B 1 KR 2/99 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 2/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 25. November 1998 wird zurückgewiesen. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der Kläger macht Kostenerstattungsansprüche in Höhe von rund 12.000 DM für privatärztliche Leistungen im Rahmen einer Krebsbehandlung bei seiner inzwischen verstorbenen Mutter (Versicherte) geltend.

Die Versicherte war Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Im Hinblick auf ihren Gesamtgesundheitszustand entschloß sie sich in Übereinstimmung mit dem ihr erteilten ärztlichen Rat, ein bei ihr diagnostiziertes Urachuskarzinom weder operativ noch durch Bestrahlung oder Chemotherapie behandeln zu lassen. Dagegen ließ sie aus ihr entnommenen Blutproben von dem in München privatärztlich praktizierenden Arzt Dr. K. jeweils im Mai 1994, September 1994, Januar 1995 und Mai 1995 Injektionslösungen herstellen, die ihr von ihrem Hausarzt in Berlin verabreicht wurden und die dazu dienen sollten, die Erkennbarkeit von Krebszellen für die körpereigene Immunabwehr zu verbessern (sogenannte autologe Target-Zytokine, von der englischen Schreibweise abgeleitete Abkürzung: ATC). Die von Dr. K. nach Analogbewertungen auf der Grundlage der Gebührenordnung für Ärzte der Klägerin in Rechnung gestellten Kosten beliefen sich auf jeweils knapp 3.000 DM. Die Regierung von Oberbayern hatte Dr. K. mit Verfügung vom 9. Januar 1992 wegen fehlender Herstellungserlaubnis nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) verboten, die von ihm hergestellten ATC in den Verkehr zu bringen, und den sofortigen Vollzug angeordnet. Dr. K. ist am 12. September 1997 eine arzneimittelrechtliche Herstellungserlaubnis für ATC erteilt worden.

Den Antrag vom 5. Oktober 1994 auf Übernahme der von Dr. K. im Zusammenhang mit den beiden ersten Injektionsserien beanspruchten Vergütung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Januar 1995 ab. Im Widerspruchsverfahren legte die Versicherte die Rechnungen über die weiteren Injektionsserien vor. Sie verstarb am 12. Juli 1995. Mit Bescheid vom 12. September 1995 wurde der vom Kläger aufrechterhaltene Widerspruch zurückgewiesen. Auch Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteile des Sozialgerichts vom 1. März 1996 und des Landessozialgerichts (LSG) vom 25. November 1998). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Da die Behandlung mit ATC schon der Art nach von den Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse ausgeschlossen sei, könne offenbleiben, ob die übrigen Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erfüllt seien. Die Leistungspflicht der Beklagten scheitere daran, daß dem Hersteller der ATC zum Zeitpunkt der Behandlung die nach dem AMG erforderliche Herstellungserlaubnis gefehlt habe. Die Rechtsprechung zum Ausschluß eines zulassungspflichtigen, aber nicht zugelassenen Arzneimittels aus der vertragsärztlichen Versorgung müsse auch für Arzneimittel gelten, deren Herstellung arzneimittelrechtlich verboten sei. Die Prüfung der Herstellungserlaubnis, die an der Person des Herstellers und der Betriebsstätte ansetze, und diejenige der Zulassung, die auf das Präparat bezogen sei, hätten im Wesentlichen dasselbe Ziel - nämlich Arzneimittel vom Markt fern zu halten, deren Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht gewährleistet seien. Eine Herstellungserlaubnis sei nach den Vorschriften des AMG erforderlich, weil das Mittel von einer anderen Person als vom Hersteller angewendet werde; das sei hier unzweifelhaft, weil die ATC von Dr. K. an den Patienten zur Selbstanwendung oder Injizierung durch den behandelnden Arzt übersandt worden sei (Hinweis auf BVerwG Buchholz 418.32 AMG Nr 29). Da die Erlaubnis erst im September 1997 erteilt worden sei, schließe ihr Fehlen im hier entscheidungserheblichen Zeitraum bis zum Mai 1995 die Leistungspflicht der Beklagten aus. Unabhängig davon stehe dem Anspruch auch § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V entgegen. Diese Vorschrift gelte nach der Rechtsprechung für neue Arzneimitteltherapien, wie sie die Behandlung mit ATC darstelle. Die demnach erforderliche Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen liege nicht vor; vielmehr habe der Bundesausschuß die fragliche Methode von der vertragsärztlichen Versorgung ausdrücklich ausgeschlossen. Selbst wenn diese Entscheidung fehlerhaft zustandegekommen und ein Wirksamkeitsnachweis im Hinblick auf die unklare Ursache des zu behandelnden Krebsleidens ausgeschlossen sein sollte, könne nicht von der notwendigen Resonanz in der Fachdiskussion oder einer Verbreitung in der ärztlichen Praxis ausgegangen werden. Überwiegend seien die Stellungnahmen negativ oder zurückhaltend; auch die einzige befürwortende Äußerung spreche lediglich von ersten objektiven Wirksamkeitsbeweisen. Eine verbreitete tatsächliche Anwendung in der Praxis lasse sich nicht feststellen; jedenfalls liege eine entsprechend aufbereitete, gerichtlich überprüfbare Untersuchung hierüber nicht vor.

