Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 14/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 4. Februar 1999 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Hessische Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um eine Beitragsforderung.
Die Klägerin, eine kleine Firma für Holzbau, beschäftigt mehrere Arbeitnehmer, für die sie eine Gruppenunfallversicherung abgeschlossen hat. Die Prämien hierfür zahlt sie kalenderjährlich im voraus zum 1. Januar. Bei einer Lohnsteueraußenprüfung stellte das Finanzamt im April 1993 fest, daß es sich bei diesen Versicherungsprämien um steuerpflichtigen Arbeitslohn handele. Es setzte daher gegenüber der Klägerin für 1989 bis 1993 eine Lohnsteuernachzahlung nach einem "repräsentativ ermittelten durchschnittlichen Nettosteuersatz von 23,4 vH" fest.
In der Folgezeit wurden bei der Klägerin auch von Sozialversicherungsträgern Betriebsprüfungen durchgeführt. Bei einer im November 1994 durchgeführten Betriebsprüfung setzte die damals hierfür zuständige Innungskrankenkasse (IKK, Beigeladene zu 1) zwar eine Nachzahlung fest, die jedoch nicht die Gruppenunfallversicherung betraf. Diese wurde erst im Jahre 1996 bei einer Betriebsprüfung von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) aufgegriffen. Mit Summenbescheid vom 28. Mai 1996 verlangte die Beklagte von der Klägerin auf die Prämien zur Gruppenunfallversicherung eine Nachzahlung von insgesamt 3.204,84 DM an Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 31. August 1994.
Die Klägerin hat gegen den Beitragsbescheid Widerspruch eingelegt und die Verjährungseinrede erhoben, soweit von ihr wegen der Gruppenunfallversicherung Beiträge für die Jahre 1989 bis 1991 (insgesamt 1.633,50 DM) verlangt wurden. Es gelte eine vierjährige Verjährungsfrist, so daß die Beklagte die "Nachbelastung" erst ab 1. Januar 1992 vornehmen könne. Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 1997 zurückgewiesen, weil die Beitragsforderung auch für die Jahre 1989 bis 1991 nicht verjährt sei. Die Klägerin habe nach Zustellung des Lohnsteuerbescheides im Jahre 1993 "wissen müssen", daß die Gruppenunfallversicherungsprämien auch beitragspflichtig zur Sozialversicherung seien. Sie habe die Nachentrichtung zumindest bedingt vorsätzlich unterlassen, so daß die 30jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 Satz 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) gelte.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 4. Februar 1999 abgewiesen. Mit Zugang eines Lohnsteuernachforderungsbescheides erhalte ein Arbeitgeber positive Kenntnis davon, daß die noch nicht gemäß § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV verjährten Sozialversicherungsbeiträge von ihm noch zu zahlen seien. Steuerpflichten, die auf der Grundlage des Lohnsteuerhaftungsbescheides festgesetzt würden, lösten auch Beitragspflichten in der Sozialversicherung aus. Dies sei jedem Arbeitgeber bekannt, der versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftige. Anderenfalls sei ihm die Führung eines Betriebes nicht möglich. Daher sei auch bei der Klägerin seit der Lohnsteuernachforderung von Vorsatz und einer 30jährigen Verjährungsfrist auszugehen.
Die Klägerin hat Sprungrevision eingelegt und eine Verletzung des § 25 Abs 1 SGB IV gerügt. Sie habe nicht gewußt, daß es sich bei den Prämien für die Gruppenunfallversicherung um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt handele, und Beiträge nicht vorenthalten wollen. Das SG sei auf das bei vorsätzlichem Vorenthalten von Beiträgen erforderliche Willenselement nicht eingegangen. Es habe außer acht gelassen, daß für jeden Nichtjuristen Arbeitsentgelt das sei, was der Arbeitnehmer nach getaner Arbeit zur freien Verfügung ausgezahlt bekomme, nicht aber Versicherungsprämien, die der Arbeitnehmer "nicht zu Gesicht bekomme" und von denen er voraussichtlich keine Vorteile habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG vom 4. Februar 1999 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 1997 aufzuheben, soweit Beträge für die Zeit vor 1992 verlangt werden.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
II
Die Revision ist iS einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung des Rechtsstreits begründet. Die festgestellten Tatsachen reichen nicht aus, um abschließend über die streitige Nachforderung zu entscheiden.
