Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 59/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. November 1998 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozial- gericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Streitig ist die Gewährung von Altersruhegeld (ARG). Dabei geht es vor allem um die Frage, ob der Kläger als (ehemaliger) Angehöriger des deutschen Sprach- und Kulturkreises (dSK) die Berücksichtigung von Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) beanspruchen kann.
Der Kläger ist anerkannter Verfolgter iS des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Er wurde am 3. Juli 1925 in B. bei M. in Rumänien geboren und lebte bis zum Jahre 1944 in seinem Geburtsort, wo er von 1932 bis 1938 oder 1939 die Volksschule besuchte. Von April 1944 bis zum 27. Januar 1945 war er nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Im Dezember 1946 wanderte er nach Israel aus, wo er die israelische Staatsangehörigkeit erwarb.
Im Juni 1990 beantragte er die Gewährung von ARG wegen Vollendung des 65. Lebensjahres aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Nach umfangreichen Ermittlungen lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 4. August 1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 30. November 1995 ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus: Der Kläger habe keine in der deutschen Rentenversicherung anrechenbaren Zeiten zurückgelegt. Voraussetzung für die Berücksichtigung der in Rumänien zurückgelegten Zeiten sei die Zugehörigkeit zum dSK, dem der Kläger aber nicht angehöre. Er könne zwar deutsch sprechen und lesen, aber nicht schreiben, woraus zu schließen sei, daß er die deutsche Sprache im persönlichen Lebensbereich nicht überwiegend benutzt habe. Außerdem habe er im Jahre 1957 beim Amt für Invalidenrehabilitation in Tel Aviv hebräisch und jiddisch als Muttersprache angegeben.
Das vom Kläger angerufene Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat die Klage mit Urteil vom 26. August 1997 im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, es sei nicht glaubhaft, daß der Kläger früher habe deutsch schreiben können. Er sei mehrsprachig gewesen, habe aber nicht überwiegend die deutsche Sprache gebraucht. Die von der Heimatauskunftsstelle Rumänien beim Landesausgleichsamt Bayern (HAST) eingeholte Auskunft vom 28. Mai 1996 habe ergeben, daß in dem Heimatort des Klägers im Jahre 1930 nur 96 Personen und im Jahre 1941 nur 31 Personen Deutsch als Muttersprache angegeben hätten.
Mit Urteil vom 11. November 1998 hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Nach dem Gesamtergebnis der durchgeführten Ermittlungen bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Kläger zu Beginn der Verfolgung im April 1944 dem dSK angehört habe. Für die Zugehörigkeit zum dSK sei der Gebrauch der deutschen Sprache von ausschlaggebender Bedeutung, wobei zum Beherrschen der Sprache auch das Lesen und Schreiben gehöre. Ob der Kläger zum Zeitpunkt des Verfolgungsbeginns die deutsche Sprache auch in der Schrift beherrscht habe, sei zweifelhaft. Möglichkeiten, die durch die Angaben des Klägers insoweit aufgetretenen Widersprüche zu klären, seien nicht erkennbar. Hierauf komme es jedoch nicht entscheidend an, weil andere gewichtige Gesichtspunkte gegen eine Zugehörigkeit des Klägers zum dSK sprächen. Aufgrund der durchlaufenen, nicht ganz einfachen Schulausbildung sei davon auszugehen, daß er die rumänische Sprache in Wort und Schrift beherrscht habe. Dies spreche dafür, daß Kultur und Weltbild dem Kläger durch die rumänische Sprache zumindest in dem gleichen Umfang wie durch die deutsche Sprache vermittelt worden seien. Es erscheine glaubhaft, daß er von seiten seines Elternhauses deutschsprachigen Einflüssen ausgesetzt gewesen sei, doch sei davon auszugehen, daß diese Einflüsse im Laufe der Zeit bis zum Verfolgungsbeginn immer geringer geworden seien. Umstände, die den Kläger weiter am Gebrauch der deutschen Sprache hätten festhalten lassen, seien weder ersichtlich noch vorgetragen worden. Die Erklärungen der Zeugen P. und F. stellten nur auf den Sprachgebrauch im Elternhaus ab. Es könne aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Kläger als Heranwachsender selbstverständlich den sprachlichen Einflüssen der Umgebung ausgesetzt gewesen sei. Auch wenn seine Eltern oder Großeltern noch dem dSK angehört hätten, sei dies aufgrund der geschilderten Umstände für den Kläger nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Als Verfahrensmangel macht der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes (GG)) geltend, weil das LSG seine ihm obliegende Hinweispflicht verletzt habe. Insbesondere hätte das LSG ihn darauf hinweisen müssen, daß es von einer nicht ganz einfachen Schulausbildung sowie von lediglich "deutschsprachigen Einflüssen" in seinem Elternhaus und von der Annahme ausgehe, daß die deutschen Einflüsse im Laufe der Zeit bis zum Verfolgungsbeginn immer geringer geworden und keine Umstände ersichtlich seien, die auf ein Festhalten am Gebrauch der deutschen Sprache hätten schließen lassen.
