Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 279/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 729/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. November 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit.
Der 1948 geborene Kläger hat nach eigenen Angaben keinen Beruf erlernt. Er war vom 24. März 1988 bis 28. Mai 1990 als Lager- arbeiter sowie nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit vom 15. Juli 1991 bis 30. April 1995 als ungelernter Arbeiter in einem Baustoffwerk versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 1. Mai 1995 bis 13. August 1999 bezog er Sozialleistungen, ab 14. August 1999 war er arbeitslos ohne Leistungsbezug. Der Kläger betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen, dessen Fläche nach Mitteilung der Landwirtschaftlichen Alterskasse Schwaben seit 1. Oktober 1998 weniger als 25 % der nach § 1 Abs.5 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) festgelegten Mindestgröße umfasst.
Beim Kläger ist wegen Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerativen Veränderungen, muskulären Verspannungen, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen und eines beidseitigen Carpaltunnelsyndroms, rechts operiert, ein GdB von 30 anerkannt.
Am 23. Dezember 1997 beantragte der Kläger eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Er sei wegen zweier Bandscheibenvorfälle und der Nerven seit Dezember 1995 (Entlassung aus einer Rehabilitationsmaßnahme) nicht mehr erwerbsfähig. Die Beklagte holte ein Gutachten des Allgemein- und Sozialmediziners Dr. L. vom 28. Mai 1998 ein. Dieser stellte nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 4. Mai 1998 folgende Diagnosen: 1. Chronisch degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom mit Schmerzausstrahlung in die Beine bei Bandscheibenvorfall L 5/S 1 (CT-gesichert 1993 und 1996), Wirbelsäulenverbiegung; 2. Wiederkehrendes Halswirbelsäulensyndrom; 3. Restbeschwerden nach Operation eines Carpaltunnelsyndroms rechts 1996, links Mai 1997; 4. Aufbrauchveränderungen am rechten Kniegelenk (Retropatellararthrose).
Der Gesundheitszustand habe sich gegenüber einer Vorbegutachtung vom 26. März 1996 nicht grundlegend verschlechtert. Der Kläger könne noch vollschichtig leichte Arbeiten im Wechselrhythmus ohne Heben und Tragen von Lasten, einseitige Körperhaltung, häufiges Bücken und ungünstige Witterungseinflüsse verrichten.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag vom 23. Dezember 1997 ab (Bescheid vom 16. Juni 1998). Der Kläger könne noch vollschichtig leichte Arbeiten verrichten und sei daher weder berufs- noch erwerbsunfähig.
Den dagegen vom Kläger unter Hinweis auf ständige Bandscheibenbeschwerden erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung weiterer ärztlicher Unterlagen zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. März 1999). Aus den eingeholten ärztlichen Unterlagen ergebe sich keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes, so dass eine erneute Begutachtung nicht erforderlich sei. Der Kläger sei noch in der Lage, vollschichtig leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den er als einfach angelernter Arbeitnehmer verweisbar sei, im Wechselrhythmus ohne häufiges Klettern, Steigen und Bücken, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung sowie ohne Gefährdung durch Kälte, starke Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe zu verrichten. Er sei daher weder berufs- noch erwerbsunfähig.
Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben an die Beklagte vom 13. April 1999, bei der Beklagten am 16. April 1999 und beim Sozialgericht Augsburg (SG) am 29. April 1999 (S 3 RJ 260/99) eingegangen, Klage.
Das SG holte Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. W. , Dr. D. und Dr. B. sowie Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. A. vom 24. September 1999 und des Orthopäden Dr. B. vom 15. Dezember 1999 ein.
Beide Sachverständige kamen nach ambulanter Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, dieser könne noch vollschichtig leichte körperliche Tätigkeiten im Wechselrhythmus mit einigen qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten. Eine Beschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht.
Ergänzend dazu holte das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. L. vom 13. April 2000 ein. Dieser stellte nach ambulanter Untersuchung des Klägers fest, es bestehe eine bislang nicht ausreichend gewürdigte Depression, vor deren Hintergrund der Kläger zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage sei, regelmäßig einer Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert nachzugehen.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 14. November 2000 ab. Nach den vorliegenden Gutachten sei der Kläger noch in der Lage, vollschichtig leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in geschlossenen Räumen, im Wechselrhythmus zwischen Sitzen, Gehen und Stehen auszuüben. Die Leistungseinschätzung des Sachverständigen Dr. L. überzeuge die Kammer nicht. Bei der Untersuchung durch Dr. A. (20. September 1999) und Dr. B. (15. Dezember 1999) sei noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen festgestellt worden. Welche konkreten Umstände dazu geführt haben sollten, dass das Leistungsvermögen des Klägers bis zur Untersuchung durch Dr. L. (6. April 2000) dramatisch abgesunken sei, sei nicht nachvollziehbar. Darin sehe sich die Kammer auch durch einen Befundbericht der nunmehr als behandelnde Ärztin des Klägers tätigen Sachverständigen Dr. A. vom Juli 2000 bestätigt, die ab September 1999 von einem unveränderten Gesundheitszustand des Klägers ausgehe. Die von Dr. L. angenommene wesentliche Leidensverschlimmerung werde damit nicht bestätigt. Da der Kläger als ungelernter Arbeiter auf alle ungelernten Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden könne und dieser für ihn nicht verschlossen sei, liege beim Kläger keine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vor.
Gegen das ihnen am 21.11.2000 zugestellte Urteil haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 18. Dezember 2000, beim SG am 19. Dezember 2000 und beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) am 27. Dezember 2000 eingegangen, Berufung eingelegt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. L. sei der Kläger wegen der bei ihm bestehenden mittelschweren Depression in Zusammenhang mit den übrigen Gesundheitsstörungen, insbesondere Funktionseinschränkungen der Hals- und Lendenwirbelsäule, nicht mehr vollschichtig leistungsfähig.
Der Senat hat Befundberichte der Neurologin und Psychiaterin Dr. A. , des Orthopäden Dr. W. , des praktischen Arztes Dr. D. und des Orthopäden Dr. H. eingeholt und den Orthopäden Dr. S. sowie den Neurologen und Psychiater Dr. M. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt.
Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 28. September 2001 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 20. September 2001 folgende Diagnosen gestellt: 1. Deutliche Fehlstatik der Lendenwirbelsäule bei Beinver- kürzung links mit Lumbalskoliose, fortgeschrittener Bandscheibenschädigung L5/S1, Kreuzbein-Darmbeingelenksarthrose beidseits; 2. Hüftgelenksbeschwerden rechts betont, beginnende Arthrose des rechten Hüftgelenkes nach Oberschenkeltrümmerbruch, Fehlstellung des rechten Oberschenkels mit Außendrehfehlhaltung, ausgeprägte Verkalkungen im Bereich des rechten Hüftgelenks; 3. deutliche Kniegelenksarthrose, rechts ausgeprägter als links, mit Knorpelverkalkung auf der linken Seite; 4. Brustwirbelsäulenbeschwerden bei leichter Fehlstatik mit Rechtsneigung der Brustwirbelsäule; 5. Nacken-Schulter-Arm-Syndrom beidseits, Fehlhaltung der Halswirbelsäule, Verschleißzeichen der Zwischenwirbelgelenke, Einengung des Zwischenwirbelloches zwischen dem dritten und vierten Halswirbel mäßiger Ausprägung; 6. nach Schulterluxation rechts Verkalkungen im Bereich des Kapsel-Sehnenapparates der rechten Schulter, beginnende Schultereckgelenksarthrose rechts, beginnende Schultergelenksarthrose links.
Der Kläger könne noch leichte, kurzfristig auch mittelschwere Arbeiten zu ebener Erde, aus wechselnder Ausgangslage, ohne schweres Heben und Tragen, Bücken, Überkopfarbeiten, Zeitdruck, ständiges Gehen und Stehen, verrichten. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Zeitlich sei die Leistungsfähigkeit auf 6 Stunden pro Tag begrenzt.
Der Neurologe und Psychiater Dr. M. hat in seinem Gutachten vom 28. Januar 2002 nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 28. September 2001 folgende Diagnosen gestellt: 1. Dysthymie/depressive Persönlichkeit. 2. Zustand nach langjährigem Alkoholabhängigkeits-Syndrom mit mehr als dreijähriger Abstinenz; 3. chronisches Halswirbelsäulen-Syndrom ohne funktionelle Defizite; 4. Zustand nach operativer Revision eines beidseitigen Carpaltunnelsyndroms; 5. chronisches Lendenwirbelsäulen-Syndrom ohne funktionelle Defizite; 6. beginnende, vorwiegend sensible Polyneuropathie im Be- reich der unteren Extremitäten.
Neurologisch könne ein den Vorbefunden vergleichbarer Status erhoben werden. Aus nervenärztlicher Sicht könne der Kläger noch vollschichtig leichte Arbeiten ohne Zwangshaltung, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und Akkord verrichten. Eine wesentliche Einschränkung der Wegefähigkeit und der Umstellungsfähigkeit bestünden nicht.
Der Ärztliche Dienst der Beklagten hat sich den Gutachtern Dr. M. und Dr. S. mit der Maßgabe angeschlossen, dass eine orthopädisch bedingte Leistungseinschränkung auf sechs Stunden pro Tag erst seit dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. S. am 20. September 2001 anzunehmen sei.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein weiteres Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. L. vom 27. Juli 2002 eingeholt, der nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 19. Juli 2002 folgende Diagnosen gestellt hat: 1. schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom mit vertebragenen Kopfschmerzen und Wurzelreizsymptomatik L5 rechts; 2. beginnende Neuropathie; 3. Tinnitus; 4. Restbeschwerden nach Carpaltunnelsyndrom-0peration beidseits; 5. Depression.
Bezüglich des Carpaltunnelsyndroms habe sich gegenüber den Voruntersuchungen eine Verschlechterung bei der Nervenleitgeschwindigkeit ergeben. Die Einschätzung des Sachverständigen Dr. M. , es liege lediglich eine subdepressive Stimmung vor, sei nicht nachvollziehbar. Er halte an seiner Einschätzung im Vorgutachten fest, das unter suffizienter psychiatrischer und vor allem psychopharmakologischer Therapie mittelbar eine Verbesserung des Zustandes möglich sei. Derzeit und in den nächsten ein bis zwei Jahren könne der Kläger jedoch selbst einfachste Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht durchführen.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme der Psychiaterin Dr. W. vom 24. September 2002 vorgelegt. In einer vom Senat angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 29. Januar 2003 hat Dr. M. mitgeteilt, er halte an der Beurteilung im Gutachten vom 28. Januar 2002 fest.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.11.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 16.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.
Ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit wird nicht mehr geltend gemacht.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Beklagtenakten, Akten des Amtes für Versorgung und Familienförderung Augsburg, des Arbeitsamtes Memmingen sowie die Prozessakte des Sozialgerichts Augsburg beigezogen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente richtet sich nach den Vorschriften des 6. Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.), da der Rentenantrag am 23. Dezember 1997 gestellt wurde und Rente ab diesem Zeitpunkt begehrt wird (§ 300 Abs.2 SGB VI). Soweit die Entstehung eines Rentenanspruchs für die Zeit nach dem 31. Dezember 2000 in Betracht kommt, richtet sich der Anspruch des Klägers nach den Vorschriften des SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung (n.F.).
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a.F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie 1. erwerbsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähig keit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Be schäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (ab 1. April 1999: 630,00 DM) übersteigt (§ 44 Abs.2 Satz 1 SGB VI a.F.). Erwerbsunfähig ist (u.a.) nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a.F.).
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI n.F ist für Versicherungsfälle ab 01.01.2002 an Stelle einer Erwerbsunfähigkeit eine volle oder teilweise Erwerbsminderung Tatbestandsvoraussetzung.
Erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden (teilweise Erwerbsminderung) bzw. drei Stunden (volle Erwerbsminderung) täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 SGB VI n.F.). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI n.F.)
Die Voraussetzungen der §§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a.F., 43 Abs. 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 SGB VI n.F. sind beim Kläger nicht erfüllt. Zwar hat er die allgemeine Wartezeit (§§ 50 Abs.1 Satz 1, 51 Abs.1 SGB VI) erfüllt. Beim Kläger liegt jedoch weder eine Erwerbsunfähigkeit noch eine verminderte Erwerbsfähigkeit vor.
Der Kläger ist nach den medizinischen Feststellungen der Sachverständigen Dr. S. und Dr. M. noch in der Lage, eine Tätigkeit vollschichtig auszuüben.
Im Vordergrund stehen die Beschwerden an der Lendenwirbelsäule, weniger ausgeprägt an der Halswirbelsäule und dem Schulterarmbereich sowie an den Hüft- und Kniegelenken ohne wesentliche funktionelle Defizite. Eine möglicherweise alkoholtoxisch bedingte, beginnende, vorwiegend sensible Polyneuropathie im Bereich der unteren Extremitäten führt nicht zu nennenswerten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Dasselbe gilt für Restbeschwerden nach operativer Revision eines beidseitigen Carpaltunnelsyndroms. Der neurologische Status wird mit Ausnahme einer mäßiggradigen muskulären Verspannung im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie eines herabgesetzten Vibrationsempfindens im Bereich der Füße beidseits als regelrecht beschrieben. Hinweise für leistungsrelevante radikuläre Defizite oder eine neurologische Herdsymptomatik fanden sich nicht. Eine im erstinstanzlichen Verfahren vom Sachverständigen Dr. L. diagnostizierte Depression wird vom Sachverständigen Dr. M. nicht bestätigt. Er führt hierzu aus, Dr. L. habe zwar eine Reihe von typischen depressiven Symptomen zitiert, auffallend sei jedoch, dass diese in den zuvor berichteten Befunden nicht in der Form dokumentiert seien, wie sie letztlich im Rahmen einer schweren depressiven Episode oder rezidivierend depressiven Störung beobachtet werden könnten.
