zu Hause von einer Minorität der insgesamt an der Versorgung teilnehmenden Praxen sichergestellt. Die Mehrheit der Praxen versorge durchschnittlich pro Quartal deutlich weniger als zehn solcher Patienten. Eine Gegenüberstellung von Leistungserbringern und geschätztem Leistungsbedarf sei auf dieser Grundlage nicht möglich. Die Kläger erbrächten fast 10 % des gesamten Versorgungsbedarfs der spezifischen Betreuungsleistung nach EBM-Nr.14. Diese Arbeit sei ein Schwerpunkt der Praxistätigkeit.

Die Beklagte hat im Zuge des Klageverfahrens eine Aufstellung vorgelegt, aus der hervorgeht, dass die von den Klägern für EBM-Nrn.14 und 25 angeforderten Punkte in den Quartalen 3/97 bis 2/98 13,9 % ihrer Gesamtanforderungen ausmachten.

Das SG hat mit Urteil vom 21. Februar 2001 den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2000 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag der Kläger auf Erweiterung oder Aussetzung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs gemäß A I. B 4.3 EBM (Hausbesuche, Nr.14 EBM) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. In den Urteilsgründen führt es aus, A I. B 4.3 sei entsprechend ihrem Sinn und Zweck als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Nur einzelne Ärzte der Arztgruppe mit einem speziellen Leistungsspektrum, das den Schwerpunkt der Praxis bilde und die deshalb durch die Budgetierung besonders betroffen würden, könnten dafür einen Ausgleich erhalten. Da es sich nach dem eindeutigen Wortlaut bei der vorgenannten Bestimmung um eine Ermessensvorschrift handele, könne das Gericht trotz Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen selber keine Budgeterweiterung gewähren. Es sei unerheblich, dass im Katalog der "Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997" (DÄBl 1997, A 403 f.) die EBM-Nummern 14, 25 nicht genannt seien, denn es handele sich bei dieser Aufzählung um eine Interpretationshilfe mit beispielhaft genannten Fallgruppen, bei denen im Einzelfall ein konkret nachgewiesener besonderer Versorgungsbedarf angenommen werden könne. Das bedeute, dass die Ausnahmevorschrift A I. B 4.3 EBM grundsätzlich auch für andere Leistungen in Betracht zu ziehen sei. Die Argumentation der Beklagten, wonach Leistungen, die Bestandteil des Praxisbudgets seien und von der Mehrheit der Arztgruppe erbracht würden, nicht zu einer Budgeterweiterung führen könnten, überzeuge das Gericht nicht. Es handele sich nicht um ein taugliches Kriterium um einen "besonderen Versorgungsbedarf" festzustellen, denn dann würde die Ausnahmeregelung der Nr.4.3 so gut wie nie zur Anwendung gelangen. Andererseits sei es richtig, dass Praxisbesonderheiten im Sinne der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht "per se" zu einer Erweiterung des Budgets führten. Die Beklagte habe zwar dargelegt, wie viele Ärzte die klägerseits geltend gemachten Leis- tungen erbrächten. Die genannte Zahl zum durchschnittlichen Ansatz bei den übrigen Ärzten lasse sich jedoch nicht verifizieren. Die Beklagte werde deshalb nochmals ermitteln müssen, in welchem Umfang andere Ärzte durchschnittlich im Planungsbereich die EBM-Nr.14 im Zusammenhang mit der EBM-Nr.25 erbrächten. Die in der mündlichen Verhandlung übergebene Liste betreffend die Abrechnungshäufigkeit der EBM-Nr.14 in der Zeit von 1/97 bis 2/00 deute darauf hin, dass die klägerische Praxis erheblich von der Fachgruppe abweiche, was die Frequenz der EBM-Nr.14 betreffe. Für die Betreuung von multimorbiden, dementen Patienten in beschützenden Einrichtungen sei eine Ausnahmeregelung geschaffen worden und das Praxisbudget für EBM-Nr.15 ausgesetzt worden. Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten (Art.3 Abs.1 Grundgesetz -GG-) könne es keinen Unterschied machen, ob multimorbide demente Patienten in einer Einrichtung oder zu Hause kontinuierlich vom Arzt betreut würden. Das Gericht interpretiere das Urteil des BayLSG vom 7. Februar 2001, Az.: L 12 KA 60/99, dahingehend, dass bei einem Anteil der speziellen Leistungen von über 10 % am Gesamthonorarvolumen von einem Praxisschwerpunkt gesprochen werden könne. Nach der von der Beklagten vorgelegten Übersicht liege der Anteil der EBM-Nrn.14 und 25 an den Gesamtleistungen in den Quartalen 3/97 bis 3/98 zwischen 12,45 und 14,68 %. Auch das spreche dafür, dass es sich um einen Schwerpunkt der Praxistätigkeit handele.