B 1 KR 21/99 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 21/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 1. Juni 1999 wird zurückgewiesen. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der Streit geht um die Kosten für eine autologe Tumorvakzine, die dem Kläger nach einer Krebsoperation injiziert wurde.

Der bei der Beklagten versicherte Kläger wurde am 15. Juni 1995 wegen eines Nierenzellkarzinoms operiert. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus erhielt er in jeweils etwa einmonatigem Abstand insgesamt fünf Injektionen von dem zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigten Chefarzt, der ihn auch operiert hatte. Das Injektionsmittel war von der Firma m an das Krankenhaus geliefert worden, die es durch ihre Tochterfirma m aus bei der Operation entnommenen Tumorzellen hatte herstellen lassen; es sollte im Rahmen einer "aktiv-spezifischen Immuntherapie" (ASI) durch die Stärkung der Immunabwehr der Ausbreitung von Metastasen entgegenwirken. Der Firma m war im August 1993 die arzneimittelrechtliche Erlaubnis zur Herstellung der fraglichen autologen Tumorvakzine erteilt worden. Im August 1996 untersagte die Bezirksregierung Hannover der Firma m , autologe Tumorvakzine weiterhin unter Umgehung der Apothekenpflicht in Verkehr zu bringen; dieses Verbot ist seit Juli 1998 durch Klagerücknahme bestandskräftig. Am 1. Dezember 1998 eröffnete das Amtsgericht Lübeck über das Vermögen der Firma m das Konkursverfahren.

Am 7. Juli 1995 hatte die Beklagte über die Firma m ein ausgefülltes und vom 22. Juni 1995 datiertes Formularschreiben zugesandt erhalten, in dem der Kläger und der operierende Arzt Übernahme der Herstellungskosten für die autologe Tumorvakzine in Höhe von 10.800 DM zuzüglich Mehrwertsteuer beantragten. Darin wird neben der Diagnose und dem Operationsverlauf mitgeteilt, daß es sich um einen individuellen Heilversuch handle und daß die Firma m mit der Herstellung der Vakzine beauftragt sei. Beigefügt ist eine vom Kläger unterzeichnete Vollmacht, mit der die Firma m ermächtigt wird, die Kostenübernahme bei der Beklagten für den Kläger geltend zu machen, notfalls gerichtlich durchzusetzen, hiermit die den Kläger vertretende Rechtsanwaltskanzlei zu beauftragen und eventuell ausgezahlte Beträge für den Kläger in Empfang zu nehmen. Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme ab (Bescheid vom 26. Juli 1995; Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 1996).

Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteile des Sozialgerichts Dresden vom 23. Oktober 1997 und des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 1. Juni 1999). Das LSG hat offengelassen, ob dem Anspruch bereits eine verspätete Antragstellung entgegensteht, und die Zurückweisung der Berufung auf mehrere andere Gründe gestützt. Der Kläger sei keiner Vergütungsforderung des Arztes, der Klinik oder der Firma m ausgesetzt. Einen Vertrag mit der Firma m habe der Kläger nicht abgeschlossen; die Ärzte hätten übereinstimmend erklärt, im Zusammenhang mit der ASI würden dem Kläger keine Kosten erwachsen. Ein denkbarer Anspruch der Firma m aus ungerechtfertigter Bereicherung könne keinen Kostenerstattungsanspruch auslösen. Außerdem scheitere der Anspruch des Klägers daran, daß keine ärztliche Verordnung der Tumorvakzine vorliege und daß die Vakzine unter Umgehung der Apothekenpflicht in den Verkehr gebracht worden seien. Schließlich stehe dem Anspruch auch § 135 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) entgegen. Der darin geregelte Ausschluß für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gelte grundsätzlich auch für neue Pharmakotherapien. Die ASI könne nicht als besondere Therapierichtung angesehen werden, weil ihr kein weltanschaulicher Denkansatz zugrunde liege. Die nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V erforderliche Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen liege nicht vor; die fehlende Entscheidung sei kein Systemversagen, denn hierfür habe es sachliche Gründe gegeben. Unabhängig davon sei festzustellen, daß ein Wirksamkeitsnachweis für die autologe Tumorvakzine der Firma m nicht erbracht sei; vielmehr sei die Methode noch im Stadium der Erprobung, für welche die gesetzlichen Krankenkassen nicht aufzukommen hätten.

