B 6 KA 27/02 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 KA 54/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 195/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 27/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die bis Ende 1998 bemessene Frist für den Antrag eines Psychotherapeuten auf bedarfsunabhängige Zulassung ist keine Ausschlussfrist. Eine Wiedereinsetzung ist möglich
Die Revision der Beigeladenen zu 5. gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. März 2002 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten um die bedarfsunabhängige Zulassung des Klägers als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut.

Der 1953 geborene und in K. wohnhafte Kläger ist graduierter Sozialpädagoge. Von 1990 an führte er in seiner Praxis in K. im Rahmen des so genannten Delegationsverfahrens psychotherapeutische Behandlungen bei Kindern und Jugendlichen durch, die bei gesetzlichen Krankenkassen versichert waren.

Auf Grund seines Antrages vom 26. Dezember 1998 - abgesandt am 28. und eingegangen am 30. Dezember 1998 - erteilte ihm die zuständige Approbationsbehörde im Februar 1999 die Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut.

Sein ebenfalls am 28. Dezember 1998 abgesandter Antrag an den Zulassungsausschuss für Ärzte - Köln - auf bedarfsunabhängige Zulassung ging dort wegen eines Adressierungsfehlers bei der Postleitzahl nicht mehr bis zum 31. Dezember 1998, sondern erst am 6. Januar 1999 ein. Der Kläger war damals hochfiebrig erkrankt und hatte den Antrag deshalb einschließlich der zugehörigen Unterlagen unter Mithilfe von Frau B., die auch sonst Büroarbeiten für ihn erledigte, zusammengestellt. Frau B. hatte den Fehler bei der Postleitzahl (50866 Köln statt 50668 Köln) ebenfalls nicht bemerkt. Nach Rückerhalt des Einschreiben-Rückscheins am 21. Januar 1999, auf dem das Eingangsdatum des 6. Januar 1999 vermerkt war, beantragte er unter Hinweis auf seine hochfiebrige Erkrankung am 28. Januar 1999 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag des Klägers wegen der Versäumung der bis zum 31. Dezember 1998 laufenden Antragsfrist ab. Der beklagte Berufungsausschuss wies seinen Widerspruch zurück.

Der Kläger gab seine Praxis, die er bis dahin in angemieteten Räumen in der Stadt K. (K. Weg ) - einem Planungsbereich, in dem Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung bestehen - geführt hatte, Ende 1999 auf. Er wurde auf seinen Antrag hin Ende Januar 2000 in E. bedarfsabhängig zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen.

