Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 KG 1/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Oktober 1998 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt die Gewährung von Kindergeld für Zeiträume bis Ende 1995. Zwischen den Beteiligten ist vor allem streitig, ob die Kindergeldberechtigung des Klägers durch Regelungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (Abk Jugoslawien SozSich) ausgeschlossen ist.
Der Kläger reiste im September 1992 mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern D und I in die Bundesrepublik Deutschland ein. Aufgrund einer Arbeitserlaubnis des Arbeitsamtes (ArbA) Frankfurt/Main nahm er eine Tätigkeit als Geschäftsführer der I Handels-GmbH auf. Dieses Unternehmen betreibt Import-, Export- und Transitgeschäfte mit Waren aller Art im Großhandel, Vertretungen und eine Reiseagentur. Nach eigenen Angaben handelt es sich um eine Tochtergesellschaft des früheren Staatsunternehmens I S , eines der führenden Handelsunternehmen der Republik Mazedonien, deren Interessen die I Handels-GmbH in Deutschland vertritt.
Für den Kläger liegt eine Bescheinigung über die Weitergeltung der jugoslawischen Rechtsvorschriften bei Entsendung eines Arbeitnehmers in die Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe des Abk Jugoslawien SozSich (Entsendebescheinigung) vor, die vom zuständigen Ministerium der Republik Mazedonien ausgestellt ist und eine Gültigkeitsdauer bis zum 31. Juli 1996 hat. Des weiteren liegen vom selben Ministerium Bescheinigungen über den Anspruch auf Sachleistungen gegenüber der zuständigen gesetzlichen Krankenkasse (KK) vor. Nach einer Mitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 2. September 1993 wurde zwischen den zuständigen Behörden des Abk Jugoslawien SozSich für die Dauer der Beschäftigung des Klägers bei der I Handels-GmbH vom 1. September 1992 bis zum 1. September 1996 die Befreiung des Klägers von den deutschen Rechtsvorschriften über Soziale Sicherheit vereinbart und die fortdauernde Unterstellung unter die mazedonischen Rechtsvorschriften festgestellt. Wegen der Beschäftigung bei der I Handels-GmbH wurden im streitbefangenen Zeitraum keine deutschen Sozialversicherungsbeiträge erhoben. Der Kläger unterliegt jedoch der unbeschränkten Einkommenssteuerpflicht nach den in der Bundesrepublik Deutschland maßgebenden Steuergesetzen.
Im März 1993 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Kindergeld. Die Beklagte lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 3. August 1993 unter Hinweis auf Art 6 Abk Jugoslawien SozSich ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28. September 1994). Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil des SG vom 29. August 1996). Die Berufung des Klägers blieb erfolglos (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 21. Oktober 1998). Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt: Zwar stehe nach § 1 Abs 1 Nr 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) in der bis zum 31. Dezember 1995 maßgeblichen Fassung grundsätzlich demjenigen ein Anspruch auf Kindergeld zu, der im Geltungsbereich des BKGG einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt habe. Der Kläger könne sich hierauf jedoch nicht berufen. Denn seinem Anspruch stünden zwischenstaatliche Kollisionsnormen entgegen. Das Abk Jugoslawien SozSich gelte auch im Verhältnis zur ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, deren Staatsangehöriger der Kläger sei, fort. Dieses Abkommen beziehe sich nach Art 2 Abs 1 Nr 1d ausdrücklich auch auf das Kindergeld für Arbeitnehmer. Beim Kläger liege eine Entsendung iS des Art 6 des Abkommens vor. Das Bundessozialgericht (BSG) habe im Urteil vom 30. Mai 1996 (10 RKg 20/94 = SozR 3-5870 § 1 Nr 9) entschieden, daß bei Fortbestehen eines Rumpfarbeitsverhältnisses zu einem inländischen Arbeitgeber mit Vereinbarung der Wiederbeschäftigung des Arbeitnehmers nach seiner Rückkehr aus dem Ausland auch während eines von vornherein zeitlich begrenzten Beschäftigungsverhältnisses bei einem ausländischen Arbeitgeber weiterhin Anspruch auf Kindergeld bestehe. Diese Grundsätze müßten auch auf die umgekehrte Fallgestaltung im Rahmen des hier maßgebenden Abkommensrechts Anwendung finden. Zwar sei der Kläger bei der rechtlich selbständigen I Handels-GmbH tätig; die Beziehungen zur mazedonischen Muttergesellschaft seien jedoch nicht in dem Umfang gelöst worden, wie dies nach der Rechtsprechung des BSG erforderlich gewesen wäre. Der Kläger habe bestätigt, daß er nach Ende seiner Beschäftigung in Frankfurt erneut bei der Muttergesellschaft in S hätte tätig werden können. Hieraus müsse das Vorliegen eines Rumpfarbeitsverhältnisses abgeleitet werden.
Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt der Kläger eine Verletzung der Art 2, 5, 6 und 8 des Abk Jugoslawien SozSich iVm den jeweiligen Zustimmungsgesetzen sowie § 1 BKGG. Das LSG habe zu Unrecht ein Beschäftigungsverhältnis zwischen der I Handels-GmbH und ihm in Deutschland verneint. Die Rechtsprechung des BSG zum Kindergeldrecht bei Fortbestehen eines Rumpfarbeitsverhältnisses könne nicht übertragen werden, weil Art 6 des Abk Jugoslawien SozSich dies nicht zulasse. Danach werde das Territorialitätsprinzip nur bei Fortbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses im anderen Vertragsstaat - hier Mazedonien - eingeschränkt. Von einer Entsendung iS des Art 6 des Abkommens könne nur dann ausgegangen werden, wenn ein Arbeitnehmer, der in einem Vertragsstaat von einem Unternehmen beschäftigt wird, von diesem Unternehmen in den anderen Vertragsstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für Rechnung dieses Unternehmens auszuführen. Der entsandte Arbeitnehmer müsse danach weiterhin in das entsendende Unternehmen eingegliedert sein. Außerdem müsse seine Tätigkeit für Rechnung des entsendenden Unternehmens erfolgen, dh das entsendende Unternehmen müsse die Kosten der Beschäftigung im anderen Vertragsstaat tragen. Hieran fehle es vorliegend. Er, der Kläger, sei seit seiner Übersiedlung nach Deutschland nicht mehr für die mazedonische Muttergesellschaft der I Handels-GmbH tätig gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Oktober 1998, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 29. August 1996 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. August 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 1994 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, ihm von Oktober 1992 bis Juli 1993 und von Januar 1994 bis Dezember 1995 für seine Kinder D und I Kindergeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Ihm stehen nach den zutreffenden Entscheidungen der Vorinstanzen Kindergeldleistungen nach deutschem Recht für seine beiden Kinder nicht zu.
Zwar erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG. Er lebte im streitigen Zeitraum mit seinen Kindern in der Bundesrepublik Deutschland und hatte hier auch seinen Wohnsitz. Die Bestimmungen des Abk Jugoslawien SozSich (vom 12. Oktober 1968 idF des Änderungsabkommens vom 30.9.1974, BGBl II 1975, S 390) haben auf die Begründung des Wohnsitzes keinen Einfluß (BSG SozR 6180 Artikel 13 Nr 5). Der Kläger war im streitigen Zeitraum zudem im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, so daß seinem Anspruch auf Kindergeld der bei Ausländern mögliche Ausschlußgrund nach § 1 Abs 3 Satz 1 BKGG (idF von Art 5 Nr 1 des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms - 1. SKWPG) nicht entgegensteht. Die Anwendung des § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG kommt jedoch wegen vorrangiger zwischenstaatlicher Kollisionsnormen, nämlich der Regelungen des Abk Jugoslawien SozSich, nicht in Betracht.
Der Kläger ist Angehöriger des Staates Mazedonien. Das Abk Jugoslawien SozSich idF des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (aaO) ist im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiter anzuwenden (vgl zur Fortgeltung in Bezug auf die Republik Bosnien-Herzegowina: BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 11; in Bezug auf die Republik Kroatien: BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 46). In der "Bekanntmachung über die Fortgeltung der deutsch-jugoslawischen Verträge im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien" (vom 26.1.1994, BGBl 1994 II, S 326) ist dies ausdrücklich klargestellt worden.
Die zweiseitigen Kollisionsnormen des deutsch-jugoslawischen Abkommens sind gegenüber den Vorschriften des BKGG vorrangig. Der Vorrang über- und zwischenstaatlichen Rechts vor inländischen Normen ist im BKGG, im Gegensatz zum Sozialversicherungsrecht (vgl § 6 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch - (SGB IV)), nicht ausdrücklich geregelt; er ist jedoch in § 30 Abs 2 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - (SGB I) positiv-rechtlich ausgesprochen (BSGE 52, 210, 213 = SozR 6180 Artikel 13 Nr 3; allgemein zum Vorrang zweiseitiger Kollisionsnormen: Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, 1994, RdNr 129; von Maydell, Internationales Sozialversicherungsrecht, Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bundessozialgerichts, 943, 961 f; Seewald, KassKomm § 6 SGB IV RdNr 1; zum Vorrang des Abkommensrechts vor dem deutschen internationalen Kg-Recht vgl Eichenhofer, aaO, RdNr 562; Schuler, Das internationale Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1988, S 820).
Das LSG hat zutreffend erkannt, daß sich das deutsch-jugoslawische Abkommen nach seinem Art 2 Abs 1 Nr 1d ausdrücklich auch auf das Kindergeld für Arbeitnehmer bezieht und nach Art 6 dieses Abkommens für einen Arbeitnehmer, der in einem Vertragsstaat von einem Unternehmen beschäftigt wird, dem er gewöhnlich angehört, und der von diesem Unternehmen in den anderen Vertragsstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für Rechnung dieses Unternehmens auszuführen, während der Beschäftigung im Gebiet des zweiten Vertragsstaates die Rechtsvorschriften des ersten Vertragsstaates so weiter gelten, als wäre er noch im Gebiet des ersten Vertragsstaates beschäftigt. Art 6 des Abkommens regelt den Entsendungstatbestand als Ausnahme vom Territorialitätsprinzip, der für den Anspruch auf Kindergeld sonst maßgebend ist (vgl Seewald/Felix, in Wickenhagen/Krebs, BKGG, Stand: Mai 1995, § 1 RdNr 8).