Mit seiner auf die Verletzung insbesondere von § 13 Abs 3 und § 31 Abs 1 SGB V gestützten Revision wendet sich der Kläger gegen die Anwendbarkeit von § 135 Abs 1 SGB V, weil nicht eine neuartige Behandlungsmethode, sondern die Versorgung mit einem Arzneimittel betroffen sei, das der behandelnde Arzt entgegen der Auffassung des LSG für die Krankenkasse verbindlich verordnet habe. Der gestellte Kostenübernahmeantrag müsse nach seinem Gesamtinhalt gleichzeitig als eine zur Zahlung der Herstellungskosten verpflichtende Bestellung seitens des Klägers angesehen werden; die Annahme der Gratislieferung eines individuell hergestellten Arzneimittels sei lebensfremd. Die diesbezüglichen Erklärungen der Ärzte und der Firma m beruhten auf den Erfahrungen aus früheren Fällen, in denen die Krankenkassen die Kosten übernommen hätten. Dabei sei auch nie die direkte Lieferung vom Hersteller an den behandelnden Arzt beanstandet worden. Diese verletze entgegen dem angefochtenen Urteil im übrigen auch nicht die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG). Selbst bei Annahme einer neuartigen Behandlungsmethode sei der Klage stattzugeben. Das LSG habe entgegen der einschlägigen Rechtsprechung nicht die Verbreitung der neuen Methode, sondern deren Wirksamkeit geprüft.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und der entgegenstehenden Bescheide zu verurteilen, ihn von den Kosten für die autologen Tumorvakzine der Firma m freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Der geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von den Kosten der von der Firma m gelieferten Tumorvakzine kann sich nur aus § 13 Abs 3 SGB V ergeben. § 31 Abs 1 SGB V scheidet entgegen der Ansicht des Klägers als Rechtsgrundlage aus. Diese Vorschrift gibt dem Versicherten in Verbindung mit der allgemeinen Regel des § 2 Abs 2 SGB V einen Anspruch auf kostenfreie Verschaffung der vom Arzt im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auf Kassenrezept verordneten Arzneimittel. Eine Verordnung der Tumorvakzine als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung ist hier jedoch nicht erfolgt. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf Vertrauensschutz berufen (hierzu: BSGE 82, 158, 162 = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 28 mwN). Die ASI ist zwar von einem an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt verantwortlich durchgeführt worden. Die Stellung des Kostenübernahmeantrags zeigt aber, daß der Kläger und sein behandelnder Arzt eine Erbringung als Sachleistung selbst nicht für zulässig hielten; denn dieses Vorgehen ergibt nur dann einen Sinn, wenn aus der Sicht der Beteiligten eine für den Versicherten kostenfreie Behandlung unmittelbar zu Lasten der Krankenkasse nicht in Betracht kam, weil beide davon ausgingen, daß die angewandte Therapie nicht als "übliche" Kassenleistung abrechenbar sei. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kostenübernahmeantrag von der Beklagten veranlaßt wurde, wie die Revision vorträgt. Denn in diesem Fall ist für die vertrauensgeschützte Inanspruchnahme einer Sachleistung erst recht kein Raum.

Da der Tumorimpfstoff dem Kläger somit nicht als Sachleistung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung, sondern als Teil einer privatärztlichen Behandlung verabreicht wurde, kann auch dem auf § 29 Abs 1 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw § 15 Abs 1 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) gestützten Argument der Revision nicht gefolgt werden, die Herstellungskosten müßten allein wegen des Vorliegens einer ärztlichen Verordnung von der Krankenkasse getragen werden. Soweit die genannten Vorschriften bestimmen, daß eine Genehmigung von Arzneimittelverordnungen durch die Krankenkasse unzulässig ist, bezieht sich das auf Verschreibungen, die ein Vertragsarzt auf dem dafür vorgesehenen Formblatt ("Kassenrezept") vorgenommen hat. Gegenüber solchen vertragsärztlichen Verordnungen ist die Krankenkasse auf die Möglichkeit der nachträglichen Prüfung der Zulässigkeit und Wirtschaftlichkeit des ärztlichen Verordnungsverhaltens verwiesen. Dem Versicherten und dem das Arzneimittel abgebenden Apotheker kann sie nicht entgegenhalten, das Mittel sei unnötig, unzweckmäßig oder unwirtschaftlich (dazu näher: BSGE 77, 194, 203 ff = SozR 2500 § 129 Nr 1 S 10 ff). Bei Verschreibungen außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung finden diese Bestimmungen keine Anwendung, so daß an dieser Stelle auf die später noch zu erörternde Frage nicht eingegangen zu werden braucht, ob durch die ärztliche Bestellung der Vakzine das in der Rechtsprechung des Senats aufgestellte Erfordernis der ärztlichen Verordnung (

BSGE 79, 257 = SozR 3-2500 § 13 Nr 13)

als erfüllt angesehen werden kann.

Nach § 13 Abs 3 SGB V sind dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hatte. Diese Voraussetzungen sind schon deshalb nicht erfüllt, weil dem Kläger durch die Anwendung der ASI keine Kosten in dem vorgenannten Sinne entstanden sind. Für die Herstellung der autologen Tumorvakzine schuldet er weder seinem behandelnden Arzt noch der Firma m eine Vergütung, für welche die Beklagte nach Krankenversicherungsrecht einzustehen hätte. § 13 Abs 3 SGB V hat, wie der Senat entschieden hat, nur den Zweck, den Versicherten so zu stellen, wie er bei Gewährung einer Sachleistung stehen würde; die Bestimmung kann folglich nur Kosten erfassen, von denen der Versicherte bei regulärer Leistungserbringung befreit wäre. Andere Kosten, etwa die Verpflichtung gegenüber einem anderen als dem krankenversicherungsrechtlich zulässigen Leistungserbringer (dazu: Urteil vom 15. April 1997 - BSGE 80, 181 = SozR 3-2500 § 13 Nr 14) oder Zahlungen, die einem Leistungserbringer ohne Rechtsgrund zugewendet werden (dazu: Urteil vom 23. Juli 1998 - BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 17), lösen keinen Anspruch aus, weil sonst die krankenversicherungsrechtliche Bindung an die zulässigen Formen der Leistungserbringung durch den Anspruch auf Kostenerstattung ohne weiteres durchbrochen werden könnte (vgl auch Senatsurteil vom 24. September 1996 - BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11).

