B 6 KA 22/99 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 22/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 1999 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der 1936 in Rumänien geborene und seit 1979 in der Bundesrepublik Deutschland lebende Kläger begehrt die Wiederzulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Er war seit dem 1. Oktober 1981 als praktischer Arzt in E. zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen. Durch Urteil des Landgerichts Essen vom 13. Mai 1989 wurde er wegen Abrechnungsbetruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt. Im März 1990 verzichtete er auf die Zulassung. Im Juli 1990 wurde ihm die ärztliche Approbation entzogen, die er im Juli 1996 wieder erhielt. Im Dezember 1996 beantragte er die erneute Zulassung als Vertragsarzt in S ... Im Hinblick auf den Umstand, daß er zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits das 60. Lebensjahr erreicht hatte, machte er geltend, die Versagung der Zulassung im für Allgemeinmediziner bzw praktische Ärzte nicht gesperrten Planungsbereich S. stelle eine unbillige Härte iS des § 25 Satz 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) dar. Während seiner nur relativ kurzfristigen kassenärztlichen Tätigkeit habe er keine angemessene Altersversorgung aufbauen können und sei deshalb auf die (erneute) Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit angewiesen. In S. könne er die Praxis eines verstorbenen Kollegen für nur 5.000 DM übernehmen.

Der Zulassungsausschuß lehnte den Antrag des Klägers ab. Der beklagte Berufungsausschuß wies seinen Widerspruch zurück. Die Versagung der Zulassung begründe in der Person des Klägers keine unbillige Härte. Zwar möge er auf die Einnahmen aus der vertragsärztlichen Tätigkeit dringend angewiesen sein, doch beruhe dies allein auf dem Umstand, daß er wegen schwerwiegenden Abrechnungsbetruges zuvor auf die Zulassung habe verzichten müssen (Beschluss vom 8. April 1997).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. Januar 1998). Auch im Berufungsrechtszug ist der Kläger erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat angenommen, der Kläger sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht zwingend auf die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit angewiesen. Er könne bereits mit Vollendung des 62. Lebensjahres vorgezogenes Altersruhegeld von der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe in Anspruch nehmen. Bei einem Rentenbeginn mit Vollendung des 63. Lebensjahres im April 1999 betrage die Rentenhöhe ca 2.500 DM im Monat. Mit Erreichen des 65. Lebensjahres stünde dem Kläger darüber hinaus eine Altersrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von 656,84 DM zu. Dies zusammen ergebe eine Summe, die den durchschnittlichen Rentenzahlbetrag der Rentenversicherung der Angestellten für Männer erheblich überschreite. Auch unabhängig von wirtschaftlichen Gesichtspunkten liege in seiner Person kein besonderer Härtefall vor, weil er nicht "unfreiwillig" auf seine Zulassung verzichtet habe, sondern durch seine Verzichtserklärung lediglich einer unmittelbar drohenden Zulassungsentziehung zuvorgekommen sei (Urteil vom 13. Januar 1999).

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine fehlerhafte Anwendung des § 98 Abs 2 Nr 12 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) iVm § 25 Ärzte-ZV. Er habe Anspruch auf die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung in S. , weil nur so eine unbillige Härte iS des § 25 Satz 2 Ärzte-ZV vermieden werden könne. Weder sein laufender Unterhalt noch seine Altersversorgung seien ohne die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit angemessen gesichert, und auf die Inanspruchnahme vorgezogener Altersrente müsse er sich nicht verweisen lassen.