Zur Rüge der Verletzung materiellen Rechts (§ 17a FRG, § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG)) führt der Kläger aus: Das LSG gehe davon aus, daß für die Zugehörigkeit zum dSK das Beherrschen der (deutschen) Schriftsprache verlangt werden müsse. Zwar habe das LSG festgestellt, es komme hierauf vorliegend nicht entscheidend an, weil andere Gesichtspunkte gegen eine Zugehörigkeit zum dSK sprächen, es könne aber nicht übersehen werden, daß das LSG gleichwohl der mangelnden Schreibfähigkeit eine erhebliche Bedeutung beigemessen habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne nicht davon ausgegangen werden, daß eine Person mit angeblich abgeschlossener fremdsprachlicher Schulausbildung und in dieser Sprache vermuteter Schreibfähigkeit nur dann dem dSK zugehöre, wenn sie die deutsche Sprache sprechen, lesen und schreiben könne. Eine Mehrsprachigkeit stehe der Zugehörigkeit zum dSK nicht entgegen, wenn der Verfolgte die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. November 1998 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. August 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. August 1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 30. November 1995 zu verurteilen, Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres unter Anerkennung von Fremdbeitragszeiten von Juli 1940 bis März 1944 und einer anschließenden (Verfolgungs-)Ersatzzeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, ein Verfahrensmangel iS einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei nicht zu erkennen. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt sei bereits im Verwaltungs- bzw erstinstanzlichem Verfahren geklärt worden. Das SG habe ausgeführt, der Kläger habe zumindest die rumänische Sprache vor Verfolgungsbeginn auch schriftlich benutzen können. Aus der Dauer des Volksschulbesuches sei auch zu entnehmen, daß der Kläger die rumänische Sprache in Wort und Schrift gelernt und damit Zugang zur rumänischen Kultur erhalten habe. Auch für die weitere Feststellung des LSG, der Kläger habe keine Umstände vorgetragen, die ihn noch am Gebrauch der deutschen Sprache in einer fremdsprachigen Umgebung hätten festhalten lassen, noch seien sonstige Umstände hierfür ersichtlich, habe es keines richterlichen Hinweises bedurft. Diese Feststellung sei ein Ergebnis der Auskunft der HAST vom 28. Mai 1996, die vom SG in das Verfahren eingeführt worden sei. Dies gelte auch für die vom LSG getroffene Feststellung, daß die deutschsprachigen Einflüsse bis zum Verfolgungsbeginn immer geringer geworden seien.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist iS einer Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Die vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen reichen nicht für eine Entscheidung darüber aus, ob dem Kläger ARG aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zusteht.
Der Rentenanspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften des Vierten Buches der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der Rentenantrag bereits im Juni 1990 - also bis zum 31. März 1992 - gestellt worden ist und sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 bezieht (vgl § 300 Abs 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI)). Gemäß dem danach anzuwendenden § 1248 Abs 5 RVO erhält ARG ein Versicherter, der das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach Abs 7 Satz 3 dieser Vorschrift erfüllt hat, also eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hat. Während der Kläger bereits im Juli 1990 die Altersgrenze von 65 Jahren erreicht hat, ist zwischen den Beteiligten streitig, ob er auch die erforderliche Wartezeit vorweisen kann.
Auf die Wartezeit von 60 Kalendermonaten (vgl § 1248 Abs 7 Satz 3 RVO) werden neben Beitragszeiten auch Ersatzzeiten angerechnet (§ 1250 Abs 1 Buchst a und b RVO). Anrechenbare Beitragszeiten iS der §§ 1249, 1250 RVO sind nach den Feststellungen des LSG nicht gegeben. Die Anrechenbarkeit von Ersatzzeittatbeständen nach § 1251 Abs 1 RVO setzt gemäß Abs 2 der Vorschrift das vorige Bestehen einer Versicherung oder die spätere Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit voraus. Dafür besteht im Falle des Klägers kein Anhalt, soweit es um Versicherungszeiten nach der RVO geht.