Beim Kläger liegt eine Entsendung iS des Art 6 des Abkommens vor. Hierfür kommt es allerdings, anders als das LSG es angenommen hat, nicht darauf an, ob die Voraussetzungen eines sog Rumpfarbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem entsendenden Unternehmen I S im Sinne der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30. Mai 1996, 10 RKg 20/94 = SozR 3-5870 § 1 Nr 9 sowie BSG SozR 7833 § 1 Nr 6) vorgelegen haben. Maßgebend ist vielmehr, daß der für die Prüfung der Entsendungsvoraussetzungen zuständige Träger im Entsendestaat (Verbindungsstelle) auf dem hierfür vorgesehenen Vordruck JU-1 (vgl Rdschr 56/1975 der deutschen Verbindungsstelle - KV - vom 16.7.1975) bescheinigt hat, der Kläger werde von dem Unternehmen I S zu einer Arbeit in die Bundesrepublik Deutschland entsandt und unterliege für die Dauer dieser Arbeit, die für Rechnung des jugoslawischen Unternehmens erfolge, weiter den jugoslawischen Vorschriften über Soziale Sicherheit.
Der deutsche Sozialleistungsträger und die deutschen Sozialgerichte sind grundsätzlich nicht berechtigt, Entscheidungen des ausländischen Trägers über die nach dessen Recht - dh den in Art 2 Abs 1 Nr 2 des deutsch-jugoslawischen Abkommens genannten Rechtsvorschriften - maßgebenden Voraussetzungen für die Entsendung von Arbeitnehmern zu überprüfen. Der deutsche Sozialleistungsträger und die deutschen Sozialgerichte sind allerdings berechtigt zu überprüfen, ob die im anderen Vertragsstaat zuständige Stelle die Vorschriften des Abkommens richtig angewandt hat. Nur insoweit besteht keine Bindung an die Auslegung oder Anwendung des Abkommens durch den im anderen Vertragsstaat zuständigen Träger (vgl für das EG-Recht insoweit BSG SozR 3-6050 Art 45 Nr 2 und EuGH in SozR 6047 Art 16 Nr 1). Wenn die mazedonische Verbindungsstelle die nach deutschem Recht maßgebenden Grundsätze über die Entsendung von Arbeitnehmern nicht beachtet haben sollte, ist dies noch keine unrichtige Vertragsanwendung; dies gilt insbesondere für den vom Kläger vorgebrachten Einwand, eine Entsendung auf Rechnung des entsendenden Unternehmens setze voraus, daß dieses weiterhin die Lohnkosten trage, was bei ihm, dem Kläger, nicht der Fall gewesen sei.
Die Transformation zwischenstaatlicher Abkommen durch nationale Zustimmungsgesetze (Art 59 Abs 2 Grundgesetz (GG)) hat zwar zur Folge, daß die transformierten Vorschriften ausschließlich und getrennt den jeweiligen nationalen Gerichtsbarkeiten unterliegen. Das bedeutet aber nicht, daß für die Anwendung und Auslegung einzelner Vereinbarungen in einem Abkommen das jeweilige innerstaatliche Recht allein maßgebend ist. Das Völkervertragsrecht geht vielmehr vom Gebot der Rücksichtnahme auf möglicherweise unterschiedliche Interessenlagen und divergierende Rechtsauffassungen der jeweils an einem Abkommen beteiligten Staaten aus. Maßgebend ist in erster Linie der zum Ausdruck gekommene subjektive Parteiwillen der beteiligten Staaten (vgl Strupp-Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, 1962, S 547; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre 1995, S 474 f; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 9. Aufl, RdNr 332 ff). Dies schließt eine Übertragung der Rechtsgrundsätze eines Vertragspartners auf die Auslegung der Rechtsvorschriften des anderen Vertragspartners grundsätzlich ebenso aus wie Rückgriffe auf andere Abkommen zum Zwecke der Vertragsauslegung (vgl BSG SozR 2200 § 1303 Nr 3). Um einer unterschiedlichen Auslegung vorzubeugen, geben die Abkommen in der Regel am Anfang eingehende Definitionen der wichtigsten Begriffe, so auch Art 1 des Abk Jugoslawien SozSich. Damit lassen sich Auslegungsschwierigkeiten aber nur zum Teil beheben. Um bei unterschiedlichen Rechtsordnungen, in denen das jeweilige nationale Recht des einen Vertragspartners dem anderen Vertragspartner und seinen durchführenden Behörden weitgehend unbekannt ist, eine praktische Durchführung überhaupt zu ermöglichen ist, bedarf es einer Verfahrensweise, die die Behörden von aufwendigen Ermittlungen über die jeweilige Rechtslage im anderen Vertragsstaat entlastet und ihnen eine sichere Grundlage für die nach ihrer Zuständigkeit zu treffenden Entscheidungen bietet. Deshalb sieht Art 34 vor, daß jeder Vertragsstaat zur Durchführung des Abkommens Verbindungsstellen einrichtet, die die notwendigen Verwaltungsmaßnahmen veranlassen. Nach Art 38 Abs 1 des Abk Jugoslawien SozSich sollen Streitigkeiten zwischen den beiden Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung des Abkommens soweit möglich durch die zuständigen Behörden im Einvernehmen beigelegt werden. Auf dieser Ermächtigungsgrundlage haben die Verbindungsstellen vereinbart, daß die Prüfung, ob die Voraussetzungen des Art 6 des Abkommens erfüllt sind, in erster Linie dem Träger des Entsendestaates obliegt (Nr 6 des Rdschr Nr 56/1975 der deutschen Verbindungsstelle - KV - vom 16.7.1975).
