B 11 AL 105/99 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 105/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 24. August 1999 wird zurückgewiesen. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der Kläger wehrt sich gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen als vorab zu begleichende Masseverbindlichkeiten und verlangt deren Erlaß.

Der Kläger ist Gesamtvollstreckungsverwalter des Vermögens der Beton-Bau GmbH R. in S. , über das das Kreisgericht P. mit Beschluss vom 30. April 1993 die Gesamtvollstreckung eröffnet hat. Mit Bescheid vom 9. Juli 1993 setzte die Beklagte die Umlage für die Produktive Winterbauförderung für März und April 1993 mit 4.059,50 DM als nach § 13 Abs 1 Nr 3b Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) vorab zu begleichen fest, nämlich 3.600 DM Umlage, 360 DM Pauschale, 79,20 DM Säumniszuschlag und 20,30 DM Mahngebühren. Der Kläger erkannte die Forderung an, zahlte aber wegen Massearmut nicht.

Mit dem angefochtenen Bescheid machte die Beklagte Säumniszuschläge für Januar 1995 bis Juli 1996 in Höhe von 741 DM (= 19 x 39 DM) als vorab zu begleichen geltend, von denen sie 370,50 DM, dh die Hälfte, erließ. Die Gesamtforderung der Beklagten betrug nunmehr 4.059,50 DM + 370,50 DM = 4.430 DM (Bescheid vom 22. Juli 1996, Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 1997).