Bei dem Kläger könnte allerdings die Berücksichtigung von Versicherungszeiten nach §§ 15, 16 FRG in Betracht kommen, wodurch zugleich eine Anrechnung von Ersatzzeiten möglich würde. § 15 Abs 1 Satz 1 FRG sieht vor, daß Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstehen. Nach Maßgabe des § 16 FRG gilt Entsprechendes für Beschäftigungszeiten in Vertreibungsgebieten. Zwar gehört der Kläger - soweit ersichtlich - nicht zu dem gemäß § 1 FRG begünstigten Personenkreis. Insbesondere ist er offenbar kein anerkannter Vertriebener iS von § 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG). Ihm kann jedoch die Regelung des § 20 des WGSVG zugute kommen, die durch Art 21 Nr 4 des Rentenreformgesetzes 1992 rückwirkend zum 1. Februar 1971 (vgl § 20 Abs 3 Satz 1 WGSVG) neu gefaßt worden ist. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift stehen bei Anwendung des FRG den anerkannten Vertriebenen iS des BVFG vertriebene Verfolgte gleich, die lediglich deswegen nicht als Vertriebene anerkannt sind oder anerkannt werden können, weil sie sich nicht ausdrücklich zum deutschen Volkstum bekannt haben. Für die Feststellung der danach erheblichen Tatsachen genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind (vgl § 4 FRG; § 3 WGSVG).
Nach den Feststellungen des LSG ist der Kläger Verfolgter iS des § 1 BEG. Da er vor dem 1. Juli 1990 Rumänien verlassen hat, kann er auch Vertriebener (Aussiedler) iS von § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG sein. Das weitere Tatbestandsmerkmal dieser Norm, nämlich die (damalige) deutsche Volkszugehörigkeit (vgl dazu § 6 BVFG), wird dadurch ersetzt, daß § 20 Abs 1 Satz 2 WGSVG auf § 19 Abs 2 Buchst a Halbsatz 2 WGSVG verweist. Danach genügt es, soweit es auf die deutsche Volkszugehörigkeit ankommt, daß Verfolgte im Zeitraum des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem dSK angehört haben.
Wie der erkennende Senat in seinen Entscheidungen vom 10. März 1999 - B 13 RJ 83/98 R (BSG SozR 3-5070 § 20 Nr 7), B 13 RJ 87/97 R, B 13 RJ 25/98 R, B 13 RJ 35/98 R, B 13 RJ 65/98 R sowie B 13 RJ 81/98 R - im Anschluß an die bisherige Rechtsprechung des BSG und des Bundesgerichtshofs (BGH) ausführlich dargelegt hat, kommt es für die Zugehörigkeit zum dSK vorrangig auf die Sprache an. Danach kann der Verfolgte bei Mehrsprachigkeit dem dSK zugerechnet werden, wenn er die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und sie in seinem persönlichen Bereich überwiegend verwendet hat (vgl BGH RzW 1970, 503, 505; 1972, 266; 1974, 247; BSG SozR 5070 § 20 Nrn 4, 13; BSG SozR 3-5070 § 20 Nrn 1, 2). Beide Merkmale, also Sprachbeherrschung wie Sprachgebrauch, sind unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls zu beurteilen. Kann jemand in einer anderen Sprache, aber nicht in der deutschen schreiben, bedarf es dementsprechend der Prüfung, ob für ihn eine zumutbare Möglichkeit bestanden hat, die deutsche Schriftsprache zu erlernen (vgl BGH RzW 1980, 22, 23; AmtlMitt LVA Rheinpr 1986, 225, 229). Bei der Feststellung eines überwiegenden Sprachgebrauchs wiederum ist die Gesamtheit der individuellen Kommunikation des Verfolgten im persönlichen Lebensbereich in Betracht zu ziehen.
Gemessen an diesen Kriterien erlauben die Tatsachenfeststellungen des LSG keine abschließende Beurteilung dazu, ob die damalige Beherrschung und der Gebrauch der deutschen Sprache durch den Kläger ausreichen, um ihn dem deutschen Sprachkreis zuzurechnen. Was das Beherrschen der deutschen Sprache anbelangt, so hat sich das LSG ausdrücklich nicht festgelegt, in welchem Umfang der Kläger deutsch sprechen, lesen und schreiben konnte. Es hat zwar festgestellt, der Kläger habe die rumänische Sprache in Wort und Schrift beherrscht, weshalb ihm Kultur und Weltbild durch diese Sprache zumindest in gleichem Umfang wie durch die deutsche Sprache vermittelt worden seien; ohne vorherige Feststellungen über den Umfang der jeweiligen Sprachbeherrschung kann dieser Schluß jedoch nicht nachvollzogen werden. Auch wenn der Kläger nicht die deutsche Schriftsprache beherrschte, so bedarf es doch näherer Feststellungen zur Beherrschung der deutschen Sprache im übrigen. Soweit das LSG maßgeblich auf die durch die rumänische Sprache geprägte Schulausbildung abgestellt hat, fehlen Feststellungen, ob für den Kläger überhaupt eine Möglichkeit bestand, eine deutsche Schule zu besuchen, um die deutsche Schriftsprache zu erlernen. Immerhin hat die in Israel durchgeführte Sprachprüfung ergeben, daß der Kläger über deutschsprachige Kenntnisse verfügt, wie sie nur von "Muttersprachlern" erwartet werden können. Ob er neben dem Sprechen und Lesen der deutschen Sprache auch die deutsche Schriftsprache beherrschte, kann möglicherweise offenbleiben, wenn bereits ohne Berücksichtigung der Beherrschung der Schriftsprache eine eindeutige Aussage über die Sprachbeherrschung insgesamt möglich ist. Gerade hierzu hat das LSG aber keine Feststellungen getroffen.