Das gegen die Ablehnung der bedarfsunabhängigen Zulassung durch den Beklagten angerufene Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die bis zum 31. Dezember 1998 eingeräumte Antragsfrist stelle eine Ausschlussfrist dar, die keinen Raum für eine Wiedereinsetzung lasse. Zudem habe er die Verspätung der Antragstellung verschuldet (Urteil vom 27. September 2000). Auf seine Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) unter Änderung des Urteils des SG und Aufhebung des ablehnenden Bescheids des Beklagten ihn als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten mit Praxissitz in K. , D. -Straße , zugelassen (Urteil vom 13. März 2002, hinsichtlich der Praxisanschrift durch Beschluss vom 12. Juni 2002 berichtigt). In dem Urteil ist ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf die bedarfsunabhängige Zulassung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut in K ... Die Versäumung der nach dem Gesetz bis zum 31. Dezember 1998 bemessenen Antragsfrist sei unschädlich. Die Wiedereinsetzung werde gewährt. Es handele sich nicht um eine strikte Ausschlussfrist. Die Fristversäumung sei entschuldigt. Der Kläger habe im Rahmen seiner krankheitsbedingten Möglichkeiten höchste Sorgfalt angewendet, indem er Frau B. die Sendungen hinsichtlich Vollständigkeit und Richtigkeit habe kontrollieren lassen und sie rechtzeitig - am 28. Dezember 1998 - zur Post gegeben habe. Inhaltlich erfülle er alle Voraussetzungen, die gemäß § 95 Abs 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) iVm der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) erforderlich seien. Die Approbationsurkunde liege vor. Er habe in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 ("Zeitfenster") Behandlungen von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in eigener Praxis in einem Umfang von deutlich mehr als wöchentlich 15 Behandlungsstunden durchgeführt. Unschädlich sei, dass er die im Zeitfenster betriebene Praxis (im K. Weg ) zu Beginn des Jahres 2000 aufgegeben habe und nunmehr seine erneute Zulassung für einen anderen Praxissitz in K. (in der D. -Straße ) begehre. Denn ein Zusammenhang sei gegeben. Der Einzugsbereich der Praxen und das "Netzwerk" aus Schulen, Ärzten und sozialen Einrichtungen, das er sich nach seinen Angaben als Basis seiner Praxistätigkeit aufgebaut habe, seien identisch. Die Praxen lägen nur unweit voneinander entfernt. Der Zulassung im Planungsbereich K. stehe auch seine derzeitige - von vornherein von ihm erkennbar nur ersatzweise gewählte - Tätigkeit in E. nicht entgegen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die zu 5. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) geltend, das Berufungsgericht habe § 95 Abs 10 SGB V nicht zutreffend angewendet. Bei dem Erfordernis der Antragstellung bis zum 31. Dezember 1998 handele es sich um eine Ausschlussfrist, die gemäß § 27 Abs 5 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) keiner Wiedereinsetzung zugänglich sei. Sie sei auf schnelle und abschließende Entscheidung der Übergangsfälle angelegt. Selbst wenn aber doch eine Wiedereinsetzung möglich wäre, so habe sie im Falle des Klägers nicht gewährt werden dürfen; denn ihn treffe das Verschulden an der Fristversäumung, sowohl in eigener Person als auch wegen des Übersehens des Schreibfehlers durch Frau B., deren Verhalten als Verschulden seiner Vertreterin ihm zuzurechnen sei. Ferner habe er die in § 27 Abs 2 SGB X normierte zweiwöchige Frist für den Wiedereinsetzungsantrag versäumt. Er sei mit Schreiben vom 7. Januar 1999 auf die Verspätung (mit Hinweis auf "Eingang ... am 7. Januar 1999") hingewiesen worden, habe die Wiedereinsetzung aber erst am 28. Januar 1999 beantragt. Auch inhaltlich könne seinem Zulassungsbegehren nicht entsprochen werden. Bestandsschutz, wie für eine bedarfsunabhängige Zulassung erforderlich, komme ihm nicht zu, weil der von ihm angestrebte Praxissitz nunmehr ein anderer sei als während des Zeitfensters. Der Ausnahmefall eines Zusammenhangs zwischen dem damaligen und dem angestrebten Praxissitz sei nicht gegeben, denn die Sitze lägen mehr als sieben Kilometer voneinander entfernt und nicht einmal in benachbarten Stadtteilen von K ... Das "Netzwerk", auf das sich der Kläger berufe, bestehe sowohl wegen der Entfernung als auch wegen des Zeitablaufs nicht.

Diesen Ausführungen schließen sich der Beklagte und der zu 3. beigeladene BKK-Landesverband an.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 3. und 5. beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. März 2002 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27. September 2000 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Berufungsurteil für zutreffend. Ein Ausschluss der Wiedereinsetzung bestehe nicht. Er habe mit der Absendung des Antragsschreibens am 28. Dezember 1998, nach Überprüfung durch Frau B., alles Erforderliche getan. Diese sei nicht Vertreterin, sondern lediglich Botin gewesen. Er habe die zweiwöchige Frist für den Wiedereinsetzungsantrag eingehalten. Vom Antragseingang am 6. Januar 1999 habe er erst am 21. Januar 1999 durch den Einschreiben-Rückschein erfahren. Das LSG habe zu Recht die Zulassung ausgesprochen. Lediglich auf Grund der rechtswidrigen Zulassungsablehnung könne er seine Praxistätigkeit jetzt nicht mehr am ursprünglichen Praxissitz ausüben; dies dürfe ihm nicht angelastet werden.

Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.

II

Die Revision der zu 5. beigeladenen KÄV hat keinen Erfolg. Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Zulassung in K. zu Recht bejaht.