Eine Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber seinem behandelnden Arzt ist nicht begründet worden. Dieser Arzt hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ausdrücklich erklärt, die Behandlung habe für den Patienten kostenfrei erbracht werden sollen. Außerdem entsteht ein fälliger Vergütungsanspruch des Arztes gegen den Patienten nicht ohne eine - hier fehlende - Honorarabrechnung auf der Grundlage der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ in der seit 1. Juli 1988 geltenden Fassung, BGBl I 1988, 797; die ab 1. Januar 1996 geltende Neufassung (nF) enthält in den hier wesentlichen Punkten keine abweichenden Regelungen, BGBl I 1995, 1861). Denn § 1 Abs 1 GOÄ verpflichtet alle Ärzte vorbehaltlich eines anderslautenden Bundesgesetzes, die Vergütungen für ihre beruflichen Leistungen nach der GOÄ zu berechnen. Die ärztlichen Leistungen sind in einem Gebührenverzeichnis erfaßt (vgl § 4 Abs 1 GOÄ) und innerhalb des durch § 5 GOÄ festgelegten Gebührenrahmens zu bewerten. Für Leistungen, die nicht im Gebührenverzeichnis enthalten sind, darf nach § 6 Abs 2 GOÄ das Honorar einer gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses gefordert werden. Die Kosten von Arzneimitteln, die der Arzt selbst beschafft hat und im Rahmen seiner Behandlung anwendet, kann er im Wege des Auslagenersatzes nach § 10 Nr 1 GOÄ (= § 10 Abs 1 Nr 1 GOÄ nF) liquidieren. Erst mit der Erteilung einer den Vorschriften der Verordnung entsprechenden Rechnung wird nach § 12 Abs 1 GOÄ die Vergütung fällig (vgl dazu auch

BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 17 S 78 f)

. Betrifft die Behandlung wie im vorliegenden Fall einen Kassenpatienten, so kommt hinzu, daß ein diesbezüglicher Anspruch dessen vorheriges schriftliches Einverständnis mit einer privatärztlichen Abrechnung voraussetzt (§ 18 Abs 1 Nr 3 BMV-Ä; § 21 Abs 1 Nr 3 EKV-Ä). Da der Kläger - möglicherweise auf Veranlassung der Firma m - gerade dahin beraten wurde, daß ihn keine Kosten treffen würden, ist seine Inanspruchnahme von Seiten des Arztes rechtlich ausgeschlossen.

Eine den Freistellungsanspruch auslösende Kostenschuld besteht auch nicht gegenüber der Firma m , denn diese hat durch ihr Vorgehen beim Kläger den Eindruck erweckt, die Therapiekosten sollten nicht ihm selbst, sondern ausschließlich der Krankenkasse in Rechnung gestellt werden. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die vom LSG mitgeteilte Erklärung der behandelnden Ärzte, die Anwendung der ASI werde dem Kläger keine Kosten verursachen, auf eine entsprechende Zusage der Herstellerfirma zurückgeht oder etwa darauf beruht, daß Krankenkassen früher in anderen Fällen die Kosten für die Herstellung der Tumorvakzine getragen hatten. Eine an diese angebliche Praxis anknüpfende rechtliche Bedingung der Kostenfreiheit war nicht zum Ausdruck gebracht worden und daher für den Betroffenen nicht erkennbar (vgl § 116 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Der vom Bevollmächtigten des Klägers erhobene Einwand, sein Mandant habe angesichts der beträchtlichen Höhe der Herstellungskosten trotz der Versicherungen seiner behandelnden Ärzte nicht davon ausgehen können, daß ihm die Tumorvakzine gratis geliefert werde, ist nicht stichhaltig. Das erhebliche wirtschaftliche Interesse der Firma m an einer Finanzierung der ASI durch die gesetzlichen Krankenkassen, legte bei unvoreingenommener Betrachtung die Annahme nahe, die Firma wolle Versicherte und Ärzte für die Therapie gewinnen, indem sie ihnen Kostenfreiheit zusicherte und dem Patienten das Risiko einer Ablehnung seitens der Krankenkasse abnahm.

Aus den Vorgängen im Zusammenhang mit der Bestellung der Tumorvakzine ergibt sich nichts anderes. Dem LSG kann allerdings nicht in der Einschätzung gefolgt werden, daß der Impfstoff im vorliegenden Fall ohne ärztliche Verordnung hergestellt und eingesetzt worden sei und der geltend gemachte Erstattungsanspruch schon daran scheitere. Die Verordnung soll die Gewähr ua dafür bieten, daß die Behandlung unter ärztlicher Verantwortung steht, daß einer eventuellen arzneimittelrechtlichen Verschreibungspflicht genügt ist und daß dem Patienten das richtige Mittel ausgehändigt wird. Mit Rücksicht auf diese Sicherungsfunktion ist sie Voraussetzung für die Kostenerstattung bei Privatpatienten (vgl zB § 6 Abs 1 Nr 2 der Beihilfevorschriften des Bundes - BhV - zuletzt neu bekanntgegeben: GMBl 1995, 470; § 4 Abs 3 der Musterbedingungen in der Krankheitskostenversicherung - MB/KK - Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen 1976, 437) und für die Vergütung des Apothekers bei Kassenpatienten (vgl nochmals BSGE 77, 194, 202 f = SozR 3-2500 § 129 Nr 1 S 9 f), so daß ohne sie auch im Falle des Systemversagens eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse ausscheidet (BSGE 79, 257 = SozR 3-2500 § 13 Nr 13). Hier lag indessen eine diesen Anforderungen genügende Verordnung vor. Der behandelnde Arzt hat das bei der Operation entnommene Tumorgewebe an die Firma m gesandt und diese um die Herstellung des für den Patienten bestimmten Impfstoffs gebeten. Er hat dafür zwar keinen Rezeptvordruck verwandt, durch sein Handeln jedoch die eigene Verantwortung für die beim Kläger durchgeführte Therapie hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Dieser Vorgang ist auch nicht intern geblieben, denn er ist durch die Unterschrift des Arztes auf dem an die Kasse gerichteten Kostenübernahmeantrag nach außen hin dokumentiert. Die Revision rügt zu Recht, daß jedenfalls im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens für eine individuell hergestellte Tumorvakzine ein weitergehender Nachweis für die Verantwortung des Arztes nicht zu verlangen ist.