Trotz der zu § 25 Ärzte-ZV bzw § 25 Zahnärzte-ZV ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stelle sich nachdrücklich die Frage, ob diese Vorschrift mit dem Grundgesetz (GG), insbesondere mit Art 12 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG vereinbar sei. Die Festlegung von Altersgrenzen sei nur aus Gründen des jeweils betroffenen Berufes und der Leistungsfähigkeit des einzelnen Berufsangehörigen gestattet. Ansonsten seien Altersgrenzen - wenn überhaupt - nur iS einer ultima ratio zulässig, soweit die Betroffenen in ihrer beruflichen Entfaltungsfähigkeit allenfalls minimal eingeschränkt würden und wenn ihnen eine volle adäquate wirtschaftliche und soziale Absicherung garantiert werde. Es sei fraglich, ob die gesetzgeberische Prognose zutreffe, der Zustrom älterer Ärzte gefährde die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung, und die Altersgrenze von 55 Jahren sei dementsprechend zur Erhaltung der finanziellen Grundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung geeignet, notwendig und verhältnismäßig. Verläßliches Zahlenmaterial, das eine Prüfung dieser Einschätzung ermögliche, existiere nicht. Im übrigen sei eine strenge Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfung geeignet, der Gefahr möglicherweise unwirtschaftlicher Leistungserbringung durch Ärzte, die nur eine relativ kurze Zeitspanne der vertragsärztlichen Tätigkeit nachgehen könnten, entgegenzuwirken. Soweit der Gesetz- bzw Verordnungsgeber den älteren Ärzten pauschal unterstelle, unter Amortisationsgesichtspunkten möglicherweise unwirtschaftliche Leistungen erbringen zu wollen, liege der Gedanke einer "präventiven Sippenhaft" nahe.

Der grundsätzliche Ausschluß der über 55 Jahre alten Ärzte von der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung sei allenfalls mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar, wenn die Vorschrift so angewandt werde, daß diejenigen Ärzte eine Zulassung erhielten, die aus wirtschaftlichen Gründen auf die Kassenzulassung angewiesen seien. Insoweit sei eine Interessenabwägung anhand des Verursacherprinzips sowie der Kategorien von Sitte und Moral ausgeschlossen. Unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Angewiesenheit auf die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit dürfe allein auf die tatsächliche Lage des an einer Zulassung interessierten Arztes zum Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung abgestellt werden. Ob der Bewerber ggf durch bestimmte Gestaltungsmöglichkeiten seine wirtschaftliche Situation verbessern könne, müsse unberücksichtigt bleiben. Es sei sinnwidrig, das mit § 25 Ärzte-ZV verfolgte Ziel einer finanziellen Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung dadurch zu erreichen, daß ein Arzt seinen Unterhalt nicht mehr selbst verdienen könne und auf staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen sei.

Zu Unrecht habe ihn das LSG darauf verwiesen, vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen. Wenn er dies tue, reduziere sich die Höhe der ihm auf Dauer als Altersversorgung zustehenden Beträge gegenüber einer Inanspruchnahme von Altersruhegeld erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres deutlich. Im übrigen sei der vom LSG vorgenommene Vergleich zwischen den Leistungen der ärztlichen Altersversorgung im Versicherungsfall des Alters mit den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung unzulässig, weil damit die Besonderheiten des ärztlichen Berufs außer Betracht gelassen würden. Die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit sei ein "freier Beruf", der durch ein hohes Maß an Verantwortlichkeit, die Übernahme von Risiken in wirtschaftlicher Beziehung sowie durch eine regelmäßig unabhängige und eigenverantwortliche Stellung und spezielle Sachkunde geprägt sei. Deshalb sei die ärztliche Tätigkeit überdurchschnittlich zu honorieren, und es müsse dem Arzt die Gelegenheit gegeben werden, die Grundlage für eine der Bedeutung der ärztlichen Tätigkeit entsprechende Altersversorgung zu schaffen.

Er sei auf die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit zwingend angewiesen. Im Hinblick auf vorhandene Schulden blieben ihm unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen nur ca 2.000 DM monatlich zum Lebensunterhalt, wovon neben Wohnungs- und Praxismiete die üblichen Lebenshaltungskosten sowie die private Krankenversicherung zu bezahlen seien. Zu berücksichtigen sei weiterhin, daß seine Ehefrau Arbeitslosenhilfe beziehe, da sie Unterhaltsansprüche gegen ihn wegen seiner fehlenden Leistungsfähigkeit nicht realisieren könne.

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 1999 und des Sozialgerichts Dortmund vom 20. Januar 1998 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Beschlusses vom 8. April 1997 zu verurteilen, ihn - den Kläger - mit sofortiger Wirkung zur vertragsärztlichen Tätigkeit als praktischer Arzt für den Vertragsarztsitz in S. , W. W. , zuzulassen, hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen zu 1) bis 3) und 8) beantragen ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Der beklagte Berufungsausschuß hat ihn zu Recht nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, weil er zum Zeitpunkt der Antragstellung die Zulassungs-Altersgrenze von 55 Jahren überschritten hatte und eine Ausnahme zur Vermeidung einer unbilligen Härte nicht erforderlich ist (§ 98 Abs 2 Nr 12 SGB V iVm § 25 Ärzte-ZV).

