B 3 KR 17/99 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 17/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Juni 1999 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse einen Rollstuhl zur Benutzung in einem Behindertenheim.

Die 1935 geborene Klägerin leidet an geistiger Behinderung, chronischer Herzinsuffizienz und Fettleibigkeit; sie kann nicht mehr gehen. Sie lebt seit 1981 in einem Heim für geistig Behinderte und erhält Leistungen der vollstationären Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG); die beigeladene Pflegekasse trägt gemäß § 43a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) 10 vH des vereinbarten Heimentgelts bis zu einer Höchstgrenze von 500 DM monatlich.

Einen im März 1996 gestellten Antrag auf einen vertragsärztlich verordneten sog Adaptivrollstuhl lehnte die Beklagte nach Einschaltung des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), der die Versorgung mit einem Schieberollstuhl zur Erleichterung der Pflege und zur Vorbeugung einer dauernden Bettlägerigkeit befürwortet hatte, ab (Bescheid vom 15. März 1996 und Widerspruchsbescheid vom 24. September 1996).

Das Sozialgericht (SG) hat der - laut Antrag nur noch auf einen "Rollstuhl" gerichteten - Klage nach Einholung von Arztberichten und einer ergotherapeutischen Stellungnahme sowie Vorlage eines Gutachtens des MDK stattgegeben (Urteil vom 29. April 1998) und ausgeführt, die Klägerin benötige den Rollstuhl zur Lebensbewältigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse. Der Rollstuhl habe Ersatzfunktion für das Gehen und erweitere die Bewegungsfreiheit; darauf, ob die Klägerin ihn selbständig bewegen könne, komme es nicht an. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 9. Juni 1999) und sich insoweit der Begründung des SG angeschlossen. Im übrigen stehe nicht entgegen, daß der Rollstuhl auch der Erleichterung der Pflege diene, weil nicht dieser Gesichtspunkt, sondern die Krankenbehandlung (Kreislaufaktivierung und Geschwürvorbeugung) sowie die Teilnahme an Kommunikation und gesellschaftlichen Ereignissen im Vordergrund stehe. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte gehe einem möglichen Anspruch gegen die Pflegekasse vor.

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie macht geltend, der Rollstuhl sei zwar erforderlich. Sie selbst sei aber nicht leistungspflichtig, weil der Rollstuhl weder von der Klägerin eigenständig benutzt werden könne noch individuell angepaßt werden müsse und daher überwiegend der Entlastung des Heims bei der Pflege diene. Mobiliar und Hilfsmittel gehörten zu den investiven Kosten eines Pflegeheimes.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Juni 1999 und des Sozialgerichts Stendal vom 29. April 1998 abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Revision zurückzuweisen.

Die beigeladene Pflegekasse hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

II

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet. Die Feststellungen des LSG reichen nicht zur Entscheidung der Frage aus, ob die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf den begehrten Rollstuhl hat.

1. Die Klage ist zulässig. Das SG hat der auf einen "Rollstuhl" gerichteten Klage stattgegeben, das LSG hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es ist davon auszugehen, daß Streitgegenstand ein einfacher Schieberollstuhl ist, der serienmäßig die Möglichkeit zu bestimmten Anpassungen - etwa Breite, Sitzhöhe uä - hat (sog Adaptivrollstuhl). Zwischen dem vertragsärztlich verordneten und ursprünglich beantragten "Adaptivrollstuhl" und dem zugesprochenen "Rollstuhl" besteht daher in der Sache kein Unterschied. Es handelt sich nicht um einen speziell für die Klägerin anzufertigenden Rollstuhl - der rechtlich anders zu behandeln wäre (vgl unten). Die Art und Weise der Versorgung - ob Übereignung des Rollstuhls oder Leihe - kann offenbleiben und dem Ermessen der Beklagten überlassen werden.