Obwohl demnach dem Anspruch des Klägers nicht entgegengehalten werden kann, er habe sich ein Medikament ohne ärztliche Verordnung beschafft, ändert dies nichts daran, daß die Art und Weise der Beschaffung zu keiner den Kostenerstattungsanspruch auslösenden Vergütungsforderung des Herstellers geführt hat. Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG gibt es außer dem Kostenübernahmeantrag vom 22. Juni 1995 keine Tatsachen, aus denen eine vertragliche Verpflichtung des Klägers gegenüber der Firma hergeleitet werden könnte, die Herstellungskosten in Höhe von etwa 12.500 DM zu bezahlen. Die Revision weicht in dieser Frage von der Beurteilung des LSG lediglich insoweit ab, als sie diesem Schriftstück ein Angebot zum Abschluß eines Werklieferungsvertrags ("Bestellung") des Klägers an die Firma m entnimmt. Die Auslegung von Vertragsformularen, die wie hier in einer großen Zahl von Fällen verwendet werden, ist revisionsgerichtlich überprüfbar, denn sie betrifft eine Rechtsfrage (BAG AP Nr 64 zu § 77 BetrVG 1972 = NZA 1997, 1009; BGHZ 83, 334 = LM Nr 15 zu § 476 BGB; BSGE 51, 82 = SozR 2200 § 189 Nr 2; dazu näher auch BSG vom 8. Februar 1996 - 11 RAr 61/95 mwN zur Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte). Die Überprüfung ergibt, daß ein Werklieferungsvertrag iS von § 651 Abs 2 BGB zwischen der Firma m und dem Kläger nicht zustande gekommen ist.

Wörtlich erklären der Kläger und sein Arzt im Kostenübernahmeantrag: "Mit der Herstellung der autologen Tumorvakzine haben wir die Firma m ... beauftragt." Darin kann an sich schon deshalb keine Bestellung liegen, weil auf einen anderen, bereits abgeschlossenen Vorgang Bezug genommen wird. Da ein anderer Vorgang nach den Feststellungen des LSG nicht existiert, muß freilich erwogen werden, ob in dieser Erklärung in Verbindung mit der Einsendung von Tumorgewebe nicht doch der verbindliche Wille zum Ausdruck kommt, den Adressaten um die entgeltliche Herstellung und Lieferung des in Rede stehenden Arzneimittels zu bitten. Hier ist jedoch zu beachten, daß die fragliche Erklärung von der Firma m vorformuliert worden war und daß sie mit der gleichzeitig abgegebenen Vollmachtserklärung des Klägers im Zusammenhang steht. Bei vorformulierten Erklärungen kommt es nicht auf den Empfängerhorizont, sondern darauf an, wie der Erklärende die ihm vom anderen vorgegebenen Formulierungen verstehen konnte (BGH LM BGB § 133 (C) Nr 92 = NJW 1997, 3087). Für einen verständigen Patienten hätte es nach dem Gesamtinhalt der verschiedenen Unterlagen nahegelegen, daß von ihm eine an die Firma m adressierte Auftragsbestätigung oder ähnliches verlangt werden würde, falls eine Zahlungsverpflichtung seinerseits in Frage kam. Das Fehlen einer solchen, die Mitunterschrift des behandelnden Arztes unter die einzige als "Bestellung" in Betracht kommende Erklärung und die gleichzeitige Ermächtigung der Firma m , den Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Krankenkasse geltend zu machen sowie die von dieser erwarteten Zahlungen für den Kläger entgegenzunehmen, mußten beim Kläger in Verbindung mit der Zusicherung der Kostenfreiheit durch die behandelnden Ärzte zu der Annahme führen, daß ihm die Sorge der Kostenübernahme einschließlich des Risikos einer Ablehnung abgenommen werden sollte und daß die Preisangabe nur im Verhältnis zwischen Hersteller und Krankenkasse Bedeutung hatte.

Im Kostenübernahmeantrag kann vor allem auch deshalb keine den Kläger verpflichtende Bestellung der Tumorvakzine gesehen werden, weil bei einer Lieferung des Impfstoffs unmittelbar von der Herstellerfirma an den Patienten der für die Versorgung mit Medikamenten vorgeschriebene Beschaffungsweg nicht eingehalten wäre. Die von der Firma m hergestellten autologen Tumorvakzine sind Arzneimittel iS von § 2 Abs 1 AMG. Die Tatsache, daß der Grundstoff für die Vakzine dem Körper des Patienten entnommen wird, steht dem nicht entgegen, wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Zusammenhang mit Eigenblutzubereitungen entschieden hat, weil sie den Zweck haben, bei der Krankenbehandlung eingesetzt zu werden (BVerwG Buchholz 418.32 AMG Nr 29: Zulassungsbeschwerde gegen BayVGHE 50, 47). Arzneimittel müssen im Regelfall über eine Apotheke bezogen werden; nur ausnahmsweise darf der Arzt sie im Rahmen der Behandlung in seiner Praxis abgeben. Eine direkte Belieferung des Patienten durch den Arzneimittelhersteller ist dagegen grundsätzlich untersagt. Nach diesen Regeln kommt die rechtliche Einordnung des Gesamtvorgangs als eine Bestellung des Impfstoffs durch den Kläger unmittelbar bei der Firma m nicht in Betracht.

