L 14 RJ 722/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 1036/00 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RJ 722/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 4. Juli 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1948 geborene Kläger, der in seiner Heimat Slowenien lebt, hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. Er war in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1968 und 1975 insgesamt 79 Monate als Fabrikarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. In seiner Heimat stand er bis 20.05.1990 in einem Arbeitsverhältnis. Seitdem bezieht er von dort eine Invaliden- rente der I. Kategorie.

Ein erster bei der Beklagten im Jahre 1993 gestellter Renten- antrag wurde nach verschiedenen medizinischen Ermittlungen rechtskräftig abgelehnt (Bescheid vom 01.06.1994, Widerspruchsbescheid vom 15.09.1994; abweisendes Urteil vom 19.07.1995; Zurückweisung der Berufung mit Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 14.08.1996).

Den streitgegenständlichen Rentenantrag stellte der Kläger am 01.12.1998. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.03.2000 wegen mangelnder Mitwirkung (§ 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch) ab, nachdem der Kläger zu der von der Beklagten angeordneten Untersuchung in der Ärztlichen Gutachterstelle Regensburg nicht erschienen war und eine erneute Untersuchung dort abgelehnt hatte. Sein Widerspruch wurde mit gleicher Begründung zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 23.06.2000).

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) legte der Kläger u.a. neue Unterlagen aus den Jahren 1998 bis 2000 vor und erklärte sich zu einer ärztlichen Untersuchung bereit. In seinem Gutachten vom 02./03.07.2001 stellte der Sachverständige Dr.S. die Diagnosen:

1. Eingeschränkte Belastbarkeit der Wirbelsäule infolge fortgeschrittener degenerativer, zum Teil einsteifender Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit deutlicher Funktionsbehinderung, Muskelverspannungen und zeitweilig auftretenden Nervenwurzelreizerscheinungen. 2. Chronisch venöse Insuffizienz beider Unterschenkel, mit dauerhafter Anschwellung des linken Unterschenkels im Sinne eines postthrombotischen Syndroms mit stärkeren oberflächlichen Krampfadern, rechts jedoch nur stärkere Krampfadern, jedoch ebenfalls Schwellneigung mit der Nowendigkeit, beidseits Kompressionsstrümpfe tragen zu müssen. 3. Arterieller Bluthochdruck mit beginnenden Umbauveränderungen an der Arbeitsmuskulatur des Herzens, jedoch ausgeglichene Herzleistung, bisher kein Nachweis einer anhaltenden Coronardurchblutungsstörung. 4. Chronischer Alkoholismus mit toxischer Fettleberhepatitis und chronischer Bauchspeicheldrüsenentzündung, metabolisches Syndrom (Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes mellitus und erhöhte Blutfettwerte). 5. Schwerhörigkeit beidseits, jetzt nach Versorgung mit Hörgerät rechts ohne Verständigungsschwierigkeiten. 6. Beginnende Hüftgelenks- und Kniescheibenarthrose beidseits ohne wesentliche Funktionseinschränkung.

Er kam aufgrund dieser Gesundheitsstörungen zu dem Ergebnis, der Kläger könne wegen der Gesamtheit der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen nur mehr leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen, Heben und Tragen von Lasten über 15 kg und ohne besondere nervliche Belastung (Arbeiten im Akkord) verrichten, und zwar in einem Umfang von sechs bis acht Stunden täglich. Das SG wies die zuletzt auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit ab 01.01.1999 (In-Kraft-Treten des Abkommens über Soziale Sicherheit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Slowenien vom 24.09.1997) beschränkte Klage mit Urteil vom 04.07.2001 ab. Es stützte sich auf das Gutachten des Dr.S. und führte im Wesentlichen aus, ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Berufsunfähigkeit bestehe mangels eines Berufsschutzes des Klägers und seiner Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht, eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit komme wegen des noch bestehenden Leistungsvermögens von sechs bis acht Stunden nicht in Betracht; eine lediglich arbeitsmarktbedingte Rente werde nach dem deutsch-slowenischen Abkommen nicht ausbezahlt. Auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach dem ab 01.01.2001 geltenden deutschen Rentenversicherungsrecht (§ 43 n.F. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) scheide aus, weil das Leistungsvermögen des Klägers nach dem überzeugenden Gutachten des Dr.S. noch nicht auf unter sechs Stunden täglich gesunken sei.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil und beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung seines Rechtsanwalts. Zur Begründung macht er - nach mehrfacher Erinnerung und Hinweisen des Senats zur fehlenden Erfolgsaussicht der Berufung angesichts des schlüssigen erstinstanzlichen Gutachtens - lediglich allgemein geltend, das Gutachten des Dr.S. überzeuge nicht. Eine nähere Begründung wurde angekündigt, erfolgte aber zunächst nicht. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss vom 14.02.2003 im Hinblick auf die trotz mehrfacher Erinnerung nicht erfolgte Berufungsbegründung mangels Erfolgsaussicht abgelehnt.

Mit Telefax vom 19.03.2003 teilt der Kläger mit, er sei zu einer Erwerbstätigkeit nicht mehr fähig. Er legt ein Attest mit unleserlichem Datum und Unterschrift vor, in dem mitgeteilt wurde, dass er sich seit Juli 2001 in ständiger ärztlicher Behandlung von Orthopäden, HNO-Ärzten, Gefäßchirurgen sowie dem Hausarzt befinde wegen der Diagnosen "M-54.5, M-45, I-80.2, H-93.3, E-11.9, N-40, E-78.5".