Das Sozialgericht (SG) hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben und dies damit begründet, daß nach § 13 Abs 1 Nr 3b GesO nur Säumniszuschläge, die in den letzten sechs Monaten vor Eröffnung der Gesamtvollstreckung entstanden seien, an der Privilegierung als Masseschulden teilhätten; die Rechtsprechung zu § 59 Abs 1 Nr 3e Konkursordnung (KO) sei nicht übertragbar (Urteil vom 20. Februar 1998). Auf die Berufung der Beklagten, die das SG zugelassen hatte, hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. August 1999). Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, Rechtsgrundlage für die in zutreffender Höhe ermittelten Säumniszuschläge auf die Umlage für März und April 1993 seien § 24 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften - (SGB IV), § 3 Abs 2 Winterbau-Umlageverordnung und § 179 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Die Erhebung werde durch die Gesamtvollstreckung nicht gehindert. Wie nach § 59 KO zählten nach § 13 Abs 1 Nr 3b GesO Säumniszuschläge nach Eröffnung der Gesamtvollstreckung auf in den letzten sechs Monaten vor Eröffnung entstandene Umlageforderungen zu den Masseschulden. Die Gesetzesfassungen stimmten im wesentlichen überein. Die Unterschiede beruhten darauf, daß die Regelung der KO durch den Einigungsvertrag in das bisherige DDR-Recht der GesO habe eingegliedert werden müssen. Die Übernahme des § 59 Abs 1 Nr 3e KO in § 13 GesO ergebe, daß jedenfalls hinsichtlich der Forderungen der Sozialversicherungsträger keine unterschiedliche Behandlung beabsichtigt gewesen sei. Säumniszuschläge seien infolgedessen auch keine Verzugszinsen iS des § 17 Abs 3 Nr 4 GesO; denn auch § 63 Nr 1 KO finde auf Säumniszuschläge, die als Zuschläge auf Masseschulden selbst Masseschulden seien, keine Anwendung. Ihr Erlaßermessen habe die Beklagte durch Erlaß der Hälfte beanstandungsfrei ausgeübt. Zwar entfalle bei Massearmut die Druckfunktion der Säumniszuschläge, nicht aber der Zweck der Gegenleistung für verspätete Zahlung und Aufwendungsersatz. Besonderheiten für einen weiteren Erlaß seien nicht ersichtlich.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, der Wortlaut des § 13 GesO erfasse zwar Rückstände von Umlagen der letzten sechs Monate, schließe aber - anders als bei Beiträgen - Säumniszuschläge nicht ein. Mit der GesO habe - abweichend von der KO - für die neuen Länder ein deren Bedürfnisse berücksichtigendes besonderes Insolvenzrecht geschaffen werden sollen, das auch die Modernisierung des Rechtsgebiets habe vorantreiben sollen. Die vom Bundesverfassungsgericht unterstrichene Eigenständigkeit der GesO stehe einer Übertragung der Rechtsprechung zu § 59 KO entgegen, zumal diese Grundprinzipien des Insolvenzrechts und dem verfassungsrechtlichen Verbot widersprächen, im Wege der Rechtsfortbildung den Kreis bevorrechtigter Forderungen zu erweitern. Die Erhebung von Säumniszuschlägen nach Eröffnung der Gesamtvollstreckung verletze zum einen das Stichtagsprinzip, nach dem am Verteilungsverfahren nur jene Forderungen teilnehmen, die bis zur Eröffnung der Gesamtvollstreckung fällig geworden seien. Die Erhebung von Säumniszuschlägen verletze aber auch das Gleichbehandlungsprinzip, nach dem Verteilungsgerechtigkeit in den gesetzlich geregelten Rangklassen gewährleistet werde; denn es verbiete, geregelte Vorrechte auszuweiten oder neue zu schaffen. Bereits die Erhebung von Säumniszuschlägen auf Rückstände der letzten sechs Monate vor Eröffnung sei systemwidrig und widerspreche dem Gleichbehandlungs- und Stichtagsprinzip. Erst Recht sei daher kein Raum für eine Privilegierung von Säumniszuschlägen auf Umlagen gegeben. Sie führe zur Verschlechterung der Quoten der gemäß § 13 Abs 1 Nr 3 GesO im gleichen Rang zu bedienenden Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger und jedenfalls der Tabellengläubiger nach § 17 Abs 3 GesO. Im vorliegenden Falle seien die Säumniszuschläge überdies in vollem Umfange zu erlassen. Der Guthabenbestand betrage per 22. Dezember 1999 lediglich 50.842,52 DM. Allein die im Rang des § 13 Abs 1 Nr 3 GesO zu berücksichtigenden Forderungen betrügen 32.903,60 DM (Arbeitnehmer 16.652,96 DM, Berufsgenossenschaftsbeiträge 10.862,97 DM, AOK 1.328,17 DM, Winterbauumlage 4.059,50 DM). Hinzu kämen Gerichts- und Verwaltungsgebühren, Aufwendungen für Steuererklärungen, Bilanzen und die Archivierung der Geschäftsunterlagen. Auf die Forderungen nach § 17 Abs 3 GesO in Höhe von 1.158.810,79 DM werde überhaupt keine Quote entfallen. In derartigen Fällen sei nicht einzusehen, weshalb lediglich ein Erlaß von 50 vH in Frage komme.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf das angefochtene Urteil und weist ergänzend auf das Urteil des Senats BSGE 83, 292 = SozR 3-2400 § 76 Nr 2 hin.

II

Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte den Kläger mit 370,50 DM an Säumniszuschlägen als vorab zu befriedigende Masseverbindlichkeiten in Anspruch genommen.

1. Die Rechtsgrundlage der Säumniszuschläge für die Zeit von Januar 1995 bis Juli 1996 bildet infolge der bis zum Arbeitsförderungs-Reformgesetz (vom 24. März 1997, BGBl I 594) unveränderten Verweisungen in § 3 Abs 2 der Winterbau-Umlageverordnung (vom 13. Juli 1972, BGBl I 1201) und in § 179 AFG § 24 SGB IV. Da innerhalb der Verweisungskette ohne nähere Kennzeichnung auf die jeweils andere Vorschrift verwiesen wird, ist davon auszugehen, daß das Gesetz in seiner jeweiligen Fassung angewendet werden soll (sogenannte dynamische Verweisung; BSGE 83, 292, 294 = SozR 3-2400 § 76 Nr 2). Anwendung findet § 24 SGB IV folglich in der ab dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung durch das 2. Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuches (2. SGB-ÄndG) vom 13. Juni 1994 (BGBl I 1229). Nach § 24 Abs 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 vH des rückständigen, auf 100 DM nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Die Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen in Höhe von 741 DM haben vorgelegen (Forderungszeitraum Januar 1995 bis Juli 1996; rückständige Umlage 3.960 DM).