Des weiteren ist das LSG davon ausgegangen, der Kläger sei von seiten seines Elternhauses deutschsprachigen Einflüssen ausgesetzt gewesen, ohne jedoch den Umfang des Sprachgebrauchs genauer zu bestimmen. Bei dem Hinweis auf die deutschsprachigen Einflüsse ist unklar, in welcher Intensität diese vorlagen und ob sie zu einem Sprachgebrauch im obigen Sinne führten. Insofern ist es vom LSG unterlassen worden, den Gesamtbereich der mündlichen und schriftlichen Kommunikation des Klägers konkret zu erfassen und in Beziehung zu setzen zum Umfang seines eventuell nur mündlichen Gebrauchs der deutschen Sprache. In diesem Zusammenhang kann es auch ausschlaggebend sein, ob die Großeltern oder sogar noch die Eltern des Klägers dem dSK angehörten. Das LSG hat eine Zugehörigkeit der Eltern des Klägers zum dSK offenbar für möglich gehalten. Diesem Umstand kann vor allem Bedeutung zukommen, wenn der Kläger bis zum Beginn der Verfolgung noch in seinem Elternhaus gelebt hat, wie von ihm vorgebracht wird. Für diesen Fall müßten die näheren Umstände ermittelt werden, aus denen das LSG auf einen immer geringeren deutschsprachigen Einfluß auf den Kläger in der relativ kurzen Zeitspanne bis zu dessen Verfolgung geschlossen hat. Allein der Umstand, daß er außerhalb des Elternhauses die rumänische Sprache benutzt haben mag, zwingt nicht zu dem Schluß, eine Zugehörigkeit zum dSK sei ausgeschlossen. Dies gilt vor allem dann, wenn eine nur kleine deutsche Minderheit im fremdsprachigen Umfeld gelebt hat und der Kläger von daher bei den Kontakten zu diesem Umfeld auf den Gebrauch der fremden Sprache angewiesen war. Andererseits kann vorliegend im Hinblick auf den von der HAST mitgeteilten geringen Bevölkerungsanteil, der sich im Heimatort des Klägers zum deutschen Sprachtum bekannt hatte, allein aus dem Beherrschen der deutschen Sprache nicht zwingend auf die Zugehörigkeit zum dSK geschlossen werden. Es bedarf vielmehr der Prüfung des Gebrauchs der deutschen Sprache im persönlichen Umfeld. Hierzu hat der Kläger zwei Zeugen benannt, so daß eine weitere Klärung des Sachverhalts möglich erscheint. Zwar haben die Zeugen in ihren vorliegenden schriftlichen Erklärungen tatsächlich nur zum Sprachgebrauch im Elternhaus Aussagen gemacht, es kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß sie auf entsprechende Nachfragen auch zum Sprachgebrauch des Klägers in seinem übrigen persönlichen Umfeld bis zum Verfolgungsbeginn noch nähere Angaben machen können.
Kann demnach die Zugehörigkeit des Klägers zum dSK noch nicht sicher beurteilt werden, so vermag dieser auch aus dem am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen § 17a FRG keine Rechte herzuleiten. Denn diese Bestimmung begünstigt ebenfalls nur Personen, die dem dSK angehört haben. Ebensowenig ergibt sich aus dem Abkommen vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit (Abk Israel SozSich) ein Anspruch des Klägers auf Anrechnung seiner in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.