Nach § 95 Abs 10 Satz 1 SGB V erfordert die bedarfsunabhängige Zulassung, dass der Psychotherapeut bis zum 31. Dezember 1998 die Voraussetzungen der Approbation nach § 12 des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) und des Fachkundenachweises nach § 95c Satz 2 Nr 3 SGB V erfüllt und den Antrag auf Erteilung der Zulassung gestellt hat, bis zum 31. März 1999 die Approbationsurkunde vorgelegt hat sowie in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 ("Zeitfenster") an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung teilgenommen hat.

Aus den Feststellungen und Ausführungen im Berufungsurteil ergibt sich, dass der Kläger die Voraussetzungen der Approbation nach § 12 PsychThG und des Fachkundenachweises nach § 95c Satz 2 Nr 3 SGB V bis zum 31. Dezember 1998 erfüllt und bis zum 31. März 1999 die Approbationsurkunde vorgelegt hat. Er hat gleichfalls in dem Zeitfenster entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (siehe grundlegend BSG, Urteile vom 8. November 2000, zB BSGE 87, 158 = SozR 3-2500 § 95 Nr 25; zuletzt BSG, Urteil vom 11. September 2002 - B 6 KA 41/01 R -, GesR 2003, 42) an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung "teilgenommen". Hiergegen werden von den Beteiligten keine Einwendungen erhoben, sodass sich insoweit weitere Ausführungen erübrigen.

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch entschieden, dass der bis zum 31. Dezember 1998 zu stellende Antrag des Klägers auf bedarfsunabhängige Zulassung, der bei dem Zulassungsausschuss erst nach diesem Zeitpunkt eingegangen ist, als bis zum 31. Dezember 1998 gestellt gilt, weil dem Kläger wegen der Versäumung der Antragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war.

Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB X ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wiedereinsetzung ist grundsätzlich auch bei Versäumung einer Frist des materiellen Sozialrechts zulässig. Eine Wiedereinsetzung ist jedoch gemäß § 27 Abs 5 SGB X unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Für eine in diesem Sinne absolut wirkende Ausschlussfrist (zu diesem Begriff siehe von Wulffen in von Wulffen (Hrsg), SGB X, 4. Aufl 2001, § 27 RdNr 4) muss entweder der Ausschluss ausdrücklich bestimmt sein oder die Auslegung der Bestimmung anhand ihres Sinnes und Zwecks muss klar ergeben, dass die Regelung "mit der Frist steht und fällt"; im Zweifel ist die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung zu bejahen (vgl grundlegend BSGE 64, 153, 156 f = SozR 1300 § 27 Nr 4 S 6 f; stRspr, siehe zB BSGE 72, 80, 82 f = SozR 3-1300 § 27 Nr 3 S 4 f; BSGE 85, 231, 239 = SozR 3-7833 § 6 Nr 20 S 126 f).

Um eine solche Regelung handelt es sich bei der Fristbestimmung des § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 1 SGB V nicht (ebenso SG Frankfurt SGb 2001, 246 (Leitsatz)). Zwar trifft es zu, dass mit der Frist für Anträge auf bedarfsunabhängige Zulassungen bis zum 31. Dezember 1998 das Ziel verfolgt wurde, diese Zulassungen zügig abzuwickeln, um die psychotherapeutische Versorgung auch in der Zeit nach dem 1. Januar 1999, dem Zeitpunkt des Auslaufens der Tätigkeiten im Delegations- und im Kostenerstattungsverfahren, kurzfristig sicherzustellen. Außerdem konnte so schneller der noch übrige Bedarf festgestellt und die Anzahl der bedarfsabhängig Zuzulassenden berechnet werden. Aus diesen Regelungszielen lässt sich aber nicht ableiten, dass das Zulassungssystem für die vertragspsychotherapeutische Versorgung mit der Einhaltung oder Nichteinhaltung der bis zum 31. Dezember 1998 bemessenen Antragsfrist "steht und fällt". Denn das Gesetz setzt bei den Bestimmungen über die Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung eine Reihe von Zeitpunkten nach dem 31. Dezember 1998 fest, sodass im Hinblick hierauf der Frist zur Stellung des Zulassungsantrages keine Ausschlusswirkung zukommt. So konnten Urkunden, die für die bedarfsunabhängige Zulassung einzureichen waren, noch bis zum 31. März 1999 vorgelegt werden, und die Frist für die Entscheidung über die Zulassung reichte bis zum 30. April 1999 (§ 95 Abs 10 Satz 1 Nr 2 und Satz 2 SGB V). Darüber hinaus war für die Berechnung der Verhältniszahlen für bedarfsunabhängige Zulassungen erst der 31. August 1999 maßgebend (Nr 8 Buchst c Abs 2 (heute Buchst d Abs 2) der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte idF vom 21. September 1999, BAnz Nr 202 vom 26. Oktober 1999, S 17999).