1. Die Klägerin hat ihren Arbeitnehmern in der Zeit vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1991 dadurch, daß sie eine Gruppenunfallversicherung abgeschlossen und die Prämien hierfür getragen hat, einen geldwerten Vorteil zugewandt. Dieser war jedenfalls seit 1990 Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV; ob er es schon 1989 war, kann aufgrund der vom SG festgestellten Tatsachen nicht beurteilt werden.
Arbeitsentgelt iS von § 14 Abs 1 SGB IV sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Jedoch bestimmte § 1 der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) bereits in seiner bis zum 31. Dezember 1989 geltenden Fassung, daß einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus §§ 2 und 3 ArEV nichts anderes ergibt. Nach § 2 Abs 3 Nr 2 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV) in ihrer Fassung vom 23. Oktober 1984 (BGBl I 1311) gehörten Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistete, um einen Arbeitnehmer für den Fall des Unfalls abzusichern, steuerrechtlich zu den Ausgaben für die Zukunftssicherung und diese nur insoweit zum Arbeitslohn, als sie im Kalenderjahr 312 DM überstiegen. Ausgaben für die Zukunftssicherung bis zu jährlich 312 DM je Arbeitnehmer waren kein steuerpflichtiger Arbeitslohn und waren gemäß § 1 ArEV auch nicht dem Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV zuzurechnen.
Mit Verordnung vom 10. Oktober 1989 (BGBl I 1845) wurde die Freibetragsregelung des § 2 Abs 3 Nr 2 LStDV aufgehoben. Die Regelung, daß es sich bei den Ausgaben des Arbeitgebers für Zukunftssicherung um Arbeitsentgelt handelt, wurde beibehalten (vgl § 2 Abs 2 Nr 3 LStDV idF der VO vom 10. Oktober 1989), dem Arbeitgeber aber in § 40b Abs 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für Veranlagungszeiträume ab 1990 das Recht eröffnet, von den Prämien für eine Unfallversicherung des Arbeitnehmers die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von zunächst 15 vH, später 20 vH der Beiträge zu erheben, wenn mehrere Arbeitnehmer gemeinsam in einem Unfallversicherungsvertrag versichert sind und der Teilbetrag, der sich bei einer Aufteilung der gesamten Beiträge nach Abzug der Versicherungssteuer durch die Zahl der begünstigten Arbeitnehmer ergibt, 120 DM im Kalenderjahr nicht übersteigt (vgl Art 1 Nr 24, Art 17 Abs 1 des Wohnungsbauförderungsgesetzes vom 22. Dezember 1989, BGBl I 2408; Drenseck in Schmidt, EStG, 18. Aufl 1999, § 40b RdNr 11; Ahrend/Förster/Rößler in Blümich, EStG, Stand März 1996, § 40b EStG RdNr 25; BT-Drucks 11/5970 S 41 zu Nr 24; Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 18. Februar 1997, BStBl I 278). Soweit der Arbeitgeber seit 1990 die Lohnsteuer für Beiträge und Zuwendungen nach § 40b Abs 3 EStG erhebt, sind die Beiträge und Zuwendungen ebenfalls nicht dem Arbeitsentgelt iS von § 14 SGB IV zuzurechnen (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 3 ArEV in der seit 1. Januar 1990 geltenden Fassung der Verordnung vom 12. Dezember 1989, BGBl I 2177; später ergänzt durch Art 2 Nr 1 der VO vom 18. Dezember 1998, BGBl I 3822).