Da der erkennende Senat die insoweit erforderlichen Ermittlungen im Revisionsverfahren nicht selbst durchführen kann (vgl § 163 SGG) ist das Berufungsurteil gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Bei diesem Ergebnis kommt es auf die Begründetheit der vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr an.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Gründe:
I
Streitig ist die Gewährung von Altersruhegeld (ARG). Dabei geht es vor allem um die Frage, ob der Kläger als (ehemaliger) Angehöriger des deutschen Sprach- und Kulturkreises (dSK) die Berücksichtigung von Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) beanspruchen kann.
Der Kläger ist anerkannter Verfolgter iS des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Er wurde am 3. Juli 1925 in B. bei M. in Rumänien geboren und lebte bis zum Jahre 1944 in seinem Geburtsort, wo er von 1932 bis 1938 oder 1939 die Volksschule besuchte. Von April 1944 bis zum 27. Januar 1945 war er nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Im Dezember 1946 wanderte er nach Israel aus, wo er die israelische Staatsangehörigkeit erwarb.
Im Juni 1990 beantragte er die Gewährung von ARG wegen Vollendung des 65. Lebensjahres aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Nach umfangreichen Ermittlungen lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 4. August 1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 30. November 1995 ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus: Der Kläger habe keine in der deutschen Rentenversicherung anrechenbaren Zeiten zurückgelegt. Voraussetzung für die Berücksichtigung der in Rumänien zurückgelegten Zeiten sei die Zugehörigkeit zum dSK, dem der Kläger aber nicht angehöre. Er könne zwar deutsch sprechen und lesen, aber nicht schreiben, woraus zu schließen sei, daß er die deutsche Sprache im persönlichen Lebensbereich nicht überwiegend benutzt habe. Außerdem habe er im Jahre 1957 beim Amt für Invalidenrehabilitation in Tel Aviv hebräisch und jiddisch als Muttersprache angegeben.
Das vom Kläger angerufene Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat die Klage mit Urteil vom 26. August 1997 im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, es sei nicht glaubhaft, daß der Kläger früher habe deutsch schreiben können. Er sei mehrsprachig gewesen, habe aber nicht überwiegend die deutsche Sprache gebraucht. Die von der Heimatauskunftsstelle Rumänien beim Landesausgleichsamt Bayern (HAST) eingeholte Auskunft vom 28. Mai 1996 habe ergeben, daß in dem Heimatort des Klägers im Jahre 1930 nur 96 Personen und im Jahre 1941 nur 31 Personen Deutsch als Muttersprache angegeben hätten.
Mit Urteil vom 11. November 1998 hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Nach dem Gesamtergebnis der durchgeführten Ermittlungen bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Kläger zu Beginn der Verfolgung im April 1944 dem dSK angehört habe. Für die Zugehörigkeit zum dSK sei der Gebrauch der deutschen Sprache von ausschlaggebender Bedeutung, wobei zum Beherrschen der Sprache auch das Lesen und Schreiben gehöre. Ob der Kläger zum Zeitpunkt des Verfolgungsbeginns die deutsche Sprache auch in der Schrift beherrscht habe, sei zweifelhaft. Möglichkeiten, die durch die Angaben des Klägers insoweit aufgetretenen Widersprüche zu klären, seien nicht erkennbar. Hierauf komme es jedoch nicht entscheidend an, weil andere gewichtige Gesichtspunkte gegen eine Zugehörigkeit des Klägers zum dSK sprächen. Aufgrund der durchlaufenen, nicht ganz einfachen Schulausbildung sei davon auszugehen, daß er die rumänische Sprache in Wort und Schrift beherrscht habe. Dies spreche dafür, daß Kultur und Weltbild dem Kläger durch die rumänische Sprache zumindest in dem gleichen Umfang wie durch die deutsche Sprache vermittelt worden seien. Es erscheine glaubhaft, daß er von seiten seines Elternhauses deutschsprachigen Einflüssen ausgesetzt gewesen sei, doch sei davon auszugehen, daß diese Einflüsse im Laufe der Zeit bis zum Verfolgungsbeginn immer geringer geworden seien. Umstände, die den Kläger weiter am Gebrauch der deutschen Sprache hätten festhalten lassen, seien weder ersichtlich noch vorgetragen worden. Die Erklärungen der Zeugen P. und F. stellten nur auf den Sprachgebrauch im Elternhaus ab. Es könne aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Kläger als Heranwachsender selbstverständlich den sprachlichen Einflüssen der Umgebung ausgesetzt gewesen sei. Auch wenn seine Eltern oder Großeltern noch dem dSK angehört hätten, sei dies aufgrund der geschilderten Umstände für den Kläger nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Als Verfahrensmangel macht der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes (GG)) geltend, weil das LSG seine ihm obliegende Hinweispflicht verletzt habe. Insbesondere hätte das LSG ihn darauf hinweisen müssen, daß es von einer nicht ganz einfachen Schulausbildung sowie von lediglich "deutschsprachigen Einflüssen" in seinem Elternhaus und von der Annahme ausgehe, daß die deutschen Einflüsse im Laufe der Zeit bis zum Verfolgungsbeginn immer geringer geworden und keine Umstände ersichtlich seien, die auf ein Festhalten am Gebrauch der deutschen Sprache hätten schließen lassen.