2. Ein Anspruch der Klägerin auf den begehrten Rollstuhl könnte sich aus § 33 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ergeben. Nach dieser Norm haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Versicherte, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung die Fähigkeit zum selbständigen Gehen und Stehen verloren haben, können hiernach zur Erhaltung ihrer Mobilität einen Rollstuhl als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen, soweit - wie hier - Gehhilfen einfacherer und preiswerterer Art (zB Gehstock, Krücken, Rollator) nicht ausreichen. Ein Rollstuhl ist kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil er von Gesunden nicht benutzt wird. Rollstühle werden auch nicht von der Regelung des § 34 Abs 4 SGB V über den Ausschluß von Heil- und Hilfsmitteln von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis erfaßt.

a) Die Anwendung des § 33 SGB V ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Klägerin zum Kreis pflegebedürftiger Personen nach §§ 14, 15 SGB XI gehört und der Rollstuhl auch der Erleichterung ihrer Pflege dient. Nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI haben Pflegebedürftige Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Ein Anspruch gegen die beigeladene Pflegekasse auf Versorgung mit dem Rollstuhl als Pflegehilfsmittel scheidet schon deshalb aus, weil die Pflegekassen nur für die Versorgung der Versicherten mit Pflegehilfsmitteln im häuslichen Bereich zuständig sind; die Klägerin wird aber nicht in einem Haushalt gepflegt. Die Vorschrift des § 40 SGB XI gehört zum Dritten Abschnitt "Leistungen" und dort zum Ersten Titel "Leistungen bei häuslicher Pflege". Die hier einschlägigen §§ 43 und 43a SGB XI, die im Dritten und Vierten Titel stehen, enthalten keine dem § 40 SGB XI vergleichbare Regelung und verweisen auch nicht darauf. Vielmehr sind Leistungen der häuslichen Pflege bei Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung generell ausgeschlossen (§ 36 Abs 1 Satz 2 2. Halbsatz SGB XI). Die Begrenzung auf die häusliche Pflege ist auch sachgerecht, weil individuelle Pflegehilfsmittel im Pflegeheim wegen der dort vorhandenen Ausstattung regelmäßig nicht benötigt werden.

b) Der Versorgungsanspruch nach § 33 SGB V ruht nicht schon wegen des Heimaufenthalts. Nach der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Rechtslage (vgl § 216 Abs 1 Nr 4 iVm § 165 Abs 1 Nr 3 Reichsversicherungsordnung (RVO)) ruhte allerdings der Anspruch eines der Pflichtversicherung zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) unterliegenden Rentners, eines Rentenantragstellers und eines anspruchsberechtigten Familienangehörigen auf Krankenhilfe, wenn er in einer Anstalt (zB Pflegeheime, psychiatrische Anstalten und Krankenheime) dauernd zur Pflege untergebracht war, in der er im Rahmen der gesamten Betreuung Krankenpflege erhielt. Der Anspruch auf Krankenhilfe, der auch die Hilfsmittelversorgung umfaßte, ruhte dabei aber nur insoweit, als sie in der Anstalt im Rahmen der durch den Pflegesatz abgegoltenen Leistungen tatsächlich sichergestellt war; im übrigen hatte die Krankenkasse einzutreten (BSGE 21, 244 = SozR Nr 1 zu § 216 RVO). Es hing demnach vom Leistungsspektrum sowie von der Aufnahme entsprechender Leistungen in den Pflegesatz und den Heimvertrag ab, inwieweit die Ruhensvorschrift eingriff.