Eine Beschaffung des Tumorimpfstoffs durch eine vertragliche Vereinbarung unmittelbar zwischen dem Kläger und der Firma m , wie sie die Revision aus dem Kostenübernahmeantrag herauslesen will, verstieße gegen die Apothekenpflicht, die ihrerseits sicherstellen soll, daß Qualität und Vertriebsweg von Medikamenten kontrollierbar bleiben, daß Arzneimittelmißbrauch vermieden wird und daß auch selten benötigte Medikamente rasch verfügbar sind (vgl etwa BGH LM UWG § 1 Nr 807 = NJW 2000, 864 = WRP 2000, 170 unter Berufung auf BVerfGE 9, 73, 79 ff; 17, 232, 238 ff). § 43 Abs 1 AMG behält deshalb die Abgabe von Arzneimitteln an den Endverbraucher - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - dem Apotheker vor. Autologe Tumorvakzine (als "Arzneimittel, bestehend aus menschlichen oder tierischen Zellen in frischem, gefrorenem oder getrocknetem Zustand, soweit sie zur Injektion oder Infusion bei Menschen bestimmt sind") unterliegen zudem nach der Anlage zur Verordnung über verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Fassung vom 30. August 1990 (BGBl I 1866) der ärztlichen Verschreibungspflicht, so daß nach § 45 Abs 1 Nr 1 AMG eine Befreiung von der Apothekenpflicht auch durch Rechtsverordnung nicht in Betracht kommt. Die Verschreibungspflicht löst ihrerseits nach § 43 Abs 3 Satz 1 AMG (unabhängig von Abs 1) die Apothekenpflicht aus. Das durch die Apothekenpflicht dem Apotheker vorbehaltene Inverkehrbringen ist in § 4 Nr 17 AMG als das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere definiert. Eine unmittelbare Lieferung der autologen Tumorvakzine vom Hersteller (m ) an den Kläger würde infolgedessen gegen die Apothekenpflicht verstoßen und wäre als Ordnungswidrigkeit zu ahnden (§ 97 Abs 2 Nr 10 bzw Nr 12 AMG). Unabhängig davon, daß die Mißachtung der Apothekenpflicht außerdem einen Verstoß gegen § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) enthält, wenn nicht ausnahmsweise besondere rechtfertigende Umstände eingreifen (ständige Rechtsprechung, vgl BGH aaO mwN), dürften nach diesen Überlegungen auch § 134 BGB und § 817 Satz 2 BGB einer Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber der Firma m entgegenstehen.

Die Bedeutung der Apothekenpflicht für die Kostenübernahme im Krankheitsfall wird durch § 4 Abs 3 MB/KK belegt, der eine Kostenerstattung durch die Privatversicherung ausschließt, wenn das Arzneimittel nicht aus der Apotheke bezogen wird. Beschafft sich der Privatpatient ein Mittel unter Mißachtung der Apothekenpflicht beim Großhändler oder beim pharmazeutischen Hersteller, verliert er nach dieser Versicherungsbedingung schon deshalb seinen Kostenerstattungsanspruch gegen seine private Krankenversicherung. Im Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung wird die Beachtung der Apothekenpflicht dadurch sichergestellt, daß die Krankenkasse nur das vom Apotheker eingereichte Kassenrezept vergütet. Auch wenn ausnahmsweise - etwa bei einem Notfall - die Kosten eines auf Privatrezept abgegebenen Medikaments erstattet werden sollen, muß das von der Apotheke abgerechnete und gestempelte Rezept eingereicht werden. Eine Beschaffung auf anderem Wege, insbesondere beim pharmazeutischen Hersteller, ist damit faktisch ausgeschlossen.

Allerdings kann der Patient ausnahmsweise unmittelbar vom Arzt mit Arzneimitteln versorgt werden. Ein Mittel, dessen Notwendigkeit sich während des Arztbesuchs ergibt, muß vom Patienten nicht erst aus der Apotheke beschafft werden, wenn es in der vom Arzt auf eigene Kosten unter Beachtung der arzneimittelrechtlichen Vorschriften unterhaltenen "Praxisapotheke" vorrätig ist. Für den Privatpatienten stellt sich dann die Versorgung mit Arzneimitteln - etwa im Rahmen einer Injektionsbehandlung - zusammen mit den übrigen Verrichtungen des Arztes als einheitliche ärztliche Leistung dar, die neben dem Anspruch auf die ärztlichen Gebühren für Behandlungsleistungen einen Anspruch des Arztes nach § 10 Nr 1 GOÄ (jetzt gleichlautend: § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 GOÄ nF) auf Auslagenersatz für die Aufwendungen aus der "Praxisapotheke" begründet, der seinerseits den Erstattungsanspruch des Patienten gegen seinen Kostenträger auslöst (vgl § 5 Abs 1 Satz 2 BhV; § 1 Abs 1 Satz 2 Buchst a MB/KK). Durch die Abrechnung als ärztliche Leistung erübrigt sich das sonst erforderliche schriftliche Rezept (vgl auch § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BhV: " ... verbrauchten oder ... verordneten Arzneimittel ..."); § 12 Abs 2 Nr 5 GOÄ verlangt bei Auslagen über 50 DM jedoch einen Beleg. Wenn dem Privatpatienten Medikamente durch den Arzt zur Verfügung gestellt werden, kommt demnach eine Zahlungsverpflichtung des Patienten gegenüber dem pharmazeutischen Hersteller im Regelfall ebenfalls nicht in Betracht. Ob die Belieferung des Arztes direkt vom Hersteller erfolgt, weil dieser Vertriebsweg nach der Art des Mittels durch § 44 Abs 1, § 47 Abs 1 Nr 2 AMG eröffnet ist, oder ebenfalls über die Apotheke abzuwickeln ist, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.