Mit seiner Revision rügt der Kläger vor allem die Verletzung von § 13 Abs 3 sowie von § 135 Abs 1 SGB V. Dem Kostenerstattungsanspruch könne weder die fehlende Herstellungserlaubnis noch die Ablehnung durch den Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen entgegengehalten werden. Eine Herstellungserlaubnis sei nicht erforderlich, weil die Weitergabe an den Patienten oder an den behandelnden Arzt zur Injektion keine Abgabe iS des AMG bedeute. Die Behandlung mit Zytokinen sei nicht "neu" iS von § 135 Abs 1 SGB V; auch sei das Verfahren vor dem Bundesausschuß in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft gewesen. Schließlich habe das LSG die Verbreitung in der medizinischen Praxis und die Resonanz in der Fachdiskussion zu Unrecht verneint.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile der Vorinstanzen sowie die entgegenstehenden Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die seiner Mutter entstandenen Aufwendungen für autologe Target-Zytokine in Höhe von 11.838,72 DM zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision ist unbegründet. Das LSG hat den Kostenerstattungsanspruch zu Recht abgelehnt; der angefochtene Bescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden.

Da sich die Versicherte das bei ihr angewandte Medikament auf eigene Rechnung beschafft und nicht den für die Sachleistung vorgesehenen Weg über die Verordnung eines zur Behandlung von Kassenpatienten zugelassenen Arztes eingehalten hat, kann sie ihren Anspruch nur auf § 13 Abs 3 SGB V stützen. Danach hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, dem Versicherten die für die Beschaffung der Leistung aufgewendeten Kosten zu erstatten. Der Kostenerstattungsanspruch tritt an die Stelle eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs, den die Kasse infolge eines Versagens des Beschaffungssystems nicht erfüllt hat. Er kann deshalb nur bestehen, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, welche die gesetzlichen Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, zuletzt: BSGE 82, 233, 234 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 15 mwN).

Da dies bei der ATC - jedenfalls im hier entscheidungserheblichen Zeitraum vom Mai 1994 bis Mai 1995 - nicht der Fall war, braucht nicht geprüft zu werden, ob die weiteren Voraussetzungen des § 13 Abs 3 SGB V erfüllt sind.

Die Beklagte hat nicht für ein Arzneimittel aufzukommen, dessen Abgabe an den Versicherten arzneimittelrechtlich untersagt ist. Zwar sind die gesetzlichen Krankenkassen nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 3 iVm § 31 Abs 1 SGB V grundsätzlich verpflichtet, ihre Versicherten mit den für eine Behandlung notwendigen Medikamenten zu versorgen. Das gilt aber nicht für Medikamente, die nur erhältlich sind, wenn sich der Hersteller oder der Anwender über Verbote des Arzneimittelrechts hinwegsetzt. Denn der Versicherte kann nicht berechtigt sein, von seiner Krankenkasse eine Leistung zu verlangen, die ein von der Rechtsordnung mißbilligtes Verhalten beinhaltet (in diesem Sinne bereits: BSGE 82, 233, 236 = SozR 3 -2500 § 31 Nr 5 S 18). Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen umfaßt nach § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V nur solche Leistungen, die für die Behandlung zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Diese Voraussetzungen können nicht erfüllt sein, wenn die Vorschriften des AMG Medikamente vom Markt ausschließen, die ein Mindestmaß an Sicherheit und Unbedenklichkeit nicht gewährleisten.