Der Senat hat in seinen Urteilen vom 24. November 1993 (BSGE 73, 223 = SozR 3-5520 § 25 Nr 1 sowie SozR 3-2500 § 98 Nr 3) für den ärztlichen Bereich und vom 18. Dezember 1996 (BSGE 80, 9 = SozR 3-2500 § 98 Nr 4) für den zahnärztlichen Bereich im einzelnen dargelegt, daß der Ausschluß der über 55 Jahre alten Bewerber von der Zulassung zur vertrags(zahn)ärztlichen Tätigkeit als eine von mehreren Maßnahmen zur Begrenzung der Zahl der (zahn)ärztlichen Leistungserbringer mit dem GG vereinbar ist. Der Senat hat sich in diesen Urteilen eingehend mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Einführung von Altersgrenzen auseinandergesetzt und auch zu dem von der Revision erneut aufgegriffenen Gesichtspunkt Stellung genommen, inwieweit die Vermutung, ältere Ärzte würden die Wirtschaftlichkeit der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung beeinträchtigen, die Altersgrenze rechtfertigen kann. Eine allein mit dieser Begründung motivierte Zulassungsbeschränkung hält der Senat nicht für verfassungskonform (vgl bereits BSGE 73, 223, 225 = SozR 3-5520 § 25 Nr 1 S 3). Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Revisionsvorbringen zu diesem Aspekt ist deshalb entbehrlich. Nach wie vor gelten indessen die Erwägungen zur Begrenzung der Überversorgung mit Ärzten bzw Zahnärzten als Legitimation sowohl der Zulassungsbeschränkungen nach §§ 101, 103 SGB V (dazu BSGE 82, 41 ff = SozR 3-2500 § 103 Nr 2) als auch der Altersgrenze von 68 Jahren für die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit nach § 95 Abs 7 SGB V (dazu BSGE 83, 135 = SozR 3-2500 § 95 Nr 18) wie schließlich der hier betroffenen Zulassungssperre für über 55 Jahre alte Ärzte. Im übrigen hat das Bundesverfassungsgericht einen Vorlagebeschluß des SG München betreffend die Regelung des § 98 Abs 2 Nr 12 SGB V für unzulässig gehalten, weil sich das vorlegende Gericht nicht hinreichend mit den Argumenten der oben angeführten Senatsurteile vom 24. November 1993 auseinandergesetzt habe (Beschluss vom 20. Dezember 1996 - 1 BvL 10/96). Im Hinblick darauf sind weitere Ausführungen zur Vereinbarkeit der Altersgrenze des § 25 Ärzte-ZV mit dem GG nicht veranlaßt.

Zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, daß die Zulassung des Klägers zur vertragsärztlichen Versorgung nicht zur Vermeidung einer unbilligen Härte erforderlich ist. Mit dem Rechtsbegriff der "unbilligen Härte" iS des § 25 Satz 2 Ärzte-ZV (= § 25 Satz 2 Zahnärzte-ZV) hat sich der Senat bereits mehrfach befaßt. Er hat ausgesprochen, daß unter die Härteregelung vor allem solche Ärzte fallen, die aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin zwingend auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen sind (BSGE 73, 223, 233 = SozR 3-5520 § 25 Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 98 Nr 3 S 6; Urteil vom 21. Juni 1995 - 6 RKa 44/94 - = USK 95115; BSGE 80, 9, 19 = SozR 3-2500 § 98 Nr 4 S 18). Ferner kann bei Ärzten, die bereits zur kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung zugelassen waren, unabhängig von wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine unbillige Härte gegeben sein, wenn sie ihre kassenärztliche Tätigkeit unfreiwillig, etwa wegen Krankheit oder aus anderen persönlichen Gründen, aufgeben mußten und kürzere Zeit später, nachdem diese Umstände weggefallen sind, wieder zugelassen werden wollen (BSG SozR 3-2500 § 98 Nr 3 S 6; Urteil vom 21. Juni 1995 - 6 RKa 44/94 - = USK 95115). Den zuletzt genannten Aspekt hat der Senat in zwei Fällen für bedeutsam gehalten, in denen Ärzte nach einer 13- bzw 11jährigen kassenärztlichen Tätigkeit auf ihre Zulassung verzichtet und dafür zumindest auch gesundheitliche Gründe angeführt hatten, und deshalb jeweils den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung ua hinsichtlich der für den Zulassungsverzicht maßgeblichen Erwägungen zurückverwiesen (BSG SozR 3-2500 § 98 Nr 3 S 6; USK 95115).

Der Verzicht des Klägers auf die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit zur Vermeidung einer Zulassungsentziehung iS des § 95 Abs 6 SGB V kann indessen nicht als "unfreiwillig" iS der angeführten Senatsrechtsprechung gewertet werden. Seine Situation ist nicht anders zu beurteilen als diejenige eines Arztes, der seine vertragsärztlichen Pflichten so erheblich verletzt, daß den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung eine weitere Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr zumutbar ist, und dem deshalb die Zulassung zu entziehen ist (vgl BSGE 73, 234, 237 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 12). Er muß den Ausschluß von der weiteren Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung als zwangsläufige Rechtsfolge seines vorangegangenen Verhaltens hinnehmen. Das erfolgt zwar nicht freiwillig, ist aber wertungsmäßig mit schicksalhaften Entwicklungen wie einer schweren Erkrankung oder Ereignissen im privaten Bereich, die einen Wechsel des Wohnortes und damit ggf einen Verzicht auf die bisher ausgeübte vertragsärztliche Tätigkeit erforderlich gemacht haben, nicht vergleichbar.

Der Verzicht auf die Zulassung zur Vermeidung ihrer Entziehung steht dieser jedenfalls dann gleich, wenn vernünftigerweise nicht daran gezweifelt werden kann, daß dem betroffenen Arzt ohne einen Verzicht die Zulassung entzogen worden wäre. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger ist im Mai 1989 wegen Abrechnungsbetruges zu einer Freiheitsstrafe von 1 1/2 Jahren ohne Bewährung verurteilt worden. Nachdem der Bundesgerichtshof seine Revision gegen diese Verurteilung im Februar 1990 verworfen hatte, verzichtete der Kläger am 21. März 1990 auf seine Zulassung. Im Juli 1990 widerrief die Bezirksregierung A. die Approbation des Klägers, der spätestens nach Eintritt der Vollziehbarkeit dieser Entscheidung unabhängig von seinem Verzicht nicht mehr hätte kassen- bzw vertragsärztlich tätig sein können. Angesichts dieses Geschehensablaufes bedarf es keiner Entscheidung, ob ein Zulassungsverzicht lediglich im lockeren Zusammenhang mit dem Verdacht der Verletzung vertragsärztlicher Pflichten auch dann nicht als "unfreiwillig" gewertet werden könnte, wenn die Vermeidung eines Disziplinar- oder Zulassungsentziehungsverfahrens lediglich eines von mehreren Motiven - möglicherweise nicht einmal das ausschlaggebende - für den Verzicht gewesen ist.

Danach kann die Ausnahmeregelung des § 25 Satz 2 Ärzte-ZV hier nur unter dem Aspekt einer Angewiesenheit des Klägers auf die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit aus wirtschaftlichen Gründen von Bedeutung sein. Auch insoweit hat jedoch das Berufungsgericht eine unbillige Härte zu Recht verneint.

