B 2 U 2/99 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 2/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. November 1998 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit des Unternehmerbeitrages der Kläger zur gesetzlichen Unfallversicherung für das Veranlagungsjahr 1993 streitig.

Die Kläger betrieben von Januar 1986 bis zum 31. Dezember 1996 gemeinsam ein Friseurgeschäft in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Danach führte der Kläger zu 2) die Firma allein weiter. Mit Bescheid vom 27. April 1994 setzte die Beklagte den Beitrag für das Veranlagungsjahr 1993 nach der Zahl der von den Klägern beschäftigten Versicherten (sog Kopfbeiträge) fest. Gegenüber dem Veranlagungsjahr 1992 war der geforderte Pro-Kopf-Beitrag ua wegen Korrekturen hinsichtlich der Anzahl der im Friseurhandwerk beschäftigten Versicherten im Rahmen des Schätzverfahrens, der Erhöhung des Betriebsmittelstockes und unter Berücksichtigung der von der Beklagten mitzufinanzierenden Rentenaltlasten aus dem Gebiet der früheren DDR (im folgenden: Altlasten-Ost) um ca 57 % gestiegen.

Widerspruch, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1994, Urteile des Sozialgerichts vom 2. Oktober 1996 sowie des Landessozialgerichts (LSG) vom 19. November 1998). Das LSG hat dazu im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe den von den Klägern geforderten Beitrag rechtmäßig erhoben. Der Kläger zu 1) sei damals Gesellschafter gewesen und hafte gemäß § 665 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auch nach seinem Ausscheiden zum 31. Dezember 1996 gesamtschuldnerisch für die Beiträge, sei also bezüglich der hier streitgegenständlichen Beiträge für das Veranlagungsjahr 1993 weiterhin aktiv legitimiert. Gemäß §§ 723 Abs 1 Satz 1, 724 Abs 1 RVO iVm §§ 21, 29 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) habe die Beklagte im Rahmen der Selbstverwaltung die Mittel für die von ihr zu erfüllenden Aufgaben von den Mitgliedern zu fordern, wobei nur ein eingeschränktes gerichtliches Prüfungsrecht bestehe. Sie könne auch gemäß § 728 Abs 2 RVO iVm §§ 21, 26 Abs 3 ihrer Satzung bei der Erhebung von Kopfbeiträgen das Schätzverfahren anwenden (§ 743 RVO), wobei die Schätzung der Beklagten wiederum nur eingeschränkt prüfbar sei (Selbstverwaltungsautonomie). Das Schätzverfahren verstoße auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art 20 des Grundgesetzes (GG), denn das Maß der hierdurch verursachten Belastung der Kläger stehe nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den hinzunehmenden Einbußen. Die Schätzung selbst sei auch nicht zu beanstanden. Insbesondere sei unter dem Aspekt der Massenverwaltung eine genauere Ermittlung der Schätzgrundlagen nicht erforderlich, und die Schätzung solle gerade eine Benachteiligung der ordnungsgemäß meldenden Mitglieder verhindern, so daß auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 GG vorliege. Ebensowenig sei darin ein Verstoß gegen den Schutz des Eigentums durch Art 14 GG zu sehen, weil die Eingriffe der Beklagten zumindest auf ein vertretbares Maß beschränkt worden seien und zudem auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruhten. Hinsichtlich der in die Beitragsberechnung einfließenden Kosten für Berufskrankheiten - insbesondere für die Berufskrankheit Nr 5101 (Hauterkrankung) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Betriebsmittelstock sei angemessen auf lediglich 75 % - und nicht auf 90 %, wie in den übrigen Abteilungen bereits bestehend - erhöht worden. Dieser habe insbesondere im Hinblick auf den ab Januar 1996 einzuführenden Gefahrtarif erhöht werden müssen. Bezüglich der Altlasten-Ost werde Bezug genommen auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. Juli 1996 (BSGE 79, 23 = SozR 3-8110 Kap VIII J III Nr 1 Nr 1) und auf die Ausführungen des Bayerischen LSG im Urteil vom 22. Juli 1998 - L 2 U 144/97 -. Insgesamt stehe eine - gegenüber dem vorangegangenen Geschäftsjahr erhebliche - Beitragserhöhung um mehr als 56 % unter Berücksichtigung der damaligen Besonderheiten nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache. Zudem sei den Gerichten verwehrt, die Zweckmäßigkeit einer Maßnahme im Rahmen der Beitragsgestaltung zu überprüfen.

Mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 724 Abs 1, § 728 Abs 2, §§ 743, 755 RVO sowie Art 3 Abs 1 und 20 Abs 3 GG). Entgegen der Ansicht des LSG sei das Schätzverfahren überhaupt ungeeignet zur Beitragsermittlung, denn es führe von vornherein nicht zu dem beabsichtigten Ziel einer sachgerechten Beitragsfestsetzung. Hierfür gebe es bessere Methoden, so daß ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und somit gegen Art 20 GG vorliege. Zudem sei das Schätzverfahren als Ausnahmeregelung nicht bei der Ermittlung der Kopfbeiträge, welche selbst bereits eine Ausnahme von der Berechnung der Beiträge nach dem Entgelt bzw nach einem Vomhundertsatz der Lohnsumme darstelle, anwendbar. Dies sehe zwar die Satzung der Beklagten vor, sei aber nach den Vorschriften der RVO nicht zulässig, so daß die Satzung gegen höherrangiges Recht verstoße. Im übrigen sei eine Schätzung gerade bei der Ermittlung von Kopfbeiträgen ungeeignet, denn Voraussagen über die Entwicklung von Beschäftigtenzahlen seien kaum möglich. Die Beklagte habe auch die Grundlagen für eine Schätzung nicht ausreichend ermittelt. Vielmehr hätte sie Fehlentwicklungen bereits im Veranlagungsjahr 1992 erkennen können und bekannte Sondereinflüsse in die Schätzung einbeziehen müssen. Auch hätten die Betriebsmittel nicht gerade für das Jahr 1993 noch erhöht werden dürfen, denn dies habe zu einer zusätzlichen Erhöhung der Beiträge geführt. Bezüglich der Altlasten-Ost liege ein Sonderopfer vor, dessen Finanzierung Aufgabe der Allgemeinheit und nicht der Mitglieder der gesetzlichen Unfallversicherung sei; Gemeinlasten wie diese seien über Steuern und nicht nur durch einen begrenzten Personenkreis zu finanzieren. Das Urteil des BSG vom 2. Juli 1996 sei diesbezüglich nicht tragfähig.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. November 1998 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. Oktober 1996 sowie den Beitragsbescheid der Beklagten vom 27. April 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 1994 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beruft sich gleichzeitig auf die ihre Auffassung bestätigenden Urteile verschiedener Landessozial- und Sozialgerichte sowie auf zwei Stellungnahmen des Bundesversicherungsamtes vom 7. September 1994 und 22. August 1996.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.