In Bezug auf den Gesundheitsschutz stimmt der Zweck des Krankenversicherungsrechts mit den vom AMG verfolgten Zwecken überein, so daß eine Leistungspflicht der Krankenversicherung entgegen einem arzneimittelrechtlichen Verbot zu einem unerträglichen Wertungswiderspruch führen würde. Diese Erwägung stützt nicht nur den Leistungsausschluß für Fertigarzneimittel, denen die arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt und deren Inverkehrbringen daher vom Gesetz verboten ist (vgl nochmals BSGE 82, 233, 236 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 17). Sie gilt entsprechend für Medikamente, die wegen fehlender Herstellungserlaubnis durch behördliche Verfügung vom Verkehr ausgeschlossen sind. Die Verbotsverfügung vom 9. Januar 1992 an Dr. K. ist mit dem Fehlen einer Herstellungserlaubnis begründet (§ 69 Abs 1 Nr 6 AMG) und soll demnach eine Vermarktung von Arzneimitteln verhindern, deren Herstellung mangels behördlicher Erlaubnis den Straftatbestand des § 96 Nr 4 AMG erfüllt. Da mit dem Erfordernis einer Herstellungserlaubnis für Arzneimittel der Gesundheitsschutz der Bevölkerung bezweckt wird, hat die Verbotsverfügung dasselbe Ziel. Die Vorschriften des AMG sollen Arzneimittel vom Markt fernhalten, die für den Menschen schädlich sein könnten, was sich bereits daraus ergibt, daß beispielsweise für die Gesundheit bedenkliche oder radioaktive Arzneimittel grundsätzlich verboten sind (§§ 5, 7 AMG) und daß Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Fertigarzneimitteln zu überprüfen sind, bevor sie auf dem Markt zugelassen werden (§ 21 Abs 1 AMG, insbesondere iVm den Versagungsgründen des § 25 Abs 2 Satz 1 Nr 2 bis 5 AMG: unzureichende wissenschaftliche Prüfung, unzureichende Qualität, fehlende therapeutische Wirksamkeit, unvertretbare schädliche Wirkungen). Derselbe Schutzzweck wird auch mit dem Verbot der unerlaubten Herstellung verfolgt. Das zeigt sich ebenfalls an den Versagungsgründen, die das Bestreben erkennen lassen, Medikamente zu verhindern, bei deren Herstellung nicht mit der notwendigen Umsicht vorgegangen wird. Mit bestimmten Anforderungen an die Qualifikation der für die Herstellung Verantwortlichen und an die Betriebsstätte (§ 14 Abs 1 Nr 1 bis 4 AMG, § 54 Abs 1 AMG) soll gewährleistet werden, daß die Qualität der von ihnen hergestellten Arzneimittel einen Mindeststandard nicht unterschreitet; der damit beabsichtigte Gesundheitsschutz enthält unter dem Gesichtspunkt überragender Belange des Gemeinwohls gleichzeitig die Rechtfertigung für die in den genannten Vorschriften liegende Beschränkung der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit (vgl für die Zugangsvoraussetzungen zu rechtsberatenden Berufen: BVerfGE 93, 213, 235; 63, 266, 286; 55, 185, 196 jeweils mwN). Insofern stimmt der Zweck der Untersagungsverfügung mit den Zielen der gesetzlichen Krankenversicherung überein. Mit deren in § 1 SGB V umschriebenen Aufgaben wäre eine Verpflichtung unvereinbar, dem Versicherten ein Arzneimittel zu verschaffen, dessen Unbedenklichkeit in keiner Weise gewährleistet und das deshalb durch behördliche Verfügung vom Markt ausgeschlossen ist.

Im hier maßgeblichen Zeitraum war es dem Hersteller Dr. K. durch behördliche Verfügung untersagt, seine autologen Target-Zytokine im Geltungsbereich des AMG in den Verkehr zu bringen. Weder die Existenz, noch der Inhalt, noch die sofortige Vollziehbarkeit der Verfügung vom 9. Januar 1992 wird von der Revision in Zweifel gezogen; infolgedessen ist der Senat nach § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an die diesbezüglichen Feststellungen des LSG gebunden. Auf die im Verwaltungsrechtszug bestätigte Rechtmäßigkeit dieser Verfügung kommt es nicht an. Infolgedessen ist auch unerheblich, ob Dr. K. in Wirklichkeit über eine Herstellungserlaubnis verfügte und welchen Inhalt diese hatte - abgesehen davon, daß es sich bei den diesbezüglichen Behauptungen um in der Revisionsinstanz grundsätzlich unbeachtliches neues Tatsachenvorbringen handelt. Entscheidend für den Ausschluß des betroffenen Mittels aus der krankenversicherungsrechtlichen Leistungspflicht ist allein, daß das behördliche Verbot bestand und durchsetzbar war; letzteres ergibt sich aus seiner sofortigen Vollziehbarkeit.