Zur Rüge der Verletzung materiellen Rechts (§ 17a FRG, § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG)) führt der Kläger aus: Das LSG gehe davon aus, daß für die Zugehörigkeit zum dSK das Beherrschen der (deutschen) Schriftsprache verlangt werden müsse. Zwar habe das LSG festgestellt, es komme hierauf vorliegend nicht entscheidend an, weil andere Gesichtspunkte gegen eine Zugehörigkeit zum dSK sprächen, es könne aber nicht übersehen werden, daß das LSG gleichwohl der mangelnden Schreibfähigkeit eine erhebliche Bedeutung beigemessen habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne nicht davon ausgegangen werden, daß eine Person mit angeblich abgeschlossener fremdsprachlicher Schulausbildung und in dieser Sprache vermuteter Schreibfähigkeit nur dann dem dSK zugehöre, wenn sie die deutsche Sprache sprechen, lesen und schreiben könne. Eine Mehrsprachigkeit stehe der Zugehörigkeit zum dSK nicht entgegen, wenn der Verfolgte die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. November 1998 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. August 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. August 1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 30. November 1995 zu verurteilen, Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres unter Anerkennung von Fremdbeitragszeiten von Juli 1940 bis März 1944 und einer anschließenden (Verfolgungs-)Ersatzzeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, ein Verfahrensmangel iS einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei nicht zu erkennen. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt sei bereits im Verwaltungs- bzw erstinstanzlichem Verfahren geklärt worden. Das SG habe ausgeführt, der Kläger habe zumindest die rumänische Sprache vor Verfolgungsbeginn auch schriftlich benutzen können. Aus der Dauer des Volksschulbesuches sei auch zu entnehmen, daß der Kläger die rumänische Sprache in Wort und Schrift gelernt und damit Zugang zur rumänischen Kultur erhalten habe. Auch für die weitere Feststellung des LSG, der Kläger habe keine Umstände vorgetragen, die ihn noch am Gebrauch der deutschen Sprache in einer fremdsprachigen Umgebung hätten festhalten lassen, noch seien sonstige Umstände hierfür ersichtlich, habe es keines richterlichen Hinweises bedurft. Diese Feststellung sei ein Ergebnis der Auskunft der HAST vom 28. Mai 1996, die vom SG in das Verfahren eingeführt worden sei. Dies gelte auch für die vom LSG getroffene Feststellung, daß die deutschsprachigen Einflüsse bis zum Verfolgungsbeginn immer geringer geworden seien.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist iS einer Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Die vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen reichen nicht für eine Entscheidung darüber aus, ob dem Kläger ARG aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zusteht.
Der Rentenanspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften des Vierten Buches der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der Rentenantrag bereits im Juni 1990 - also bis zum 31. März 1992 - gestellt worden ist und sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 bezieht (vgl § 300 Abs 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI)). Gemäß dem danach anzuwendenden § 1248 Abs 5 RVO erhält ARG ein Versicherter, der das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach Abs 7 Satz 3 dieser Vorschrift erfüllt hat, also eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hat. Während der Kläger bereits im Juli 1990 die Altersgrenze von 65 Jahren erreicht hat, ist zwischen den Beteiligten streitig, ob er auch die erforderliche Wartezeit vorweisen kann.
Auf die Wartezeit von 60 Kalendermonaten (vgl § 1248 Abs 7 Satz 3 RVO) werden neben Beitragszeiten auch Ersatzzeiten angerechnet (§ 1250 Abs 1 Buchst a und b RVO). Anrechenbare Beitragszeiten iS der §§ 1249, 1250 RVO sind nach den Feststellungen des LSG nicht gegeben. Die Anrechenbarkeit von Ersatzzeittatbeständen nach § 1251 Abs 1 RVO setzt gemäß Abs 2 der Vorschrift das vorige Bestehen einer Versicherung oder die spätere Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit voraus. Dafür besteht im Falle des Klägers kein Anhalt, soweit es um Versicherungszeiten nach der RVO geht.