II

Die Revision ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger zu 1), obwohl er zum 31. Dezember 1996 aus der mit dem Kläger zu 2) gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeschieden ist, noch prozeßführungsbefugt. Gemäß § 665 Satz 2 RVO sowie nach § 150 Abs 4 des seit dem 1. Januar 1997 geltenden Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) haftet er als Gesamtschuldner auch nach seinem Ausscheiden noch für die Beiträge des Veranlagungsjahres 1993. Er ist somit sachlegitimiert. Wer die Sachlegitimation besitzt, ist in der Regel auch prozeßführungsbefugt (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 6. Aufl 1998, § 69 RdNr 4). Hier ist der Kläger zu 1) auch nach seinem Ausscheiden noch unmittelbar gegenüber der Beklagten zur Zahlung der Beiträge für das streitige Veranlagungsjahr verpflichtet.

Die Revision ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 27. April 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 1994 ist rechtmäßig. Dabei sind bezüglich des Veranlagungsjahres 1993 die Vorschriften der RVO weiter anzuwenden (§ 219 Abs 1 Satz 2 SGB VII).

Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Von den Klägern werden keine Gründe vorgetragen, die Zweifel hieran begründen könnten. Verstöße gegen verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmungen sind nicht ersichtlich; insbesondere finden sich in § 746 RVO iVm § 29 der Satzung der Beklagten vom 9. Juni 1958 idF des 31. Nachtrages vom 28. Oktober 1992, die am 1. Januar 1993 in Kraft getreten ist (Satzung), hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlagen für den Erlaß des Beitragsbescheides.

Entgegen der Auffassung der Revision ist der angefochtene Beitragsbescheid auch materiell rechtmäßig. Er entspricht den inhaltlichen Vorgaben der Satzung (1), die sich wiederum auf die wirksamen gesetzlichen Vorschriften der RVO (2) als Rechtsgrundlage stützt. Die Kopfbeiträge (3) wurden rechtmäßig im Rahmen des auch bei dieser Beitragsgestaltung anwendbaren Schätzverfahrens (4) berechnet. Die zur Schätzung herangezogenen Grundlagen (5) sind von der Beklagten ebenso richtig ermittelt worden wie das Umlagesoll (6) für das Veranlagungsjahr 1993. Die angewendeten Regelungen der Satzung verletzen keine Grundrechte der Kläger (7).

(1) Das von der Beklagten angewandte Verfahren der Berechnung der Beiträge nach der Kopfzahl der Versicherten ist in § 17 iVm § 21 Abs 1 Satz 1 der Satzung vorgesehen. Das zur Ermittlung der Kopfzahlen im Jahre 1993 durchgeführte Schätzverfahren beruht auf § 26 Abs 3 der Satzung. Gegen diese satzungsrechtlichen Grundlagen, deren ordnungsgemäße Anwendung durch die Beklagte nicht umstritten ist, wendet die Revision ein, das Schätzverfahren zur Ermittlung von Kopfzahlen der Versicherten hätte nicht in die Satzung aufgenommen werden dürfen. Soweit die Kläger dazu vortragen, die Beklagte habe die Grundlagen für eine Schätzung der Kopfzahlen nicht ausreichend ermittelt, ist dieses Vorbringen im Revisionsverfahren unbeachtlich. Sachverhaltsbehauptungen sind nur im Rahmen zulässiger Rügen gegen die Feststellungen des Sachverhaltes durch das LSG zu berücksichtigen. Daran fehlt es hier (s unten).

(2) Sowohl § 26 Abs 3 der Satzung als auch deren übrige Vorschriften über die Aufbringung der Mittel entsprechen den Vorschriften der RVO. Dabei ist zu beachten, daß die Satzung der Beklagten objektives Recht ist und der Nachprüfung durch die Gerichte insbesondere aber auch nur darauf unterliegt, ob sie mit dem Gesetz, auf dem sie beruht, und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist (BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr 1 zu § 730 RVO; BSGE 68, 123, 124 = SozR 3-2200 § 803 Nr 2). Nicht zu entscheiden ist hingegen, ob es sich um die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung handelt (BSG, Urteil vom 12. Dezember 1985 - 2 RU 70/84 - HV-Info 1986, 283; BSGE 54, 232, 235 = SozR 2200 § 809 Nr 1; BSG SozR 3-2200 § 725 Nr 2). Die Satzung der Beklagten unterliegt in diesem Rahmen auch der revisionsgerichtlichen Überprüfung. Insoweit handelt es sich bei ihr um revisibles Recht iS des § 162 SGG, weil sie gemäß § 2 Abs 4 der Satzung für das gesamte Bundesgebiet gilt (vgl BSGE 5, 222, 229; BSG SozR 2200 § 725 Nr 10 und SozR 3-2200 § 725 Nr 2).