Die Abgabe von autologen Target-Zytokinen an den Patienten oder an den behandelnden Arzt zur Verabreichung an den Patienten wird von dem behördlichen Verbot erfaßt, weil sie sich als "Inverkehrbringen" darstellt. Dabei ist davon auszugehen, wie dieser Begriff nach den Gesamtumständen von dem vom Verbot Betroffenen verstanden werden mußte; seine arzneimittelrechtliche Definition ist insofern nur ein Indiz. Durch die Verbotsverfügung der Regierung von Oberbayern sollte ersichtlich die von Dr. K. geübte Praxis unterbunden werden, die ohne Herstellungserlaubnis produzierten ATC an die betroffenen Patienten oder ihre Ärzte zur Behandlung außerhalb seiner eigenen Praxis abzugeben. Nur diese Form des Inverkehrbringens ist bei Eigenblutprodukten überhaupt denkbar und nur sie konnte deshalb mit dem Verbot gemeint sein. Dieses Verständnis entspricht im übrigen der Terminologie des § 4 Abs 17 AMG, denn danach fällt unter das Inverkehrbringen neben dem Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, dem Feilhalten und dem Feilbieten auch die Abgabe an andere. Der Senat hat bereits entschieden, daß ein Arzt, der seinem Patienten ein von ihm gewerbsmäßig hergestelltes Arzneimittel veräußert und zur Verwendung außerhalb seiner eigenen unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeit überläßt, nicht mehr selbst Anwender des Arzneimittels ist, sondern dieses entsprechend der Legaldefinition in § 13 Abs 1 Satz 3 AMG "an andere abgegeben" hat (Urteil vom 23. Juli 1998 - BSGE 82, 233, 235 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 16). Allerdings wird ein Produkt üblicherweise dadurch in den Verkehr gebracht, daß es jedwedem Interessenten zum Verkauf oder zur kostenfreien Lieferung angeboten wird. Von dieser Kernbedeutung des Inverkehrbringens unterscheidet sich der hier zu beurteilende Vorgang dadurch, daß es für eine bestimmte Charge der ATC nur einen einzigen potentiellen Abnehmer gibt - nämlich denjenigen Patienten, dem das Blut als Grundstoff für die Zubereitung des Medikaments entnommen worden war. Im vorliegenden Zusammenhang ist das dennoch kein wesentlicher Unterschied. Denn auch bei einer Blutzubereitung richtet sich das Leistungsangebot an jeglichen Interessenten - nur beschränkt es sich nicht auf die Lieferung, sondern schließt die Herstellung des Medikaments aus dem Blut des Patienten mit ein.

In Bezug auf das Merkmal des Inverkehrbringens ist es jedenfalls bei Eigenblutzubereitungen geboten, die Vorgänge der Herstellung und Lieferung als rechtliche Einheit zu betrachten. Das geschieht auch in anderem rechtlichen Zusammenhang, beispielsweise im Zivilrecht. § 651 Abs 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch unterwirft die Herstellung und Lieferung von vertretbaren Sachen dem Kaufvertragsrecht, wenn der Lieferant (Werkunternehmer) das Ausgangsmaterial selbst beschafft. Diese Bestimmung ist zwar bei Eigenblutzubereitungen nicht einschlägig und schließt daher - je nach Bewertung der Nähe zu einer ärztlichen Behandlung - die Anwendung von Dienst- oder Werkvertragsrecht nicht aus; dennoch ist ihr auch im Rahmen dieser rechtlichen Zuordnung zu entnehmen, daß eine nur auf den Vorgang der Lieferung abstellende Bewertung zu kurz greift. Wer wie hier Dr. K. die Bereitschaft zu erkennen gibt, jeglichen Patienten mit dem von ihm zubereiteten Medikament zu versorgen, kann gegenüber einem behördlichen Verbot des Inverkehrbringens nicht einwenden, der Gesamtvorgang sei durch die nach der "Bestellung" liegenden Phasen der Herstellung und Abgabe geprägt, die nach der Natur des Medikaments auf den einzelnen Patienten bezogen sein müssen. Vielmehr begründet bereits das Angebot, Eigenblutzubereitungen im Rahmen der Produktionskapazitäten für jeden beliebigen Interessenten herzustellen, die generelle Verfügbarkeit von ATC auf dem Arzneimittelmarkt, die jede Auftragsausführung als Inverkehrbringen charakterisiert. Dem entspricht § 4 Abs 17 AMG, wonach auch das "Feilbieten" ein Inverkehrbringen beinhaltet.

Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn ein niedergelassener Arzt im Rahmen des Behandlungsvertrags ein Medikament selbst herstellt und seinem Patienten verabreicht. Dann bleibt das Arzneimittel unselbständiger Teil der ärztlichen Behandlung, die zivilrechtlich vorwiegend als Dienstleistung zu charakterisieren ist. Wegen der Überschneidung mit dem ärztlichen Berufsrecht fehlt dem Bundesgesetzgeber insoweit die Gesetzgebungskompetenz zu einer arzneimittelrechtlichen Regelung (vgl Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 420/97 = NJW 2000, 857). Der Verabreichung im Rahmen einer umfassenden ärztlichen Dienstleistung darf aber die Lieferung eines Eigenprodukts an einen Besteller, der damit nach Gutdünken verfahren kann, nicht gleichgesetzt werden. Unter Umständen - etwa wenn sich der Patient von mehreren Ärzten behandeln läßt, von denen sich einer ausschließlich auf die Herstellung und Verabreichung eines Medikaments beschränkt - mögen die Übergänge fließend und die Abgrenzung schwierig sein; ausnahmsweise mag sogar dieser Vorgang unter dem Gesichtspunkt der Umgehung der Vorschriften des AMG unter den Begriff des Inverkehrbringens subsumiert werden müssen. Da die hier betroffene Patientin den Hersteller Dr. K. nicht aufgesucht hat und sich die ATC von ihrem in Berlin niedergelassenen behandelnden Arzt hat injizieren lassen, scheidet die Annahme einer unmittelbaren Behandlung durch Dr. K. von vornherein aus. Infolgedessen braucht der Senat auch nicht zu entscheiden, wie die angesprochenen Grenzfälle rechtlich zu bewerten wären. Ebenso kann offenbleiben, welche Funktion das in den Akten erwähnte "Institut für Immunologie und Zellbiologie" bei der Auftragsabwicklung übernommen hat und ob - für den Fall einer selbständigen Rechtspersönlichkeit - schon wegen dessen Einschaltung die Abgabe an die Versicherte nicht mehr als rein interner Vorgang der ärztlichen Heilbehandlung außerhalb des Verkehrs mit Arzneimitteln aufgefaßt werden könnte. Der Erwägung der Revision, zwischen Dr. K. und dem behandelnden Arzt in Berlin habe eine ärztliche Anwendungsgemeinschaft in "Gesamtverantwortung" bestanden, vermag der Senat nicht näher zu treten, weil diese Konzeption mit den Bestimmungen des AMG nicht in Einklang zu bringen ist.

Diesem Ergebnis können verfassungsrechtliche Erwägungen nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Die Revision meint, der sterbenskranke Versicherte, dem mit den gängigen Mitteln nicht mehr geholfen werden könne, habe einen Anspruch auf weitergehende Leistungen, wenn über die Möglichkeit einer Heilung oder Linderung in der schulmedizinischen Wissenschaft ernstlich diskutiert werde. Andernfalls seien die Menschenwürde, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das Sozialstaatsprinzip und der Gleichheitssatz verletzt, weil eine derartige "letzte Therapiemöglichkeit" sozial besser gestellten Personen vorbehalten sei. Der Senat hat sich mit diesem Argument in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 28. März 2000 - B 1 KR 11/98 R - befaßt und dargelegt, daß das geltende Recht die Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenkasse für einen sogenannten "individuellen Heilversuch" mit nicht ausreichend erprobten und in ihrer Wirksamkeit nicht gesicherten Behandlungsmethoden selbst bei schweren und tödlich verlaufenden Krankheiten grundsätzlich nicht zuläßt. Die Einwände des Klägers greifen im übrigen deshalb nicht, weil der verfassungsrechtliche Schutz der körperlichen Unversehrtheit gerade bei sterbenskranken Patienten nicht die Verwendung von Arzneimitteln rechtfertigen kann, gegen deren Qualität aus Gründen des Gesundheitsschutzes Bedenken bestehen. Auch das Gebot der Gleichbehandlung kann in diesem Zusammenhang nicht verletzt sein, weil das Verbot des Inverkehrbringens wohlhabende ebenso wie bedürftige Patienten trifft und weil die mögliche Heilungschance wiederum von der - als fragwürdig anzusehenden - Qualität des Mittels abhängt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved