Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 39 SB 1147/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 B 34/03 SB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. Januar 2003 aufgehoben. Der Beklagte hat der Klägerin keine außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe:
I.
Auf den Antrag der Klägerin vom 2. November 1999, bei ihr die von dem Internisten Dr. P. behandelten Krankheitsbilder Hepatitis C, Anämie, Magenbeschwerden, Wirbelsäulenbeschwerden und Hypertonus als Behinderungen anzuerkennen, forderte der Beklagte Befund- und Behandlungsberichte von diesem Arzt und dem Orthopäden Dr. E. an. Nach deren Auswertung lehnte er es durch Bescheid vom 7. August 2000 ab, die Klägerin als schwerbehinderten Menschen anzuerkennen. Keine der vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen erreiche einen Grad der Behinderung - GdB - von wenigstens 20.
Der Widerspruch der Klägerin führte im Widerspruchsbescheid vom 12. April 2001 zur Anerkennung eines GdB von 30. Hierbei fanden folgende Behinderungen Berücksichtigung:
a) Verschleißerscheinungen und Bandscheibenläsionen im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich, Cervikalmigräne;
b) Chronische Hepatitis C;
c) Neigung zu Magengeschwürsbildung, Dickdarmdivertikulose;
d) Bluthochdruck.
Einer gutachterlichen Stellungnahme des Internisten Dr. B. vom 9. November 2000 folgend wurde der GdB der Behinderungen zu den Buchstaben a) und b) mit jeweils 20 in Anrechnung gebracht, der zu c) und d) mit jeweils 10.
Im Klageverfahren reichte die Klägerin dann erstmalig ein Attest der sie seit dem 16. Oktober 1998 behandelnden Nervenfachärztin F.-K. vom 11. Mai 2001 zur Gerichtsakte, die ihr u.a. eine chronifizierte depressive Verstimmung und eine Somatisierungsstörung bescheinigte. Auch im Attest des Internisten Dr. P. vom 18. August 2001 fand sich erstmalig neben diversen Krankheitsbildern der Hinweis auf eine reaktive Depression. Ein vom Sozialgericht angeforderter Befundbericht der Nervenärztin vom 12. April 2002 und das von der Klägerin eingereichte, in ihrem Rentenrechtsstreit eingeholte Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Neurologie K. vom 24. April 2002 führten zur Anerkennung einer als „seelisches Leiden“ bezeichneten weiteren Behinderung, deren GdB 40 ausmachte. Die Klägerin sei deshalb seit Oktober 2001 (erstmalige Geltendmachung dieses Krankheitsbildes) schwerbehindert.
Das durch Bescheid vom 20. Juni 2002 ausgeführte Anerkenntnis des Beklagten nahm die Klägerin an. Zugleich beantragte sie, dem Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Durch Beschluss vom 3. Januar 2002 entschied das Sozialgericht, dass der Beklagte der Klägerin deren außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten habe. Abzustellen sei insoweit nicht auf die erstmalige Geltendmachung des seelischen Leidens durch die Klägerin, sondern auf das tatsächliche Vorliegen dieses Leidens. Nach dem schlüssigen Gutachten des Arztes K. sei insoweit vom September 2000 auszugehen. Zu einer vollen Kostenbelastung des Beklagten habe es nur deshalb nicht kommen können, weil die rechtskundig vertretene Klägerin Angaben über eine nervenfachärztliche Behandlung erstmalig im Klageverfahren geltend gemacht und dem Beklagten damit keine Veranlassung gegeben habe, bereits im Verwaltungsverfahren entsprechende Ermittlungen einzuleiten. Unter Abwägung dieser Aspekte sei eine Kostenteilung sachgerecht.
Gegen den am 11. Februar 2003 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beklagten vom 11. März 2003. Er macht geltend, die zum Klageerfolg führende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft sei erst durch die zusätzliche Anerkennung des seelischen Leidens möglich geworden. Dieses sei erst mit dem Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 31. Oktober 2001, also während des Gerichtsverfahrens, bekannt geworden. Hätte die rechtskundig vertretene Klägerin im Widerspruchsverfahren auf ihr seelisches Leiden hingewiesen, hätte sich ein Klageverfahren möglicherweise vermeiden lassen. Er jedenfalls habe zur Klageerhebung keine Veranlassung gegeben.
II.
Bei der nach § 193 Abs. 1, 2. Halbsatz des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- zu treffenden Kostenentscheidung hat das Gericht nach sachgemäßem Ermessen zu entscheiden und dabei insbesondere auch die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen (BSG SozR § 193 SGG Nr. 3). Zu prüfen sind darüber hinaus auch die Gründe für die Klageerhebung, also die Frage, ob der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat und ob er auf im Laufe des Rechtsstreits eingetretene Änderungen angemessen reagiert hat.