Die Mindestanforderungen an den Inhalt der Satzung werden in § 671 RVO genannt. Zu weiteren Regelungen innerhalb der Satzung, insbesondere hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Beitragsgestaltung, wird der Unfallversicherungsträger in § 724 Abs 2, §§ 728 und 741 Abs 3 RVO ermächtigt. Die weiteren Vorschriften des 5. Abschnitts der RVO über die Aufbringung und Verwendung der Mittel (§§ 723 bis 761) sind zwingend zu beachten und - soweit von den Revisionsklägern beanstandet - von der Beklagten eingehalten worden. Nach § 723 Abs 1 RVO werden die Mittel für die Ausgaben der Berufsgenossenschaft durch Beiträge der Unternehmer, die versichert sind oder Versicherte beschäftigen, aufgebracht. Dabei gilt das Umlageprinzip der nachträglichen Bedarfsdeckung (§ 724 Abs 1, § 740 RVO; s dazu Schulz BG 1989, 304 f). Der anfallende Bedarf von Mitteln für das abgelaufene Geschäftsjahr wird nach einem in der Satzung festgelegten Verteilungsmaßstab auf den gerade vorhandenen Bestand an beitragspflichtigen Unternehmen umgelegt (BSG SozR 2200 § 725 Nr 10; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 540c). Zum Gesamtbedarf gehören alle Kosten, die den Berufsgenossenschaften durch die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erwachsen (§ 21 SGB IV, § 723 Abs 1, § 724 Abs 1 RVO), so die Kosten für die Unfallverhütung und Erste Hilfe, das Heilverfahren, die Berufshilfe und die Geldleistungen (Ausgaben), ferner die Aufwendungen für die Selbstverwaltung sowie die Verwaltung einschließlich deren Verfahren, den Finanzdienst (sog Betriebsmittel) und die Mittel zur Ansammlung von Rücklagen. Diesem Geldbedarf, vermindert durch die Verwaltungseinnahmen (zB Zinsen, Regresseinnahmen, Säumniszuschläge), entspricht der Umfang des auf die Gesamtheit der beitragspflichtigen Unternehmer entfallenden Umlagesolls (vgl BSG SozR 2200 § 725 Nr 10).

(3) Die Höhe des Beitrags, mit dem der einzelne Unternehmer an dem Umlagesoll zu beteiligen ist, richtet sich in der Regel nach dem Entgelt der Versicherten in dessen Unternehmen und dem Grad der Unfallgefahr in dem Unternehmen (§ 725 Abs 1, §§ 726, 727, 730 RVO) oder, sofern die Satzung dies bestimmt, gemäß § 728 Abs 2 RVO nach der Zahl der Versicherten (Kopfbeitrag). Die zulässigen Verfahren der Verteilung des Umlagesolls sind in §§ 725 Abs 1, 727, 728 Abs 2 RVO somit vom Gesetzgeber ausdrücklich und genau festgelegt worden, wobei dem Unfallversicherungsträger ein Gestaltungsspielraum dahingehend eröffnet wurde, im Rahmen der Satzung festzulegen, welches der vorgegebenen Verfahren er anwenden will. Gemäß § 21 Abs 1 der Satzung hat die Beklagte das sog Kopfbeitragsverfahren gewählt und sich damit im Rahmen der von der RVO vorgesehenen Umlageverfahren gehalten. Dieses Verfahren dient der Verwaltungsvereinfachung vor allem bei Unfallversicherungsträgern mit einer großen Zahl von Unternehmen mit jeweils wenigen Versicherten oder ohne fremde Arbeitskräfte (BSGE 16, 50, 52 = SozR Nr 3 zu § 11 KGG; Kater/Leube, SGB VII, § 155 RdNr 2; Platz in Schulin, HS-UV, § 58 RdNr 102 unter Hinweis auf BT-Drucks IV/120, S 67; Brackmann/Burchardt, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, 12. Aufl, § 155 RdNr 5). Im übrigen ist das Kopfbeitragsverfahren aber grundsätzlich auf alle Unternehmen unabhängig von ihrer Beschäftigtenstruktur anwendbar (Kater/Leube, aaO).

(4) Im Rahmen der Ermittlung der Kopfbeiträge hat die Beklagte auf das sog Schätzverfahren zurückgegriffen. Dies war nach den bindenden Feststellungen des LSG erforderlich geworden, da ein Teil der Mitglieder die zur Festlegung der Versichertenzahl erforderlichen Auskünfte nicht gegeben bzw den durch § 741 RVO vorgeschriebenen Lohnnachweis in der nach § 741 Abs 3 RVO der Satzung vorbehaltenen und dort in § 26 Abs 1 bestimmten Form nicht rechtzeitig bzw überhaupt nicht an die Beklagte übersandt hatte. Dieses von der Beklagten durchgeführte Schätzverfahren beruht auf § 26 Abs 3 der Satzung. Hiernach kann die Beklagte nicht oder nicht vollständig eingereichte Lohnnachweise zur Beitragsberechnung selbst aufstellen, ergänzen oder berichtigen. § 741 Abs 3 RVO bildet die Rechtsgrundlage für die entsprechende Regelung in § 26 Abs 1 der Satzung, nach der ua die Zahl der beschäftigten Versicherten von dem jeweiligen Mitglied anzugeben ist. Daß diese Satzungsnorm auf einer weitreichenden Ermächtigung durch den Gesetzgeber beruht, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil die für Rechtsverordnungen geltenden engen Begrenzungen des Art 80 GG insoweit nicht gelten (BSGE 68, 123, 124 mwN = SozR 3-2200 § 803 Nr 2). Wenn Satzungsregelungen allerdings in Grundrechte eingreifen, so ist dies nur zulässig, soweit der Gesetzgeber die wesentlichen Grundlagen der Entscheidung selbst getroffen hat (BVerfGE 33, 125, 158; 45, 393, 399). Je stärker der Grundrechtseingriff ist, um so bestimmter muß auch die formal-gesetzliche Ermächtigung sein (BVerfGE 33, 125, 160; 76, 171, 185 mwN). Diesen Voraussetzungen ist vorliegend Genüge getan. § 743 RVO, wonach der Unfallversicherungsträger für Unternehmer, die den Lohnnachweis nicht rechtzeitig oder unvollständig einreichen, selbst aufzustellen oder zu ergänzen hat, bildet eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für die im Wortlaut ähnliche Vorschrift des § 26 Abs 3 der Satzung.

Entgegen der Auffassung der Kläger spricht neben dem Wortlaut des Gesetzes die Gesetzessystematik und der Regelungszusammenhang dafür, daß das Schätzverfahren auch bei der Beitragsberechnung nach der Zahl der Versicherten zulässig ist. So werden im Fünften Abschnitt unter der Überschrift "Aufbringung und Verwendung der Mittel" in der RVO zunächst allgemeine Regelungen über Beiträge und für die Beitragsberechnung aufgestellt; danach werden die Möglichkeiten der Umlage des berechneten Bedarfs genannt (§§ 726 bis 729 RVO). Nach weiteren speziellen Regelungen zur Mittelaufbringung und Verteilung wird dann das Umlage- und Erhebungsverfahren geregelt (§ 740 ff RVO), wobei sich dort kein Hinweis findet, daß diese Vorschriften sich lediglich auf das Lohnsummenverfahren (§ 727 RVO) beziehen sollen. Vielmehr kann der Unfallversicherungsträger gemäß § 741 Abs 3 RVO "Form und Inhalt der Lohnnachweise" festlegen und damit auch bestimmen, ob die Zahl der Versicherten vom jeweiligen Mitglied anzugeben ist, denn unter dem Begriff des "Lohnnachweises" in § 741 Abs 1 RVO versteht das Gesetz den "Nachweis der Berechnung der Umlage". Dafür, daß sich der "Lohnnachweis" iS des § 741 Abs 1 RVO nur auf die in § 727 RVO angesprochene Lohnsumme oder die Entgelte bezieht, findet sich kein Anhaltspunkt. Im Gegenteil ist davon auszugehen, daß, sofern die Beiträge gemäß § 728 Abs 2 RVO nach der Zahl der Versicherten entrichtet werden, der Nachweis für die Berechnung der Umlage iS des § 741 Abs 1 RVO nur die Angabe der Kopfzahl der Versicherten sein kann. Machen Mitglieder nicht die zulässigerweise geforderten Angaben, so ist das Erfordernis einer Schätzung der Kopfzahlen der nicht meldenden Betriebe und demzufolge der aller Mitgliedsbetriebe zur schnellen und möglichst gerechten Ermittlung des Umlagesolls und damit zur einfachen Beitragsberechnung ebenso notwendig wie die Schätzung der Entgelte bei der Umlageberechnung nach dem Lohnsummenverfahren. Dadurch soll insbesondere verhindert werden, daß die Nichtmeldung durch einige Mitglieder zu einem höheren Pro-Kopf-Beitrag für alle führt, den dann auch die ordnungsgemäß meldenden Mitglieder zu zahlen hätten. Dabei ist gerade wegen der Art des Verfahrens eine gewisse Abweichung von den tatsächlichen Zahlen hinzunehmen, um dem Ziel einer raschen und möglichst gerechten Beitragsberechnung gerecht zu werden. Daß eine Schätzung von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht, ist hinzunehmen.

Das sog Schätzverfahren ist somit auch bei der Berechnung der Beiträge nach der Zahl der Versicherten anwendbar. Bei beiden Regelungen handelt es sich entgegen der Ansicht der Kläger nicht um Ausnahmeregelungen; bei ersterer sollte dem Unfallversicherungsträger eine Möglichkeit zur schnellen und einfachen Ermittlung des hierfür notwendigen Zahlenmaterials eröffnet werden. Die zweite Regelung wurde ihm als Gestaltungsmöglichkeit gegenüber dem Lohnsummenverfahren gegeben.

(5) Gegen die von der Beklagten zur Schätzung herangezogenen Tatsachen (= Schätzgrundlagen) wurden keine im Revisionsverfahren durchgreifenden Rügen durch die Kläger erhoben. Das Vorgehen der Beklagten ist auch sonst revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Bei der Aufstellung eines Lohnnachweises aufgrund des § 743 RVO steht dem Unfallversicherungsträger kein Handlungsermessen zu, sondern er trifft im Wege der Beweiswürdigung tatsächliche Feststellungen (vgl hierzu BSGE 22, 271 = SozR Nr 1 zu § 752 RVO aF; 63, 214, 218 = SozR 1300 § 44 Nr 34), indem er ihm unbekannte Tatsachen - die Anzahl der Beschäftigten oder die Lohnsumme bzw die Entgelte - dadurch ermittelt, daß er unter Anwendung von Erfahrungssätzen Schlüsse aus bekannten Tatsachen zieht, zB aus Zahlen der vorangegangenen Umlagejahre und aus den statistischen Unterlagen über die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung des Gewerbezweiges unter Berücksichtigung der ggf vorhandenen besonderen Umstände des Einzelfalles. Ihm steht nicht im Rahmen eines sog Handlungsermessens (vgl BSGE 22, 271 = SozR aaO; 63, 214, 218 = SozR aaO) die Wahl zwischen mehreren, der Höhe nach unterschiedlichen Lohnnachweisen zu, sondern die Tatsachenwürdigung kann nur zu einem richtigen Ergebnis führen. Dieses Ergebnis kann von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit deshalb in den Tatsacheninstanzen in vollem Umfang nachgeprüft und durch das Ergebnis einer eigenen Beweiswürdigung ersetzt werden, wobei die Gerichte auch weitere, erst von ihnen ermittelte Tatsachen berücksichtigen können und müssen (BSGE 22, 271 = SozR aaO). Das Revisionsgericht ist jedoch an die Tatsachenfeststellungen des LSG gebunden, soweit sie nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden sind (§ 163 SGG). Daran fehlt es hier.

Die Beklagte hat die Schätzgrundlagen auch ohne Rechtsverstoß ermittelt. Insbesondere ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie für das Veranlagungsjahr 1993 die Korrekturen vornahm, die durch die Fehleinschätzung der Beschäftigtenzahl für das Veranlagungsjahr 1992 erforderlich wurden. Die Versichertenzahl war damals zu hoch eingeschätzt und die Kopfbeiträge waren daher zu niedrig festgesetzt worden. Die Schätzungsgrundlagenermittlung für das Veranlagungsjahr 1992 - diese rügen die Kläger eigentlich, wenn sie von der Nichtberücksichtigung von Sondereinflüssen sprechen - ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Beklagte darf jedoch die damalige Fehleinschätzung hinsichtlich der Versichertenzahl nicht entgegen besserer Einsicht weiter als Grundlage der für das Veranlagungsjahr 1993 erneut erforderlich gewordenen Schätzung heranziehen, denn dies führt zu Beitragsausfällen und somit zu mangelnder Bedarfsdeckung, was wiederum dem Gesetz (§ 724 Abs 1 RVO) widersprechen würde.

Die Fehleinschätzung bezüglich des Veranlagungsjahres 1992 mußte bei der Schätzung für das Veranlagungsjahr 1993 korrigiert werden; es stand der Beklagten mangels Ermessens nicht frei, die Fehleinschätzung aus dem Veranlagungsjahr 1992 stufenweise über Jahre hinweg zu korrigieren, denn der Unfallversicherungsträger ist verpflichtet, die bekannten Tatsachen richtig auszuwerten und die Bedarfsdeckung auch zur Vermeidung ansonsten anfallender Finanzierungskosten unverzüglich herzustellen. Zur Schätzung durfte sich die Beklagte auf das vorhandene Zahlenmaterial stützen. Ermittlungen "vor Ort" durch Mitarbeiter der Unfallversicherungsträger waren ebensowenig erforderlich wie eine durchgehende Überwachung von Inseraten usw zur Feststellung der Versichertenzahl. Dies würde dem Ziel einer einfachen und schnellen Ermittlung der zur Beitragsberechnung erforderlichen Zahlen widersprechen und außerdem die Einstellung zusätzlichen Personals durch den Unfallversicherungsträger erfordern, was wiederum weitere Kosten verursachen würde, die letztendlich die Mitglieder zu tragen hätten.

(6) Auch die Höhe des Umlagesolls für das Veranlagungsjahr 1993 wurde von der Beklagten zutreffend ermittelt. Der Bedarf, der auf die Zahl der Versicherten umzulegen und von den Mitgliedern mittels Beiträgen aufzubringen ist, ergibt sich - wie oben bereits dargestellt - aus den im Veranlagungsjahr getätigten Ausgaben, den erforderlichen Betriebsmitteln und den Rücklagen abzüglich der Einnahmen. Im vorliegenden Rechtsstreit werden lediglich Zweifel an der Richtigkeit der Ausgaben- bzw der Betriebsmittelermittlung seitens der Kläger geäußert. Gegen die Einnahmeermittlung und Rücklagenbildung werden keine Rügen erhoben.

(6.1.) Bei den Ausgaben sind zunächst von der Beklagten ua die Aufwendungen bezüglich der Berufskrankheit Nr 5101 der Anlage 1 zur BKVO zu berücksichtigen. Einwände hiergegen bzw gegen die BKVO überhaupt werden von den Klägern im Revisionsverfahren nicht mehr erhoben. Im übrigen hat Senat auch keine Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit bezüglich der Ermächtigungsgrundlage für die BKVO (§ 551 Abs 3 RVO, Art 80 GG), bezüglich der Aufnahme der Berufskrankheit Nr 5101 in diese BKVO und bezüglich der von der Beklagten für diese Berufskrankheit geleisteten Aufwendungen.

(6.2.) Ohne Gesetzes- oder Verfassungsverstoß hat die Beklagte auch die Altlasten-Ost auf der Ausgabenseite berücksichtigt. Wie der Senat bereits unter Hinweis auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts über die Auferlegung der Fremdrenten als Kriegsfolgelast auf die gewerblichen Berufsgenossenschaften (BVerfGE 14, 221 = SozR Nr 1 zu Art 120 GG), über die Verteilung der vor dem 1. Januar 1953 entstandenen Rentenlast der Bergbau-Berufsgenossenschaft auf die Gesamtheit der gewerblichen Berufsgenossenschaften (BVerfGE 23, 12 = SozR Nr 68 zu Art 3 GG) und über den späteren Lastenausgleich unter den gewerblichen Berufsgenossenschaften (BVerfGE 36, 383 = SozR 5610 Art 3 § 1 Nr 1) entschieden hat (BSGE 79, 23 = SozR 3-8110 Kap VIII J III Nr 1 Nr 1; vgl auch BSGE 25, 243 = SozR Nr 2 zu § 54 BVG über die von der Rentenlast aus kriegsbedingten Arbeitsunfällen in der Zeit vom 1. September 1939 bis 31. Dezember 1941 besonders betroffenen Beitragspflichtigen der See-BG), war der Gesetzgeber nicht gehindert, die Rentenaltlasten der gesetzlichen Unfallversicherung aus dem Beitrittsgebiet nicht aus Steuermitteln zu finanzieren, sondern sie den Unfallversicherungsträgern als öffentlich-rechtliche Körperschaften aufzuerlegen (6.2.1.). Auch die pauschale Rentenaltlastverteilung nach Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr 1 Buchst c Abs 8 Nr 2 Doppelbuchst aa Satz 2 des Einigungsvertrages (EinigVtr) vom 31. August 1990 (BGBl II 889, ber 1239) auf die einzelnen Berufsgenossenschaften, ist nicht verfassungswidrig. Für die Übernahme des Rentenbestandes der DDR wurde ein Verteilungsschlüssel entwickelt, der ungeachtet der gewerblichen Gliederung und ohne Kompetenzschwierigkeiten eine praktikable Lösung darstellt (BSGE 79, 23, 24 f = SozR aaO). Zudem wurden durch die unmittelbare Verteilung der Altlasten auf alle Träger der gesetzlichen Unfallversicherung anstelle der Verteilung nach Gewerbezweigen spätere Ausgleichsansprüche nach Art 3 § 1 Abs 1 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30. April 1963 (BGBl I 241) durch dann besonders hoch belastete Träger vermieden (vgl Gitter SGb 1997, 185, 186). Schließlich ist auch die Verteilung der auf die Beklagte entfallenden Altlasten-Ost auf die einzelnen Abteilungen der Beklagten rechtmäßig (6.2.2.).

(6.2.1.) Bei der Übernahme der Altlasten-Ost handelt es sich - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht um ein Sonderopfer, das von der Allgemeinheit getragen werden müßte. Vielmehr stellen die zu ihrer Deckung notwendigen Beträge zu Recht Sozialversicherungsbeiträge dar, die keine Sonderabgaben iS der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind (BVerfGE 75, 108 = SozR 5425 § 1 Nr 1). Allerdings darf auch bei der Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen ein Beteiligter, der nicht selbst Versicherter ist, nur dann zur Finanzierung herangezogen werden, wenn es dafür einen sachorientierten Anknüpfungspunkt in den Beziehungen zwischen Versicherten und Beitragspflichtigen gibt, der die Heranziehung nicht außerhalb der Vorstellungen liegend erscheinen läßt, von denen die Sozialversicherung in ihrem sachlichen Gehalt bestimmt wird. Im Sachbereich der Sozialversicherung verlangt der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG einen - bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise - sachlich einleuchtenden Grund dafür, daß ein Privater im Unterschied zu anderen Privaten über seine Steuerpflicht hinaus als Beteiligter iS des Sozialversicherungsrechts zu einer Abgabe herangezogen wird, die weder ihm selbst noch seiner Gruppe zugute kommt, ihm vielmehr als fremdnützige Abgabe auferlegt wird, die sozialen Ausgleich und Umverteilung zum Ziel hat und herstellt. Für eine solche Abgabe bedarf es somit einer besonderen Rechtfertigung, die sich aus spezifischen Solidaritätsbeziehungen und Verantwortlichkeitsbeziehungen zwischen Zahlungsverpflichteten und Versicherten ergeben kann, die in den Lebensverhältnissen, wie sie sich geschichtlich entwickelt haben und weiter entwickeln, angelegt sind (BVerfGE 75, 108 ff = SozR aaO).

Diese spezifische Solidaritäts- und Verantwortlichkeitsbeziehung - soweit eine solche hier zu fordern ist, denn es handelt sich bei den Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung nicht um rein fremdnützige Abgaben iS der og Rechtsprechung - ergibt sich hier daraus, daß Arbeitgeber für die Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten haften und diese Haftung im System der gesetzlichen Unfallversicherung durch die Unfallversicherungsträger übernommen wurde, wofür die Arbeitgeber Beiträge zu zahlen haben. Grundkonzeption der gesetzlichen Unfallversicherung ist also die der Finanzierung aller Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten durch alle Mitglieder der Unfallversicherungsträger. Zu diesen Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten gehören jedoch auch diejenigen, die sich in der früheren DDR ereignet haben und nach dem dortigen Rentenversicherungssystem auch als solche anerkannt wurden. Ein weiteres seit jeher geltendes Prinzip der gesetzlichen Unfallversicherung ist, daß die Beiträge von Mitgliedern aufgebracht werden müssen, die ggf gar keine Ursache für die gegenwärtig zu erbringenden Leistungen gesetzt haben (nachträgliches Umlageverfahren). Es ist somit systemimmanent, daß die Beiträge ua dazu verwendet werden, die Folgen etwa aus Berufskrankheiten zu finanzieren, deren Ursachen bereits vor vielen Jahren gesetzt wurden und möglicherweise nicht durch eine Tätigkeit in den Unternehmen der jetzigen Mitglieder verursacht worden sind.

Das grundsätzlich andere System in der ehemaligen DDR mußte im Rahmen der Wiedervereinigung in das der Bundesrepublik Deutschland eingepaßt werden, was dem Gesetzgeber nur möglich war, wenn ihm ein weiter Gestaltungsspielraum hierfür gegeben wurde. Da die hier zu beurteilenden Aufwendungen wegen Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten entstehen, die im System der Bundesrepublik Deutschland von den Mitgliedern der gesetzlichen Unfallversicherung zu tragen sind, ist die Entscheidung des Gesetzgebers, die zu erbringenden Leistungen auf die Berufsgenossenschaften zu übertragen, nicht zu beanstanden. Sie erscheint vielmehr als sachgerecht, zumal bei den Berufsgenossenschaften auch die notwendigen Kenntnisse vorhanden sind, um einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen. Der Gesetzgeber kann auf die "(interne) Solidarität" zwischen jetzigen und früheren Arbeitgebern sowie zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten abstellen. Mangels Gemeinlast bzw Allgemeinaufgabe sind die Altlasten-Ost somit nicht aus Steuern zu finanzieren, es wird keine Allgemeinlast "privatisiert", sondern ein Teilbereich des Sozialversicherungssystems der ehemaligen DDR in das System der Bundesrepublik Deutschland eingepaßt. Daher liegt in der Belastung allein der Mitglieder der Berufsgenossenschaften mit diesen Altlasten-Ost kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Es ist sachlich gerechtfertigt, die Gruppe der Mitglieder der Berufsgenossenschaften anders zu behandeln als die Allgemeinheit; sie haben eine engere Beziehung zu den dortigen Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten (so im Ergebnis bereits BSGE 79, 23 = SozR 3-8110 Kap VIII J III Nr 1 Nr 1 mit zustimmender Anm von Gitter SGb 1997, 185). Im übrigen haben in gleicher Weise neue Mitglieder der Berufsgenossenschaften im Beitrittsgebiet Lasten zu tragen, zu denen sie in keiner direkten Verantwortlichkeitsbeziehung stehen.

Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung für die Übertragung der Rentenaltlasten-Ost einen finanziellen Ausgleich zu gewähren oder zu verschaffen. Der Hinweis der Kläger auf die vergleichbare Situation beim Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik Deutschland, in der der Bund weitgehend die Lasten der Unfallversicherung übernommen hatte (vgl Breuer BG 1991, 508, 518) geht fehl, denn damals war den Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, die bei der Eingliederung des Saarlandes zu überwinden waren (vgl BVerfGE 14, 221, 240; Breuer, aaO). Eine Bindungswirkung für den Gesetzgeber ist hierdurch jedoch nicht entstanden (vgl im Ergebnis hierzu BVerfGE 14, aaO). Weiterhin ist bei der Übertragung der Altlasten-Ost das Äquivalenzprinzip - soweit als in der gesetzlichen Unfallversicherung eben möglich - beachtet, denn mit den von den Mitgliedern erhobenen Beiträgen sollen Leistungen für Arbeitsunfälle bzw Berufskrankheiten finanziert werden, auch wenn die ihnen zugrundeliegenden Versicherungsfälle in der ehemaligen DDR eingetreten sind. Die vorliegend für die gesetzliche Unfallversicherung zu beurteilende Situation ist vergleichbar mit der der Überleitung der Rentenanwartschaften von Personen, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatten und deren Rente in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1996 begann, nach Art 1 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606). Deren Lasten hatten die Beitragszahler in der gesetzlichen Rentenversicherung anders als die Lasten aus der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes, die gemäß § 15 Abs 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (Art 3 RÜG) der Bund an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu erstatten hatte, trotz der Regelungen über den Bundeszuschuß jedenfalls bis 1998 - teilweise - rechtmäßigerweise zu tragen (vgl BSGE 81, 276, 285 = SozR 3-2600 § 158 Nr 1, dazu Beschluss des BVerfG vom 29. Dezember 1999 - 1 BvR 679/98 -). Schließlich kommt maßgebend hinzu, daß - wie auch in der gesetzlichen Rentenversicherung - die Rentenlasten für Personen aus dem Beitrittsgebiet bei bundesweiten Trägern wie der Beklagten durch die im Beitrittsgebiet neu hinzukommenden umlagepflichtigen Mitglieder mitzutragen waren, so daß die Rentenaltlast, anders als bei den Fremdrenten, keinesfalls allein den Mitgliedern aus den alten Bundesländern auferlegt worden ist.