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Mai 2001 (Az.: B 6 KA 53/00 R) sei die Festschreibung einer bestimmten Behandlungsausrichtung oder Praxisstruktur mit den Grundanliegen der Einführung von Praxisbudgets nicht vereinbar. Angesichts der auf spezielle Leistungen zugeschnittenen qualifikationsabhängigen Zusatzbudgets bestehe nur noch in besonders gelagerten Fällen eine Notwendigkeit, für die Erweiterung der Praxisbudgets zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs. Das sei der Fall, wenn die Einzelpraxis eine von der Typik der Arztgruppe nachhaltig abweichende Praxisausrichtung, einen besonderen Behandlungsschwerpunkt bzw. eine Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebiets aufweise, für das der Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei, und wenn diese besonderen Leistungen zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs notwendig seien. Die Tatsache, dass ein Arzt bestimmte Leistungen in der Vergangenheit (mit Billigung der Wirtschaftlichkeitsprüfinstanzen) häufiger als der Durchschnitt der Fachgruppe erbracht habe, reiche hierfür nicht aus. Nach der Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets vom 19. November 1996 könnten die Budgets auf Antrag des Vertragsarztes insbesondere dann erweitert oder ausgesetzt werden, wenn einer der in dieser Vereinbarung genannten Krankheitsfälle bzw. Tatbestände vorliege. Aus der dort gewählten Formulierung "insbesondere" ergebe sich zwar, dass die Aufzählung in Nr.4 der Vereinbarung nicht abschließend sei. Andererseits könne aus Gründen der Gleichbehandlung eine Erweiterung oder Aussetzung des Praxis- und/oder Zusatzbudgets nach A I. B 4.3 EBM regelmäßig nur dann erfolgen, wenn es sich um Tatbestände handele, die mit den in Nr.4 der Vereinbarung genannten vergleichbar seien. Eine Budgeterweiterung komme nur bei der Übernahme der Behandlung von bestimmten schwerwiegenden Gesundheitsstörungen oder spezifischen Betreuungsleistungen in einem quantitativ relevanten Ausmaß in Betracht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. März 2000, Az.: B 6 KA 64/99 B). Es müsse sich also um eine für die Arztgruppe atypische Praxisbesonderheit handeln, die den Schwerpunkt der Praxistätigkeit bilde, für die ein besonderer Versorgungsbedarf bestehe und die durch A I. B 4.1 und 4.2 EBM und die in der Vereinbarung genannten Beispielsfälle noch nicht berücksichtigt sei. Zwar sei in A I. B 4.2 EBM ein bedarfsabhängiges Zusatzbudget für die Betreuung schwerkranker Patienten in beschützenden Einrichtungen vorgesehen, und die häusliche Betreuung nach EBM-Nr.15 sei damit wohl vergleichbar, doch gehörten die Leistungen nach EBM-Nrn.14, 25 zu den Standardleistungen der Allgemeinmediziner/praktischen Ärzte, die mit dem Praxisbudget abgegolten würden, denn sie würden von allen Ärzten dieser Arztgruppe im betreffenden Planungsbereich ebenfalls erbracht, wenn auch in geringerer Häufigkeit als von den Klägern. Im Gegensatz zum SG interpretiere die Beklagte das Urteil des LSG (Az.: L 12 KA 60/99) in Gesamtschau mit dem Urteil des BSG (Az.: B 6 KA 53/00 R) so, dass bei einem Anteil von bestimmten Leistungen von über 10 % am Gesamt- honorarvolumen nicht schon automatisch von einem Schwerpunkt gesprochen werden könne. Vielmehr müsse es bei der vom BSG in seiner Entscheidung vom 6. September 2000 (BSGE 87, 112) festgelegten Grenze bleiben, wonach auf den als Praxisschwerpunkt geltend gemachten Leisstungsbereich mindestens 20 % der abgerechneten Gesamtpunktzahl entfallen müssten. Das gelte umso mehr, als es hier nicht um eine etwaige Erweiterung eines Zusatzbudgets, sondern um die Erweiterung des