Unter Beachtung dieser Grundsätze entspricht es sachgemäßem Ermessen, den Beklagten nicht mit den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu belasten. Er hat, soweit es um das zur Erledigung des Rechtsstreits führende und im Bescheid vom 20. Juni 2002 anerkannte zusätzliche seelische Leiden geht, keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Im Verwaltungsverfahren war von der Klägerin ein nervenärztlich relevantes Leiden ebenso wenig geltend gemacht worden wie die Inanspruchnahme der Nervenärztin F.-K. seit Oktober 1998. Die vom Beklagten eingeholten Befundberichte der von der Klägerin benannten Hausärzte boten keinen Anlass zu der Annahme, die Klägerin konsultiere auch einen Nervenfacharzt oder bedürfe ggf. einer entsprechenden Behandlung. Zwar wurden im Antrag der Klägerin vom 2. November 1999 als Beschwerden auch Abgeschlagenheit, Unruhe, Schlaflosigkeit benannt. Diese undifferenzierten und von den Hausärzten nicht als behandlungsbedürftig benannten Beschwerdebilder boten dem Beklagten zu Recht noch keine Veranlassung, insoweit Ermittlungen in die Wege zu leiten.
Erst die durch den Nervenarzt K. im Rentenrechtsstreit durchgeführte Untersuchung und die im Klageverfahren beigebrachten bzw. angeforderten Berichte der Frau F.-K. ließen eine sachgerechte Beurteilung des im Klageverfahren neu eingeführten seelischen Krankheitsbildes und des Ausmaßes der damit verbundenen Funktionseinschränkungen der Klägerin zu. Diese hat der Beklagte nach Kenntnisnahme des Gutachtens vom 24. April 2002 umgehend eingeholt. Er hat dann durch Teilanerkenntnis auf die erst im Verlaufe des Klageverfahrens bekannt gewordene, als Behinderung relevante Veränderung im Gesundheitszustand der Klägerin angemessen reagiert. Ohne Einfluss ist hierbei, ab wann Veränderungen bei der Klägerin eingetreten sind, ob bei Behandlungsbeginn im Oktober 1998, ob im Zeitpunkt der Untersuchung durch Herrn K. im April 2002 oder zu einem anderen Zeitpunkt. Maßgeblich ist allein, zu welchem Zeitpunkt für den Beklagten Veranlassung bestanden hat, eigenständig ermittelnd tätig zu werden. Das war aber erst aufgrund der mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2001 überreichten Atteste der Nervenärztin F.-K. der Fall, mit denen die Klägerin erstmalig die Behandlungsnotwendigkeit eines seelischen Leidens unter Beweis stellte.
Es ist deshalb sachgerecht und entspricht der Billigkeit, den Beklagten ungeachtet der in der Sache erfolgreichen Klage nicht, auch nicht anteilig, mit den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu belasten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 Sozialgerichtsgesetz).
Gründe:
I.
Auf den Antrag der Klägerin vom 2. November 1999, bei ihr die von dem Internisten Dr. P. behandelten Krankheitsbilder Hepatitis C, Anämie, Magenbeschwerden, Wirbelsäulenbeschwerden und Hypertonus als Behinderungen anzuerkennen, forderte der Beklagte Befund- und Behandlungsberichte von diesem Arzt und dem Orthopäden Dr. E. an. Nach deren Auswertung lehnte er es durch Bescheid vom 7. August 2000 ab, die Klägerin als schwerbehinderten Menschen anzuerkennen. Keine der vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen erreiche einen Grad der Behinderung - GdB - von wenigstens 20.
Der Widerspruch der Klägerin führte im Widerspruchsbescheid vom 12. April 2001 zur Anerkennung eines GdB von 30. Hierbei fanden folgende Behinderungen Berücksichtigung:
a) Verschleißerscheinungen und Bandscheibenläsionen im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich, Cervikalmigräne;
b) Chronische Hepatitis C;
c) Neigung zu Magengeschwürsbildung, Dickdarmdivertikulose;
d) Bluthochdruck.
Einer gutachterlichen Stellungnahme des Internisten Dr. B. vom 9. November 2000 folgend wurde der GdB der Behinderungen zu den Buchstaben a) und b) mit jeweils 20 in Anrechnung gebracht, der zu c) und d) mit jeweils 10.
Im Klageverfahren reichte die Klägerin dann erstmalig ein Attest der sie seit dem 16. Oktober 1998 behandelnden Nervenfachärztin F.-K. vom 11. Mai 2001 zur Gerichtsakte, die ihr u.a. eine chronifizierte depressive Verstimmung und eine Somatisierungsstörung bescheinigte. Auch im Attest des Internisten Dr. P. vom 18. August 2001 fand sich erstmalig neben diversen Krankheitsbildern der Hinweis auf eine reaktive Depression. Ein vom Sozialgericht angeforderter Befundbericht der Nervenärztin vom 12. April 2002 und das von der Klägerin eingereichte, in ihrem Rentenrechtsstreit eingeholte Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Neurologie K. vom 24. April 2002 führten zur Anerkennung einer als „seelisches Leiden“ bezeichneten weiteren Behinderung, deren GdB 40 ausmachte. Die Klägerin sei deshalb seit Oktober 2001 (erstmalige Geltendmachung dieses Krankheitsbildes) schwerbehindert.