Die Übertragung der Altlasten-Ost auf die Unfallversicherungsträger verstößt auch nicht gegen Art 14 Abs 1 GG. Es handelt sich lediglich um die Auferlegung einer Geldleistungspflicht, was aber durch Art 14 GG nicht geschützt ist (vgl Breuer BG, 1991, 508, 518; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl 1995, Art 14 RdNr 12 mwN; BVerfGE 14, 221, 241). Die Auferlegung einer Geldleistung verletzt das grundrechtlich geschützte Eigentum nur, wenn sie jedes Maß übersteigt (BVerfGE 23, 12, 30) oder außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (BVerfGE 92, 262, 273). So ist es hier jedoch nicht, und von einer erdrosselnden Wirkung (vgl Jarass/Pieroth, aaO) der zu erbringenden Beiträge kann ebenfalls nicht gesprochen werden.

Allein die Tatsache, daß durch eine Vielzahl evtl ungünstig zusammentreffender Faktoren, von denen die Verteilung der Altlasten-Ost nur einer ist, sich ein gegenüber dem Vorjahr um ca 57 % gestiegener Beitrag ergibt, macht diesen noch nicht rechtswidrig, denn auch hierbei ist die besondere Situation nach der Wende ebenso zu berücksichtigen wie das offensichtliche Interesse der Mitglieder der Beklagten an einer Tarifumstellung und der dadurch notwendigen Anpassung des Betriebsmittelstockes der Abteilung 8 der Beklagten an das Niveau ihrer anderen Abteilungen (s 6.3.). Von einer erdrosselnden Wirkung (vgl Jarass/Pieroth, aaO, mwN) der zu erbringenden Beiträge kann noch nicht gesprochen werden. Somit ist es - wie vom Senat bereits in BSGE 79, 23 = SozR 3-8110 Kap VIII J III Nr 1 Nr 1 entschieden - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Altlasten-Ost im Rahmen des EinigVtr auf die Unfallversicherungsträger zu übertragen. Die sich hieraus ergebenden Ausgaben der Unfallversicherungsträger sind bei der Berechnung des Umlagesolls als Ausgaben zu berücksichtigen.

(6.2.2.) Die Beklagte konnte die von ihr zu finanzierenden Altlasten-Ost auch auf ihre einzelnen Abteilungen entsprechend dem für die Verteilung der Verwaltungskosten anzuwendenden Schlüssel umlegen (§§ 20a Satz 2 iVm § 20 der Satzung). Diese satzungsrechtliche Regelung liegt im Rahmen der der Vertreterversammlung der Beklagten eingeräumten Gestaltungsfreiheit. In ihr spiegeln sich die Anzahl der "gemeldeten Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, die Zahl der Renten, die Höhe der gezahlten Entschädigungen und die Zahl der Versicherten des jeweiligen Vorjahres, die Zahl der im Unternehmerverzeichnis eingetragenen Unternehmer, die Zahl der Buchungsvorfälle bei Entschädigungsleistungen sowie die zahl der Arbeitsvorfälle im Bereich des Mitglieder- und Beitragswesens"; letztlich also der Aufwand, der von der Beklagten für die einzelnen Abteilungen zu erbringen ist. Die Verteilung der Altlasten entsprechend diesem Schlüssel ist auch als sachgerecht anzusehen, wobei nicht übersehen werden darf, daß die Gerichte nicht prüfen dürfen, ob es sich um die beste, zweckmäßigste, gerechteste Lösung handelt. Andere eindeutig wesentlich sachgerechtere Lösungen bieten sich hier nicht an. Insbesondere wäre die Verteilung der Altlasten-Ost auf die einzelnen Abteilungen nach deren jeweiliger Lohnsumme zwar durchaus denkbar gewesen. Angesichts der Beitragserhebung nach Kopfzahlen und nicht nach Lohnsummen und Gefahrklassen hätte eine derartige Verteilung der Altlasten-Ost aber zu einer Verdoppelung des Verwaltungsaufwandes geführt, weil die Beklagte allein deswegen die ihr unbekannten Lohnsummen hätte ermitteln müssen. Eine gleichmäßige Verteilung nach Kopfzahlen über alle Abteilungen der Beklagten hinweg wäre ebenfalls denkbar gewesen. Diese hätte indessen die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Betriebe in den einzelnen Abteilungen nicht berücksichtigen können und damit diejenigen Arbeitgeber, deren Versicherte geringere Arbeitsentgelte hatten als diejenigen der Arbeitgeber in anderen Abteilungen, stärker belastet.

(6.3.) Zum Umlagesoll gehören schließlich auch die Betriebsmittel. Diese sind aus Beiträgen zu finanzieren (§ 724 Abs 1 Satz 2 RVO iVm § 81 SGB IV). Sie dienen der Bestreitung der laufenden Ausgaben und dem Ausgleich von Einnahme- und Ausgabenschwankungen (vgl Schulz BG 1989, 304). Nach den bindenden Feststellungen des LSG betrug bei der Beklagten für die Abteilung 8 (Friseure, § 3 Abs 1 der Satzung), der die Kläger angehörten, der gemäß § 28 der Satzung für jede Abteilung gesondert zu beschließende Betriebsmittelstock lediglich 60 vH des erforderlichen Betrages für das vorangegangene Jahr, so daß andere Abteilungen einen Teil der Aufwendungen der Abteilung 8 für das laufende Geschäftsjahr vorfinanzieren mußten. Wegen der geplanten Umstellungen in der Tarifstruktur (Einführung des sog Gefahrtarifs ab 1. Januar 1996) sollte bis zu diesem Zeitpunkt ein in allen Abteilungen ausgeglichener Betriebsmittelstock vorhanden sein. Dazu mußte der Betriebsmittelstock in der Abteilung 8 über eine Erhöhung der Beiträge aufgefüllt werden. Dies sollte nicht innerhalb eines Veranlagungsjahres geschehen, sondern schrittweise bis zum og Termin. Die Beklagte hatte daher beschlossen, den Betriebsmittelstock für das Veranlagungsjahr 1993 auf 75 % zu erhöhen. Diese Vorgehensweise ist unter Berücksichtigung des angestrebten Zieles rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann die Entwicklung der Folgejahre diese Erhöhung nachträglich nicht als überflüssig erscheinen lassen, denn die Beklagte mußte von der Situation ausgehen, die zum Zeitpunkt ihrer Beschlussfassung bestanden hat. Insbesondere hätte ein Absehen von einer schrittweisen Erhöhung aus der damaligen Sicht später wiederum zu einem noch deutlicheren Anstieg der Beiträge geführt.

