L 4 KR 89/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 3 KR 529/00 LW
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 89/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. März 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger während seiner Strafhaft weiterhin Mitglied der Beklagten geblieben war bzw. ob er als Mitglied Beiträge in dieser Zeit zu entrichten hatte.

Der 1951 geborene Kläger ist Eigentümer eines bäuerlichen Betriebes mit 8,3 ha Land- und nicht ganz 1 ha Forstwirtschaft. Als Kraftfahrer war er seit 16.09.1996 bei der AOK Bayern bis 01.05.1998 pflichtversichert und anschließend freiwillig bis 05.08.1998, worüber die Beklagte zunächst von der AOK nicht unterrichtet wurde. Gleichfalls seit dem 02.05.1998 ist seine Ehefrau dort freiwillig als Selbständigeerwerbstätige versichert mit Anspruch auf Familienversicherung für den gemeinsamen Sohn. Sie führte daneben seit diesen Datum den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers fort, weil dieser zu diesem Zeitpunkt zunächst als Untersuchungshäftling inhaftiert war und am 06.08.1998 seine eigentliche Strafhaft antrat. Als Häftling wurde er nicht zu einer krankenversicherungspflichtigen Beschäftigung herangezogen. Auch wurde ihm kein Freigang bewilligt.

Mit Bescheid vom 21.02.2000 stellte die Beklagte rückwirkend zum 06.08.1998 die Mitgliedschaft des Klägers als Unternehmer fest und forderte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einer Gesamthöhe von 5.382,80 DM.

Dagegen erhob der Kläger am 07.03.2000 Widerspruch, was zunächst zur Stundung führte und zu dem Abhilfebescheid vom 26.07.2000. Darin ist für die Zeit der eigentlichen Strafhaft ab 06.08.1998 zunächst bis 30.06.2000 die Forderung auf 2.293,44 DM verringert worden, weil in Anwendung des § 67 Abs.2 KVLG die Beiträge in der Pflege- und Krankenversicherung auf ein Drittel herabgesenkt wurden, da der klägerische Leistungsanspruch während der Haft ruhe und auch keine berechtigten Familienangehörigen vorhanden wären. Im Übrigen wurde der Widerspruch am gleichen Tage zurückgewiesen, weil die Unternehmereigenschaft auch während der Strafhaft fortbestehe. Bezüglich der freiwilligen Mitgliedschaft bei der AOK verbleibe es bei der getroffenen Regelung.

Dagegen hat der Kläger am 24.08.2000 Klage erheben und vortragen lassen, dass er während der Haft einerseits ausreichend für den Krankheitsfall versorgt sei, andererseits Leistungen der Beklagten nicht in Anspruch nehmen könne, so dass er nicht weiter Mitglied sei bzw. nicht zur Beitragszahlung herangezogen werden könne. Insoweit sei er im Vergleich zu den anderen inhaftierte Arbeitnehmern benachteiligt, die solche Beiträge nicht zu entrichten hätten.

Nachdem der Kläger am 29.01.2001 aus der Strafhaft entlassen worden ist, hat er seinen Klagenantrag auf den Zeitraum 06.08.1998 bis 29.01.2001, in dem er das Bestehen der Versicherungs- und Beitragspflicht in der Krankenversicherung und Pflegeversicherung verneint, begrenzt. Dem ist das Sozialgericht im Urteil vom 20.03.2002 nicht gefolgt und hat die Klage unter Berufung auf die Begründung des Widerspruchsbescheides abgewiesen, weil das landwirtschaftliche Unternehmen auch während der Haft weiter bestanden habe.

