B 11 AL 57/99 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 57/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 30. April 1999 wird zurückgewiesen, soweit die Klägerin höhere Arbeitslosenhilfe für die Zeit nach dem 12. November 1996 begehrt. Im übrigen wird das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Die Klägerin begehrt höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit ab 1. November 1996.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin im Anschluß an Arbeitslosengeld (Alg) ab 12. Oktober 1996 Alhi in Höhe von 117,00 DM wöchentlich (Bescheid vom 11. Oktober 1996). Den nach der AFG-Leistungsverordnung 1996 maßgeblichen Leistungssatz von 153,60 DM (Arbeitsentgelt 590,00 DM, Leistungsgruppe D, 53 vH) hatte die Beklagte um 36,60 DM an Einkommen des mit der Klägerin zusammenlebenden Ehemannes vermindert. Der Anrechnungsbetrag entsprach der Differenz zwischen dem Einkommen des Ehemannes (Alg wöchentlich 460,20 DM) und einem Freibetrag (406,80 DM Alhi pro Woche, errechnet aus einem dem Alg zugrundeliegenden Arbeitsentgelt von 1.120,00 DM, Leistungsgruppe C, 53 vH) sowie Aufwendungen für Versicherungen (16,81 DM pro Woche).

Als die Beklagte erfuhr, daß dem Ehemann der Klägerin mit Bescheid vom 16. Oktober 1996 ab 1. Oktober 1996 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von monatlich 1.618,28 DM (1.750,44 DM abzüglich Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung von 117,28 DM und 14,88 DM) bewilligt worden war, die ab 1. November 1996 monatlich gezahlt wird, berechnete sie das anzurechnende Einkommen neu. Von dem auf eine Woche entfallenden Zahlbetrag der Rente (373,45 DM) zog sie außer den Aufwendungen für Versicherungen (16,81 DM) einen Freibetrag in Höhe des Betrages ab, bis zu dem auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden keine Einkommensteuer festzusetzen wäre (232,60 DM), da 53 vH des wöchentlichen Rentenzahlbetrages nur 197,93 DM ausmachten. Es ergab sich ein anzurechnendes Einkommen des Ehemannes von 124,04 DM. Die Neuberechnung erläuterte die Beklagte der Klägerin schriftlich und bewilligte ab 18. Oktober 1996 Alhi nur noch in Höhe von wöchentlich 29,58 DM (153,60 DM abzüglich 124,02 DM; Bescheid vom 31. Oktober 1996). Nachdem die Klägerin Widerspruch erhoben hatte, bewilligte die Beklagte der Klägerin bis 31. Oktober 1996 die Alhi wieder in Höhe von 117,00 DM wöchentlich (Bescheid vom 20. November 1996). Im übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 27. November 1996). Auf Anraten der Beklagten nahmen die Eheleute zum 1. Dezember 1996 einen Steuerklassenwechsel vor. Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin ab diesem Zeitpunkt Alhi in Höhe von 126,18 DM wöchentlich (Leistungssatz 250,20 DM entsprechend Leistungsgruppe C abzüglich 124,02 DM).

Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide vom 31. Oktober und 20. November 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids geändert und die Beklagte verurteilt, Alhi ohne Anrechnung der Altersrente zu gewähren. Es hat die Auffassung vertreten, der Freibetrag entspreche der Alhi nach dem Arbeitsentgelt, das dem Alg zugrunde gelegen habe. Dies führe zu einem über dem Einkommen des Ehemannes liegenden Freibetrag, so daß die Alhi ungekürzt zu gewähren sei (Urteil vom 11. November 1997).