Eine dem § 216 Abs 1 Nr 4 RVO entsprechende Vorschrift enthält das Krankenversicherungsrecht seit dem Inkrafttreten des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477) nicht mehr. Während in § 17 Abs 1 Nr 5 des Referentenentwurfs zum GRG vom 20. Januar 1988 die Ruhensvorschrift noch auf alle Versicherten, also nicht nur Rentner, ausgedehnt werden sollte, enthält die neue Ruhensvorschrift des § 16 SGB V überhaupt keine einschlägige Regelung mehr. In der Begründung der Bundesregierung heißt es dazu, daß der § 216 Abs 1 Nr 4 RVO nicht übernommen werden sollte, weil diese Regelung in der Praxis durch Änderungen der Pflegevertragsbedingungen unterlaufen werden konnte und zunehmend als Diskriminierung von Pflegebedürftigen angesehen wurde (BR-Drucks 200/88 S 165).

c) Nach der ab dem 1. Januar 1989 geltenden Rechtslage sind die Krankenkassen also für die Versorgung eines Versicherten mit Hilfsmitteln grundsätzlich unabhängig davon verpflichtet, ob er in einer eigenen Wohnung oder in einem Heim lebt. Dieser Grundsatz erfährt jedoch beim "Versicherungsfall" der vollstationären Pflegebedürftigkeit, also bei der vollstationären Pflege in einem zugelassenen Pflegeheim (§ 71 Abs 2 SGB XI), weiterhin eine Einschränkung. Die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln endet nach der gesetzlichen Konzeption des SGB V und des SGB XI dort, wo bei vollstationärer Pflege die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner mit Hilfsmitteln einsetzt. Bei vollstationärer Pflege hat der Träger des Heimes für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel zu sorgen, weil er verpflichtet ist, die Pflegebedürftigen ausreichend und angemessen zu pflegen, sozial zu betreuen und mit medizinischer Behandlungspflege zu versorgen (§ 43 Abs 1, 2 und § 43a SGB XI). Nach § 11 Abs 1 SGB XI hat die Pflege in Pflegeeinrichtungen nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse zu erfolgen (Satz 1). Inhalt und Organisation der Leistungen haben eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten (Satz 2). Die Pflegeheime haben auch für die soziale Betreuung der Bewohner zu sorgen (§§ 43 Abs 2 Satz 1 und 82 Abs 1 Satz 2 SGB XI). Die die Zulassung bewirkenden Versorgungsverträge dürfen nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die den Anforderungen des § 71 SGB XI genügen und die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten (§ 72 Abs 3 Satz 1 SGB XI). Die Heime müssen daher das für die vollstationäre Pflege notwendige Inventar bereithalten. Einen geeigneten Anhaltspunkt für die von den zugelassenen Pflegeheimen vorzuhaltenden Hilfsmittel bietet - ohne daß hier eine abschließende Beurteilung jedes einzelnen Hilfsmittels vorzunehmen ist - zB die "Gemeinsame Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen/Pflegekassen zur Ausstattung von Pflegeheimen mit Hilfsmitteln" vom 26. Mai 1997, solange Rechtsverordnungen über die Ausstattung von Pflegeheimen mit Hilfsmitteln fehlen (vgl § 83 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGB XI). Hierzu zählen zB alle Hilfsmittel, die bei Verwirrtheitszuständen, Lähmungen und sonstigen Funktionseinschränkungen üblicher Art (zB bei Altersdemenz, Morbus Alzheimer, Folgen eines Schlaganfalls, Multipler Sklerose und Querschnittslähmungen) benötigt werden. Die gesetzliche Krankenversicherung hat darüber hinaus nur solche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die nicht der "Sphäre" der vollstationären Pflege zuzurechnen sind. Das sind im wesentlichen:

(1) individuell angepaßte Hilfsmittel, die ihrer Natur nach nur für den einzelnen Versicherten bestimmt und grundsätzlich nur für ihn verwendbar sind (zB Brillen, Hörgeräte, sonstige Prothesen);

(2) Hilfsmittel, die der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses (zB Kommunikation oder Mobilität) außerhalb des Pflegeheims dienen. Das ist noch nicht der Fall, wenn es nur um das reine Spazierenfahren an der frischen Luft auf dem Heimgelände geht. Die Sphäre des Heimes ist auch dann noch nicht verlassen, wenn es sich um gemeinsame Ausflüge der Heimbewohner oder um sonstige von der Heimleitung organisierte bzw verantwortete Aktivitäten außerhalb des Heimes (zB gemeinsamer Stadtbummel) handelt. Regelmäßige Aktivitäten des Pflegebedürftigen außerhalb des Heimes (Ausflüge, Spazierfahrten, Besuche in Cafés, Restaurants, Theater, Kinos usw), allein oder in Begleitung von Angehörigen, Freunden und Bekannten, unabhängig vom Pflegepersonal, können hingegen nicht mehr der Sphäre des Heimes und seinem Verantwortungsbereich zugerechnet werden.