Gegen das am 19.04.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger, von dessen Ehefrau inzwischen die gesamte Beitragsforderung bis einschließlich 29.01.2001 beglichen worden war, am 23.04.2002 Berufung einlegen und vortragen lassen, dass die Gleichwertigkeit seiner Gesundheitsfürsorge in der Haft die Versicherung bei der Beklagten überflüssig gemacht habe. Durch sie werde das Äquivalenz-Prinzip verletzt, wenn er für etwas Beiträge bezahlen müsse, wofür er keine Leistungen erhalten könne.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.03.2002 und die Bescheide der Beklagten vom 21.02.2000 und 26.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2000 aufzuheben und die für den Zeitraum vom 06.08.1998 bis 29.01.2001 geforderten und gezahlten Beiträge zur Krankenversicherung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, denn es hätte durchaus im Interesse des Klägers gelegen, weiterhin versichert zu sein, weil angesichts der unklaren Einkommensituation der Ehefrau jederzeit die Familienversicherung hätte eingreifen können.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 144, 151 SGG), in der Sache selbst aber unbegründet, weil der Kläger in der streitgegenständlichen Zeit zumindest die von der Beklagten geforderten Beiträge geschuldet hat.

In dieser streitigen Zeit - die vorausgehende freiwillige Mitgliedschaft bei der AOK ist nicht Streitgegenstand - war der Kläger weiterhin versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Er war Unternehmer im Sinne von § 2 Abs.1 Nr.1 KVLG 1989 geblieben. Das von ihm geführte landwirtschaftliche Unternehmen wurde weiterhin für ihn in Vertretung durch seine Frau bewirtschaftet. Da der Kläger in dieser Zeit weder Flächen verpachtete, verkaufte oder nachhaltig brach liegen ließ, wies die Landwirtschaft weiterhin die Mindestgröße nach § 1 Abs.5 ALG i.V.m. dem Mindestgrößenbeschluss der LAK Oberbayern vom 06.05.1977 auf. Dabei gilt, dass die Unternehmereigenschaft nicht dadurch aufgehoben wird, dass der Betriebsinhaber nicht unmittelbar vor Ort tätig wird, sondern die Bewirtschaftung durch einen Bevollmächtigten durchführen lässt (vgl. BSG vom 17.08.2000 Breithaupt 2001 S.31, 32). Damit ist die Unternehmereigenschaft, die auch die Jahre zuvor bestanden hat, nur dass damals weitgehend eine vorhandene Versicherung auf Grund der zusätzlichen berufliche Tätigkeit als Kraftfahrer bestanden hat, durch die Verbüßung der Strafhaft nicht zum Erliegen gekommen. Nach § 47 KVLG 1989 hat der Unternehmer die Beiträge für sich zu tragen und ist auch gemäß § 49 KVLG 1989 Beitragsschuldner. Dabei ist der Umfang des Beitrages nach § 40 KVLG 1989 nach dem Wirtschaftswert zu errechnen. Es kommt also nicht auf die tatsächlich erzielten Einnahmen aus dem Unternehmen an, wodurch der landwirtschaftliche Unternehmer sich von dem nach § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V versicherten abhängig Beschäftigten unterscheidet, der versicherungsfrei wird, wenn sein Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV unterschreitet.