Im Hinblick auf die hier streitigen Voraussetzungen einer Entsendung bedeutet dies, daß die Frage, ob der Kläger im Sinne des Abk Jugoslawien SozSich als entsandt anzusehen war, nicht vorrangig nach den Rechtsgrundsätzen des deutschen Sozialrechts zu beurteilen ist. Vielmehr ist hier in erster Linie die von der zuständigen mazedonischen Verbindungsstelle ausgestellte Entsendebescheinigung zu Grunde zu legen. Mit der Ausstellung des Vordrucks JU-1 hat die Verbindungsstelle in Mazedonien zum Ausdruck gebracht, daß der Kläger nach mazedonischem Rechtsverständnis zur Ausübung einer Beschäftigung beim deutschen Tochterunternehmen des früheren mazedonischen Staatsunternehmens I S entsandt werde. Für die Beklagte als deutsche Verbindungsstelle für das Kindergeldrecht bestand keine Veranlassung, diese Erklärung - weil plausibel - in Zweifel zu ziehen. Nur wenn diese Bescheinigung auch auf der Grundlage des mazedonischen Rechtsverständnisses offensichtlich nicht richtig sein konnte, könnte von einer unrichtigen Anwendung des Abkommens durch die mazedonische Verbindungsstelle und damit von einer fehlenden Verbindlichkeit der Bescheinigung ausgegangen werden. Hierfür besteht vorliegend jedoch kein Anhalt. Der Kläger hat selbst vorgebracht, daß Staaten mit einem sozialistischen Wirtschaftssystem und Arbeitsmarkt, wie es bei Mazedonien zur Zeit der Entsendung des Klägers der Fall war, die Frage, auf wessen Rechnung eine Beschäftigung erfolgt, anders beurteilen als Staaten, deren Rechtssystem auf einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung beruht. Bei weitem Verständnis kann das Betriebsergebnis auch eines selbständigen Tochterunternehmens der Muttergesellschaft zugerechnet werden, zu deren Lasten es letztlich geht. Hieraus folgt, daß der Kläger als entsandter Beschäftigter zu behandeln und Art 6 des deutsch-jugoslawischen Abkommens auf ihn anzuwenden war. Dies schloß eine Anwendung der vom Abkommen erfaßten deutschen Bestimmungen über die soziale Sicherheit einschließlich des Kindergelds für Arbeitnehmer aus.
Ob die nach der Erklärung des BMA vom 2. September 1993 mit den zuständigen Behörden des deutsch-jugoslawischen Abkommens vereinbarte Befreiung des Klägers von den deutschen Rechtsvorschriften über Soziale Sicherheit und die fortdauernde Unterstellung unter die mazedonischen Rechtsvorschriften für die Dauer der Beschäftigung des Klägers bei der I Handels-GmbH vom 1. September 1992 bis zum 1. September 1996, wie der Kläger annimmt, nur Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung erfaßt, konnte offenbleiben, denn diese "Befreiung" hatte keine konstitutive Bedeutung. Sie ging angesichts der Rechtswirkungen der Bescheinigung der mazedonischen Verbindungsstelle über die Entsendung des Klägers, durch die der kollisionsrechtliche Status des Klägers bereits festgelegt war, ins Leere. Der zusätzliche Ausspruch einer Befreiung nach Art 10 des Abkommens läßt sich damit erklären, daß die beteiligten, nach dem Abkommen für eine Befreiung zuständigen Stellen im Hinblick auf die ursprünglich im Abkommen enthaltene Befristung von Entsendebescheinigungen auf 24 Monate (Art 6 Abs 1 des Abkommens idF vom 12.10.1968, BGBl II 1969, S 1438) eine Regelung für die Zeit nach dem vermeintlichen Ablauf der Geltung der Entsendebescheinigung treffen wollten. Die 24-Monats-Frist ist jedoch im Änderungsabkommen vom 30. September 1974 (aaO) bereits mit Wirkung vom 1. Januar 1975 aufgehoben worden (vgl Sozialversicherung-International, AOK - Verlag, Abkommen über Soziale Sicherheit - Jugoslawien, S 23). Mit der Aufhebung der Befristung der Entsendung auf 24 Kalendermonate sind Verlängerungsentscheidungen nach Art 10 des Abkommens, für die die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat - hier Deutschland - zuständig war, entbehrlich geworden (vgl Baumeister, Gesamtkommentar SGB/Sozialversicherung, Band 10 Deutsch-Jugoslawisches Abkommen, S 37).
Der Ausschluß des Klägers von der Anwendung der Vorschriften des BKGG verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (ebenso zum Bundeserziehungsgeldgesetz -BErzGG- BSG SozR 6180 Art 13 Nr 5). Der in Art 3 Abs 1 GG enthaltene Gleichbehandlungsgrundsatz wäre verletzt, wenn der Kläger im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt würde und die ungleiche Behandlung nicht durch gewichtige sachliche Gründe zu rechtfertigen wäre (BVerfGE 55, 72, 88 und stRspr). Das ist aber nicht der Fall. Der Kläger wird nicht als mazedonischer Staatsbürger aus diesem Grunde gegenüber einem Deutschen benachteiligt, sondern Deutschen in vergleichbarer Lage gleichgestellt. Nach dem Willen und der Konzeption der Vertragsparteien des deutsch-jugoslawischen Abkommens unterliegen die Angehörigen der beiden Vertragsstaaten bei einer Entsendung der sozialen Sicherheit und Fürsorge des Entsendestaates. Sie teilen grundsätzlich im Bereich der sozialen Sicherheit das rechtliche Schicksal der Mitbürger ihres Entsendestaates. Die Anknüpfung der sozialen Sicherung an das Beschäftigungsverhältnis, auch in seinen unterschiedlichen Ausstrahlungen, entspricht der internationalen Praxis von Sozialversicherungsabkommen und stellt einen sachgerechten Differenzierungsgrund dar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt die Gewährung von Kindergeld für Zeiträume bis Ende 1995. Zwischen den Beteiligten ist vor allem streitig, ob die Kindergeldberechtigung des Klägers durch Regelungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (Abk Jugoslawien SozSich) ausgeschlossen ist.