2. Zutreffend hat das LSG die nach dem Erlaß der Hälfte verbliebenen streitigen Säumniszuschläge von 370,50 DM als vorab zu begleichende Ansprüche iS des § 13 Abs 1 Nr 3b GesO (idF vom 23. Mai 1991, BGBl I 1185) angesehen. Nach dieser Vorschrift hat der Verwalter aus den vorhandenen Mitteln mit Einwilligung des Gerichts vorab die Ansprüche der Träger der Sozialversicherung und der Bundesanstalt für Arbeit (BA) auf Beiträge einschließlich Säumniszuschläge und auf Umlagen wegen der Rückstände für die letzten sechs Monate vor Eröffnung der Gesamtvollstreckung zu begleichen. Die Regelung ist entsprechend § 59 Abs 1 Nr 3e KO in der Weise auszulegen, daß sie auch Säumniszuschläge auf Umlagen erfaßt, die erst für Zeiten nach Eröffnung der Gesamtvollstreckung anfallen, soweit die rückständige Umlageforderung den letzten sechs Monaten vor Eröffnung der Gesamtvollstreckung zuzuordnen ist.

a) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 59 Abs 1 Nr 3e KO, daß zu den in den Rang von Masseschulden erhobenen Beitrags- bzw Umlagerückständen für die letzten sechs Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens die darauf entfallenden Säumniszuschläge auch zählen, soweit sie nach Konkurseröffnung angefallen sind (BSGE 52, 42, 44 = SozR 4100 § 186a Nr 10; SozR 7910 § 59 Nr 13; BSGE 56, 55, 60 = SozR 7910 § 59 Nr 15; BSGE 63, 67, 68 = SozR 2100 § 24 Nr 5; BSGE 83, 292, 294 = SozR 3-2400 § 76 Nr 2). Zur Begründung konnte sich das BSG auf die zur Vorläuferregelung des § 28 Abs 3 Reichsversicherungsordnung (RVO, eingefügt durch das Gesetz über das Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974, BGBl I 1481) ergangene Rechtsprechung stützen, wonach der Anspruch auf rückständige Winterbauumlage für den vorgenannten Zeitraum - einschließlich der durch die Säumnis entstandenen Nebenkosten auch für die Zeit nach Eröffnung des Konkursverfahrens - zu den Masseschulden zählte (vgl SozR 7910 § 59 Nr 12 mwN). Durch die Übernahme dieser Regelung in § 59 Abs 1 Nr 3e KO ist diese Rechtslage nicht geändert worden, sondern es wurde lediglich aus systematischen Gründen das materielle Konkursrecht aus der RVO in die KO übernommen (BSGE 52, 42, 43 = SozR 4100 § 186a Nr 10 mit Hinweisen zur Entstehungsgeschichte). Darüber hinaus wird durch die in § 59 Abs 1 Nr 3e KO enthaltene Formulierung "wegen der Rückstände für die letzten sechs Monate vor der Eröffnung des Verfahrens" zum Ausdruck gebracht, daß nur die Hauptforderung zeitlich begrenzt wird, während die auf sie entfallenden Nebenforderungen auch zu den Masseschulden iS der Vorschrift gehören, wenn sie nach Konkurseröffnung entstanden sind (BSGE 63, 67, 68 f = SozR 2100 § 24 Nr 5). Voraussetzung für die Geltendmachung der Säumniszuschläge als Masseschuld ist deshalb lediglich, daß auch die entsprechende Hauptforderung Masseschuld ist.