Im Beschluss vom 19. Juni 1996 -6 BKa 25/95 - (MedR 1997, S 86) hat der Senat ausgeführt, eine unbillige Härte aus wirtschaftlichen Gründen sei auch dann nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn einem Vertragsarzt die Zulassung zuvor wegen gröblicher Pflichtverletzung entzogen worden ist. Dieser Beschluss ist in einem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ergangen, in dem die Beschwerdeführerin geltend gemacht hatte, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob die Voraussetzungen für die Entziehung der Zulassung gemäß § 95 Abs 6 SGB V bei solchen Ärzten strenger sein müßten, die wegen ihres Alters im Hinblick auf die Regelung des § 25 Satz 1 Ärzte-ZV grundsätzlich später nicht (erneut) zugelassen werden könnten. Daß eine solche Differenzierung nicht statthaft ist, liegt im Hinblick auf den Zweck der Zulassungsentziehung, nämlich der Sicherung einer ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Versorgung, auf der Hand. In diesem Zusammenhang hat der Senat dargelegt, daß in einem evtl Neuzulassungsverfahren eines Arztes, dem die Zulassung zuvor wegen gröblicher Pflichtverletzung entzogen worden ist, die Anwendung der Härteregelung nicht schlechthin unanwendbar sei. Dies kann indessen nicht dahin verstanden werden, daß generell die wirtschaftlichen Schwierigkeiten eines Arztes, die mit der Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung in aller Regel verbunden sein werden, zur erneuten Zulassung auf der Grundlage des § 25 Satz 2 Ärzte-ZV führen können. Dafür ist vielmehr allenfalls dann Raum, wenn ein Arzt nach der Zulassungsentziehung und nach Wiedergewinnung der erforderlichen Eignung (§§ 20, 21 Ärzte-ZV) in existentieller Weise auf die Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit angewiesen ist. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn er ohne die damit verbundenen Einnahmen auf Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) im Rahmen zur Hilfe zum Lebensunterhalt, auf Leistungen der Arbeitslosenhilfe oder auf die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegenüber den eigenen Kindern (§§ 1601, 1606 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) angewiesen wäre. Ob auch eine andernfalls bestehende Abhängigkeit von Unterhaltsleistungen des Ehepartners die Annahme einer existentiellen Angewiesenheit auf die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit rechtfertigen kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Die Ehefrau des Klägers ist im unterhaltsrechtlichen Sinne nicht leistungsfähig. Das ergibt sich bereits aus der Tatsache, daß sie Leistungen der Arbeitslosenhilfe bezieht, die ihrerseits Bedürftigkeit voraussetzen (vgl § 134 Abs 1 Nr 3, § 137 Arbeitsförderungsgesetz aF; § 190 Abs 1 Nr 5, § 193 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)). Jedenfalls dann, wenn die wirtschaftliche Situation des an einer erneuten Zulassung trotz Überschreitens der Altersgrenze interessierten Arztes in der Vergangenheit und auch zu Zeiten seiner vertragsärztlichen Tätigkeit nachhaltig durch das Einkommen seines Ehegatten geprägt worden ist, kann die Verweisung auf die Inanspruchnahme dieses Partners nach Überschreiten der Altersgrenze in Betracht kommen.

Die Annahme einer unbilligen Härte unter wirtschaftlichen Aspekten lediglich dann, wenn der betroffene Arzt ohne die Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit auf bedürftigkeitsabhängige Sozial- und Unterhaltsleistungen angewiesen wäre, trägt den hier zu berücksichtigenden widerstreitenden Gesichtspunkten und Interessen angemessen Rechnung. Auf der einen Seite ist ein Arzt, der wegen erheblicher Pflichtverletzungen die Zulassung verloren hat, für die damit verbundene Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz in erster Linie selbst verantwortlich. Es wäre insbesondere unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes aus Art 3 Abs 1 GG nicht zu rechtfertigen, die davon betroffene Gruppe von Ärzten gegenüber solchen Ärzten zu privilegieren, die freiwillig auf die Zulassung verzichtet haben, deren Erwartungen nach angemessenen Einnahmen aus anderen Tätigkeiten sich nach dem Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung aber nicht wie zuvor gewünscht entwickelt haben. Auf der anderen Seite ist es schwer zu rechtfertigen, daß ein Arzt seinen Lebensunterhalt aus den aus dem allgemeinen Steueraufkommen bereitgestellten Mitteln der Sozial- bzw Arbeitslosenhilfe bestreiten muß, obwohl er noch vertragsärztlich tätig sein könnte. Der in § 2 Abs 1 BSHG niedergelegte Grundsatz der Nachrangigkeit der Leistungen der Sozialhilfe wäre dann nicht angemessen gewahrt. Für die Inanspruchnahme der eigenen Kinder zur Bestreitung des notwendigen Lebensbedarfs gilt Entsprechendes.