Er beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 04.07.2001 und des Bescheides vom 28.03.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2000 zu verpflichten, Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab 01.01.1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die beigezogenen Rentenakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie erweist sich aber nicht als begründet.

Zutreffend hat das SG die Klage abgewiesen. Auch der Senat kommt nach Prüfung des bisherigen Verfahrensverlaufs und der vorhandenen ärztlichen Unterlagen zu der Auffassung, dass ein Rentenanspruch des Klägers nach §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in den bis zum 31.12.2000 geltenden Fassungen bzw. nach §§ 43, 240 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung nicht bestand bzw. besteht.

Berufsunfähig sind danach Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist; dabei umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können; berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann (§ 43 Abs.2 Sätze 1, 2 und 4 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung).

Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße bzw. monatlich 630,00 DM übersteigt; erwerbsunfähig ist nicht, wer eine selbständige Tätigkeit ausübt oder wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2 SGB VI in den vom 01.01.1992 bis 31.12.2000 geltenden Fassungen).

Teilweise erwerbsgemindert ist der Versicherte, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, und voll erwerbsgemindert ist der Versicherte, der unter den gleichen Voraussetzungen außer Stande ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.1 Satz 2 und Abs.2 Satz 2 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung). Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsfähigkeit erhält auch der Versicherte, der vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist (Übergangsvorschrift des § 240 Abs.1 SGB VI n.F.).

Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger noch nicht vor, wie aufgrund der vom Erstgericht durchgeführten Beweisaufnahme durch ein gründliches, sich auf eine Vielzahl von klinischen Voruntersuchungen stützendes Gutachten des Dr.S. und des weiteren Verfahrensverlaufs feststeht. Das Gutachten des Dr.S. ist entgegen der Auffassung des Klägers schlüssig und überzeugend. Anhand der Vorgeschichte und der erhobenen Untersuchungsbefunde wird darin ausführlich dargelegt, dass hinsichtlich der beim Kläger im Vordergrund stehenden degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und der chronisch venösen Insuffizienz der Unterschenkel entscheidende Befundveränderungen gegenüber den Untersuchungsbefunden von 1995 (Beweisaufnahme vor dem SG im ersten Rentenverfahren) nicht eingetreten sind. Diese Befunde lassen nach wie vor noch leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Lasten in wechselnder Körperhaltung zu. Die ebenfalls schon damals bestehende Schwerhörigkeit ist inzwischen durch ein Hörgerät weitgehend kompensiert, so dass eine Verständigung problemlos möglich ist. Hinzugekommen ist seit 1995 ein arterieller Bluthochdruck, der aber im Zeitpunkt der Untersuchung keine wesentlichen Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System hat, bzw. ein metabolisches Syndrom (Bluthochdruck, Diabetes mellitus und erhöhte Blutwerte), das angesichts fehlender Sekundärerkrankungen des Diabetes mellitus eine wesentliche Leistungseinschränkung im Erwerbsleben nicht begründen kann. Zusätzlich ist inzwischen ein chronischer Alkoholismus anzunehmen. Da jedoch eine schwere Synthese- und Entgiftungsstörung der Leber bislang nicht belegt ist, können auch insoweit leichte körperliche Arbeiten ohne besondere nervliche Belastung und Verantwortung zugemutet werden. Regelmäßige leichte körperliche Arbeit erscheint insoweit als das beste therapeutische Konzept. Dr. S. hielt daher aus sozialmedizinischer Sicht noch leichte körperliche Arbeiten mit den genannten qualitativen Leistungseinschränkungen täglich sechs bis acht Stunden für möglich.

Die Ausführungen des Dr.S. erscheinen zutreffend und überzeugend. Der Kläger hat demgegenüber nicht dargelegt, was nach seiner Auffassung im Einzelnen zu beanstanden ist. Es bleibt offen, ob er die Befunderhebung, die Diagnosestellung oder nur die sozialmedizinische Beurteilung für nicht zutreffend hält. Das zuletzt per Fax übersandte Attest, das lediglich Diagnosen in Ziffern und Angaben über fachärztliche Behandlung, nicht aber nachprüfbare Befunde enthält, hilft nicht weiter. Im Übrigen stimmen die Diagnoseschlüssel des vor Termin vorgelegten Attestes weitgehend mit denen im Gutachten der Invalidenkommission vom 09.03.1999 überein. Eine mögliche weitere Verschlechterung der Leistungsfähigkeit des Klägers ist damit nicht dargelegt.

Bei dieser Sachlage ist weiterhin von einem Leistungsvermögen des Klägers für leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts von täglich sechs bis acht Stunden auszugehen. Ein Rentenanspruch ergibt sich für den breit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Kläger daraus nicht, wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat. Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden könnte, der seinem Leistungsvermögen entspricht, ist rechtlich unerheblich. Das Risiko der Arbeitsplatzvermittlung ist von der Arbeitslosenversicherung und nicht von der Rentenversicherung zu tragen. Im Übrigen löst die Tatsache, dass der Kläger in seiner Heimat eine Rente nach den dortigen Bestimmungen bezieht, nicht auch eine Rentenzahlungspflicht des deutschen Versicherungsträgers aus; vielmehr ist der Rentenanspruch hier nach den deutschen Rechtsvorschriften zu beurteilen.

Bei dieser Sachlage konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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