allgemeinen Praxisbudgets gehe. Ein Zusatzbudget sei für EBM-Nrn.14, 25 nun mal nicht vorgesehen. Wie im Urteil des SG festgestellt, liege der Anteil der EBM-Nrn.14 und 25 bei den Klägern weit unter 20 %, so dass von einem Schwerpunkt der Praxistätigkeit nicht ausgegangen werden könne. Zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs in B. seien die von den Klägern erbrachten Leistungen nach EBM-Nrn.14, 25 nicht erforderlich, da sie von den anderen in B. niedergelassenen Hausärzten ebenfalls angeboten würden. Wie das BSG in seinem Urteil vom 16. Mai 2001 (a.a.O.) feststelle, schließe der mehrstufige Aufbau von allgemeinem Praxisbudget, qualifikationsgebundenem Zusatzbudget, bedarfsabhängigen Zusatzbudgets und den Ansprüchen auf Erweiterung von Praxis- und/ oder Zusatzbudgets gemäß A I. B 4.3 EBM eine Auslegung dieser Vorschrift in dem Sinne aus, dass jedem Arzt die bestehende Ausrichtung seiner Behandlungstätigkeit schlechthin ohne Einbuße beim Honorar auf Dauer garantiert werden könne.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. Februar 2001 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 28. Oktober 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 26. Oktober 2000 abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des SG mit dem Az.: S 38 KA 8831/00 sowie die Berufungsakte mit dem Az.: L 12 KA 164/01 vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf die ergänzend Bezug genommen wird. Außerdem wurden Häufigkeitsstatistiken und Gesamtübersichten betreffend die Quartale 3/97 bis 2/02 beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Beklagte hat den Antrag der Kläger auf Erweiterung ihres Praxisbudgets zu Recht abgelehnt.

Der Bewertungsausschuss hat mit Beschlüssen vom 19. November 1996 und 11. März 1997 in den Allgemeinen Bestimmungen A I. Teil B EBM auf der Grundlage des § 87 Abs.2 Satz 1 i.V.m. Abs.2a Satz 1, 2 und 8 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Fassung des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes vom 23. Juni 1997 - BGBl.I S.1520 - mit Wirkung vom 1. Juli 1997 ein System von Praxis- und Zusatzbudgets eingeführt (DÄBl.1997, A S.864 ff.). Danach unterliegen die im EBM enthaltenen ärztlichen Leistungen nach Maßgabe näherer Bestimmungen je Arztpraxis und Abrechungsquartal für die in A I. B Nr.1.5 genannten Arztgruppen einer fallzahlabhängigen Budgetierung (A I. B 1.). Dazu gehören insbesondere auch die Allgemeinärzte, praktischen Ärzte. Diese Budgetregelungen sind so ausgestaltet, dass für die betroffenen Arztgruppen drei verschiedene Leistungsbereiche gebildet werden. Der Großteil der Leistungen (ca. 70 %, "grüner Bereich") fällt in das (allgemeine) Praxisbudget. Dabei handelt es sich um das Behandlungsspektrum, das von der jeweiligen Arztgruppe typischerweise abgedeckt wird. Daneben sind bestimmte ärztliche Leistungspositionen einzelnen arztgruppenspezifischen Zusatzbudgets ("gelber Bereich") zugewiesen (Nr.1.3 und Nr.4 a.a.O.), die ca. 10 % des Leistungsspektrums ausmachen. Ein noch verbleibender, etwa 20 % ausmachender Leistungsbereich bleibt unbudgetiert ("roter Bereich"). Einige nur auf Überweisung in Anspruch genommene oder hoch spezialisierte Arztgruppen sind von der Budgetierung gänzlich unberührt. Gegen diese bereits in der Gebührenordnung enthaltenen Budgets bestehen nach der inzwischen gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung keine rechtlichen Bedenken (Urteile des BSG vom 8. März 2000, SozR 3-2500 § 87 Nr.23; vom 16. Mai 2001, SozR 3-2500 § 87 Nr.30 und Nr.31). Auch der erkennende Senat hat die Budgetregelungen des Teil B der Allgemeinen Bestimmungen des EBM in ständiger Rechtsprechung für rechtens erachtet (Urteil vom 16. Mai 2001, Az.: L 12 KA 147/99; vom 13. März 2002, Az.: L 12 KA 124/00 und Az.: L 12 KA 14/01; vom 10. Oktober 2001, Az.: L 12 KA 87/00; vom 10. April 2002, Az.: L 12 KA 53/00; vom 10. April 2002, Az.: L 12 KA 145/00; vom 26. Juni 2002, Az.: L 12 KA 92/01; vom 26. Februar 2003, Az.: L 12 KA 35/02).