Nach diesen Maßstäben stellt die Versagung der Zulassung für den Kläger keine unbillige Härte dar. In dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht (vgl dazu betreffend die vergleichbare Situation der Zulassungsentziehung BSGE 73, 234, 236 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 11 f) im Januar 1999 war er aus wirtschaftlichen Gründen nicht existentiell auf die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit angewiesen. Der Kläger hat nämlich - eine entsprechende Antragstellung vorausgesetzt - Anspruch auf vorgezogene Altersrente gegenüber der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe, dem Versorgungswerk der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Nach den Feststellungen des LSG sieht § 9 Abs 7 der Satzung der Ärzteversorgung die Möglichkeit des Bezuges einer vorgezogenen Altersrente ab dem 62. Lebensjahr vor. Dabei ist vom Rentenwert zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme ein Abschlag in Höhe von 20 vH hinzunehmen. Bei Rentenbeginn mit Vollendung des 63. Lebensjahres beträgt der Abschlag 14 vH. Zur Vermeidung einer Härte iS des § 25 Satz 2 Ärzte-ZV muß sich der Kläger darauf verweisen lassen, von dieser Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Die Höhe der ihm zustehenden Versorgung schließt die Annahme einer existentiellen wirtschaftlichen Angewiesenheit auf die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit aus.

Es bedarf keiner näheren Ausführungen, daß sich ein Arzt, der mit Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf eine Altersversorgung in angemessener Höhe hat, diesen Umstand zur Vermeidung einer Härte iS des § 25 Satz 2 Ärzte-ZV unabhängig davon zurechnen lassen muß, ob er die Leistung beantragt. Selbst wenn mit dem Eintritt der Regelaltersgrenze von 65 Jahren die Rentenzahlung nicht automatisch einsetzt, sondern einen ausdrücklich darauf gerichteten Antrag des Berechtigten voraussetzt, steht es dem Berechtigten nicht frei, auf die Antragstellung zu verzichten, um so unter Härtegesichtspunkten noch eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zu erhalten. Im Rahmen der Sozialversicherung kommt dieser selbstverständliche Rechtsgedanke (vgl etwa allgemein § 162 BGB) darin zum Ausdruck, daß mit Vollendung des 65. Lebensjahres und dem Beginn des Anspruchs auf Regelaltersrente (§ 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)) automatisch der Anspruch auf andere Sozialleistungen entfällt, und zwar unabhängig davon, ob der Versicherte durch einen Rentenantrag die Voraussetzungen für Rentenzahlungen (vgl § 99 Abs 1 SGB VI) geschaffen hat. Der Leistungswegfall mit Vollendung des 65. Lebensjahres ergibt sich für das Arbeitslosengeld und für die Arbeitslosenhilfe aus § 117 Abs 2 SGB III und aus § 190 Abs 2 SGB III. Insofern kann dem Vorbringen der Revision, im Rahmen der Prüfung eines Härtefalls nach § 25 Satz 2 Ärzte-ZV sei ausschließlich auf die tatsächliche wirtschaftliche Situation des betroffenen Arztes und unter keinen Umständen auf die Wahrnehmung selbst naheliegender Gestaltungsmöglichkeiten abzustellen, nicht gefolgt werden.

Zu den Gestaltungsmöglichkeiten, die ein Arzt, der seine Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzungen verloren hat, zur Vermeidung einer aus wirtschaftlichen Gründen bestehenden Härte iS des § 25 Satz 2 Ärzte-ZV ergreifen muß, zählt grundsätzlich die Inanspruchnahme vorgezogener Altersrente. Das gilt auch dann, wenn diese zu einer Reduzierung des Zahlbetrags gegenüber demjenigen Betrag führt, der dem Berechtigten zustünde, wenn Rentenbeginn erst die Vollendung des 65. Lebensjahres wäre, jedenfalls soweit durch die Inanspruchnahme vorgezogener Altersrente die Höhe der Altersversorgung nicht auf Dauer unzumutbar vermindert wird. Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Auch die geminderte Versorgungsrente ermöglicht dem Kläger, auf Dauer voraussichtlich ohne die Inanspruchnahme von bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistungen oder Unterhaltsleistungen seitens der eigenen Kinder leben zu können.

Der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente steht nicht entgegen, daß das gesamte Recht der Altersversorgung derzeit durch Regelungen geprägt ist, die darauf abzielen, die Inanspruchnahme von Renten- bzw Versorgungsbezügen vor Vollendung des 65. Lebensjahres zu erschweren und insbesondere durch Rentenverminderungen bzw Ruhegehaltskürzungen wirtschaftlich unattraktiv zu machen. Entsprechende Bestimmungen finden sich im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl § 41 SGB VI) sowie im Beamtenversorgungsrecht (vgl § 14 Abs 3 Beamtenversorgungsgesetz in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung). Durch derartige Vorschriften soll die Renten- bzw Versorgungslast gegenüber Personen vermindert werden, die voraussichtlich über einen längeren als den im Regelfall vorgesehenen Zeitraum Renten- bzw Pensionsleistungen beziehen. Zum anderen soll darauf hingewirkt werden, daß die Betreffenden von der Möglichkeit des vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand möglichst wenig Gebrauch machen, weil dies wirtschaftlich nicht mehr attraktiv ist.