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30. April 1999). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei nach § 48 Abs 1 Nr 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), § 152 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) berechtigt gewesen, die Bewilligung von Alhi in Höhe von 117,00 DM wöchentlich ab 1. November 1996 bis auf 29,58 DM aufzuheben, da der Ehemann von diesem Zeitpunkt an anstelle von Alg Altersrente bezogen habe. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des Freibetrages treffe zu. Sie entspreche dem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) herausgestellten Lebensstandardprinzip und lasse das Existenzminimum des Ehemannes unberührt.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 134, 136, 137 und 138 AFG: Bei der Ermittlung der Alhi des Ehegatten zur Bestimmung des Freibetrages sei nicht auf den Zahlbetrag der Rente abzustellen, sondern auf die Leistung, die durch die Rente ersetzt werde. Eine Anrechnung komme danach nur in Betracht, wenn der Zahlbetrag der Rente mindestens die Alhi nach dem letzten Bemessungsentgelt des Alg erreiche. Die vom LSG gebilligte Gesetzesanwendung widerspreche den Vorgaben des BVerfG und dem erklärten Willen des Gesetzgebers. Das vom BVerfG betonte Lebensstandardprinzip orientiere sich nicht an der Alhi, sondern an dem Einkommen, aus dem die Alhi errechnet werde. Der Lebensstandard des Ehegatten solle nicht über die Differenz zwischen Erwerbseinkommen und Alhi hinaus durch Anrechnung des Einkommens beeinträchtigt werden. Dies müsse auch für Rentenbezieher gelten. Auch die Rente diene dazu, einen durch Erwerbseinkommen erzielten Lebensstandard teilweise aufrechtzuerhalten. Folgerichtig knüpfe die Rente ebenso wie die Alhi an die Höhe des Erwerbseinkommens an. Dem könne nicht entgegengehalten werden, die Rente sei im Gegensatz zur Alhi auf Dauer angelegt; auch die Alhi sei zeitlich nicht begrenzt. Die Auffassung des LSG bedeute, daß der Rentenbezieher zusätzliche Einbußen allein deswegen hinzunehmen habe, weil er verheiratet sei und sein Ehepartner Alhi beziehe. Eine solche Benachteiligung sei sachlich nicht gerechtfertigt und nicht verfassungskonform.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und verweist hierzu auf das Urteil des Senats vom 21. Januar 1999 - B 11 AL 49/98 R - = SozR 3-4100 § 138 Nr 12.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

II

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, soweit sie die Höhe der bewilligten Alhi für die Zeit nach dem 12. November 1996 beanstandet. Für die Zeit vor dem 13. November 1996 reichen die Feststellungen des LSG für eine abschließende Entscheidung nicht aus.

1. In der Revisionsinstanz fortwirkende Verfahrensmängel, die einer Entscheidung des Senats in der Sache entgegenstehen, liegen nicht vor. Insbesondere war die Berufung der Beklagten statthaft. Sie bedurfte nicht nach § 144 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 1.000,00 DM überstieg. Mit ihrer Berufung wandte sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung, der Klägerin Alhi ohne Anrechnung der Altersrente des Ehemannes zu bewilligen. Da die Beklagte wöchentlich 124,02 DM angerechnet hatte und die Verurteilung nicht auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt war, überstieg der Wert des Beschwerdegegenstandes jedenfalls die Grenze von 1.000,00 DM; ob die Berufung zudem laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betraf (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG), was nach § 139a AFG zweifelhaft ist, kann auf sich beruhen. Der Statthaftigkeit der Berufung steht auch nicht entgegen, daß die Beklagte der Klägerin bereits ab Dezember 1996 anstatt 29,58 DM wöchentlich 126,18 DM Alhi bewilligt hat; denn auch für diese Zeit ist es nach den Feststellungen des LSG bei dem wöchentlichen Anrechnungsbetrag von 124,02 DM verblieben. Insoweit hat der Senat nicht zu prüfen, ob die die Leistung ab Dezember 1996 regelnden Bescheide, die das LSG nicht näher genannt hat, Gegenstand des Verfahrens geworden sind, da ein etwaiger Verstoß gegen § 96 SGG im Revisionsverfahren nur auf Rüge hin zu beachten wäre (BSG SozR 1500 § 53 Nr 2; SozR 3-2500 § 57 Nr 4) und eine entsprechende Rüge nicht erhoben worden ist.