Rollstühle sind danach Hilfsmittel, die bei vollstationärer Pflege in einem zugelassenen Pflegeheim grundsätzlich vom Heimträger zur Verfügung zu stellen sind. Denn Rollstühle gehören in aller Regel nicht zu den individuell angepaßten Hilfsmitteln, für die stets die Krankenkassen zuständig sind. Das ist auch dann der Fall, wenn es sich um ein Serienfabrikat handelt, das auf bestimmte körperliche Gegebenheiten einstellbar ist (zB Adaptivrollstuhl), also nicht als ein Einzelstück angefertigt worden ist, das nur für einen bestimmten Versicherten verwendbar ist.

Im Rahmen des Heimvertrags hat der Heimträger daher dafür einzustehen, daß jeder Heimbewohner, der nicht mehr selbst gehen kann und auf einen Rollstuhl angewiesen ist, diesen auch zur Verfügung gestellt bekommt, damit er - entweder aus eigenen Kräften oder mit Hilfe des Pflegepersonals oder Angehöriger - sein Zimmer verlassen, andere Räume des Heimes (Bad, WC, Speisesaal, Aufenthaltsraum) aufsuchen und, um an die frische Luft zu kommen, auf dem Gelände des Heimes spazierenfahren kann, er also stets alle Orte erreichen oder dorthin gebracht werden kann, wo die verschiedenen Pflegeleistungen erbracht werden oder soziale Betreuung stattfindet. Der Heimträger hat deshalb die notwendige Anzahl an geeigneten Rollstühlen bereitzustellen; sie gehören bei vollstationärer Pflege zum notwendigen Inventar von Pflegeheimen. Die Kosten sind als Aufwendungen für abschreibungsfähige Anlagegüter (§ 82 Abs 2 Nr 1 SGB XI) über die öffentliche Investitionsförderung und ansonsten über die neben der Pflegevergütung zu zahlenden Kosten für zusätzliche Aufwendungen (§ 82 Abs 3 und 4 SGB XI) abzudecken.

d) Im vorliegenden Fall ist allerdings nicht hinreichend geklärt, in welcher Art von Einrichtung die Klägerin untergebracht ist und auf welcher rechtlichen Grundlage ihre Pflege erfolgt. Nach den Feststellungen des LSG trägt die beigeladene Pflegekasse für die Klägerin 10 vH des nach dem BSHG vereinbarten Heimentgeltes bis zu einem Betrag von 500 DM monatlich. Es dürfte sich daher - Genaueres wird das LSG noch zu ermitteln halben (vgl unten) - bei dem "Pflegeheim S." nicht um eine vollstationäre Pflegeeinrichtung iS der §§ 71 Abs 2, 72 Abs 1 SGB XI, sondern um eine Einrichtung iS der §§ 43a, 71 Abs 4 SGB XI handeln, in welcher für die Klägerin auch Hilfe zur Pflege nach den §§ 68 ff BSHG erfolgt, zu der die Pflegekasse finanziell den oben genannten Beitrag zu leisten hat.