Ferner hat das BSG zu § 59 Abs 1 Nr 3e KO entschieden, daß die Vorschrift nicht nur Säumniszuschläge für rückständige Ansprüche der Träger der Sozialversicherung und der BA auf Beiträge, sondern auch für Umlagen erfaßt (SozR 7910 § 59 Nr 13; SozR 4100 § 186a Nr 18). Das BSG hat zur Begründung ausgeführt, daß zwar der Wortlaut der Vorschrift in der Weise verstanden werden könne, daß nur Säumniszuschläge für rückständige Beiträge, nicht aber für rückständige Umlagen erfaßt werden sollten. Dagegen spreche jedoch, daß es an jedem sachlichen Grund für eine unterschiedliche Behandlung im Konkurs fehle. Auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte sei die Fassung der Bestimmung eine redaktionelle Ungenauigkeit ohne materiell-rechtliche Bedeutung. Im Hinblick darauf, daß Beiträge wie Umlagen dazu dienten, die Mittel zur Finanzierung bestimmter Sozialleistungen aufzubringen und das Gesetz den säumigen Beitrags- oder Umlagepflichtigen gleichermaßen mit Sanktionen belege, sei es sachlich nicht zu rechtfertigen, nach Eröffnung des Konkurses gegen den säumigen Beitrags- und Umlagepflichtigen Säumniszuschläge auf Umlagen rechtlich anders zu behandeln als Säumniszuschläge auf die den Umlagen gleichrangigen Beiträge (SozR 7910 § 59 Nr 13).

Daß hiernach Säumniszuschläge auf Umlagen, die erst für Zeiten nach Eröffnung des Konkursverfahrens anfallen, als vorab zu begleichende Forderungen anzusehen sind, begegnet entgegen der Auffassung der Revision keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die sich angesichts des geschlossenen Systems bevorrechtigter Gläubigergruppen ergebenden Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung (vgl BVerfGE 65, 182, 190 ff) berührt diese Rechtsprechung nicht. Denn sie beruht nicht darauf, daß eine gesetzliche Regelungslücke geschlossen worden wäre. Vielmehr hat das BSG, vom mehrdeutigen Gesetzeswortlaut ausgehend, seine Auffassung zu § 59 Abs 1 Nr 3e KO lediglich auf die herkömmlichen Grundsätze der Gesetzesauslegung gestützt.

b) Dem LSG ist darin zuzustimmen, daß dem Wortlaut des § 13 Abs 1 Nr 3b GesO keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, daß die von der Rechtsprechung zu § 59 Abs 1 Nr 3e KO entschiedenen Fragen im Geltungsbereich der GesO in anderer Weise zu beantworten wären. Denn beide Regelungen unterscheiden sich lediglich durch eine unterschiedliche Stellung der Satzteile, während die hier fraglichen Textpassagen im Wortlaut identisch sind.

Der Entstehungsgeschichte des § 13 GesO sind keine Hinweise darauf zu entnehmen, daß die Vorschrift entsprechend den Vorstellungen der Revision auszulegen wäre. Die Regelung geht auf § 13 der Verordnung des Ministerrats der DDR über die Gesamtvollstreckung - Gesamtvollstreckungsverordnung - vom 6. Juni 1990 (GBl I 285) zurück. Diese Bestimmung enthielt Vorrechte bezüglich der Forderungen der Sozialversicherungsträger nicht, sondern führte unter der Nr 3 lediglich die Lohn- oder Gehaltsforderungen von Werktätigen nach näherer Maßgabe der Regelung auf. Ihre hier zu beurteilende Fassung erhielt § 13 Abs 1 GesO durch Anlage II Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt II Nr 1 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (BGBl II 889, 1153 f), dem der Gesetzgeber zugestimmt hat (Art 1 des Gesetzes vom 23. September 1990, BGBl II 885). Diese Regelung stellte nunmehr die Ansprüche der Träger der Sozialversicherung und der BA den Lohn- und Gehaltsansprüchen der Arbeitnehmer gleich. Den Erläuterungen zu den Anlagen zum Einigungsvertrag ist hinsichtlich der Neufassung des § 13 GesO zu entnehmen, daß sachliche Änderungen insoweit vorgenommen worden seien, als die Ansprüche der Sozialversicherungsträger den Arbeitnehmeransprüchen gleichgestellt worden seien und zugleich als Absatz 2 eine Rücktrittsvorschrift eingefügt worden sei, die § 59 Abs 2 KO entspreche (BT-Drucks 11/7817 S 60).