Die Kläger, die als praktische Ärzte zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind und deshalb gemäß A I. B 1. i.V.m. 1.5 EBM der Budgetierung unterliegen, erreichen dadurch bei den in das allgemeine Praxisbudget ("grüner Bereich") fallenden Leistungen nur eine Auszahlungsquote von 79,266 %. Dagegen wenden sie sich mit der Begründung, sie betreuten schwerkranke Patienten, insbesondere demenzkranke, zu Hause, die alternativ in beschützenden Einrichtungen untergebracht werden müssten. Tatsächlich liegt die Abrechnungshäufigkeit der EBM-Nr.14 bei den Klägern ausweislich der beigezogenen Häufigkeitsstatistiken deutlich über dem Abrechnungsumfang der Ärzte der Vergleichsgruppe (drei- bis vierfache Abrechnungsfrequenz), und auch bei den damit verbundenen Besuchsleistungen (EBM-Nr.25) sind deutliche Durchschnittsüberschreitungen feststellbar. Bei der EBM-Nr.14 in der damals gültigen Fassung handelt es sich um die kontinuierliche haus- oder nervenärztliche, psychiatrische oder neurologische Betreuung eines in der familiären bzw. häuslichen Umgebung versorgten - Demenzkranken (z.B. fortgeschrittener Morbus Alzheimer, fort geschrittene vaskuläre cerebrale Demenz), - mehrfach behinderten Kindes oder Jugendlichen (z.B. spasti sche Di- oder Tetraplegie) und/oder - andauernd Betreuungsbedürftigen, geistig Behinderten, einschließlich Anleitung und Führung durch Bezugs- und Betreuungsperson(en), einschließlich aller Koordinierungsmaßnahmen mit ggf. einbezogenen sozialen Diensten, einmal im Behandlungsfall ... 1.800 Punkte. Für diese Gebührenordnungsposition ist im Gegensatz zur EBM-Nr.15, die die Betreuung in Pflege- und Altenheimen betrifft und nur mit 800 Punkten bewertet ist, kein qualifikationsgebundenes oder bedarfsabhängiges Zusatzbudget vorgesehen. Vielmehr erfolgt die Vergütung zu Lasten des allgemeinen Praxisbudgets nach A I. B 1.2 EBM.

Eine Erhöhung des Honorars im Hinblick auf diese Leistungsziffer ist demnach nur über A I. B Nr.4.3 EBM möglich, die die Überschrift "Gewährleistung der Sicherstellung bei besonderem Versorgungsbedarf" trägt. Danach kann die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets gewähren. Im vorliegenden Fall kann es nur um eine Erweiterung des Praxisbudgets gehen, da, wie bereits erwähnt, für die EBM-Nr.14 kein Zusatzbudget vorgesehen ist. Die Parteien des Bundesmantelvertrags haben zu A I. B 4.3 EBM in der Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 (DÄBl.94, Seite A-403) unter Nr.4 festgelegt, diese Vorschrift werde dahingehend ausgelegt, dass eine Budgeterweiterung oder -aussetzung insbesondere dann erfolgen könne, wenn nachfolgend genannte Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellten: - Betreuung von HIV-Patienten, - onkologische Erkrankungen, - Diabetes, - Mukoviszidose, - Schmerztherapie (Teilnehmer an der Schmerztherapievereinba rung), - kontinuierliche Patientenbetreuung in beschützenden Einrich tungen, - erheblich über dem Arztgruppendurchschnitt liegender Überwei sungsanteil. Ob die Voraussetzungen für die Aussetzung und/oder Erweiterung des Praxisbudgets oder einzelner Zusatzbudgets gemäß A I. B 4.3 EBM i.V.m. dieser Vereinbarung vorliegen, ist entgegen der Auffassung des SG von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen (vgl. Urteil des BSG vom 16. Mai 2001, SozR 3-2500 § 87 Nr.31; Urteile des Senats vom 13. März 2002, Az.: L 12 KA 124/00 und L 12 KA 14/01; vom 10. April 2002, Az.: L 12 KA 145/00). Eine Zurückverweisung an die Beklagte zur Prüfung, ob die vorgenannten Bedingungen insbesondere auch im Hinblick auf den klägerischen Vortrag im Gerichtsverfahren erfüllt sind, ist demnach nicht möglich. Vielmehr muss das Gericht selber prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Wenn es so ist, hat die Beklagte lediglich hinsichtlich des Umfangs der vorzunehmenden Budgeterweiterung bzw. -aussetzung einen Ermessensspielraum.