2. Die Beklagte war nach § 48 SGB X berechtigt, die Alhi-Bewilligung von 117,00 DM wöchentlich (Bescheid vom 11. Oktober 1996) aufzuheben, soweit mehr als 29,58 DM wöchentlich bewilligt worden war.

a) Nach § 48 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (vgl BSGE 78, 109, 111 = SozR 3-1300 § 48 Nr 48). Eine solche Änderung ist infolge Wegfalls des Alg und Bezug der Altersrente durch den Ehemann der Klägerin eingetreten; denn nunmehr ist, wie das LSG zutreffend erkannt hat, auf den unveränderten Alhi-Leistungssatz von 153,60 DM wöchentlich nach den einschlägigen Vorschriften des AFG statt 36,60 DM 124,02 DM des Einkommens des Ehemanns anzurechnen.

b) Anspruch auf Alhi hat nur, wer ua bedürftig ist (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG). Nach § 137 Abs 1 AFG ist der Arbeitslose nur bedürftig, soweit das nach § 138 AFG zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nach § 136 AFG, dh hier den Leistungssatz von 153,60 DM, nicht erreicht. Zu dem zu berücksichtigenden Einkommen gehört das Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, soweit es den Freibetrag übersteigt (§ 138 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG). Einkommen sind alle Einnahmen in Geld (§ 138 Abs 2 Satz 1 AFG), mithin wie das Alg, das der Ehemann der Klägerin bis Oktober 1996 bezogen hat, auch die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Solche Renten sind, wie der Senat schon entschieden hat, nach Abzug von etwaigen Steuern, Versicherungsbeiträgen und Werbungskosten (vgl § 138 Abs 2 Satz 2 AFG) in vollem Umfang zu berücksichtigen (SozR 3-4100 § 138 Nr 12 mwN). Abzüglich der Beiträge des Ehemanns zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und der weiteren Aufwendungen der Eheleute für Versicherungen von wöchentlich 16,81 DM verbleibt damit (anstelle des bisherigen Einkommens aus Alg von 443,39 DM wöchentlich) ein zu berücksichtigendes Wocheneinkommen von 356,64 DM. Dieses Einkommen übersteigt mit 124,02 DM den Freibetrag; diesen hat die Beklagte zutreffend mit 232,60 DM angesetzt.

c) Freibetrag ist nach § 138 Abs 1 Satz 2 AFG ein Betrag in Höhe der Alhi nach § 136 Abs 1 AFG, die dem Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten entspricht, mindestens aber in Höhe des Betrages, bis zu dem auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden keine Einkommensteuer festzusetzen wäre. Die Vorschrift, die durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 2353) eingeführt worden ist, soll bewirken, daß Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten nur berücksichtigt wird, soweit es seine - dem Einkommen entsprechende - (hypothetische) Alhi übersteigt und ihm das Existenzminimum verbleibt. Der Gesetzgeber hat damit, wie sich aus der Begründung der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf ergibt (BT-Drucks 12/5502 S 35), an das Urteil des BVerfG vom 17. November 1992 (BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3) anknüpfen wollen. Die Vorschrift findet auch Anwendung, wenn der Ehegatte des Arbeitslosen kein Arbeitseinkommen, aber anderes Einkommen erzielt, zB als Nettoleistungen gezahlte Sozialleistungen, damit der prozentuale Anteil des bisherigen Lebensstandards, der grundsätzlich durch die Alhi gesichert werden soll, auch bei Personen erhalten bleibt, die keine Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erzielen (BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 12). Ausdrücklich zur Klarstellung, daß die Vorschrift auch dann gilt, wenn das Einkommen aus einer Nettoleistung besteht, hat das Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz vom 24. Juni 1996 (BGBl I 878) in § 136 Abs 1 Satz 2 AFG die frühere Klammerangabe "Abs 2 Satz 1" gestrichen (BT-Drucks 13/2898 S 8).