Das durch Bescheid vom 20. Juni 2002 ausgeführte Anerkenntnis des Beklagten nahm die Klägerin an. Zugleich beantragte sie, dem Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Durch Beschluss vom 3. Januar 2002 entschied das Sozialgericht, dass der Beklagte der Klägerin deren außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten habe. Abzustellen sei insoweit nicht auf die erstmalige Geltendmachung des seelischen Leidens durch die Klägerin, sondern auf das tatsächliche Vorliegen dieses Leidens. Nach dem schlüssigen Gutachten des Arztes K. sei insoweit vom September 2000 auszugehen. Zu einer vollen Kostenbelastung des Beklagten habe es nur deshalb nicht kommen können, weil die rechtskundig vertretene Klägerin Angaben über eine nervenfachärztliche Behandlung erstmalig im Klageverfahren geltend gemacht und dem Beklagten damit keine Veranlassung gegeben habe, bereits im Verwaltungsverfahren entsprechende Ermittlungen einzuleiten. Unter Abwägung dieser Aspekte sei eine Kostenteilung sachgerecht.
Gegen den am 11. Februar 2003 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beklagten vom 11. März 2003. Er macht geltend, die zum Klageerfolg führende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft sei erst durch die zusätzliche Anerkennung des seelischen Leidens möglich geworden. Dieses sei erst mit dem Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 31. Oktober 2001, also während des Gerichtsverfahrens, bekannt geworden. Hätte die rechtskundig vertretene Klägerin im Widerspruchsverfahren auf ihr seelisches Leiden hingewiesen, hätte sich ein Klageverfahren möglicherweise vermeiden lassen. Er jedenfalls habe zur Klageerhebung keine Veranlassung gegeben.
II.
Bei der nach § 193 Abs. 1, 2. Halbsatz des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- zu treffenden Kostenentscheidung hat das Gericht nach sachgemäßem Ermessen zu entscheiden und dabei insbesondere auch die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen (BSG SozR § 193 SGG Nr. 3). Zu prüfen sind darüber hinaus auch die Gründe für die Klageerhebung, also die Frage, ob der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat und ob er auf im Laufe des Rechtsstreits eingetretene Änderungen angemessen reagiert hat.
Unter Beachtung dieser Grundsätze entspricht es sachgemäßem Ermessen, den Beklagten nicht mit den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu belasten. Er hat, soweit es um das zur Erledigung des Rechtsstreits führende und im Bescheid vom 20. Juni 2002 anerkannte zusätzliche seelische Leiden geht, keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Im Verwaltungsverfahren war von der Klägerin ein nervenärztlich relevantes Leiden ebenso wenig geltend gemacht worden wie die Inanspruchnahme der Nervenärztin F.-K. seit Oktober 1998. Die vom Beklagten eingeholten Befundberichte der von der Klägerin benannten Hausärzte boten keinen Anlass zu der Annahme, die Klägerin konsultiere auch einen Nervenfacharzt oder bedürfe ggf. einer entsprechenden Behandlung. Zwar wurden im Antrag der Klägerin vom 2. November 1999 als Beschwerden auch Abgeschlagenheit, Unruhe, Schlaflosigkeit benannt. Diese undifferenzierten und von den Hausärzten nicht als behandlungsbedürftig benannten Beschwerdebilder boten dem Beklagten zu Recht noch keine Veranlassung, insoweit Ermittlungen in die Wege zu leiten.
Erst die durch den Nervenarzt K. im Rentenrechtsstreit durchgeführte Untersuchung und die im Klageverfahren beigebrachten bzw. angeforderten Berichte der Frau F.-K. ließen eine sachgerechte Beurteilung des im Klageverfahren neu eingeführten seelischen Krankheitsbildes und des Ausmaßes der damit verbundenen Funktionseinschränkungen der Klägerin zu. Diese hat der Beklagte nach Kenntnisnahme des Gutachtens vom 24. April 2002 umgehend eingeholt. Er hat dann durch Teilanerkenntnis auf die erst im Verlaufe des Klageverfahrens bekannt gewordene, als Behinderung relevante Veränderung im Gesundheitszustand der Klägerin angemessen reagiert. Ohne Einfluss ist hierbei, ab wann Veränderungen bei der Klägerin eingetreten sind, ob bei Behandlungsbeginn im Oktober 1998, ob im Zeitpunkt der Untersuchung durch Herrn K. im April 2002 oder zu einem anderen Zeitpunkt. Maßgeblich ist allein, zu welchem Zeitpunkt für den Beklagten Veranlassung bestanden hat, eigenständig ermittelnd tätig zu werden. Das war aber erst aufgrund der mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2001 überreichten Atteste der Nervenärztin F.-K. der Fall, mit denen die Klägerin erstmalig die Behandlungsnotwendigkeit eines seelischen Leidens unter Beweis stellte.
Es ist deshalb sachgerecht und entspricht der Billigkeit, den Beklagten ungeachtet der in der Sache erfolgreichen Klage nicht, auch nicht anteilig, mit den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu belasten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 Sozialgerichtsgesetz).
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