Dasselbe gilt im Ergebnis im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung; allerdings muß noch stärker differenziert werden. Außerdem ist wegen des Sachleistungsprinzips in allen Fällen eine ärztliche Verordnung notwendig. Diejenigen vom Arzt in der Praxis verbrauchten Medikamente, die ihrer Art nach mehreren Versicherten zugute kommen oder die für akute Fälle bereitgehalten werden müssen, werden als sogenannter Sprechstundenbedarf verordnet und abgerechnet; für Arzneimittel, die zugunsten eines bestimmten Versicherten verbraucht werden, wird ein Einzelrezept ausgestellt, so daß die "Praxisapotheke" wieder vervollständigt wird (zum Ganzen beispielsweise Abschnitte III.1. und III.4. der Sprechstundenbedarfsvereinbarung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein vom 12. Juli 1995). Soweit Apothekenpflicht besteht, müssen Lieferung und Bezahlung über die Apotheke erfolgen; insoweit besteht zwischen dem normalen Kassenrezept und der Verordnung von Sprechstundenbedarf kein rechtlicher Unterschied, was die nachträgliche Überprüfung zugunsten der Krankenkasse mit einschließt (vgl etwa BSG SozR 3-5533 Allg Nr 2). Außerhalb der Apothekenpflicht kann die Leistung auch vom pharmazeutischen Hersteller oder vom Großhändler erbracht werden, wie Abschnitt V.3. der beispielhaft genannten Sprechstundenvereinbarung klarstellt. In diesen Fällen rechnet die Kasse unmittelbar mit dem Lieferanten ab, so daß auch insoweit keine Zahlungsverpflichtungen zwischen Patient und Hersteller in Frage kommen.

Wenn für ein bestimmtes Mittel auf Grund des § 44 Abs 1 AMG oder der nach § 45 Abs 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung keine Apothekenpflicht besteht, könnte der Arzt freilich zumindest den Privatpatienten darauf verweisen, sich das demnach frei verkäufliche Mittel selbst zu beschaffen. Diese Fallgestaltung und die gegen sie aus den dargestellten Kostenerstattungsvorschriften herrührenden Bedenken brauchen hier nicht weiter erörtert zu werden, denn autologe Tumorvakzine dürfen nicht auf dem freien Markt vertrieben werden. In Bezug auf das hier angewandte Mittel erlaubt § 47 Abs 1 Nr 2 AMG lediglich einen Direktvertrieb an Ärzte oder Krankenhäuser, wenn es sich um Blutzubereitungen (Buchst a) oder menschliches Gewebe (Buchst b) handelt. Diese Voraussetzungen hat das LSG mit beachtlichen Gründen und in Übereinstimmung mit der Bezirksregierung Hannover verneint, weil es aus einem Sachverständigengutachten die Überzeugung gewonnen hat, Tumorvakzine setzten sich - jedenfalls in reiner Form - aus behandelten Tumorzellen zusammen und dieser Fall werde von § 47 Abs 1 Nr 2 AMG nicht erfaßt.

Ob dem zu folgen ist, kann dahingestellt bleiben, denn ein Kostenerstattungsanspruch scheidet auch dann aus, wenn die Direktlieferung von Tumorvakzinen an den Arzt oder das Krankenhaus arzneimittelrechtlich zulässig ist. Bei einem nach § 47 Abs 1 Nr 2 AMG beschränkt freigegebenen Vertriebsweg wäre allerdings denkbar, daß das Medikament unmittelbar an den Arzt abgegeben wird und der Patient sich gegenüber dem Hersteller lediglich zur Zahlung der Herstellungskosten verpflichtet. Eine derartige Abwicklung dürfte allerdings als Umgehung der GOÄ und des AMG anzusehen sein und deshalb einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V nicht begründen können. Der nach Krankenversicherungsrecht zulässige Leistungserbringer ist allein der Arzt und nicht der pharmazeutische Hersteller. Dem Versicherten darf deshalb lediglich die nach der GOÄ in Rechnung gestellte ärztliche Vergütung erstattet werden (vgl nochmals BSGE 80, 181 = SozR 3-2500 § 13 Nr 14;

BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 17)

. Unabhängig davon ist aber eine Verpflichtung des Klägers, der Firma m anstelle seines Arztes den an diesen gelieferten Impfstoff zu bezahlen, im vorliegenden Fall nicht begründet worden. Eine solche Verpflichtung wäre im Verhältnis zu den gängigen Beschaffungswegen so außergewöhnlich und wegen des Kostenrisikos für den Betroffenen von so einschneidender Bedeutung, daß sie einer präzisen vertraglichen Vereinbarung zwischen Arzt, Patient und pharmazeutischem Hersteller bedürfte, die nicht vorliegt.

Da den Kläger nach alledem im Zusammenhang mit der Herstellung der Tumorvakzine keine Zahlungsverpflichtung trifft, ist auch für einen daraus resultierenden Freistellungsanspruch gegen die Beklagte auf der Grundlage des § 13 Abs 3 SGB V kein Raum. Ob die ASI zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Belang (siehe zu dieser Frage: Senats

urteil vom 28. März 2000 - B 1 KR 11/98 R, zur Veröffentlichung bestimmt)

.