Erzielt der Ehegatte des Arbeitslosen Arbeitseinkommen, ist die Ermittlung des Freibetrags unproblematisch, da das Arbeitsförderungsrecht die Höhe der Alhi regelt, die Arbeitseinkommen entspricht. Die Höhe der Alhi, die anderen Einkünften entsprechen soll, ist dagegen durch das Arbeitsförderungsrecht nicht geregelt. In diesen Fällen ist daher bei der Ermittlung des Freibetrages zu berücksichtigen, daß mit der hypothetischen Alhi entsprechend dem Urteil des BVerfG ein bestimmter Teil des durch das Einkommen des Ehegatten repräsentierten Lebensstandards gewährleistet werden soll. Daher ist, wie der Senat in seinem Urteil vom 21. Januar 1999 (SozR 3-4100 § 138 Nr 12) entschieden hat, bei Sozialleistungen, die wie Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, abgesehen von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung, anderen bei Arbeitnehmern sonst üblichen Abzügen nicht unterliegen, die hypothetische Alhi dadurch zu ermitteln, daß die Nettoleistung, dh die Rente nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, mit der gesetzlichen Quote, mit der die Alhi den Nettolohn ersetzen soll (57 bzw 53 vH; § 136 Abs 1 AFG), vervielfältigt wird. Denn diese Berechnung beläßt dem Ehegatten den prozentualen Anteil seines derzeitigen Lebensstandards, den ihm der Freibetrag in Höhe der hypothetischen Alhi belassen soll. Weil es um die Sicherung dieses Teils des durch die Nettoleistung des Ehegatten repräsentierten Lebensstandards geht, hat der Senat es abgelehnt, die Nettoleistung vorab auf ein "Nettoarbeitsentgelt von 100 vH" hochzurechnen, oder, wie dies die Klägerin begehrt, der Nettoleistung ein Bruttoarbeitsentgelt zuzuordnen, nach dem dann die Alhi bestimmt wird, zB das Arbeitsentgelt, das dem zuletzt gezahlten Alg zugrunde lag. Hieran ist festzuhalten.

Es trifft zwar zu, daß die Beklagte nach ihrer Verwaltungspraxis bei kurzfristigen Lohnersatzleistungen (zB Alg, Unterhaltsgeld oder Krankengeld) einen im Regelfall günstigeren Freibetrag einräumt, indem sie bei diesen Einkünften die (hypothetische) Alhi nach § 136 Abs 1 AFG anhand des Arbeitsentgelts bestimmt, das diesen Leistungen zugrunde liegt. Das ist auch im Falle der Klägerin geschehen, so lange der Ehemann Alg bezog. Bei einer Altersrente ist eine derartige Berechnungsweise nicht sachgerecht, zumal nicht ersichtlich ist, auf welches Arbeitsentgelt sinnvollerweise abzustellen sein könnte. Denn die Altersrente, die in der Regel für Zeiten nach dem Erwerbsleben gewährt wird, knüpft nicht an erzielbare Arbeitsentgelte an und soll auch nicht das zuletzt erzielte Arbeitseinkommen ersetzen. Ihre Höhe wird vielmehr auf der Grundlage der während des gesamten Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen ermittelt (§ 63 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch). Die Höhe kurzfristiger Lohnersatzleistungen wie Alg, Unterhaltsgeld und Krankengeld orientiert sich dagegen grundsätzlich an einem in jüngerer Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt. Die Einräumung günstigerer Freibeträge bei Empfängern kurzfristiger Lohnersatzleistungen, die im Gegensatz zu Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrentnern in der Regel nicht aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, ist auch nach Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) nicht zu beanstanden, da bei zeitlich nur begrenzt gewährten Leistungen im Gegensatz zu Renten das ihrer Berechnung zugrundeliegende Arbeitseinkommen als noch für den Lebensstandard prägend angesehen werden kann und insofern eine Unterscheidung im Rahmen zulässiger Typisierung sachlich gerechtfertigt ist. Der Einwand der Klägerin, auch die Alhi werde "zeitlich nicht begrenzt" gewährt, verkennt, daß es bei der Frage, wie der Freibetrag einerseits bei Rentenbeziehern und andererseits bei Alg-Empfängern zu ermitteln ist, auf den Vergleich zwischen Rente und Alg und nicht zwischen Rente und Alhi ankommen muß.