Der Kläger reiste im September 1992 mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern D und I in die Bundesrepublik Deutschland ein. Aufgrund einer Arbeitserlaubnis des Arbeitsamtes (ArbA) Frankfurt/Main nahm er eine Tätigkeit als Geschäftsführer der I Handels-GmbH auf. Dieses Unternehmen betreibt Import-, Export- und Transitgeschäfte mit Waren aller Art im Großhandel, Vertretungen und eine Reiseagentur. Nach eigenen Angaben handelt es sich um eine Tochtergesellschaft des früheren Staatsunternehmens I S , eines der führenden Handelsunternehmen der Republik Mazedonien, deren Interessen die I Handels-GmbH in Deutschland vertritt.
Für den Kläger liegt eine Bescheinigung über die Weitergeltung der jugoslawischen Rechtsvorschriften bei Entsendung eines Arbeitnehmers in die Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe des Abk Jugoslawien SozSich (Entsendebescheinigung) vor, die vom zuständigen Ministerium der Republik Mazedonien ausgestellt ist und eine Gültigkeitsdauer bis zum 31. Juli 1996 hat. Des weiteren liegen vom selben Ministerium Bescheinigungen über den Anspruch auf Sachleistungen gegenüber der zuständigen gesetzlichen Krankenkasse (KK) vor. Nach einer Mitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 2. September 1993 wurde zwischen den zuständigen Behörden des Abk Jugoslawien SozSich für die Dauer der Beschäftigung des Klägers bei der I Handels-GmbH vom 1. September 1992 bis zum 1. September 1996 die Befreiung des Klägers von den deutschen Rechtsvorschriften über Soziale Sicherheit vereinbart und die fortdauernde Unterstellung unter die mazedonischen Rechtsvorschriften festgestellt. Wegen der Beschäftigung bei der I Handels-GmbH wurden im streitbefangenen Zeitraum keine deutschen Sozialversicherungsbeiträge erhoben. Der Kläger unterliegt jedoch der unbeschränkten Einkommenssteuerpflicht nach den in der Bundesrepublik Deutschland maßgebenden Steuergesetzen.
Im März 1993 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Kindergeld. Die Beklagte lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 3. August 1993 unter Hinweis auf Art 6 Abk Jugoslawien SozSich ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28. September 1994). Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil des SG vom 29. August 1996). Die Berufung des Klägers blieb erfolglos (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 21. Oktober 1998). Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt: Zwar stehe nach § 1 Abs 1 Nr 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) in der bis zum 31. Dezember 1995 maßgeblichen Fassung grundsätzlich demjenigen ein Anspruch auf Kindergeld zu, der im Geltungsbereich des BKGG einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt habe. Der Kläger könne sich hierauf jedoch nicht berufen. Denn seinem Anspruch stünden zwischenstaatliche Kollisionsnormen entgegen. Das Abk Jugoslawien SozSich gelte auch im Verhältnis zur ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, deren Staatsangehöriger der Kläger sei, fort. Dieses Abkommen beziehe sich nach Art 2 Abs 1 Nr 1d ausdrücklich auch auf das Kindergeld für Arbeitnehmer. Beim Kläger liege eine Entsendung iS des Art 6 des Abkommens vor. Das Bundessozialgericht (BSG) habe im Urteil vom 30. Mai 1996 (10 RKg 20/94 = SozR 3-5870 § 1 Nr 9) entschieden, daß bei Fortbestehen eines Rumpfarbeitsverhältnisses zu einem inländischen Arbeitgeber mit Vereinbarung der Wiederbeschäftigung des Arbeitnehmers nach seiner Rückkehr aus dem Ausland auch während eines von vornherein zeitlich begrenzten Beschäftigungsverhältnisses bei einem ausländischen Arbeitgeber weiterhin Anspruch auf Kindergeld bestehe. Diese Grundsätze müßten auch auf die umgekehrte Fallgestaltung im Rahmen des hier maßgebenden Abkommensrechts Anwendung finden. Zwar sei der Kläger bei der rechtlich selbständigen I Handels-GmbH tätig; die Beziehungen zur mazedonischen Muttergesellschaft seien jedoch nicht in dem Umfang gelöst worden, wie dies nach der Rechtsprechung des BSG erforderlich gewesen wäre. Der Kläger habe bestätigt, daß er nach Ende seiner Beschäftigung in Frankfurt erneut bei der Muttergesellschaft in S hätte tätig werden können. Hieraus müsse das Vorliegen eines Rumpfarbeitsverhältnisses abgeleitet werden.
Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt der Kläger eine Verletzung der Art 2, 5, 6 und 8 des Abk Jugoslawien SozSich iVm den jeweiligen Zustimmungsgesetzen sowie § 1 BKGG. Das LSG habe zu Unrecht ein Beschäftigungsverhältnis zwischen der I Handels-GmbH und ihm in Deutschland verneint. Die Rechtsprechung des BSG zum Kindergeldrecht bei Fortbestehen eines Rumpfarbeitsverhältnisses könne nicht übertragen werden, weil Art 6 des Abk Jugoslawien SozSich dies nicht zulasse. Danach werde das Territorialitätsprinzip nur bei Fortbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses im anderen Vertragsstaat - hier Mazedonien - eingeschränkt. Von einer Entsendung iS des Art 6 des Abkommens könne nur dann ausgegangen werden, wenn ein Arbeitnehmer, der in einem Vertragsstaat von einem Unternehmen beschäftigt wird, von diesem Unternehmen in den anderen Vertragsstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für Rechnung dieses Unternehmens auszuführen. Der entsandte Arbeitnehmer müsse danach weiterhin in das entsendende Unternehmen eingegliedert sein. Außerdem müsse seine Tätigkeit für Rechnung des entsendenden Unternehmens erfolgen, dh das entsendende Unternehmen müsse die Kosten der Beschäftigung im anderen Vertragsstaat tragen. Hieran fehle es vorliegend. Er, der Kläger, sei seit seiner Übersiedlung nach Deutschland nicht mehr für die mazedonische Muttergesellschaft der I Handels-GmbH tätig gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Oktober 1998, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 29. August 1996 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. August 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 1994 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, ihm von Oktober 1992 bis Juli 1993 und von Januar 1994 bis Dezember 1995 für seine Kinder D und I Kindergeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Ihm stehen nach den zutreffenden Entscheidungen der Vorinstanzen Kindergeldleistungen nach deutschem Recht für seine beiden Kinder nicht zu.
Zwar erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG. Er lebte im streitigen Zeitraum mit seinen Kindern in der Bundesrepublik Deutschland und hatte hier auch seinen Wohnsitz. Die Bestimmungen des Abk Jugoslawien SozSich (vom 12. Oktober 1968 idF des Änderungsabkommens vom 30.9.1974, BGBl II 1975, S 390) haben auf die Begründung des Wohnsitzes keinen Einfluß (BSG SozR 6180 Artikel 13 Nr 5). Der Kläger war im streitigen Zeitraum zudem im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, so daß seinem Anspruch auf Kindergeld der bei Ausländern mögliche Ausschlußgrund nach § 1 Abs 3 Satz 1 BKGG (idF von Art 5 Nr 1 des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms - 1. SKWPG) nicht entgegensteht. Die Anwendung des § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG kommt jedoch wegen vorrangiger zwischenstaatlicher Kollisionsnormen, nämlich der Regelungen des Abk Jugoslawien SozSich, nicht in Betracht.
Der Kläger ist Angehöriger des Staates Mazedonien. Das Abk Jugoslawien SozSich idF des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (aaO) ist im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien weiter anzuwenden (vgl zur Fortgeltung in Bezug auf die Republik Bosnien-Herzegowina: BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 11; in Bezug auf die Republik Kroatien: BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 46). In der "Bekanntmachung über die Fortgeltung der deutsch-jugoslawischen Verträge im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien" (vom 26.1.1994, BGBl 1994 II, S 326) ist dies ausdrücklich klargestellt worden.
Die zweiseitigen Kollisionsnormen des deutsch-jugoslawischen Abkommens sind gegenüber den Vorschriften des BKGG vorrangig. Der Vorrang über- und zwischenstaatlichen Rechts vor inländischen Normen ist im BKGG, im Gegensatz zum Sozialversicherungsrecht (vgl § 6 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch - (SGB IV)), nicht ausdrücklich geregelt; er ist jedoch in § 30 Abs 2 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - (SGB I) positiv-rechtlich ausgesprochen (BSGE 52, 210, 213 = SozR 6180 Artikel 13 Nr 3; allgemein zum Vorrang zweiseitiger Kollisionsnormen: Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, 1994, RdNr 129; von Maydell, Internationales Sozialversicherungsrecht, Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bundessozialgerichts, 943, 961 f; Seewald, KassKomm § 6 SGB IV RdNr 1; zum Vorrang des Abkommensrechts vor dem deutschen internationalen Kg-Recht vgl Eichenhofer, aaO, RdNr 562; Schuler, Das internationale Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1988, S 820).
Das LSG hat zutreffend erkannt, daß sich das deutsch-jugoslawische Abkommen nach seinem Art 2 Abs 1 Nr 1d ausdrücklich auch auf das Kindergeld für Arbeitnehmer bezieht und nach Art 6 dieses Abkommens für einen Arbeitnehmer, der in einem Vertragsstaat von einem Unternehmen beschäftigt wird, dem er gewöhnlich angehört, und der von diesem Unternehmen in den anderen Vertragsstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für Rechnung dieses Unternehmens auszuführen, während der Beschäftigung im Gebiet des zweiten Vertragsstaates die Rechtsvorschriften des ersten Vertragsstaates so weiter gelten, als wäre er noch im Gebiet des ersten Vertragsstaates beschäftigt. Art 6 des Abkommens regelt den Entsendungstatbestand als Ausnahme vom Territorialitätsprinzip, der für den Anspruch auf Kindergeld sonst maßgebend ist (vgl Seewald/Felix, in Wickenhagen/Krebs, BKGG, Stand: Mai 1995, § 1 RdNr 8).