Im vorliegenden Fall führt die Überprüfung durch den Senat zu dem Ergebnis, dass die Kläger keinen Anspruch auf Aussetzung oder Erweiterung des Praxisbudgets im Hinblick auf die Betreuung von Pflegebedürftigen gemäß EBM-Nr.14 haben. In der o.g. Vereinbarung (DÄBl.94, S. A-403) ist dieser Tatbestand nicht aufgeführt, doch ist die dortige Aufstellung nicht abschließend ("insbesondere"). Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 16. Mai 2001, SozR 3-2500 § 87 Nr.31, die Erweiterung eines qualifikationsabhängigen Zusatzbudgets von einer nachhaltig von der Typik der Arztgruppe abweichenden Praxisausrichtung, einem besonderen Behandlungsschwerpunkt bzw. der Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebiets abhängig gemacht. Zwar ging es in diesem Urteil um die Erweiterung eines Zusatzbudgets, doch gilt der Leitsatz auch für die Erweiterung bzw. Aussetzung des allgemeinen Praxisbudgets, wie sich ausdrücklich aus dem Beschluss in der BSG vom 2. Juli 2001 (Az.: B 6 KA 104/01 B) ergibt. Im vorliegenden Fall kann von einer nachhaltig von der Typik der Arztgruppe abweichenden Praxisausrichtung nicht die Rede sein. Die EBM-Nr.14, auf die die Budgetüberschreitung der Kläger zurückgeht, und mit der sie (i.V.m. EBM-Nr.25) ihren Antrag auf Erweiterung des Budgets begründen, ist für die Fachgruppe der Allgemeinärzte/praktischen Ärzte eine absolut typische Leistung und wird in den Quartalen 3/97 bis 2/02, von denen die Häufigkeitsstatistiken vorliegen, von etwa 60 % der Ärzte der Fachgruppe ebenfalls erbracht. Richtig ist allerdings, dass die Kläger die EBM-Nr.14 in einem wesentlich größeren Umfang (zumeist mehr als 200 % über dem Fachgruppenwert) als ihre Fachkollegen erbringen. Daraus kann indessen nicht auf einen besonderen Behandlungsschwerpunkt bzw. die Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebiets geschlossen werden. Die Kläger weisen insgesamt ein breites Leistungsspektrum auf, so dass eine Spezialisierung auf einen Teilbereich des allgemeinärztlichen Fachgebiets nicht erkennbar ist. Auch vom Abrechnungsvolumen her erreicht die EBM-Nr.14 (und dazu die entsprechende Anzahl von Leistungen nach EBM-Nr.25) nicht ein solches Ausmaß, dass von einem Praxisschwerpunkt gesprochen werden müsste. Vielmehr liegt der Anteil der auf EBM-Nr.14 und dazu jeweils sechs Besuche nach Nr.25 entfallenden Punkte an der Gesamtanforderung (vor Budgetierung) nach der (unbestrittenen) Aufstellung der Beklagten in den Quartalen 3/97 bis 2/98 bei durchschnittlich 13,19 %. Das SG hat einen Praxisschwerpunkt im Sinne der Nr.4.3 a.a.O. schon dann für gegeben erachtet, wenn die entsprechenden Leistungen mehr als 10 % des Gesamtabrechnungsvolumens ausmachen und sich dabei auf ein Urteil des Senats vom 7. Februar 2001 (Az.: L 12 KA 60/99) bezogen. Diese Begründung überzeugt indessen nicht, denn in dem genannten Urteil hatte der Senat lediglich festgestellt, dass von einem Praxisschwerpunkt nicht die Rede sein könne, in einem Fall, wo der Anteil nur etwa bei maximal 4,7 %, also "deutlich unter 10 %" lag. Das erlaubt nicht den Umkehrschluss, dass bei einem Anteil ab 10 % grundsätzlich ein Praxisschwerpunkt anzunehmen sei. Das würde nämlich bedeuten, dass bei häufig erbrachten Leistungen (z.B. EBM-Nr.1) immer und bei allen Ärzten ein Praxisschwerpunkt vorläge, so dass dieses Kriterium zur Abgrenzung für die Anwendbarkeit der Nr.4.3 (a.a.O.) offenkundig allein nicht geeignet ist. Das Bundessozialgericht hatte in seiner Rechtsprechung zu den ab 3/96 geltenden Teilbudgets (SozR 3-2500 § 67 Nr.26), einen "Versorgungsschwerpunkt" nur dann angenommen, wenn auf den als solchen geltend gemachten Leistungsbereich ein Anteil von mindestens 