Die Beurteilung des LSG, der Kläger sei ohne Verschulden iS des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB X verhindert gewesen, die genannte Antragsfrist einzuhalten, lässt ebenfalls einen Verstoß gegen bundesrechtliche Maßstäbe nicht erkennen. Der Eingang seines Antragsschreibens bei dem Zulassungsausschuss nach dem 31. Dezember 1998, dem Ende der Antragsfrist gemäß § 95 Abs 10 Satz 1 Nr 1 SGB V, beruhte auf dem Zahlendreher des Klägers bei dem Schreiben der Postleitzahl. Zahlendreher bei Postleitzahlen werden bei der Prüfung der Wiedereinsetzungsvoraussetzungen auch sonst als entschuldbar angesehen (siehe zB BFHE 189, 573 = NJW 2000, 1520). Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des LSG, es sei Ausdruck besonderer Sorgfalt, dass der Kläger zur Kontrolle der Vollständigkeit und Richtigkeit der Unterlagen sowie für den Einwurf in den Postkasten Frau B. herangezogen habe, sowie die weitere Beurteilung, die Auswahl, Anleitung und Überwachung Frau B., die auch sonst Verwaltungs- und Büroarbeiten für den Kläger erledigt habe, habe keine Mängel ergeben (vgl zB Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz (SGG), 7. Aufl 2002, § 67 RdNr 8b). Bundesrechtliche Maßstäbe werden ferner nicht durch die Bewertung des LSG verletzt, das Versehen der Frau B., die bei der Überprüfung der Unterlagen den Fehler bei der Postleitzahl nicht bemerkte, sei ihm nicht als Verschulden eines Vertreters gemäß § 27 Abs 1 Satz 2 SGB X zuzurechnen. Das gilt - entgegen der Ansicht der Revisionsführerin - auch für die Auffassung des LSG, Frau B. habe nicht als seine Vertreterin gehandelt. Die Abgrenzung, ob eine Vertretung oder nur ein Botendienst oä vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl BGH NJW-RR 1993, 892, 893). Frau B. hatte nach den Feststellungen des LSG keine Befugnis zu rechtsgeschäftlichem Handeln und trat auch nicht nach außen in solcher Weise auf (vgl dazu Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Aufl 2003, Einf vor § 164 RdNr 1 und 11); der Kläger hatte ihr auch nicht innerhalb der ihr übertragenen Kontrolle auf Vollständigkeit und Richtigkeit einen Spielraum für eine eigene Gestaltung der von ihm abzugebenden Willenserklärung eingeräumt.

Ein Verschulden des Klägers iS des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB X liegt auch nicht in der Absendung des Zulassungsantrages erst am 28. Dezember 1998, denn der Teilnehmer im Rechtsverkehr darf sich auf die von der Deutschen Post bekannt gegebenen Postlaufzeiten verlassen (BVerfG, stRspr, vgl zB BVerfGE 53, 148, 151; 54, 80, 84; 62, 334, 336 f). Dies gilt auch in Stoßzeiten wie zB der Zeit um Weihnachten und zur Jahreswende (siehe zB BVerfGE 53, 25, 29; 54, 80, 84). Der Teilnehmer am Rechtsverkehr darf Fristen ausschöpfen, dh sie bis zu ihrem Ende ausnutzen (BVerfG, stRspr, vgl zB BVerfGE 69, 381, 385; 74, 220, 224).