Ist hiernach die hypothetische Alhi zu ermitteln, indem die Nettoleistung der Rente (373,45 DM) mit der Nettolohnersatzquote der Alhi (53 vH) vervielfältigt wird, ergibt sich ein Betrag von 197,93 DM wöchentlich. Da nach § 138 Abs 1 Satz 2 AFG Freibetrag mindestens der Betrag ist, bis zu dem auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden nach § 32a Abs 1 Satz 2 Nr 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) keine Einkommensteuer festzusetzen wäre, ist als Freibetrag anstelle von 197,93 DM hier der höhere Betrag von 232,60 DM einzusetzen. Denn nach § 32a Abs 1 Satz 2 Nr 1 EStG idF des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1250) ist auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden bis zu 12.095,00 DM jährlich keine Einkommensteuer zu erheben (vgl Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, EStG, Stand 1998, § 32a RdNr 27), woraus sich ein Wochenbetrag von 232,60 DM ergibt. Dagegen läßt sich nicht einwenden, dieses für 1996 und 1997 (Jahressteuergesetz 1997 vom 27. Dezember 1996, BGBl I 2049) eingeräumte steuerliche Existenzminimum reiche nicht aus, um den Mindestbedarf zu decken (Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, aaO, RdNr 85; Frotscher, EStG, § 32a RdNrn 34 ff; vgl auch BT-Drucks 13/1558 S 3). Abgesehen davon, daß aus dem im Einkommensteuerrecht zu beachtenden Mindestbedarf sich noch kein verfassungsrechtliches Gebot herleiten läßt, das Existenzminimum gerade durch die Bewilligung von Alhi in bestimmter Höhe zu gewährleisten, ist dem Gesetzgeber bei der Festlegung des Betrages, der das Existenzminimum sichern soll und der sich wesentlich am durchschnittlichen Sozialhilfebedarf zu orientieren hat (vgl BVerfGE 82, 60, 94 = SozR 3-5870 § 10 Nr 1; BVerfGE 99, 246, 259 ff), ein Einschätzungsspielraum zuzubilligen (BVerfGE 91, 93, 114 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5). Hieraus folgt, daß die Anhebung des Grundfreibetrages auf 12.095,00 DM - als Reaktion auf die Beanstandung früherer Grundfreibeträge (vgl BVerfGE 87, 153, 169 ff) - nicht zu beanstanden ist. Wie die Gesetzesmaterialien belegen, sind die für die Bemessung des Sozialhilfebedarfs bedeutsamen Komponenten (insbesondere Regelsatz, Leistungen für Unterkunft und Heizung, einmalige Hilfen) berücksichtigt worden, mag es auch hinsichtlich der Angemessenheit oder Gewichtung einzelner Größen Meinungsverschiedenheiten gegeben haben (BT-Drucks 13/381, 13/1558 S 3, 13/4839 S 80, 13/5359 S 122). Da ohnehin erhebliche Schwierigkeiten bestehen, das Existenzminimum sachgerecht zu bestimmen (vgl von Maydell, Festschrift Gitter, 1995, 567, 573 ff), kann keine Rede davon sein, der Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers sei in nicht mehr vertretbarer Weise überschritten (vgl BVerfGE 91, 93, 114 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5).

Schließlich enthalten die Regelungen über die Anrechnung von Einkommen des Ehegatten nach § 138 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und Satz 2 AFG in der geschilderten Anwendung auch im Vergleich mit nicht verheirateten Empfängern von Alhi keine Verletzung der Art 3 und 6 GG. Das BVerfG hat zu der von der Klägerin gerügten Ungleichbehandlung ausgeführt, daß eine ungerechtfertigte Benachteiligung von Ehepartnern, die beide erwerbstätig waren, durch die Belassung eines Selbstbehalts in Höhe der hypothetischen Alhi, mindestens aber in Höhe des Existenzminimums vermieden werden kann (BVerfGE 87, 234, 257 ff = SozR 3-4100 § 137 Nr 3). Diese Anregung des BVerfG hat der Gesetzgeber durch die jetzige Fassung des § 138 Abs 1 AFG entsprochen. Eine verfassungsrechtlich zu beanstandende Benachteiligung der Klägerin oder ihres Ehemannes ist insoweit nicht ersichtlich.

3. Die ursprüngliche Alhi-Bewilligung konnte allerdings nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden, nicht für die Vergangenheit; denn die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X liegen nicht vor.

a) Nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Es genügt zwar, daß nicht der Antragsteller selbst, sondern eine andere Person, deren wirtschaftlichen Verhältnisse für den Leistungsanspruch rechtserheblich sind, Einkommen oder Vermögen erzielt hat (BSG SozR 1300 § 48 Nr 53). Die Vorschrift schränkt den Vertrauensschutz in den Verwaltungsakt ein, aber nur "soweit" nachträglich Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist; nur insoweit soll der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden können. Der Betroffene soll also nur in dem Umfang, in dem er (oder die Person, deren wirtschaftlichen Verhältnisse für den Leistungsanspruch erheblich sind) eine "doppelte" Zahlung erhalten hat, der Aufhebung einer Bewilligung und einer entsprechenden Erstattungspflicht ausgesetzt sein (BSGE 60, 180, 185 = SozR 1300 § 48 Nr 26; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 37). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Der Ehemann der Klägerin hat ab November 1996 seine Rente nur anstelle des zuvor bezogenen Alg, er hat nicht etwa eine zusätzliche Leistung erhalten, die als solche den Anspruch seiner Ehefrau auf Alhi zum Wegfall bringen oder mindern würde; außerdem war die Rente nicht höher, sondern um 86,75 DM wöchentlich niedriger als das Alg. Auf die Alhi der Klägerin wirkt sich die Änderung in den Einkommensverhältnissen des Ehemanns im wesentlichen nachteilig aus, weil der Rentenbezug aus den erörterten Gründen einen niedrigeren Freibetrag als der Alg-Bezug zur Folge hat und daher das auf die Alhi anzurechnende Einkommen des Ehemannes sich erhöht hat, obwohl das Einkommen insgesamt gesunken ist. Unter dem Gesichtspunkt der Durchbrechung des Vertrauensschutzes ist mithin eine rückwirkende Herabsetzung der Alhi der Klägerin nicht gerechtfertigt.

b) Weitere Tatbestände, die eine rückwirkende Aufhebung der Alhi-Bewilligung ermöglichen könnten, sind nicht ersichtlich. So erfolgt die Herabsetzung der Alhi nicht zugunsten der Klägerin (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X) noch ist die Klägerin einer Mitteilungspflicht nicht nachgekommen (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X). Schließlich kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, daß sie bereits vor Zugang des Bescheids vom 31. Oktober 1996 wußte bzw wissen mußte, daß der sich aus dem Bescheid vom 11. Oktober 1996 ergebende Zahlbetrag von 117,00 DM am 1. November 1996 bis auf 29,56 DM weggefallen war (vgl § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X); denn die Rente des Ehemannes war niedriger als das bisher bezogene Alg und daß sich dennoch das auf den Alhi-Leistungssatz anzurechnende Einkommen erhöht, mußte die Klägerin, wie auf der Hand liegt, nicht wissen.

c) War die Beklagte somit gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X nur zur Aufhebung der Alhi-Bewilligung für die Zukunft berechtigt, so ist entscheidungserheblich, wann der den Bescheid vom 11. Oktober 1996 erstmals abändernde Bescheid vom 31. Oktober 1996 der Klägerin zugegangen und damit ergangen ist. Insoweit fehlen Feststellungen des LSG; auch den Leistungsakten der Beklagten, auf die das LSG im Tatbestand seines Urteils hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts verwiesen hat, kann nicht entnommen werden, an welchem Tag der Bescheid vom 31. Oktober 1996 der Klägerin bekanntgegeben worden ist bzw als bekanntgegeben gilt (§ 37 SGB X). Den Feststellungen des LSG läßt sich nur entnehmen, daß die Klägerin mit Schreiben vom 13. November 1996 Widerspruch erhoben hat; an diesem Tag lag ihr somit der Bescheid vom 31. Oktober 1996 vor. Die von der Beklagten vorgenommene Herabsetzung der Alhi ist daher für die Zeit nach dem 12. November 1996 rechtmäßig. Insoweit ist die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Für die Zeit vor dem 13. November 1996 hat die Revision im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG Erfolg. Das LSG wird die Frage des Zugangs des Bescheids vom 31. Oktober 1996 zu klären und dann auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Rechtskraft
Aus
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