Für die Pflege auf dieser rechtlichen Basis müssen die oben entwickelten Grundsätze eine Abwandlung erfahren. Gesetzliche Regelungen, aus denen zu folgern ist, daß das für die typischen Pflegefälle benötigte Inventar vom Träger des jeweiligen Heims vorzuhalten ist, bestanden in diesem Bereich lange Zeit nicht. Selbst bei der Einführung der sozialen Pflegeversicherung durch das Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I, 1014) hat der Gesetzgeber in einem neuen § 93 Abs 7 BSHG lediglich für zugelassene Pflegeeinrichtungen iS des § 72 SGB XI klargestellt, daß sich die Leistungen nach dem SGB XI richten. Erst mit dem 1. SGB XI-ÄndG vom 14. Juni 1996 (BGBl I, 830) hat der Gesetzgeber in einem neuen § 68 Abs 2 BSHG verdeutlicht, daß die Hilfe zur Pflege die häusliche Pflege, Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und vollstationäre Pflege umfaßt und daß sich der Inhalt der Hilfen nach den Regelungen der Pflegeversicherung für die in § 28 Abs 1 Nrn 1, 5 bis 8 SGB XI aufgeführten Leistungen bemißt. Dies bedeutet, daß die Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem BSHG dem Standard des SGB XI zu entsprechen haben.

Das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl I, 1088) hat die Instrumente zur Umsetzung dieses Grundsatzes geschärft; da die entsprechenden Vorschriften (§§ 93 ff BSHG nF) am 1. August 1996 bzw am 1. Januar 1999 in Kraft getreten sind (Art 17) und die mündliche Verhandlung vor dem LSG am 9. Juni 1999 stattgefunden hat, sind sie für den vorliegenden Fall maßgeblich geworden. Nach den §§ 93 ff BSHG nF hat der Träger der Sozialhilfe mit den Trägern von für Leistungen der Sozialhilfe geeigneten Einrichtungen (§ 93 Abs 1 BSHG) in umfangreichen Vereinbarungen - die den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen müssen - die wesentlichen Leistungsmerkmale festzulegen, und zwar mindestens die betriebsnotwendigen Anlagen der Einrichtung, den von ihr zu betreuenden Personenkreis, Inhalt, Umfang, Art, Ziel und Qualität der Leistung, die Qualifikation des Personals, die Pflicht zur Aufnahme und Betreuung von Hilfeempfängern, die erforderliche sächliche und personelle Ausstattung, die Vergütung nach Grundpauschalen, Maßnahmepauschalen und den Investitionsbetrag, Grundsätze und Maßstäbe für die Wirtschaftlichkeit und die Qualitätssicherung sowie das Verfahren zur Durchführung von Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen (§§ 93 Abs 2, 93a Abs 1-3 BSHG nF). Soweit eine Vereinbarung nicht abgeschlossen ist, kann der Träger der Sozialhilfe nach § 93 Abs 3 BSHG nF, wenn dies nach der Besonderheit des Falles geboten ist, gleichwohl Hilfe durch diese Einrichtung gewähren; dazu muß der Träger der Einrichtung allerdings ein Leistungsangebot vorlegen, das die oben genannten Kriterien für eine Vereinbarung erfüllt und sich schriftlich verpflichten, Leistungen entsprechend diesem Angebot zu erbringen. Soweit weder eine Vereinbarung iS der §§ 93 Abs 2, 93a BSHG noch ein Leistungsangebot nach § 93 Abs 3 BSHG vorliegt, darf der Träger der Sozialhilfe keine Leistungen gewähren (§ 3 Abs 2 BSHG). Für den Bereich der Pflege folgt aus dem oben Gesagten, daß der Träger der Sozialhilfe grundsätzlich nur Vereinbarungen treffen (oder Leistungsangebote akzeptieren) darf, durch die eine Pflege auf dem Standard des SGB XI sichergestellt wird.

Die in Betracht kommenden Einrichtungen - von denen diejenigen iS des § 71 Abs 4 SGB XI (vgl zu Begriff und Abgrenzungsschwierigkeiten Lachwitz in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 4: Pflegeversicherung, Anhang RdNr vor A 394 (16ff) mwN) nur einen Teilbereich darstellen - erfüllen allerdings sehr unterschiedliche Aufgaben, dienen unterschiedlichen Benutzerkreisen mit dementsprechenden Gestaltungskonzepten und sind daher auch in sächlicher Hinsicht sehr unterschiedlich auszustatten. Häufig werden sie überwiegend anderen Zwecken dienen und die Pflege nur am Rande mit durchführen, wie bereits aus den §§ 43a, 71 Abs 4 SGB XI hervorgeht. So stellt sich die Frage der Ausstattung mit Rollstühlen in einer Einrichtung, die im wesentlichen der Pflege älterer und daher häufig gehbehinderter Menschen dient, völlig anders als in einem Heim für geistig Behinderte in jugendlichem Alter. Eine allgemeine Beschreibung des erforderlichen Inventars - dessen Kosten Teil der Vergütung des Trägers der Sozialhilfe an den Träger der Einrichtung sind (§ 93a Abs 2 BSHG) - erscheint daher im Unterschied zu den zugelassenen Pflegeheimen iS der §§ 71 Abs 2, 72 Abs 1 SGB XI nicht möglich. Vielmehr wird man wie folgt unterscheiden müssen: Soweit dies den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspricht, also insbesondere in Einrichtungen mit einer erheblichen Zahl von Schwer- und Schwerstpflegebedürftigen, werden sich die Vereinbarungen mit dem Träger der Einrichtung hinsichtlich der sächlichen Ausstattung an den oben entwickelten Grundsätzen für Pflegeeinrichtungen iS der §§ 71 Abs 2, 72 Abs 1 SGB XI zu orientieren haben. Wenn nach diesen Kriterien das Vorhalten bestimmter Hilfsmittel zum notwendigen Inventar einer Pflegeeinrichtung zählt, kommt daneben eine Leistungsverpflichtung der Krankenkasse nicht mehr in Betracht; dies folgt bereits aus dem Gesichtspunkt, daß öffentliche Finanzmittel (hier: Versichertenbeiträge) nicht noch einmal für Zwecke ausgegeben werden dürfen, die bereits anderweitig staatlich finanziert werden (dort steuerfinanzierte Leistungen des Sozialhilfeträgers). Dem steht der Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe nicht entgegen, weil der Sozialhilfeträger zu einer andersartigen und weitergehenden Leistung, nämlich der vollstationären Pflege, verpflichtet ist. Soweit die Einrichtungen allerdings Schwerpflegebedürftige und insbesondere Rollstuhlfahrer grundsätzlich nicht aufnehmen, kann weder vom Sozialhilfeträger noch vom Einrichtungsträger die Finanzierung des Vorhaltens von Rollstühlen nach den oben entwickelten Kriterien erwartet werden. Bei derartigen Einrichtungen ist es vielmehr wieder vorrangig Aufgabe der Krankenkassen, den ausnahmsweise - etwa im Hinblick auf individuelle Wünsche (vgl § 3 BSHG) - dort untergebrachten Rollstuhlfahrer individuell mit dem Hilfsmittel auszustatten, auch wenn dieses nur zur Mobilität innerhalb der Sphäre des Heimes dienen soll.

Hier hat das LSG allerdings keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die eine endgültige Entscheidung durch den Senat ermöglichen könnten. Das LSG wird daher noch zu ermitteln haben, um welche Art von Heim es sich handelt, welche Vereinbarungen (oder Leistungsangebote des Heimträgers) zwischen Sozialhilfeträger und Heim maßgeblich sind und welchen Betätigungen der Rollstuhl dienen soll. Nach den festgestellten schweren Behinderungen und Krankheiten der Klägerin werden zwar Rollstuhlfahrten außerhalb der Sphäre des Heimes aus eigener Kraft kaum in Betracht kommen. Es reicht aber aus, wenn dies mit fremder Hilfe, insbesondere durch Angehörige, Freunde, Bekannte oder ehrenamtliche Helfer, regelmäßig erfolgen kann; soweit dies der Fall ist, können die übrigen Feststellungen unterbleiben, weil die Krankenkasse dann ohnehin leistungspflichtig ist.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Rechtskraft
Aus
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