Entgegen der Ansicht der Revision kann das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs 3 SGB V nicht dazu genutzt werden, die Leistungspflicht der Krankenkasse für eine bestimmte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode losgelöst von einer tatsächlichen Kostenbelastung abstrakt klären zu lassen. Wortlaut, Zweck und Systematik der Vorschrift lassen ein solches Vorgehen nicht zu. Durch die Kostenerstattung in Fällen eines Systemversagens wird eine Lücke in dem durch das Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung garantierten Versicherungsschutz geschlossen. Dem Versicherten wird die Kostenlast auch dann abgenommen, wenn er ausnahmsweise eine notwendige Leistung selbst beschaffen und bezahlen muß. Übernimmt dagegen der Leistungserbringer oder wie hier der Hersteller eines Arzneimittels das finanzielle Risiko in der Weise, daß ein Anspruch gegen den Versicherten nur entstehen soll, wenn dessen Krankenkasse die Kosten trägt, so wird die in § 13 Abs 3 SGB V festgelegte Beziehung von Tatbestand und Rechtsfolge in ihr Gegenteil verkehrt: Ein Behandlungsaufwand ist dann nicht Voraussetzung für die Leistungspflicht, sondern deren Folge.

Eine Inanspruchnahme der Krankenkasse, ohne daß dem Versicherten konkret Kosten entstanden sind, wäre auch mit übergeordneten gesetzgeberischen Zielen nicht zu vereinbaren. Denn sie würde es erlauben, sich Gesundheitsleistungen ohne Kostenrisiko selbst zu beschaffen und den Sachleistungsgrundsatz der Krankenversicherung zu unterlaufen. Zugleich erhielten Leistungsanbieter die Gelegenheit, mit Hilfe kostenloser Behandlungsangebote über den Weg des Kostenerstattungsverfahrens eine Ausweitung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung zu erreichen. Das ist mit der Aufgabenstellung der Krankenversicherung und mit den Zielen gesundheitsrechtlicher Vorschriften, insbesondere des AMG, nicht in Einklang zu bringen.

Krankenversicherung hat nach dem Wortsinn und der derzeitigen gesetzlichen Ausgestaltung den Zweck, den Versicherten von Krankheitskosten zu entlasten; ihre Aufgabe ist es nicht, den Leistungsanbieter im Gesundheitswesen vor ungedeckten Kosten zu schützen, wenn dieser an ihre Versicherten Leistungen erbringt. Das gilt auch insoweit, als die Krankenkasse Aufwendungen einspart, die ihr sonst für eine zum Leistungsumfang gehörende Behandlung des Versicherten entstanden wären. Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß

die Grundsätze des Leistungserbringungsrechtseinem auf den Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag oder der ungerechtfertigten Bereicherung gestützten Anspruch gegen den Kostenträger entgegenstehen, wenn Leistungen an Versicherte erbracht werden, zu denen der Leistungserbringernach diesen Grundsätzen

nicht berechtigt ist (vgl Urteile des 6. Senats des BSG vom 28. Januar 1998 - B 6 KA 41/96 R = SozR 3-1500 § 97 Nr 3 S 7; vom

26. Januar 2000 - B 6 KA 59/98 R jeweilsmwN;Urteil des 3. Senats des BSG vom 3. November 1999 - SozR 3-2500 § 60 Nr 4, auch zur Veröffentlichung in BSGE bestimmt)

. Gegen einen Erstattungsanspruch auf der Grundlage eines von der Leistungspflicht der Krankenkasse abhängigen Vergütungsanspruchs bestehen dieselben Bedenken, denn er würde den privatärztlich abrechnenden Arzt ähnlich stellen wie den Vertragsarzt, ohne ihn der vertragsärztlichen Bindung im übrigen zu unterwerfen.

Aus demselben Grund erscheint eine Abtretung des zum Kostenerstattungsanspruch gewandelten Sachleistungsanspruchs an den Leistungserbringer, wie sie der 3. Senat im Urteil vom 3. November 1999 (aaO) erwogen hat, problematisch.

Denn die Krankenkasse hat nach § 2 Abs 2, § 13 Abs 1 SGB V die Versicherten grundsätzlich im Wege der Sachleistung des vertraglich gebundenen Arztes oder sonstigen Leistungserbringers zu versorgen. Mit diesem Grundsatz sind für den Versicherten und den Leistungserbringer eine Reihe von Vor- und Nachteilen verbunden, die insgesamt in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Die Gewährung als Sachleistung entbindet den Versicherten von der Kontrolle der therapeutischen Leistung und der Prüfung ihrer Abrechnung; gleichzeitig wird ihm die Sorge um seine finanzielle Liquidität im Krankheitsfall genommen, weil auch die Vorfinanzierung entfällt. Dafür ist er allerdings gehalten, nur zugelassene Leistungserbringer in Anspruch zu nehmen und sich auf denfür die gesetzliche Krankenversicherung festgelegten Leistungskatalogzu beschränken. Das Risiko der Überschreitung von Leistungsbeschränkungen trägt im Rahmen der Sachleistungsgewährung nicht er, sondern der Leistungserbringer, der dafür in Regreß genommen werden kann. Verschafft sich der Versicherte Leistungen außerhalb dieses Systems, weil er seine Grenzen für rechtswidrig hält, muß er sich auf den Weg der Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V einlassen. Dabei korrespondiert seine Pflicht zur finanziellen Vorleistung mit seiner Befugnis, eventuelle Mängel bei der Leistungserbringung zu rügen und eine korrekte Abrechnung der Vergütung zu verlangen. Daran muß er jedenfalls deshalb interessiert sein, weil er auch bei einer Stundung des Vergütungsanspruchs das Risiko der rechtlichen Fehleinschätzung trägt und letztlich mit den Kosten belastet bleibt, falls eine Einstandspflicht der Kasse endgültig verneint wird.