Die Annahme der Revision, übergeordnete Grundsätze, die aus dem besonderen Charakter der GesO abzuleiten seien, bedingten eine andere Auslegung des § 13 Abs 1 Nr 3b GesO, trifft nicht zu. Allerdings entspricht es der Eigenart dieses Gesetzeswerkes, daß es einen "Mittelweg" zwischen der zur Zeit ihrer Schaffung als reformbedürftig erkannten KO und des damals noch nicht abgeschlossenen Insolvenzrechtsreformvorhabens sowie des durch seine knappen Regelungen einfacher zu handhabenden Rechts der Gesamtvollstreckungsverordnung darstellt (vgl BT-Drucks 11/7817 S 8; BVerfGE 92, 262, 275 f; BGH NJW 2000, 1117, 1118). Die GesO enthält demzufolge neben Vorschriften, die auf die Verordnung der DDR zurückgehen, aus der KO übernommene Regelungen und Bestimmungen, die auf Vorstellungen der Insolvenzrechtsreform beruhen. Es ist deshalb anerkannt, daß zur Schließung von Lücken innerhalb der bewußt knapp gehaltenen GesO nicht nur ein Rückgriff auf Vorschriften der KO zulässig ist, sondern, soweit diese als reformbedürftig erkannt wurden, auch Rechtsprinzipien herangezogen werden dürfen, die der Insolvenzrechtsreform zugrunde liegen (BGHZ 131, 189, 199; 135, 30, 34 f; 139, 319, 322 f; BGH NJW 2000, 1117, 1118).

Die Revision übersieht jedoch, daß hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang Ansprüche der Sozialversicherungsträger und der BA als vorab zu begleichende Ansprüche zu behandeln sind, eine ausdrückliche Regelung vorliegt, die die Annahme einer Lücke von vornherein ausschließt. Die fragliche Regelung ist zudem auf § 59 Abs 1 Nr 3e KO zurückzuführen. Deshalb kann alleine darin, daß die GesO auch Vorstellungen der Insolvenzreform antizipiert, kein hinreichender Grund dafür gesehen werden, die geltend gemachten Säumniszuschläge als nicht bevorrechtigte Forderung nach § 17 GesO anzusehen. Im übrigen erscheint es - selbst wenn das Vorliegen einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke bejaht würde - als fraglich, ob der GesO die von der Revision behauptete Zielsetzung, die Bevorrechtigung bestimmter Gläubiger zurückzudrängen, überhaupt entnommen werden kann. Denn es ist gerade Gegenstand der Kritik an diesem Gesetzgebungswerk, daß die Beschneidung der Sicherungsrechte bestimmter Gläubiger zur Herbeiführung der Chancengleichheit aller Gläubiger entsprechend den Forderungen in der Rechtswissenschaft nicht verwirklicht und damit die Chance vertan worden sei, ein Signal in Richtung der kommenden gesamtdeutschen Insolvenzrechtsreform zu geben (Smid in: Smid/Zeuner, Gesamtvollstreckungsordnung, 2. Aufl 1994, Einleitung RdNr 23).

3. Die Heranziehung des Klägers zur Hälfte der entstandenen Säumniszuschläge ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Ablehnung des vollständigen Erlasses der Säumniszuschläge ermessensfehlerhaft gewesen wäre.

Nach § 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV, ebenfalls idF des 2. SGB-ÄndG, darf der Versicherungsträger Ansprüche nur erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Wie der Senat schon entschieden hat, ist der Beklagten eine ermessensfehlerhafte Entscheidung nicht vorzuwerfen, wenn sie nach verwaltungsinternen Ermessensrichtlinien mit Rücksicht darauf, daß bei Masseunzulänglichkeit eines Konkurses die Druckfunktion der Säumniszuschläge entfällt, nicht aber die Funktion des standardisierten Schadensausgleichs, regelmäßig nur die Hälfte der Säumniszuschläge erläßt (BSGE 83, 292, 295 ff = SozR 3-2400 § 76 Nr 2). Für Masseunzulänglichkeit eines Gesamvollstretkungsverfahrens gilt nichts anderes. Besonderheiten, die im gegebenen Fall weitergehende Ermessenserwägungen der Beklagten oder gar einen darüber hinausgehenden Erlaß erforderlich gemacht haben, sind nicht ersichtlich.

Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger weder bei der Beklagten noch in den Tatsacheninstanzen geltend gemacht, daß der Erlaß nur der Hälfte der Säumniszuschläge § 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV nicht gerecht werde und hierfür Tatsachen ins Feld geführt. Solche Tatsachen hat das LSG auch nicht festgestellt. Es hat im Gegenteil ausgeführt, daß Besonderheiten nicht ersichtlich seien. Wenn der Kläger nunmehr erstmals in der Revision mit näheren Angaben vorträgt, daß die Masse derart notleidend sei, daß allenfalls Forderungen nach § 13 GesO, nicht aber solche nach § 17 Abs 3 GesO bedient werden können, kann dies im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden; denn neues tatsächliches Vorbringen ist in der Revisionsinstanz ausgeschlossen (BVerwG Buchholz 232 BBG § 26 Nr 7; BSGE 67, 183, 186 = SozR 3-4100 § 128a Nr 4; BSG SozR 3-4100 § 3 Nr 2).

Abgesehen davon, daß es für die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des weiteren Erlasses der Säumniszuschläge auf den Zeitpunkt ankommen dürfte, in dem der Widerspruchsbescheid erlassen worden ist (vgl BFHE 160, 296, 301), also auf Mai 1997, rechtfertigt im übrigen regelmäßig weder der erwartete noch der eingetretene Ausfall nachrangiger Forderungen im Konkurs- oder Gesamtvollstreckungsverfahren einer überschuldeten GmbH den Erlaß vorrangiger, schon zur Hälfte erlassener Säumniszuschläge. Denn die Einziehung der nicht erlassenen Hälfte der Säumniszuschläge ist bei solchen Sachverhalten weder aus sachlichen noch aus in der Person des Schuldners liegenden Gründen unbillig. Daß die Säumniszuschläge ihre eine Funktion, Druck auf den Schuldner auszuüben, bei Massearmut verloren haben, ist schon bei dem Erlaß der Hälfte berücksichtigt worden. Die andere Funktion der Säumniszuschläge, den Sozialversicherungsträgern und der Beklagten standardisierten Ersatz für Zinsverlust und Verwaltungsaufwand zu verschaffen, wird durch Konkurs oder Gesamtvollstreckung bis zur Schlußverteilung nicht beeinträchtigt. Die Heranziehung der Masse zu der nicht erlassenen Hälfte der Säumniszuschläge widerspricht auch nicht der insolvenzrechtlichen Wertung des Gesetzes. Den Ausfall nachrangiger Forderungen hat der Gesetzgeber bei der Einräumung des Vorrangs bewußt in Kauf genommen. Es ist nicht Sinn der Erlaßvorschrift, regelmäßige Folgen gesetzlicher Vorschriften in ihr Gegenteil zu verkehren (vgl BFHE 176, 3, 6 f; 177, 246, 248 f). Nichts anderes gilt, wenn auch die Forderung, um deren Erlaß es geht, und andere, ihr gleichrangige Masseforderungen nur anteilig befriedigt werden können, wie das hier möglicherweise der Fall ist. Schließlich sind auch keine in der Person des Schuldners liegende Gründe ersichtlich, die die Heranziehung der Masse zu den Säumniszuschlägen unbillig erscheinen lassen könnten. Ist die GmbH überschuldet - nach Angaben des Klägers fallen Forderungen von über 1 Mio. DM aus -, läßt sich für einen Erlaß nicht anführen, die Einziehung der Säumniszuschläge von 370,50 DM gefährde die wirtschaftliche Existenz des Schuldners; denn diese ist längst nicht mehr vorhanden.

Die Revision des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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