Die dem Kläger auferlegte Beitragslast und damit die Zahlungspflicht entfällt auch nicht durch die außergewöhnliche Situation, wonach er selbst wegen § 8 Abs.1 KVLG 1989 i.V.m. § 16 Abs.1 Nr.4 SGB V in der streitigen Zeit keine Leistungen der Beklagten hat erhalten können und auch seine Familienangehörigen gegenüber der Beklagten nicht anspruchsberechtigt waren, weil sie selbst nach dem SGB V vorrangig bei der AOK Bayern versichert waren. Im Gesetz ist nicht vorgesehen, dass bei Ruhen des Leistungsanspruchs gleichzeitig die Beitragspflicht entfällt. Zunächst ist beachtlich, dass die Beklagte dem klägerischen Begehren insoweit entgegengekommen ist, als sie im Bescheid vom 26.07.2000 die Beitragslast um 2/3 gemindert hat. Ob dies einer einklagbaren Rechtsposition des Klägers entsprochen hat, hat der Senat nicht zu entscheiden, macht aber das Verständnis der Beklagten für die missliche wirtschaftliche Situation des Klägers deutlich. Dem Senat ist es verwehrt, darüber hinaus zu gehen und auch noch das restliche Drittel entfallen zu lassen. Die gesetzliche Regel und § 16 Abs.1 SGB V, wonach eine Reihe von Tatbeständen, unter anderem auch die Strafhaft mit Gesundheitsfürsorge, die Leistungspflicht der Beklagten zum Ruhen bringt, hat auf der Beitragsseite kein entsprechendes Korellat. Dies gilt bei Auslandsaufenthalt ebenso wie bei der hier vorliegenden Strafhaft und ist letztlich Ausfluss des Solidaritätsprinzips in der gesetzlichen Krankenversicherung, das in einem solchen Fall das von der Klägerseite angeführte Äquivalenz-Prinzip überlagert. Dies hat bezüglich des Auslandsaufenthalts das BSG in seiner Entscheidung vom 23.06.1994 SozR 3-2500 § 243 Nr.3 zu § 16 Abs.1 Nr.1 SGB V (Auslandsaufenthalt) näher erläutert und als im Einklang stehend mit der Rechtsprechung zur Ausgewogenheit zwischen Beitrags- und Leistungsrecht in der Krankenversicherung entschieden. Es hat diese, einer Versicherung immanente Regelung, wonach eine Beitragszahlung nicht automatisch auch stets eine Leistung gegenüberstehen muss und umgekehrt, in der o.g. Entscheidung vom 17.08.2000 bestätigt. Der gesetzgeberische Wille, dem Ruhen eines Leistungsanspruchs kein gleichzeitiges Absehen von Beitragserhebung gegenüberzustellen, ist bei Fortbestehen der Versicherteneigenschaft auch nicht zu beanstanden. Deren Beendigung und damit Fortfall der Beitragspflichten hat der Kläger aber durch Veräußerung, Verpachten oder nachhaltigen Brachliegenlassen von Teilen des Betriebes selbst herbeiführen können, was hier aber nicht geschehen ist. Vielmehr ist das zur Versicherungspflicht führende Unternehmen weiter betrieben worden und damit auch die Möglichkeit der Einnahmeerzielung daraus. Dass die Beklagte auch nicht von jeglichem Risiko frei gestellt war, hat sie zu Recht hervorgehoben. Es bestand die reale Möglichkeit, dass die Ehefrau des Klägers auf Grund schlechter Geschäftsentwicklung ihres neugegründeten selbständigen Gewerbes mit ihren Einkünften unter die Freigrenze des § 10 Abs.1 Nr.5 SGB V gekommen wäre und damit mit ihrem Sohn von der freiwilligen zur Familienversicherung gewechselt wäre. Die Auffassung, dass erst in diesem Moment auch die Beitragslast neu entstehen sollte, würde den auf der Solidarität gegründeten Gedanken der gesetzlichen Krankenversicherung nicht entsprechen. Auch das LSG Rheinlandpfalz hat in seiner Entscheidung vom 18.02.2002 - L 5 KR 92/01, veröffentlicht in der Urteilssammlung JURIS - entschieden, dass im Falle einer Untersuchungshaft die weiterbestehende Mitgliedschaft eines Versicherungspflichtigen, die Beitragspflicht nicht zum Erliegen bringe, gleichgültig, ob zu dieser Zeit eigene Ansprüche oder solche von Familienangehörigen bestünden, denn es gelte in der gesetzlichen Krankenversicherung der allgemeine Grundsatz, dass Beiträge unabhängig von den konkreten Familienverhältnissen und hieraus resultierenden möglichen Ansprüchen von Familienversicherten erhoben werden. Die Leistungsansprüche im Versicherungsfall hängen in der LKV auch nicht von der Beitragsentrichtung ab, sondern von der Mitgliedschaft, an deren Fortbestehen beim Kläger nach dem oben gesagten kein ernsthafter Zweifel bestehen kann.

Gerichtskosten treffen den Kläger wegen § 183 SGG nicht, seine außergerichtlichen Kosten hat er wegen § 193 SGG selbst zu tragen.

Im Hinblick auf die angeführte Rechtsprechung und den außergewöhnlichen Sachverhalts sieht der Senat von der Zulassung der Revision nach § 160 SGG ab.
Rechtskraft
Aus
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