Dieses Interesse an Prüfung und Kontrolle entfällt, wenn dem Versicherten das Risiko der rechtlichen Fehleinschätzung dadurch abgenommen wird, daß die Vergütungsforderung von der Leistungspflicht der Kasse abhängt. Bei einer derartigen Gestaltung hat zum Zeitpunkt der Behandlung niemand einen Anlaß, auf eine ordnungsgemäße Leistungserbringung und Abrechnung zu achten: der Patient nicht, weil er keinesfalls zahlungspflichtig ist, und die Kasse nicht, weil sie sich nicht für leistungspflichtig hält. Sonstige im System der vertragsärztlichen Versorgung angelegte Kontrollmechanismen können für eine außerhalb dieses Systems erbrachte Leistung ebensowenig greifen wie eine eventuelle Kostenreduktion durch Vergütungsvereinbarungen. Infolgedessen wird im Ergebnis sowohl das Verantwortungsbewußtsein des Patienten für seine Abkehr von der vertragsärztlichen Versorgung minimiert als auch die wegen fehlender finanzieller Eigenverantwortung mit dem Sachleistungssystem zwangsläufig verknüpfte Sicherung gegen die unwirtschaftliche und unzweckmäßige Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen unterlaufen.

Bei alledem geht es nicht nur um den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung vor sachlich nicht gerechtfertigten Ausweitungen des Leistungsumfangs oder um die Kontrolle von Leistung und Abrechnung des Therapeuten. Vielmehr ist auch das allgemeingesellschaftliche Interesse berührt, die Therapieentscheidung des Arztes und seines Patienten vor dem durch kostenlose Leistungsangebote zu befürchtenden sachfremden Einfluß zu bewahren. Aus diesem Grund ist die kostenlose Bereitstellung von Arzneimitteln durch die Vorschriften des AMG und des Heilmittelwerbegesetzes (Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens = HeilmWerbG, in der Fassung der Neubekanntmachung vom 19. Oktober 1994, BGBl I 3068; die Änderungen vom 7. September 1998, BGBl I 2649, sind hier nicht einschlägig) schon seit Jahrzehnten auf bestimmte Empfänger und auf einen bestimmten Umfang beschränkt. § 11 Nr 14 HeilmWerbG verbietet die Werbung durch die Abgabe von Mustern oder Proben von Arzneimitteln oder durch Gutscheine außerhalb von Fachkreisen, das sind insbesondere die Angehörigen der Heilberufe; in Bezug auf Geschwulstkrankheiten ist nach § 12 Abs 1 iVm Abschnitt A 2 der Anlage zum HeilmWerbG außerhalb der Fachkreise jegliche Werbung verboten. Verstöße gegen diese Vorschriften können nach § 15 Abs 1 Nr 7 und Nr 8 HeilmWerbG mit einer Geldbuße bis zu 50.000 DM geahndet werden. Das Verbot geht auf § 4 Abs 2 Nr 12 des ursprünglichen Gesetzentwurfs zurück, der mit der Gefahr des unsachlichen Einflusses auf denjenigen begründet wurde, der Arzneimittel kauft oder anwendet (BT-Drucks IV/1867 S 5). Daß diese Gefahr nicht nur beim Patienten gesehen wurde, zeigt die Entwicklung von § 47 AMG, der in Absatz 3 die Abgabe von Mustern eines Fertigarzneimittels ausschließlich an Angehörige der Heilberufe erlaubt und in Absatz 4 die Abgabe von mehr als jährlich zwei Mustern in der kleinsten zugelassenen Packungsgröße verbietet; daneben wird der pharmazeutische Unternehmer zu Aufzeichnungen über den Verkehr mit Arzneimittelmustern verpflichtet. Die Bußgeldandrohung ist die gleiche wie beim HeilmWerbG (§ 97 Abs 2 Nr 12a und Nr 13 AMG). § 34 Abs 3 AMG hatte in seiner ursprünglichen Fassung die Abgabe von Mustern zunächst auf einen "dem Zwecke der Erprobung angemessenen Umfang" beschränkt, war aber dann als unzureichend angesehen worden, weil dadurch ein Fehlgebrauch und Mißbrauch von Arzneimitteln nicht verhindert worden sei (vgl den Bericht über Erfahrungen mit dem AMG von 1982, BT-Drucks 9/1355 S 23 ff und den darauf beruhenden Gesetzentwurf, BT-Drucks 10/5112 S 22). Die daraufhin vorgeschlagene zahlenmäßige Begrenzung wurde in den Ausschußberatungen unter Berufung auf die Arzneimittelsicherheit noch verschärft (BT-Drucks 10/5732 S 19, 33).

Der Senat braucht nicht dazu Stellung zu nehmen, ob die genannten arzneimittelrechtlichen Vorschriften auch dann eingreifen, wenn auf eine Vergütung nur gegenüber dem Patienten und nicht gegenüber der Krankenkasse verzichtet wird und wenn Werbezwecke dabei nicht im Vordergrund stehen. Im Zusammenhang mit dem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V geht es lediglich um eine Bestätigung dafür, daß in dieser Vorschrift aus Gründen, die mit anderweitigen Wertungen der Rechtsordnung übereinstimmen, eine Kostenschuld des Versicherten vorausgesetzt wird, weil sonst das bei Gesundheitsleistungen besonders empfindliche Gleichgewicht zwischen Behandlungsentscheidung und Kostenbelastung nachhaltig gestört wird.

Da die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, daß dem Kläger der Anspruch aus § 13 Abs 3 SGB V nicht zusteht, war seine Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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