Eine Durchsicht der vorliegenden Befundunterlagen zeigt, dass erstmals im Arztbrief des Dr. W. vom 2. Juni 1999 ein reaktiv depressives Syndrom angegeben wird, wohl basierend auf den Beschwerdeangaben des Klägers (Niedergeschlagenheit, Zukunftsangst, Antriebsverlust). Im Arztbrief desselben Arztes vom 2. März 1999 finden sich hierzu noch keine Angaben. Auch der praktische Arzt Dr. D. als Hausarzt des Klägers erwähnt in seinem Befundbericht vom 23. August 1999 keine psychischen Beschwerdeangaben, keine diesbezüglichen Befunde oder Diagnosen. In dem vom SG eingeholten nervenärztlichen Gutachten der Dr. A. vom 24. September 1999 wird lediglich eine leichte depressive Begleitreaktion angegeben, die sich unter Einnahme von Johanniskrautpräparaten und pflanzlichen Beruhigungsmitteln in Remission befand. Nach damaligen Angaben des Klägers war eine gute Besserung von Stimmung und Schlafverhalten eingetreten. Eine Leistungseinschränkung verneinte die Sachverständige. In einem späteren Befundbericht vom 25. Juli 2000 gibt sie als Beschwerden des Klägers Grübelneigung, Stimmungstief und Schlafstörungen an und stellt auf dieser Grundlage die Diagnose einer depressiven Störung. Der Kläger sei depressiv verstimmt. Befunde werden hierzu nicht mitgeteilt. In einem weiteren Befundbericht vom 27. März 2001 teilt Dr. A. als Beschwerden Schlafstörungen, Grübelneigung, depressive Verstimmung, Ängste und fehlende Schaffenskraft mit. Es liege eine depressive Verstimmung, Schlafstörungen, Antriebsstörungen, ausgeprägte Anhedonie, allgemeine Leistungsinsuffizienz, erhöhte Ermüd- und Erschöpfbarkeit und innere Unruhe vor. Sie stellt nunmehr die Diagnose einer depressiven Erschöpfung. Im letzten Jahr sei eine gewisse Chronifizierung und Fixierung der depressiven Störung eingetreten. Hausarzt Dr. D. gibt im Befundbericht vom 10. Juli 2001 an, der Kläger leide zunehmend unter einer reaktiven Depression wegen der ständigen Schmerzsituation. Befunde werden hierzu nicht mitgeteilt. Dies bestätigt die Einschätzung des Sachverständigen Dr. M. , dass keine Hinweise für eine schwere depressive Störung vorliegen.
Auch aus dem weiteren Krankheitsverlauf ergeben sich hierfür nach Ansicht des Sachverständigen Dr. M. keine Anhaltspunkte. Der Kläger selbst beschreibe den Begriff "Depression" damit, dass er "nichts mehr fertig bringe" und unter Dauerschmerzen leide, ferner schnell körperlich erschöpft sei. Dies rechtfertige nicht die Diagnose einer Depression. Bei der Untersuchung lasse sich allenfalls eine depressive Symptomatik feststellen, vereinbar mit einer depressiven Persönlichkeitsstruktur mit selbstunsicheren Zügen. Der Sachverständige verweist hierzu auf dem bisherigen Lebenslauf des Klägers, der schon immer ein eher zurückgezogenes Leben geführt habe und möglicherweise vor dem Hintergrund einer gewissen sozialen Phobie keine partnerschaftliche Beziehung habe aufbauen können. Hinweise für eine depressive Störung vom endogenen Verlaufstyp oder eine depressive Störung, die eine quantitative Leistungseinschränkung begründen könnten, liegen nach Auffassung des Sachverständigen Dr. M. nicht vor.
Auf neurologischem Fachgebiet bestätigt er das Bestehen chronischer Schmerzen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule ohne Nachweis funktioneller Defizite oder aktiver Denervierungszeichen. Die bildgebenden Befunde eines schon seit mehreren Jahren bestehenden Bandscheibenvorfalls im Bereich der Lendenwirbelsäule (L5/S1) erklären die vorgebrachten Beschwerden des Klägers nach seiner Ansicht nicht hinreichend und begründen die vom Kläger subjektiv beschriebene Leistungsunfähigkeit in keiner Weise. Der Zustand nach operativer Revision des beidseitigen Carpaltunnelsyndroms und die beginnende, vorwiegend sensible Polyneuropathie im Bereich der unteren Extremitäten bedingen keine nennenswerten Leistungseinschränkungen. Eine ausreichende Wegefähigkeit und Umstellungsfähigkeit ist nach Ansicht des Sachverständigen gegeben.
Demgegenüber kommt der auf Antrag des Klägers mit einer Begutachtung beauftrage Sachverständige Dr. L. in seinem Gutachten vom 27. Juli 2002 erneut zu dem Ergebnis, beim Kläger liege neben einem schmerzhaften Wirbelsäulensyndrom mit Ausstrahlungen, Wurzelreizerscheinungen rechtsseitig und Cervikocephalgien, einer leichten Neuropathie, einem Tinnitus und einem Carpaltunnel-Rezidiv beidseits, eine im Vordergrund der Beschwerden stehende Depression vor. Bedingt durch diese Depression seien das Durchhaltevermögen sowie die allgemeine Belastbarkeit und Umstellungsfähigkeit des Klägers eingeschränkt. Die Lebens- und Tagesgestaltung, die soziale Anpassungsfähigkeit seien deutlich eingeschränkt. Der Kläger hat hierzu angegeben, er sei lustlos, freudlos und matt und habe keinerlei Antrieb und immer wieder Selbstmordgedanken. Er könne nichts länger als wenige Minuten tun, dann habe er bereits keine Kraft mehr. Nachts könne er nicht schlafen, er liege oft wach und grüble, dann kämen Todesgedanken und Todessehnsucht. Er habe Ängste und ziehe sich immer stärker zurück. Die Befundangaben des Sachverständigen beinhalten im Wesentlichen eigene Angaben des Klägers über eine psychomotorische Gebundenheit, Durchschlafstörungen, Wachliegen, Grübeln, Gedankenkreisen, zerhackten Schlaf, Ängste, Panik, teilweise Globusgefühl, Atembeschwerden, Schweißausbrüche, Unruhe, ein allgemeines Schwächegefühl und ein Morgentief sowie die Befürchtung, durch die Einnahme von Medikamenten süchtig zu werden. Zum objektiven Befund beschreibt der Sachverständige, der Kläger habe sich nach ersten Hemmungen rasch geöffnet, im formalen Denken sei abgesehen hiervon kein weitergehender krankhafter Befund festzustellen, inhaltliche Denkstörungen lägen nicht vor. Zur Divergenz der Diagnosestellung führt er aus, hier könnten Hemmung oder Misstrauen gegenüber dem Sachverständigen Dr. M. zugrunde liegen. Der Verlauf der Erkrankung zeige eine zunehmende Chronifizierung und Fixierung trotz psychiatrischer Behandlung, die inzwischen wegen eines gestörten Vertrauensverhältnisses abgebrochen worden sei. Bedingt durch die Depression könne der Kläger seit 01.01.1998 nicht mehr erwerbstätig sein. Bei suffizienter psychiatrischer vor allem psychopharmakologischer Therapie könne möglicherweise innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre eine Besserung erreicht werden. Ergänzend weist er darauf hin, die körperliche Belastbarkeit des Klägers sei auch durch ein Carpaltunnel-Rezidiv hinsichtlich der Gebrauchsfähigkeit der Hände, ein Wirbelsäulensyndrom hinsichtlich des Hebens und Tragens von Lasten sowie der Einhaltung von Zwangshaltungen und wegen eines Tinnitus hinsichtlich der Lärmbelastbarkeit eingeschränkt.
Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. L. sind nicht überzeugend. Wie Dr. M. in seinem Gutachten vom 28. Januar 2002 unter Berücksichtigung des Gutachtens Dr. L. vom 13. April 2000 zutreffend festgestellt hat, fehlt es für die Diagnose einer Depression an hinreichenden objektiven Befunden. Auch dem weiteren Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 27. Juli 2002 sind hierzu keine entsprechenden Angaben zu entnehmen. Darauf weisen sowohl der Ärztliche Dienst der Beklagten (Stellungnahme der Psychiaterin Dr. W. vom 24. September 2002) als auch der Sachverständige Dr. M. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 29. Januar 2003 ausdrücklich und überzeugend hin. Es finden sich auch keine objektiven Anhaltspunkte für die von Dr. L. als Ursache einer divergierenden Leistungseinschätzung angenommene Hemmung oder ein Misstrauen des Klägers gegenüber Dr. M ...
Dr. M. weist in seiner Stellungnahme ausdrücklich darauf hin, dass bei der Untersuchung keine Hinweise von Skepsis, Misstrauen oder Ängsten bestanden, der Kläger vielmehr einen entspannten, zugewandten Eindruck hinterlassen und in den Vordergrund seiner Beschwerdeschilderung neurologische Beschwerden gestellt hat. Bezüglich des Carpaltunnelsyndroms ist seiner Ansicht nach eine Verschlechterung nicht auszuschließen, eine Beeinträchtigung für leichte körperliche Tätigkeiten sieht er in Übereinstimmung mit der Psychiaterin Dr. W. nicht, was angesichts fehlender Funktionsdefizite nachvollziehbar erscheint. Bezüglich des von Dr. L. angegebenen Tinnitus ist auffallend, dass dieser lediglich in seinen Gutachten Erwähnung findet. In den Befunden der behandelnden Ärzte wie auch in den vorliegenden Gutachten der anderen Sachverständigen finden sich hierzu keinerlei Beschwerdeangaben des Klägers. Auch für suizidale Tendenzen, wie sie von Dr. L. beschrieben werden, finden sich in den sonstigen ärztlichen Unterlagen keinerlei Anhaltspunkte.
Der Senat folgt daher der Leistungseinschätzung der Sachverständigen Dr. S. und Dr. M ... Beide Sachverständige haben das Leistungsvermögen unter Berücksichtigung der vorhandenen Vorbefunde und Vorgutachten überzeugend, schlüssig und widerspruchsfrei bestimmt. Dem behaupteten, nicht objektivierten Tinnitus wird durch den ergänzenden Ausschluss von Arbeiten unter Lärmbelästigung Rechnung getragen. Eine die vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers für körperlich leichte Arbeiten ausschließende Depression ist durch die Ausführungen des Dr. L. nicht nachgewiesen.
Der Kläger kann somit noch leichte Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne Bücken, ohne Überkopfarbeiten, ohne Zwangshaltungen, ohne ständiges Gehen und Stehen, ohne Zeitdruck und ohne Lärmbelästigung zu ebener Erde im Wechselrhythmus verrichten. Schwere spezifische Leistungsbehinderungen oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die bei dem auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbaren Kläger ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würden (vgl. BSGE 80, 24), liegen nicht vor. Für ungelernte Tätigkeiten typische Verrichtungen wie das Zureichen, Abnehmen, Sortieren, Verpacken und Montieren sind dem weder hinsichtlich der Konzentrations- und Umstellungsfähigkeit noch der Feinmotorik erkennbar eingeschränkten Kläger ohne Weiteres möglich.
In zeitlicher Hinsicht ist das Leistungsvermögen des Klägers nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. derzeit aus orthopädischer Sicht auf 6 Stunden täglich beschränkt. Nachdem bei der Begutachtung im erstinstanzlichen Verfahren noch eine vollschichtige Leistungsfähigkeit festzustellen war (Gutachten Dr. B. vom 15.12.1999) und der behandelnde Orthopäde Dr. W. gegenüber dem LSG am 28.03.2001 angegeben hat, die Beschwerden hätten sich in letzter Zeit verschlechtert, ist von einer Verschlechterung des Leistungsvermögens im laufenden Verfahren auszugehen. Für ein untervollschichtiges Leistungsvermögen vor dem 01.01.2001 liegen allerdings keine Anhaltspunkte vor. Der Kläger selbst hat weder gegenüber dem SG (mündliche Verhandlung am 14.11.2000) noch in der Berufungsbegründung vom 11.01.2001 eine Verschlimmerung der orthopädischen Erkrankungen geltend gemacht. Wesentliche Befundveränderungen sind auch dem Befundbericht des Dr. W. vom 28.03.2001 noch nicht zu entnehmen. Insbesondere finden sich noch keine Angaben zu Beschwerden im Nacken-Schulter-Arm-Bereich und an den Hüften, wie sie von Dr. S. anlässlich der Untersuchung vom 20.09.2001 beschrieben werden. Wie in der medizinischen Stellungnahme der Beklagten vom 26.03.2002 zutreffend dargelegt, ist eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens erst ab der Untersuchung durch Dr. S. nachgewiesen.
Danach ist beim Kläger weder vor dem 01.01.2001 der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. noch nach dem 31.12.2000 der Versicherungsfall der Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI n.F. (die ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes voraussetzt) eingetreten.
Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob und bis zu welchem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung (§§ 44 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB VI a.F. i.V.m. §§ 240, 241 SGB VI a.F. bzw. 43 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB VI n.F. i.V.m. § 241 Abs.2 SGB VI n.F.) erfüllt wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit.
Der 1948 geborene Kläger hat nach eigenen Angaben keinen Beruf erlernt. Er war vom 24. März 1988 bis 28. Mai 1990 als Lager- arbeiter sowie nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit vom 15. Juli 1991 bis 30. April 1995 als ungelernter Arbeiter in einem Baustoffwerk versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 1. Mai 1995 bis 13. August 1999 bezog er Sozialleistungen, ab 14. August 1999 war er arbeitslos ohne Leistungsbezug. Der Kläger betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen, dessen Fläche nach Mitteilung der Landwirtschaftlichen Alterskasse Schwaben seit 1. Oktober 1998 weniger als 25 % der nach § 1 Abs.5 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) festgelegten Mindestgröße umfasst.
Beim Kläger ist wegen Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerativen Veränderungen, muskulären Verspannungen, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen und eines beidseitigen Carpaltunnelsyndroms, rechts operiert, ein GdB von 30 anerkannt.
Am 23. Dezember 1997 beantragte der Kläger eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Er sei wegen zweier Bandscheibenvorfälle und der Nerven seit Dezember 1995 (Entlassung aus einer Rehabilitationsmaßnahme) nicht mehr erwerbsfähig. Die Beklagte holte ein Gutachten des Allgemein- und Sozialmediziners Dr. L. vom 28. Mai 1998 ein. Dieser stellte nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 4. Mai 1998 folgende Diagnosen: 1. Chronisch degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom mit Schmerzausstrahlung in die Beine bei Bandscheibenvorfall L 5/S 1 (CT-gesichert 1993 und 1996), Wirbelsäulenverbiegung; 2. Wiederkehrendes Halswirbelsäulensyndrom; 3. Restbeschwerden nach Operation eines Carpaltunnelsyndroms rechts 1996, links Mai 1997; 4. Aufbrauchveränderungen am rechten Kniegelenk (Retropatellararthrose).
Der Gesundheitszustand habe sich gegenüber einer Vorbegutachtung vom 26. März 1996 nicht grundlegend verschlechtert. Der Kläger könne noch vollschichtig leichte Arbeiten im Wechselrhythmus ohne Heben und Tragen von Lasten, einseitige Körperhaltung, häufiges Bücken und ungünstige Witterungseinflüsse verrichten.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag vom 23. Dezember 1997 ab (Bescheid vom 16. Juni 1998). Der Kläger könne noch vollschichtig leichte Arbeiten verrichten und sei daher weder berufs- noch erwerbsunfähig.
Den dagegen vom Kläger unter Hinweis auf ständige Bandscheibenbeschwerden erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung weiterer ärztlicher Unterlagen zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. März 1999). Aus den eingeholten ärztlichen Unterlagen ergebe sich keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes, so dass eine erneute Begutachtung nicht erforderlich sei. Der Kläger sei noch in der Lage, vollschichtig leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den er als einfach angelernter Arbeitnehmer verweisbar sei, im Wechselrhythmus ohne häufiges Klettern, Steigen und Bücken, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung sowie ohne Gefährdung durch Kälte, starke Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe zu verrichten. Er sei daher weder berufs- noch erwerbsunfähig.
Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben an die Beklagte vom 13. April 1999, bei der Beklagten am 16. April 1999 und beim Sozialgericht Augsburg (SG) am 29. April 1999 (S 3 RJ 260/99) eingegangen, Klage.
Das SG holte Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. W. , Dr. D. und Dr. B. sowie Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. A. vom 24. September 1999 und des Orthopäden Dr. B. vom 15. Dezember 1999 ein.
Beide Sachverständige kamen nach ambulanter Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, dieser könne noch vollschichtig leichte körperliche Tätigkeiten im Wechselrhythmus mit einigen qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten. Eine Beschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht.
Ergänzend dazu holte das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. L. vom 13. April 2000 ein. Dieser stellte nach ambulanter Untersuchung des Klägers fest, es bestehe eine bislang nicht ausreichend gewürdigte Depression, vor deren Hintergrund der Kläger zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage sei, regelmäßig einer Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert nachzugehen.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 14. November 2000 ab. Nach den vorliegenden Gutachten sei der Kläger noch in der Lage, vollschichtig leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in geschlossenen Räumen, im Wechselrhythmus zwischen Sitzen, Gehen und Stehen auszuüben. Die Leistungseinschätzung des Sachverständigen Dr. L. überzeuge die Kammer nicht. Bei der Untersuchung durch Dr. A. (20. September 1999) und Dr. B. (15. Dezember 1999) sei noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen festgestellt worden. Welche konkreten Umstände dazu geführt haben sollten, dass das Leistungsvermögen des Klägers bis zur Untersuchung durch Dr. L. (6. April 2000) dramatisch abgesunken sei, sei nicht nachvollziehbar. Darin sehe sich die Kammer auch durch einen Befundbericht der nunmehr als behandelnde Ärztin des Klägers tätigen Sachverständigen Dr. A. vom Juli 2000 bestätigt, die ab September 1999 von einem unveränderten Gesundheitszustand des Klägers ausgehe. Die von Dr. L. angenommene wesentliche Leidensverschlimmerung werde damit nicht bestätigt. Da der Kläger als ungelernter Arbeiter auf alle ungelernten Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden könne und dieser für ihn nicht verschlossen sei, liege beim Kläger keine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vor.
Gegen das ihnen am 21.11.2000 zugestellte Urteil haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 18. Dezember 2000, beim SG am 19. Dezember 2000 und beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) am 27. Dezember 2000 eingegangen, Berufung eingelegt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. L. sei der Kläger wegen der bei ihm bestehenden mittelschweren Depression in Zusammenhang mit den übrigen Gesundheitsstörungen, insbesondere Funktionseinschränkungen der Hals- und Lendenwirbelsäule, nicht mehr vollschichtig leistungsfähig.
Der Senat hat Befundberichte der Neurologin und Psychiaterin Dr. A. , des Orthopäden Dr. W. , des praktischen Arztes Dr. D. und des Orthopäden Dr. H. eingeholt und den Orthopäden Dr. S. sowie den Neurologen und Psychiater Dr. M. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt.
Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 28. September 2001 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 20. September 2001 folgende Diagnosen gestellt: 1. Deutliche Fehlstatik der Lendenwirbelsäule bei Beinver- kürzung links mit Lumbalskoliose, fortgeschrittener Bandscheibenschädigung L5/S1, Kreuzbein-Darmbeingelenksarthrose beidseits; 2. Hüftgelenksbeschwerden rechts betont, beginnende Arthrose des rechten Hüftgelenkes nach Oberschenkeltrümmerbruch, Fehlstellung des rechten Oberschenkels mit Außendrehfehlhaltung, ausgeprägte Verkalkungen im Bereich des rechten Hüftgelenks; 3. deutliche Kniegelenksarthrose, rechts ausgeprägter als links, mit Knorpelverkalkung auf der linken Seite; 4. Brustwirbelsäulenbeschwerden bei leichter Fehlstatik mit Rechtsneigung der Brustwirbelsäule; 5. Nacken-Schulter-Arm-Syndrom beidseits, Fehlhaltung der Halswirbelsäule, Verschleißzeichen der Zwischenwirbelgelenke, Einengung des Zwischenwirbelloches zwischen dem dritten und vierten Halswirbel mäßiger Ausprägung; 6. nach Schulterluxation rechts Verkalkungen im Bereich des Kapsel-Sehnenapparates der rechten Schulter, beginnende Schultereckgelenksarthrose rechts, beginnende Schultergelenksarthrose links.
Der Kläger könne noch leichte, kurzfristig auch mittelschwere Arbeiten zu ebener Erde, aus wechselnder Ausgangslage, ohne schweres Heben und Tragen, Bücken, Überkopfarbeiten, Zeitdruck, ständiges Gehen und Stehen, verrichten. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Zeitlich sei die Leistungsfähigkeit auf 6 Stunden pro Tag begrenzt.
Der Neurologe und Psychiater Dr. M. hat in seinem Gutachten vom 28. Januar 2002 nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 28. September 2001 folgende Diagnosen gestellt: 1. Dysthymie/depressive Persönlichkeit. 2. Zustand nach langjährigem Alkoholabhängigkeits-Syndrom mit mehr als dreijähriger Abstinenz; 3. chronisches Halswirbelsäulen-Syndrom ohne funktionelle Defizite; 4. Zustand nach operativer Revision eines beidseitigen Carpaltunnelsyndroms; 5. chronisches Lendenwirbelsäulen-Syndrom ohne funktionelle Defizite; 6. beginnende, vorwiegend sensible Polyneuropathie im Be- reich der unteren Extremitäten.
Neurologisch könne ein den Vorbefunden vergleichbarer Status erhoben werden. Aus nervenärztlicher Sicht könne der Kläger noch vollschichtig leichte Arbeiten ohne Zwangshaltung, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und Akkord verrichten. Eine wesentliche Einschränkung der Wegefähigkeit und der Umstellungsfähigkeit bestünden nicht.
Der Ärztliche Dienst der Beklagten hat sich den Gutachtern Dr. M. und Dr. S. mit der Maßgabe angeschlossen, dass eine orthopädisch bedingte Leistungseinschränkung auf sechs Stunden pro Tag erst seit dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. S. am 20. September 2001 anzunehmen sei.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein weiteres Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. L. vom 27. Juli 2002 eingeholt, der nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 19. Juli 2002 folgende Diagnosen gestellt hat: 1. schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom mit vertebragenen Kopfschmerzen und Wurzelreizsymptomatik L5 rechts; 2. beginnende Neuropathie; 3. Tinnitus; 4. Restbeschwerden nach Carpaltunnelsyndrom-0peration beidseits; 5. Depression.
Bezüglich des Carpaltunnelsyndroms habe sich gegenüber den Voruntersuchungen eine Verschlechterung bei der Nervenleitgeschwindigkeit ergeben. Die Einschätzung des Sachverständigen Dr. M. , es liege lediglich eine subdepressive Stimmung vor, sei nicht nachvollziehbar. Er halte an seiner Einschätzung im Vorgutachten fest, das unter suffizienter psychiatrischer und vor allem psychopharmakologischer Therapie mittelbar eine Verbesserung des Zustandes möglich sei. Derzeit und in den nächsten ein bis zwei Jahren könne der Kläger jedoch selbst einfachste Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht durchführen.
Die Beklagte hat eine Stellungnahme der Psychiaterin Dr. W. vom 24. September 2002 vorgelegt. In einer vom Senat angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 29. Januar 2003 hat Dr. M. mitgeteilt, er halte an der Beurteilung im Gutachten vom 28. Januar 2002 fest.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.11.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 16.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.
Ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit wird nicht mehr geltend gemacht.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Beklagtenakten, Akten des Amtes für Versorgung und Familienförderung Augsburg, des Arbeitsamtes Memmingen sowie die Prozessakte des Sozialgerichts Augsburg beigezogen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente richtet sich nach den Vorschriften des 6. Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.), da der Rentenantrag am 23. Dezember 1997 gestellt wurde und Rente ab diesem Zeitpunkt begehrt wird (§ 300 Abs.2 SGB VI). Soweit die Entstehung eines Rentenanspruchs für die Zeit nach dem 31. Dezember 2000 in Betracht kommt, richtet sich der Anspruch des Klägers nach den Vorschriften des SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung (n.F.).
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a.F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie 1. erwerbsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähig keit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Be schäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (ab 1. April 1999: 630,00 DM) übersteigt (§ 44 Abs.2 Satz 1 SGB VI a.F.). Erwerbsunfähig ist (u.a.) nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a.F.).
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI n.F ist für Versicherungsfälle ab 01.01.2002 an Stelle einer Erwerbsunfähigkeit eine volle oder teilweise Erwerbsminderung Tatbestandsvoraussetzung.
Erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden (teilweise Erwerbsminderung) bzw. drei Stunden (volle Erwerbsminderung) täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 SGB VI n.F.). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI n.F.)
Die Voraussetzungen der §§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a.F., 43 Abs. 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 SGB VI n.F. sind beim Kläger nicht erfüllt. Zwar hat er die allgemeine Wartezeit (§§ 50 Abs.1 Satz 1, 51 Abs.1 SGB VI) erfüllt. Beim Kläger liegt jedoch weder eine Erwerbsunfähigkeit noch eine verminderte Erwerbsfähigkeit vor.
Der Kläger ist nach den medizinischen Feststellungen der Sachverständigen Dr. S. und Dr. M. noch in der Lage, eine Tätigkeit vollschichtig auszuüben.
Im Vordergrund stehen die Beschwerden an der Lendenwirbelsäule, weniger ausgeprägt an der Halswirbelsäule und dem Schulterarmbereich sowie an den Hüft- und Kniegelenken ohne wesentliche funktionelle Defizite. Eine möglicherweise alkoholtoxisch bedingte, beginnende, vorwiegend sensible Polyneuropathie im Bereich der unteren Extremitäten führt nicht zu nennenswerten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Dasselbe gilt für Restbeschwerden nach operativer Revision eines beidseitigen Carpaltunnelsyndroms. Der neurologische Status wird mit Ausnahme einer mäßiggradigen muskulären Verspannung im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie eines herabgesetzten Vibrationsempfindens im Bereich der Füße beidseits als regelrecht beschrieben. Hinweise für leistungsrelevante radikuläre Defizite oder eine neurologische Herdsymptomatik fanden sich nicht. Eine im erstinstanzlichen Verfahren vom Sachverständigen Dr. L. diagnostizierte Depression wird vom Sachverständigen Dr. M. nicht bestätigt. Er führt hierzu aus, Dr. L. habe zwar eine Reihe von typischen depressiven Symptomen zitiert, auffallend sei jedoch, dass diese in den zuvor berichteten Befunden nicht in der Form dokumentiert seien, wie sie letztlich im Rahmen einer schweren depressiven Episode oder rezidivierend depressiven Störung beobachtet werden könnten.
Eine Durchsicht der vorliegenden Befundunterlagen zeigt, dass erstmals im Arztbrief des Dr. W. vom 2. Juni 1999 ein reaktiv depressives Syndrom angegeben wird, wohl basierend auf den Beschwerdeangaben des Klägers (Niedergeschlagenheit, Zukunftsangst, Antriebsverlust). Im Arztbrief desselben Arztes vom 2. März 1999 finden sich hierzu noch keine Angaben. Auch der praktische Arzt Dr. D. als Hausarzt des Klägers erwähnt in seinem Befundbericht vom 23. August 1999 keine psychischen Beschwerdeangaben, keine diesbezüglichen Befunde oder Diagnosen. In dem vom SG eingeholten nervenärztlichen Gutachten der Dr. A. vom 24. September 1999 wird lediglich eine leichte depressive Begleitreaktion angegeben, die sich unter Einnahme von Johanniskrautpräparaten und pflanzlichen Beruhigungsmitteln in Remission befand. Nach damaligen Angaben des Klägers war eine gute Besserung von Stimmung und Schlafverhalten eingetreten. Eine Leistungseinschränkung verneinte die Sachverständige. In einem späteren Befundbericht vom 25. Juli 2000 gibt sie als Beschwerden des Klägers Grübelneigung, Stimmungstief und Schlafstörungen an und stellt auf dieser Grundlage die Diagnose einer depressiven Störung. Der Kläger sei depressiv verstimmt. Befunde werden hierzu nicht mitgeteilt. In einem weiteren Befundbericht vom 27. März 2001 teilt Dr. A. als Beschwerden Schlafstörungen, Grübelneigung, depressive Verstimmung, Ängste und fehlende Schaffenskraft mit. Es liege eine depressive Verstimmung, Schlafstörungen, Antriebsstörungen, ausgeprägte Anhedonie, allgemeine Leistungsinsuffizienz, erhöhte Ermüd- und Erschöpfbarkeit und innere Unruhe vor. Sie stellt nunmehr die Diagnose einer depressiven Erschöpfung. Im letzten Jahr sei eine gewisse Chronifizierung und Fixierung der depressiven Störung eingetreten. Hausarzt Dr. D. gibt im Befundbericht vom 10. Juli 2001 an, der Kläger leide zunehmend unter einer reaktiven Depression wegen der ständigen Schmerzsituation. Befunde werden hierzu nicht mitgeteilt. Dies bestätigt die Einschätzung des Sachverständigen Dr. M. , dass keine Hinweise für eine schwere depressive Störung vorliegen.
Auch aus dem weiteren Krankheitsverlauf ergeben sich hierfür nach Ansicht des Sachverständigen Dr. M. keine Anhaltspunkte. Der Kläger selbst beschreibe den Begriff "Depression" damit, dass er "nichts mehr fertig bringe" und unter Dauerschmerzen leide, ferner schnell körperlich erschöpft sei. Dies rechtfertige nicht die Diagnose einer Depression. Bei der Untersuchung lasse sich allenfalls eine depressive Symptomatik feststellen, vereinbar mit einer depressiven Persönlichkeitsstruktur mit selbstunsicheren Zügen. Der Sachverständige verweist hierzu auf dem bisherigen Lebenslauf des Klägers, der schon immer ein eher zurückgezogenes Leben geführt habe und möglicherweise vor dem Hintergrund einer gewissen sozialen Phobie keine partnerschaftliche Beziehung habe aufbauen können. Hinweise für eine depressive Störung vom endogenen Verlaufstyp oder eine depressive Störung, die eine quantitative Leistungseinschränkung begründen könnten, liegen nach Auffassung des Sachverständigen Dr. M. nicht vor.
Auf neurologischem Fachgebiet bestätigt er das Bestehen chronischer Schmerzen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule ohne Nachweis funktioneller Defizite oder aktiver Denervierungszeichen. Die bildgebenden Befunde eines schon seit mehreren Jahren bestehenden Bandscheibenvorfalls im Bereich der Lendenwirbelsäule (L5/S1) erklären die vorgebrachten Beschwerden des Klägers nach seiner Ansicht nicht hinreichend und begründen die vom Kläger subjektiv beschriebene Leistungsunfähigkeit in keiner Weise. Der Zustand nach operativer Revision des beidseitigen Carpaltunnelsyndroms und die beginnende, vorwiegend sensible Polyneuropathie im Bereich der unteren Extremitäten bedingen keine nennenswerten Leistungseinschränkungen. Eine ausreichende Wegefähigkeit und Umstellungsfähigkeit ist nach Ansicht des Sachverständigen gegeben.
Demgegenüber kommt der auf Antrag des Klägers mit einer Begutachtung beauftrage Sachverständige Dr. L. in seinem Gutachten vom 27. Juli 2002 erneut zu dem Ergebnis, beim Kläger liege neben einem schmerzhaften Wirbelsäulensyndrom mit Ausstrahlungen, Wurzelreizerscheinungen rechtsseitig und Cervikocephalgien, einer leichten Neuropathie, einem Tinnitus und einem Carpaltunnel-Rezidiv beidseits, eine im Vordergrund der Beschwerden stehende Depression vor. Bedingt durch diese Depression seien das Durchhaltevermögen sowie die allgemeine Belastbarkeit und Umstellungsfähigkeit des Klägers eingeschränkt. Die Lebens- und Tagesgestaltung, die soziale Anpassungsfähigkeit seien deutlich eingeschränkt. Der Kläger hat hierzu angegeben, er sei lustlos, freudlos und matt und habe keinerlei Antrieb und immer wieder Selbstmordgedanken. Er könne nichts länger als wenige Minuten tun, dann habe er bereits keine Kraft mehr. Nachts könne er nicht schlafen, er liege oft wach und grüble, dann kämen Todesgedanken und Todessehnsucht. Er habe Ängste und ziehe sich immer stärker zurück. Die Befundangaben des Sachverständigen beinhalten im Wesentlichen eigene Angaben des Klägers über eine psychomotorische Gebundenheit, Durchschlafstörungen, Wachliegen, Grübeln, Gedankenkreisen, zerhackten Schlaf, Ängste, Panik, teilweise Globusgefühl, Atembeschwerden, Schweißausbrüche, Unruhe, ein allgemeines Schwächegefühl und ein Morgentief sowie die Befürchtung, durch die Einnahme von Medikamenten süchtig zu werden. Zum objektiven Befund beschreibt der Sachverständige, der Kläger habe sich nach ersten Hemmungen rasch geöffnet, im formalen Denken sei abgesehen hiervon kein weitergehender krankhafter Befund festzustellen, inhaltliche Denkstörungen lägen nicht vor. Zur Divergenz der Diagnosestellung führt er aus, hier könnten Hemmung oder Misstrauen gegenüber dem Sachverständigen Dr. M. zugrunde liegen. Der Verlauf der Erkrankung zeige eine zunehmende Chronifizierung und Fixierung trotz psychiatrischer Behandlung, die inzwischen wegen eines gestörten Vertrauensverhältnisses abgebrochen worden sei. Bedingt durch die Depression könne der Kläger seit 01.01.1998 nicht mehr erwerbstätig sein. Bei suffizienter psychiatrischer vor allem psychopharmakologischer Therapie könne möglicherweise innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre eine Besserung erreicht werden. Ergänzend weist er darauf hin, die körperliche Belastbarkeit des Klägers sei auch durch ein Carpaltunnel-Rezidiv hinsichtlich der Gebrauchsfähigkeit der Hände, ein Wirbelsäulensyndrom hinsichtlich des Hebens und Tragens von Lasten sowie der Einhaltung von Zwangshaltungen und wegen eines Tinnitus hinsichtlich der Lärmbelastbarkeit eingeschränkt.
Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. L. sind nicht überzeugend. Wie Dr. M. in seinem Gutachten vom 28. Januar 2002 unter Berücksichtigung des Gutachtens Dr. L. vom 13. April 2000 zutreffend festgestellt hat, fehlt es für die Diagnose einer Depression an hinreichenden objektiven Befunden. Auch dem weiteren Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 27. Juli 2002 sind hierzu keine entsprechenden Angaben zu entnehmen. Darauf weisen sowohl der Ärztliche Dienst der Beklagten (Stellungnahme der Psychiaterin Dr. W. vom 24. September 2002) als auch der Sachverständige Dr. M. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 29. Januar 2003 ausdrücklich und überzeugend hin. Es finden sich auch keine objektiven Anhaltspunkte für die von Dr. L. als Ursache einer divergierenden Leistungseinschätzung angenommene Hemmung oder ein Misstrauen des Klägers gegenüber Dr. M ...
Dr. M. weist in seiner Stellungnahme ausdrücklich darauf hin, dass bei der Untersuchung keine Hinweise von Skepsis, Misstrauen oder Ängsten bestanden, der Kläger vielmehr einen entspannten, zugewandten Eindruck hinterlassen und in den Vordergrund seiner Beschwerdeschilderung neurologische Beschwerden gestellt hat. Bezüglich des Carpaltunnelsyndroms ist seiner Ansicht nach eine Verschlechterung nicht auszuschließen, eine Beeinträchtigung für leichte körperliche Tätigkeiten sieht er in Übereinstimmung mit der Psychiaterin Dr. W. nicht, was angesichts fehlender Funktionsdefizite nachvollziehbar erscheint. Bezüglich des von Dr. L. angegebenen Tinnitus ist auffallend, dass dieser lediglich in seinen Gutachten Erwähnung findet. In den Befunden der behandelnden Ärzte wie auch in den vorliegenden Gutachten der anderen Sachverständigen finden sich hierzu keinerlei Beschwerdeangaben des Klägers. Auch für suizidale Tendenzen, wie sie von Dr. L. beschrieben werden, finden sich in den sonstigen ärztlichen Unterlagen keinerlei Anhaltspunkte.
Der Senat folgt daher der Leistungseinschätzung der Sachverständigen Dr. S. und Dr. M ... Beide Sachverständige haben das Leistungsvermögen unter Berücksichtigung der vorhandenen Vorbefunde und Vorgutachten überzeugend, schlüssig und widerspruchsfrei bestimmt. Dem behaupteten, nicht objektivierten Tinnitus wird durch den ergänzenden Ausschluss von Arbeiten unter Lärmbelästigung Rechnung getragen. Eine die vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers für körperlich leichte Arbeiten ausschließende Depression ist durch die Ausführungen des Dr. L. nicht nachgewiesen.
Der Kläger kann somit noch leichte Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne Bücken, ohne Überkopfarbeiten, ohne Zwangshaltungen, ohne ständiges Gehen und Stehen, ohne Zeitdruck und ohne Lärmbelästigung zu ebener Erde im Wechselrhythmus verrichten. Schwere spezifische Leistungsbehinderungen oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die bei dem auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbaren Kläger ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würden (vgl. BSGE 80, 24), liegen nicht vor. Für ungelernte Tätigkeiten typische Verrichtungen wie das Zureichen, Abnehmen, Sortieren, Verpacken und Montieren sind dem weder hinsichtlich der Konzentrations- und Umstellungsfähigkeit noch der Feinmotorik erkennbar eingeschränkten Kläger ohne Weiteres möglich.
In zeitlicher Hinsicht ist das Leistungsvermögen des Klägers nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. derzeit aus orthopädischer Sicht auf 6 Stunden täglich beschränkt. Nachdem bei der Begutachtung im erstinstanzlichen Verfahren noch eine vollschichtige Leistungsfähigkeit festzustellen war (Gutachten Dr. B. vom 15.12.1999) und der behandelnde Orthopäde Dr. W. gegenüber dem LSG am 28.03.2001 angegeben hat, die Beschwerden hätten sich in letzter Zeit verschlechtert, ist von einer Verschlechterung des Leistungsvermögens im laufenden Verfahren auszugehen. Für ein untervollschichtiges Leistungsvermögen vor dem 01.01.2001 liegen allerdings keine Anhaltspunkte vor. Der Kläger selbst hat weder gegenüber dem SG (mündliche Verhandlung am 14.11.2000) noch in der Berufungsbegründung vom 11.01.2001 eine Verschlimmerung der orthopädischen Erkrankungen geltend gemacht. Wesentliche Befundveränderungen sind auch dem Befundbericht des Dr. W. vom 28.03.2001 noch nicht zu entnehmen. Insbesondere finden sich noch keine Angaben zu Beschwerden im Nacken-Schulter-Arm-Bereich und an den Hüften, wie sie von Dr. S. anlässlich der Untersuchung vom 20.09.2001 beschrieben werden. Wie in der medizinischen Stellungnahme der Beklagten vom 26.03.2002 zutreffend dargelegt, ist eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens erst ab der Untersuchung durch Dr. S. nachgewiesen.
Danach ist beim Kläger weder vor dem 01.01.2001 der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. noch nach dem 31.12.2000 der Versicherungsfall der Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI n.F. (die ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes voraussetzt) eingetreten.
Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob und bis zu welchem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung (§§ 44 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB VI a.F. i.V.m. §§ 240, 241 SGB VI a.F. bzw. 43 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB VI n.F. i.V.m. § 241 Abs.2 SGB VI n.F.) erfüllt wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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