Somit wurden die für die Berechnung des Umlagesolls erforderlichen Größen von der Beklagten rechtlich zutreffend ermittelt und der Beitrag entsprechend richtig berechnet. Gegen die Berechnung selbst sind keine Einwände erhoben worden.

(7) Die satzungsrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Beitragsgestaltung durch die Beklagte verletzen keine die Kläger schützenden Grundrechte, insbesondere nicht ihre durch Art 2 Abs 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit in Form der Freiheit zu unternehmerischer Betätigung. Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die Anwendung des Schätzverfahrens nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot, das aus dem Wesen der Grundrechte und aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) abzuleiten und bei jeder Freiheits(grund)rechte berührenden hoheitlichen Maßnahme zu beachten ist (vgl Jarass/Pieroth, aaO, Art 20 RdNr 56; Brockmeyer in Schmidt-Bleibtreu/Klein, Komm zum Grundgesetz, 9. Aufl 1999, Art 20 RdNr 27; Sachs, Grundgesetz, 2. Aufl 1999, Art 20 RdNr 146, jeweils mwN; zusammenfassend: von Arnauld JZ 2000, 276). Dabei ist die von § 743 RVO gedeckte Entscheidung des Satzungsgebers, das Schätzverfahren zuzulassen, von den Gerichten nicht daraufhin zu

überprüfen, ob es sich um das gerechteste und zweckmäßigste (BVerfGE 23, 12, 23; BSGE 79, 23, 27, 28 = SozR aaO) bzw das bestmögliche oder geeignetste (vgl Jarass/Pieroth, aaO, RdNr 59) Mittel zur Erreichung des Zweckes handelt, sondern nur, ob das Ziel "klar verfehlt wurde" oder evident ungeeignet ist (BVerfGE 39, 210, 230; Sachs, aaO, RdNr 151 mwN). Bei dem Schätzverfahren handelt es sich nicht um ein von vornherein offensichtlich ungeeignetes, das Ziel klar verfehlendes Mittel; vielmehr entspricht es dem sich aus Art 20 Abs 3 GG ergebenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, denn es handelt sich nicht nur um ein geeignetes sondern auch um ein erforderliches und im engeren Sinne verhältnismäßiges Mittel. Unter Berücksichtigung seiner Zielsetzung (rasche Ermittlung der Kopfbeiträge, gleichmäßige und möglichst gerechte Beitragserhebung; vgl obige Ausführungen) ist das Schätzverfahren als geeignet anzusehen - wobei kein Optimierungsgebot besteht (vgl Sachs, aaO, RdNr 98) -, denn hierdurch wird eine zügige Ermittlung des notwendigen Zahlenmaterials ermöglicht. Es ist auch erforderlich - hiermit ist das mildeste Mittel gemeint (vgl Sachs, aaO, RdNr 100) -, denn eine rasche Ermittlung ist zur möglichst gerechten Kopfbeitragsermittlung notwendig. Weniger einschneidende oder gar bessere Methoden, die zu einem ähnlich raschen Ergebnis führen würden, sind nicht ersichtlich.

Jedwede weitergehende Anforderung an die Ermittlungen der Berufsgenossenschaft, wie die Anwendung von Verwaltungszwang zur Abgabe der Meldungen durch oder die Durchführung von Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen säumige Mitglieder oder schließlich die Ermittlung der Beschäftigtenzahlen durch die Beklagte etwa durch Betriebsprüfungen, würden zu weiteren Belastungen bei der Beklagten und den betroffenen Mitgliedsbetrieben führen und zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Sie hätten entweder eine verspätete Bedarfsdeckung beim Unfallversicherungsträger oder einen zunächst viel zu hohen Kopfbeitrag zur Folge. Es darf dabei auch nicht außer Betracht gelassen werden, daß es sich um eine Massenverwaltung handelt. Eine dauernde Überprüfung und Überwachung der Mitgliedsunternehmen würde insbesondere - wie bereits ausgeführt - zu einem erheblich höheren Verwaltungsaufwand bei der Beklagten und damit auf die Mitglieder umzulegenden höheren Kosten führen. Auch die Verhältnismäßigkeit im engen Sinne, die eine Güterabwägung iS einer Zumutbarkeitsprüfung erforderlich macht, ist gegeben. Darunter ist die Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffes und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe zu verstehen, wobei in diesem Verhältnis die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleiben muß (Jarass/Pieroth, aaO, RdNr 61). Sowohl die Dringlichkeit hinsichtlich einer raschen Bedarfsdeckung wie auch die Verpflichtung, die tatsächlichen Verhältnisse zu beachten - also die evtl fehlerhaften Zahlen aus dem Veranlagungsjahr 1992 zu korrigieren - und die Ermittlung eines möglichst gerechten Kopfbeitrages lassen es als zumutbar erscheinen, - soweit notwendig - zunächst die Beiträge anhand einer Schätzung zu ermitteln und konkrete Fehleinschätzungen im

Einzelfall - nach Angabe der tatsächlichen Versichertenzahl durch vorher säumige Mitglieder - zu korrigieren. Andere Grundrechtsverletzungen durch die Anwendung des Schätzverfahrens, das allein durch das einmalige Ereignis der Wiedervereinigung und wegen der hohen Anzahl der nichtmeldenden Mitglieder zu einem kurzfristig fehlerhaften Ergebnis geführt hatte, sind nicht ersichtlich und werden von der Revision auch nicht gerügt.

Die Verteilung der von der Beklagten zu tragenden Altlasten-Ost entsprechend dem für die Verteilung der Verwaltungskosten anzuwendenden Schlüssel (§ 20a der Satzung) verstößt auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Diese Verteilung entspricht durchaus einer gerechten Beitragsgestaltung, denn auch Verwaltungskosten hängen vom Umfang der in den einzelnen Abteilungen zu erfüllenden Aufgaben ab. Die Verteilung ist - wie oben bereits dargestellt - nicht willkürlich, sondern es sprechen sachliche Gründe für diese Art der Verteilung (BSGE 79, 23 = SozR aaO).

Nach alledem war die Revision der Kläger zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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