Beim Kläger liegt eine Entsendung iS des Art 6 des Abkommens vor. Hierfür kommt es allerdings, anders als das LSG es angenommen hat, nicht darauf an, ob die Voraussetzungen eines sog Rumpfarbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem entsendenden Unternehmen I S im Sinne der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30. Mai 1996, 10 RKg 20/94 = SozR 3-5870 § 1 Nr 9 sowie BSG SozR 7833 § 1 Nr 6) vorgelegen haben. Maßgebend ist vielmehr, daß der für die Prüfung der Entsendungsvoraussetzungen zuständige Träger im Entsendestaat (Verbindungsstelle) auf dem hierfür vorgesehenen Vordruck JU-1 (vgl Rdschr 56/1975 der deutschen Verbindungsstelle - KV - vom 16.7.1975) bescheinigt hat, der Kläger werde von dem Unternehmen I S zu einer Arbeit in die Bundesrepublik Deutschland entsandt und unterliege für die Dauer dieser Arbeit, die für Rechnung des jugoslawischen Unternehmens erfolge, weiter den jugoslawischen Vorschriften über Soziale Sicherheit.
Der deutsche Sozialleistungsträger und die deutschen Sozialgerichte sind grundsätzlich nicht berechtigt, Entscheidungen des ausländischen Trägers über die nach dessen Recht - dh den in Art 2 Abs 1 Nr 2 des deutsch-jugoslawischen Abkommens genannten Rechtsvorschriften - maßgebenden Voraussetzungen für die Entsendung von Arbeitnehmern zu überprüfen. Der deutsche Sozialleistungsträger und die deutschen Sozialgerichte sind allerdings berechtigt zu überprüfen, ob die im anderen Vertragsstaat zuständige Stelle die Vorschriften des Abkommens richtig angewandt hat. Nur insoweit besteht keine Bindung an die Auslegung oder Anwendung des Abkommens durch den im anderen Vertragsstaat zuständigen Träger (vgl für das EG-Recht insoweit BSG SozR 3-6050 Art 45 Nr 2 und EuGH in SozR 6047 Art 16 Nr 1). Wenn die mazedonische Verbindungsstelle die nach deutschem Recht maßgebenden Grundsätze über die Entsendung von Arbeitnehmern nicht beachtet haben sollte, ist dies noch keine unrichtige Vertragsanwendung; dies gilt insbesondere für den vom Kläger vorgebrachten Einwand, eine Entsendung auf Rechnung des entsendenden Unternehmens setze voraus, daß dieses weiterhin die Lohnkosten trage, was bei ihm, dem Kläger, nicht der Fall gewesen sei.
Die Transformation zwischenstaatlicher Abkommen durch nationale Zustimmungsgesetze (Art 59 Abs 2 Grundgesetz (GG)) hat zwar zur Folge, daß die transformierten Vorschriften ausschließlich und getrennt den jeweiligen nationalen Gerichtsbarkeiten unterliegen. Das bedeutet aber nicht, daß für die Anwendung und Auslegung einzelner Vereinbarungen in einem Abkommen das jeweilige innerstaatliche Recht allein maßgebend ist. Das Völkervertragsrecht geht vielmehr vom Gebot der Rücksichtnahme auf möglicherweise unterschiedliche Interessenlagen und divergierende Rechtsauffassungen der jeweils an einem Abkommen beteiligten Staaten aus. Maßgebend ist in erster Linie der zum Ausdruck gekommene subjektive Parteiwillen der beteiligten Staaten (vgl Strupp-Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, 1962, S 547; Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre 1995, S 474 f; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 9. Aufl, RdNr 332 ff). Dies schließt eine Übertragung der Rechtsgrundsätze eines Vertragspartners auf die Auslegung der Rechtsvorschriften des anderen Vertragspartners grundsätzlich ebenso aus wie Rückgriffe auf andere Abkommen zum Zwecke der Vertragsauslegung (vgl BSG SozR 2200 § 1303 Nr 3). Um einer unterschiedlichen Auslegung vorzubeugen, geben die Abkommen in der Regel am Anfang eingehende Definitionen der wichtigsten Begriffe, so auch Art 1 des Abk Jugoslawien SozSich. Damit lassen sich Auslegungsschwierigkeiten aber nur zum Teil beheben. Um bei unterschiedlichen Rechtsordnungen, in denen das jeweilige nationale Recht des einen Vertragspartners dem anderen Vertragspartner und seinen durchführenden Behörden weitgehend unbekannt ist, eine praktische Durchführung überhaupt zu ermöglichen ist, bedarf es einer Verfahrensweise, die die Behörden von aufwendigen Ermittlungen über die jeweilige Rechtslage im anderen Vertragsstaat entlastet und ihnen eine sichere Grundlage für die nach ihrer Zuständigkeit zu treffenden Entscheidungen bietet. Deshalb sieht Art 34 vor, daß jeder Vertragsstaat zur Durchführung des Abkommens Verbindungsstellen einrichtet, die die notwendigen Verwaltungsmaßnahmen veranlassen. Nach Art 38 Abs 1 des Abk Jugoslawien SozSich sollen Streitigkeiten zwischen den beiden Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung des Abkommens soweit möglich durch die zuständigen Behörden im Einvernehmen beigelegt werden. Auf dieser Ermächtigungsgrundlage haben die Verbindungsstellen vereinbart, daß die Prüfung, ob die Voraussetzungen des Art 6 des Abkommens erfüllt sind, in erster Linie dem Träger des Entsendestaates obliegt (Nr 6 des Rdschr Nr 56/1975 der deutschen Verbindungsstelle - KV - vom 16.7.1975).