Der Wiedereinsetzung steht schließlich nicht eine Versäumung der für Wiedereinsetzungsanträge vorgegebenen Zwei-Wochen-Frist des § 27 Abs 2 SGB X entgegen. Unbeschadet dessen, dass der Kläger erst am 21. Januar 1999 durch den Einschreiben-Rückschein das wahre Eingangsdatum seines Antrages, den 6. Januar 1999, erfuhr und er am 28. Januar 1999 - mithin binnen einer Woche -, also rechtzeitig, die Wiedereinsetzung beantragte, kann der Einwand der Revisionsführerin, er habe diese Frist nicht eingehalten, schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil dieser Tatsachenvortrag erstmals im Revisionsverfahren erfolgt ist, ohne dass zugleich die tatsächlichen Feststellungen des LSG entsprechend den Anforderungen des § 163 Halbsatz 2 SGG als lückenhaft gerügt worden wären.

Das Berufungsgericht hat den Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung zu Recht auch als begründet angesehen. Der Zulassungsanspruch des Klägers ist insbesondere nicht deshalb zu verneinen gewesen, weil er die bedarfsunabhängige Zulassung nunmehr für den Praxissitz in K. , D. -Straße , nicht mehr für seinen früheren Praxissitz in K. , K. Weg, erstrebt. Zwar kann der Zulassungsbewerber normalerweise die bedarfsunabhängige Zulassung nur für die Praxisanschrift und den Ort beanspruchen, unter der und an dem er während des Zeitfensters an der ambulanten Behandlung der Versicherten teilnahm (BSG, Urteil vom 8. November 2000, BSGE 87, 158, 171 = SozR 3-2500 § 95 Nr 25 S 118; ebenso Urteil vom selben Tag - B 6 KA 22/00 R -, insoweit in ArztR 2001, 329 nicht abgedruckt). Die Regelung des § 95 Abs 10 Satz 1 SGB V soll nämlich grundsätzlich den Bestand der vom Psychotherapeuten im Zeitfenster geführten Praxis und sein Vertrauen in die Möglichkeit, sie fortzuführen, schützen. Das BSG hat aber bereits für besonders gelagerte Situationen Ausnahmen als denkbar bezeichnet, so zB für den Fall des Wechsels der Praxisräume nach Juni 1997 infolge Kündigung des bisherigen Mietverhältnisses. In diesem Fall hat es lediglich eine grundsätzliche Beschränkung des Ortswechsels auf den selben Planungsbereich verlangt (BSG aaO).

Als unschädlich ist es ebenfalls anzusehen, wenn der Zulassungsbewerber - wie hier - die im Zeitfenster betriebene Praxis aufgegeben hat, weil ihm die bedarfsunabhängige Zulassung an dem Praxissitz rechtswidrig versagt worden ist. Es widerspräche rechtsstaatlichen Grundsätzen, ihm eine Praxisveränderung innerhalb des Planungsbereiches entgegenzuhalten, zu der er durch rechtswidriges Verhalten der Zulassungsgremien faktisch genötigt wurde. Der Betroffene hat in einem solchen Fall vielmehr entsprechend dem Rechtsgedanken der Folgenbeseitigung Anspruch darauf, so beurteilt zu werden, als ob es die rechtswidrige Handlung und die daraufhin erfolgte Praxisaufgabe nicht gegeben hätte. Deshalb kann dem Kläger zum einen nicht die Praxistätigkeit in E. entgegengehalten werden, zu der er sich nach den Feststellungen des LSG genötigt sah, um nach der Zulassungsablehnung und zusätzlich der Versagung einstweiliger weiterer Honorierung (siehe Art 10 PsychThGEG und BVerfG (Kammer), NZS 2000, 295 = MedR 2000, 192 zur Honorierungsverpflichtung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Zulassungsantrag) den Lebensunterhalt für sich und seine Familie bis zum Erhalt der Zulassung für den Planungsbereich der Stadt K. zu sichern. Zum anderen konnte nicht von ihm verlangt werden, bis zur Beendigung des Verfahrens über die bedarfsunabhängige Zulassung seinen früheren Praxissitz aufrecht zu erhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).
Rechtskraft
Aus
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