20 % der von der Praxis abgerechneten Gesamtpunktzahl entfiel. Daran hat es in seinem Urteil vom 16. Mai 2001 (SozR 3-2500 § 87 Nr.31) zwar nicht mehr festgehalten, im Hinblick auf die ganz andere Struktur der Budgetierung in dem ab dem 3. Quartal 1997 geltenden EBM. Dies wurde aber damit begründet, dass die Vielzahl der Zusatzbudgets nach A I. B 4.1 und 4.2 EBM n.F., deren vielfach geringes Leistungsvolumen und die Möglichkeit einer Praxis mehrere Zusatzbudgets in Anspruch zu nehmen, es nur selten zulasse, dass ein Arzt allein mit Leistungen aus einem einzigen Zusatzbudget 20 % der Gesamtpunktzahl seiner Praxis erreiche. Das BSG befasst sich in diesem Urteil demnach entsprechend dem Streitgegenstand ausdrücklich und allein mit der Erweiterung von Zusatzbudgets über Nr.4.3 a.a.O. Bezüglich des allgemeinen Praxisbudgets (in das 70 % der Gesamtanforderungen fallen s.o.) werden zu dieser Frage keine Aussagen gemacht. Die Formulierung, dass die 20-%-Grenze der Rechtsprechung zu den früheren Teilbudgets auf die Erweiterung der Zusatzbudgets "nicht uneingeschränkt übertragen werden könne", spricht eher dafür, dass bei der Beurteilung eines Praxisschwerpunktes bzw. einer Spezialisierung auf einem Teilgebiet des Fachgebietes (zumindest) die 20-%-Grenze durchaus weiterhin gelten kann. Der Senat hält jedenfalls im vorliegenden Fall bei einem weit unter 20 % liegenden Anteil der zur Begründung der Budgeterweiterung herangezogenen Leistungen einen Praxisschwerpunkt im Sinne von A I. B 4.3 EBM nicht für gegeben. Eine spezielle Ausrichtung der Praxis der Kläger auf die häusliche Betreuung von schwerpflegebedürftigen Patienten ist nicht zu erkennen.

Die Tatsache, dass die Prüfinstanzen in früheren Quartalen bei den Klägern insoweit das Vorliegen einer Praxisbesonderheit anerkannt haben und den Leistungsumfang bei EBM-Nr.14 i.V.m. den dazu gehörenden Besuchsleistungen als nicht unwirtschaftlich erkannt haben, begründet keinen Anspruch der Kläger auf Budgeterweiterung. Der Begriff der Praxisbesonderheit im Sinne der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist nicht gleichbedeutend mit dem Praxisschwerpunkt im Sinne von A I. B 4.3 EBM. Vielmehr sind daran wesentlich strengere Anforderungen zu knüpfen. Das BSG schließt aus dem oben dargelegten gestuften Aufbau der Budgetstruktur des EBM, dass es sich bei der Budgeterweiterung nach A I. B 4.3 EBM um eine eng auszulegende Ausnahmeregelung handelt, die insbesondere nicht so ausgelegt werden kann, dass jedem Arzt die bestehende Ausrichtung seiner Behandlungstätigkeit schlechthin ohne Einbuße beim Honorar auf Dauer garantiert werden müsste, denn dies würde dem Grundanliegen der Einführung der Praxisbudgets widersprechen, mit denen der zu beobachtenden Mengenentwicklung bei den ärztlichen Leistungen entgegengewirkt werden soll (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr.31).

Nach allem hat die Beklagte zu Recht die Erweiterung des Praxisbudgets der Kläger abgelehnt. Sie ist auch nicht verpflichtet, hierüber erneut zu entscheiden. Das anders lautende Urteil des SG war deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs.4 Satz 2 SGG in der hier noch anzuwendenden Fassung des Art.15 Nr.2 des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 (BGBl.I S.2266).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich; insbesondere besteht keine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits, da die mit der Einführung der Budgetierung zusammenhängenden Rechtsfragen vom Bundessozialgericht in den zitierten Entscheidungen (unter anderem SozR 3-2500 § 87 Nr.31) umfassend geklärt wurden.
Rechtskraft
Aus
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