Bei dem Kläger könnte allerdings die Berücksichtigung von Versicherungszeiten nach §§ 15, 16 FRG in Betracht kommen, wodurch zugleich eine Anrechnung von Ersatzzeiten möglich würde. § 15 Abs 1 Satz 1 FRG sieht vor, daß Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstehen. Nach Maßgabe des § 16 FRG gilt Entsprechendes für Beschäftigungszeiten in Vertreibungsgebieten. Zwar gehört der Kläger - soweit ersichtlich - nicht zu dem gemäß § 1 FRG begünstigten Personenkreis. Insbesondere ist er offenbar kein anerkannter Vertriebener iS von § 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG). Ihm kann jedoch die Regelung des § 20 des WGSVG zugute kommen, die durch Art 21 Nr 4 des Rentenreformgesetzes 1992 rückwirkend zum 1. Februar 1971 (vgl § 20 Abs 3 Satz 1 WGSVG) neu gefaßt worden ist. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift stehen bei Anwendung des FRG den anerkannten Vertriebenen iS des BVFG vertriebene Verfolgte gleich, die lediglich deswegen nicht als Vertriebene anerkannt sind oder anerkannt werden können, weil sie sich nicht ausdrücklich zum deutschen Volkstum bekannt haben. Für die Feststellung der danach erheblichen Tatsachen genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind (vgl § 4 FRG; § 3 WGSVG).
Nach den Feststellungen des LSG ist der Kläger Verfolgter iS des § 1 BEG. Da er vor dem 1. Juli 1990 Rumänien verlassen hat, kann er auch Vertriebener (Aussiedler) iS von § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG sein. Das weitere Tatbestandsmerkmal dieser Norm, nämlich die (damalige) deutsche Volkszugehörigkeit (vgl dazu § 6 BVFG), wird dadurch ersetzt, daß § 20 Abs 1 Satz 2 WGSVG auf § 19 Abs 2 Buchst a Halbsatz 2 WGSVG verweist. Danach genügt es, soweit es auf die deutsche Volkszugehörigkeit ankommt, daß Verfolgte im Zeitraum des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem dSK angehört haben.
Wie der erkennende Senat in seinen Entscheidungen vom 10. März 1999 - B 13 RJ 83/98 R (BSG SozR 3-5070 § 20 Nr 7), B 13 RJ 87/97 R, B 13 RJ 25/98 R, B 13 RJ 35/98 R, B 13 RJ 65/98 R sowie B 13 RJ 81/98 R - im Anschluß an die bisherige Rechtsprechung des BSG und des Bundesgerichtshofs (BGH) ausführlich dargelegt hat, kommt es für die Zugehörigkeit zum dSK vorrangig auf die Sprache an. Danach kann der Verfolgte bei Mehrsprachigkeit dem dSK zugerechnet werden, wenn er die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und sie in seinem persönlichen Bereich überwiegend verwendet hat (vgl BGH RzW 1970, 503, 505; 1972, 266; 1974, 247; BSG SozR 5070 § 20 Nrn 4, 13; BSG SozR 3-5070 § 20 Nrn 1, 2). Beide Merkmale, also Sprachbeherrschung wie Sprachgebrauch, sind unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls zu beurteilen. Kann jemand in einer anderen Sprache, aber nicht in der deutschen schreiben, bedarf es dementsprechend der Prüfung, ob für ihn eine zumutbare Möglichkeit bestanden hat, die deutsche Schriftsprache zu erlernen (vgl BGH RzW 1980, 22, 23; AmtlMitt LVA Rheinpr 1986, 225, 229). Bei der Feststellung eines überwiegenden Sprachgebrauchs wiederum ist die Gesamtheit der individuellen Kommunikation des Verfolgten im persönlichen Lebensbereich in Betracht zu ziehen.
Gemessen an diesen Kriterien erlauben die Tatsachenfeststellungen des LSG keine abschließende Beurteilung dazu, ob die damalige Beherrschung und der Gebrauch der deutschen Sprache durch den Kläger ausreichen, um ihn dem deutschen Sprachkreis zuzurechnen. Was das Beherrschen der deutschen Sprache anbelangt, so hat sich das LSG ausdrücklich nicht festgelegt, in welchem Umfang der Kläger deutsch sprechen, lesen und schreiben konnte. Es hat zwar festgestellt, der Kläger habe die rumänische Sprache in Wort und Schrift beherrscht, weshalb ihm Kultur und Weltbild durch diese Sprache zumindest in gleichem Umfang wie durch die deutsche Sprache vermittelt worden seien; ohne vorherige Feststellungen über den Umfang der jeweiligen Sprachbeherrschung kann dieser Schluß jedoch nicht nachvollzogen werden. Auch wenn der Kläger nicht die deutsche Schriftsprache beherrschte, so bedarf es doch näherer Feststellungen zur Beherrschung der deutschen Sprache im übrigen. Soweit das LSG maßgeblich auf die durch die rumänische Sprache geprägte Schulausbildung abgestellt hat, fehlen Feststellungen, ob für den Kläger überhaupt eine Möglichkeit bestand, eine deutsche Schule zu besuchen, um die deutsche Schriftsprache zu erlernen. Immerhin hat die in Israel durchgeführte Sprachprüfung ergeben, daß der Kläger über deutschsprachige Kenntnisse verfügt, wie sie nur von "Muttersprachlern" erwartet werden können. Ob er neben dem Sprechen und Lesen der deutschen Sprache auch die deutsche Schriftsprache beherrschte, kann möglicherweise offenbleiben, wenn bereits ohne Berücksichtigung der Beherrschung der Schriftsprache eine eindeutige Aussage über die Sprachbeherrschung insgesamt möglich ist. Gerade hierzu hat das LSG aber keine Feststellungen getroffen.