Im Hinblick auf die hier streitigen Voraussetzungen einer Entsendung bedeutet dies, daß die Frage, ob der Kläger im Sinne des Abk Jugoslawien SozSich als entsandt anzusehen war, nicht vorrangig nach den Rechtsgrundsätzen des deutschen Sozialrechts zu beurteilen ist. Vielmehr ist hier in erster Linie die von der zuständigen mazedonischen Verbindungsstelle ausgestellte Entsendebescheinigung zu Grunde zu legen. Mit der Ausstellung des Vordrucks JU-1 hat die Verbindungsstelle in Mazedonien zum Ausdruck gebracht, daß der Kläger nach mazedonischem Rechtsverständnis zur Ausübung einer Beschäftigung beim deutschen Tochterunternehmen des früheren mazedonischen Staatsunternehmens I S entsandt werde. Für die Beklagte als deutsche Verbindungsstelle für das Kindergeldrecht bestand keine Veranlassung, diese Erklärung - weil plausibel - in Zweifel zu ziehen. Nur wenn diese Bescheinigung auch auf der Grundlage des mazedonischen Rechtsverständnisses offensichtlich nicht richtig sein konnte, könnte von einer unrichtigen Anwendung des Abkommens durch die mazedonische Verbindungsstelle und damit von einer fehlenden Verbindlichkeit der Bescheinigung ausgegangen werden. Hierfür besteht vorliegend jedoch kein Anhalt. Der Kläger hat selbst vorgebracht, daß Staaten mit einem sozialistischen Wirtschaftssystem und Arbeitsmarkt, wie es bei Mazedonien zur Zeit der Entsendung des Klägers der Fall war, die Frage, auf wessen Rechnung eine Beschäftigung erfolgt, anders beurteilen als Staaten, deren Rechtssystem auf einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung beruht. Bei weitem Verständnis kann das Betriebsergebnis auch eines selbständigen Tochterunternehmens der Muttergesellschaft zugerechnet werden, zu deren Lasten es letztlich geht. Hieraus folgt, daß der Kläger als entsandter Beschäftigter zu behandeln und Art 6 des deutsch-jugoslawischen Abkommens auf ihn anzuwenden war. Dies schloß eine Anwendung der vom Abkommen erfaßten deutschen Bestimmungen über die soziale Sicherheit einschließlich des Kindergelds für Arbeitnehmer aus.
Ob die nach der Erklärung des BMA vom 2. September 1993 mit den zuständigen Behörden des deutsch-jugoslawischen Abkommens vereinbarte Befreiung des Klägers von den deutschen Rechtsvorschriften über Soziale Sicherheit und die fortdauernde Unterstellung unter die mazedonischen Rechtsvorschriften für die Dauer der Beschäftigung des Klägers bei der I Handels-GmbH vom 1. September 1992 bis zum 1. September 1996, wie der Kläger annimmt, nur Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung erfaßt, konnte offenbleiben, denn diese "Befreiung" hatte keine konstitutive Bedeutung. Sie ging angesichts der Rechtswirkungen der Bescheinigung der mazedonischen Verbindungsstelle über die Entsendung des Klägers, durch die der kollisionsrechtliche Status des Klägers bereits festgelegt war, ins Leere. Der zusätzliche Ausspruch einer Befreiung nach Art 10 des Abkommens läßt sich damit erklären, daß die beteiligten, nach dem Abkommen für eine Befreiung zuständigen Stellen im Hinblick auf die ursprünglich im Abkommen enthaltene Befristung von Entsendebescheinigungen auf 24 Monate (Art 6 Abs 1 des Abkommens idF vom 12.10.1968, BGBl II 1969, S 1438) eine Regelung für die Zeit nach dem vermeintlichen Ablauf der Geltung der Entsendebescheinigung treffen wollten. Die 24-Monats-Frist ist jedoch im Änderungsabkommen vom 30. September 1974 (aaO) bereits mit Wirkung vom 1. Januar 1975 aufgehoben worden (vgl Sozialversicherung-International, AOK - Verlag, Abkommen über Soziale Sicherheit - Jugoslawien, S 23). Mit der Aufhebung der Befristung der Entsendung auf 24 Kalendermonate sind Verlängerungsentscheidungen nach Art 10 des Abkommens, für die die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat - hier Deutschland - zuständig war, entbehrlich geworden (vgl Baumeister, Gesamtkommentar SGB/Sozialversicherung, Band 10 Deutsch-Jugoslawisches Abkommen, S 37).
Der Ausschluß des Klägers von der Anwendung der Vorschriften des BKGG verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (ebenso zum Bundeserziehungsgeldgesetz -BErzGG- BSG SozR 6180 Art 13 Nr 5). Der in Art 3 Abs 1 GG enthaltene Gleichbehandlungsgrundsatz wäre verletzt, wenn der Kläger im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt würde und die ungleiche Behandlung nicht durch gewichtige sachliche Gründe zu rechtfertigen wäre (BVerfGE 55, 72, 88 und stRspr). Das ist aber nicht der Fall. Der Kläger wird nicht als mazedonischer Staatsbürger aus diesem Grunde gegenüber einem Deutschen benachteiligt, sondern Deutschen in vergleichbarer Lage gleichgestellt. Nach dem Willen und der Konzeption der Vertragsparteien des deutsch-jugoslawischen Abkommens unterliegen die Angehörigen der beiden Vertragsstaaten bei einer Entsendung der sozialen Sicherheit und Fürsorge des Entsendestaates. Sie teilen grundsätzlich im Bereich der sozialen Sicherheit das rechtliche Schicksal der Mitbürger ihres Entsendestaates. Die Anknüpfung der sozialen Sicherung an das Beschäftigungsverhältnis, auch in seinen unterschiedlichen Ausstrahlungen, entspricht der internationalen Praxis von Sozialversicherungsabkommen und stellt einen sachgerechten Differenzierungsgrund dar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
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