Diese auch im Recht der berufsständischen Altersversorgung beachtlichen Zielsetzungen schließen indessen nicht aus, einen Arzt, der sich durch sein eigenes Verhalten in der Vergangenheit um die Möglichkeit gebracht hat, aus der vertragsärztlichen Tätigkeit ein angemessenes Einkommen und später eine auskömmliche Altersversorgung zu erzielen, jedenfalls zur Vermeidung einer unbilligen Härte iS des § 25 Satz 2 Ärzte-ZV auf die Inanspruchnahme vorgezogener Altersrente zu verweisen. In einem derartigen Ausnahmefall geht es nicht um die generelle sozialpolitische Unerwünschtheit von Frühverrentungen, sondern allein darum, wie die wirtschaftliche Lage eines Arztes beschaffen sein muß, daß sowohl ihm gegenüber als auch gegenüber den steuerzahlenden Bürgern der Ausschluß von einer erneuten Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit ohne Wertungswidersprüche gerechtfertigt werden kann. Die hier maßgebliche Opfergrenze ist erst überschritten, wenn der betroffene Arzt die Inanspruchnahme von bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistungen auf Dauer weder durch den Einsatz vorhandenen Vermögens noch durch die Erzielung von Einkünften, etwa aus privatärztlicher Tätigkeit, vermeiden kann. Der Verzicht auf einen höheren Rentenzahlbetrag bei späterem Rentenbeginn ist unter dem Gesichtspunkt der Opfergrenze dann zumutbar, wenn auch die verminderte Rente auf absehbare Zeit ein Leben ohne Leistungen etwa der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG ermöglicht. Das ist bei dem Kläger der Fall. Das LSG hat festgestellt, daß er ab April 1999 bei Inanspruchnahme vorgezogener Altersrente unter Inkaufnahme des 14 %igen Rentenabschlags eine Rente von monatlich ca. 2.500 DM erhalten könnte. Ab April 2001 stehen ihm zusätzlich ca 650 DM Altersrente aus der Rentenversicherung der Angestellten zu. Im Hinblick darauf sowie auf die - allerdings geringfügigen - Einnahmen, die der Kläger derzeit aus Vertreter- und Notdiensttätigkeiten erzielt, ist seine wirtschaftliche Existenz auf dem Niveau gesichert, das für ihn insbesondere im Hinblick auf die vorhandenen Zahlungsverpflichtungen derzeit erreichbar ist. Nach den eigenen Angaben des Klägers würden ihm auch aus einer vertragsärztlichen Tätigkeit im Hinblick auf die bestehenden Schulden sowie die Pfändungsfreigrenzen nur ca 2.000 DM monatlich verbleiben.

Soweit der Kläger für sich als Arzt im Hinblick auf eine tatsächlich oder vermeintlich herausgehobene Stellung seiner Berufsgruppe jeden Vergleich seines Einkommens aus beruflicher Tätigkeit bzw einer darauf aufbauenden Altersversorgung mit den Einkommen bzw Ruhestandseinkünften von Angestellten oder Beamten für unangemessen hält, kann das auf sich beruhen. Der Kläger hat die für das vertragsärztliche Honorierungssystem kennzeichnende beschränkte Nachprüfbarkeit der korrekten Leistungsabrechnung (vgl BSGE 73, 234, 237 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 12) von Beginn seiner kassenärztlichen Tätigkeit an mit erheblicher krimineller Energie zur persönlichen Bereicherung genutzt. Ihm ist deshalb sogar die Approbation als Arzt entzogen worden, was bei vertragsärztlichen Abrechnungsmanipulationen nur höchst selten erfolgt. Inwiefern der Kläger vor diesem Hintergrund für sich unter Verweis auf das hohe Maß an Verantwortung und persönlichem Risiko einer freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit berechtigterweise ein überdurchschnittliches Einkommen und eine an diesem Niveau orientierte Altersversorgung in Anspruch nehmen kann, ist nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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