Des weiteren ist das LSG davon ausgegangen, der Kläger sei von seiten seines Elternhauses deutschsprachigen Einflüssen ausgesetzt gewesen, ohne jedoch den Umfang des Sprachgebrauchs genauer zu bestimmen. Bei dem Hinweis auf die deutschsprachigen Einflüsse ist unklar, in welcher Intensität diese vorlagen und ob sie zu einem Sprachgebrauch im obigen Sinne führten. Insofern ist es vom LSG unterlassen worden, den Gesamtbereich der mündlichen und schriftlichen Kommunikation des Klägers konkret zu erfassen und in Beziehung zu setzen zum Umfang seines eventuell nur mündlichen Gebrauchs der deutschen Sprache. In diesem Zusammenhang kann es auch ausschlaggebend sein, ob die Großeltern oder sogar noch die Eltern des Klägers dem dSK angehörten. Das LSG hat eine Zugehörigkeit der Eltern des Klägers zum dSK offenbar für möglich gehalten. Diesem Umstand kann vor allem Bedeutung zukommen, wenn der Kläger bis zum Beginn der Verfolgung noch in seinem Elternhaus gelebt hat, wie von ihm vorgebracht wird. Für diesen Fall müßten die näheren Umstände ermittelt werden, aus denen das LSG auf einen immer geringeren deutschsprachigen Einfluß auf den Kläger in der relativ kurzen Zeitspanne bis zu dessen Verfolgung geschlossen hat. Allein der Umstand, daß er außerhalb des Elternhauses die rumänische Sprache benutzt haben mag, zwingt nicht zu dem Schluß, eine Zugehörigkeit zum dSK sei ausgeschlossen. Dies gilt vor allem dann, wenn eine nur kleine deutsche Minderheit im fremdsprachigen Umfeld gelebt hat und der Kläger von daher bei den Kontakten zu diesem Umfeld auf den Gebrauch der fremden Sprache angewiesen war. Andererseits kann vorliegend im Hinblick auf den von der HAST mitgeteilten geringen Bevölkerungsanteil, der sich im Heimatort des Klägers zum deutschen Sprachtum bekannt hatte, allein aus dem Beherrschen der deutschen Sprache nicht zwingend auf die Zugehörigkeit zum dSK geschlossen werden. Es bedarf vielmehr der Prüfung des Gebrauchs der deutschen Sprache im persönlichen Umfeld. Hierzu hat der Kläger zwei Zeugen benannt, so daß eine weitere Klärung des Sachverhalts möglich erscheint. Zwar haben die Zeugen in ihren vorliegenden schriftlichen Erklärungen tatsächlich nur zum Sprachgebrauch im Elternhaus Aussagen gemacht, es kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß sie auf entsprechende Nachfragen auch zum Sprachgebrauch des Klägers in seinem übrigen persönlichen Umfeld bis zum Verfolgungsbeginn noch nähere Angaben machen können.
Kann demnach die Zugehörigkeit des Klägers zum dSK noch nicht sicher beurteilt werden, so vermag dieser auch aus dem am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen § 17a FRG keine Rechte herzuleiten. Denn diese Bestimmung begünstigt ebenfalls nur Personen, die dem dSK angehört haben. Ebensowenig ergibt sich aus dem Abkommen vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit (Abk Israel SozSich) ein Anspruch des Klägers auf Anrechnung seiner in Rumänien zurückgelegten Beschäftigungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.
Da der erkennende Senat die insoweit erforderlichen Ermittlungen im Revisionsverfahren nicht selbst durchführen kann (vgl § 163 SGG) ist das Berufungsurteil gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Bei diesem Ergebnis kommt es auf die Begründetheit der vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr an.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
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