2. Das SG ist davon ausgegangen, daß es sich bei den von der Klägerin in den Jahren 1989 bis 1991 gezahlten Prämien für die Gruppenunfallversicherung insgesamt um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt handele. Soweit es um die Beitragsnachforderung für 1989 geht, ist jedoch bereits unklar, ob der Beitragsanspruch überhaupt entstanden ist. Das SG hat insoweit nicht festgestellt, ob die von der Klägerin 1989 für die Gruppenunfallversicherung entrichtete Prämie steuer- und beitragspflichtig war. Soweit es um die Beiträge für 1990 und 1991 geht, ist die Ansicht, die Prämien seien Arbeitsentgelt, nicht zu beanstanden. In dieser Zeit lagen die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 3 ArEV iVm § 40b Abs 3 EStG anscheinend schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin damals diese Pauschsteuer tatsächlich nicht entrichtet hat. Des weiteren scheint der auf jeden Arbeitnehmer entfallende Teilbetrag die für die Pauschalversteuerung geltende Grenze von 120 DM überschritten zu haben. Der geldwerte Vorteil der Gruppenunfallversicherung war daher als Arbeitsentgelt Teil der Bemessungsgrundlage für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und die Umlage nach §§ 14, 17 LFZG. Die Klägerin hat nicht beanstandet, daß die Nachforderung durch einen Summenbescheid festgesetzt wurde.
3. In der Frage der Verjährung von Beitragsforderungen unterscheidet § 25 Abs 1 SGB IV zwischen einer kurzen vierjährigen Verjährungsfrist und einer langen 30jährigen Verjährungsfrist. Nach Satz 1 des § 25 Abs 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren dagegen nach Satz 2 der Vorschrift in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ob die Beiträge für die Jahre von 1989 bis 1991 verjährt sind, richtet sich folglich danach, ob sie iS des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV vorsätzlich vorenthalten worden sind, denn bei Geltung der kurzen Verjährungsfrist waren die Beiträge für die Jahre 1989 bis 1991 verjährt, als sie mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. Mai 1996 geltend gemacht wurden.
Während im Zivilrecht der Lauf der Verjährungsfrist im Regelfall bereits mit der Entstehung des Anspruchs beginnt (vgl § 198 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)), beginnt der Lauf sowohl der kurzen als auch der langen Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 SGB IV erst mit Ablauf des Jahres, in dem die Beiträge fällig geworden sind. Ob die kurze oder die lange Verjährungsfrist gilt, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber gutgläubig war (dh die Beiträge nicht vorsätzlich vorenthalten hat) oder ob er bösgläubig war (dh die Beiträge vorsätzlich vorenthalten hat). War er bei Fälligkeit der Beiträge gutgläubig und ist er es bis zum Ablauf der dann geltenden vierjährigen Verjährungsfrist geblieben, gilt die kurze Verjährungsfrist. War er hingegen schon bei Fälligkeit der Beiträge bösgläubig, gilt die lange 30jährige Verjährungsfrist. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob die kurze oder die lange Verjährungsfrist gilt, wenn der Arbeitgeber bei Fälligkeit der Beiträge (hier in den Jahren 1989 bis 1991) gutgläubig war, aber vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist (hier im Anschluß an die Lohnsteuerprüfung des Jahres 1993) bösgläubig geworden ist.
Auch in diesem Fall gilt die lange Verjährungsfrist. Hat der Beitragsschuldner bei Eintritt der Fälligkeit noch keinen Vorsatz zur Vorenthaltung, läuft zunächst vom folgenden Kalenderjahr an eine vierjährige Verjährungsfrist. Diese verlängert sich jedoch durch eine rückwirkende Umwandlung in die 30jährige Verjährungsfrist, wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig wird. Wie der Senat zum früheren § 29 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) schon entschieden hat, reicht es aus, daß die den subjektiven Tatbestand begründenden Umstände innerhalb der kurzen Verjährungsfrist eintreten (BSG SozR 2200 § 29 Nr 9 S 21 f; BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 6 S 26). Hieran hält der Senat zu § 25 Abs 1 SGB IV fest (so auch Seewald in Kasseler Komm, Stand Mai 1993, § 25 SGB IV RdNr 6).
Die anfänglich vorhandene Gutgläubigkeit begründet keinen Vertrauensschutz, wenn nach Fälligkeit, aber noch vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist Vorsatz hinzutritt. Soweit § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV auf die Fälligkeit der Beiträge abstellt, geschieht dies nur, um den Beginn der Verjährungsfrist auf das Kalenderjahr nach Eintritt der Fälligkeit festzulegen. Dagegen kommt es nach dem Wortlaut der Vorschrift für die Anwendung der 30jährigen Verjährungsfrist nur darauf an, daß es sich um "vorsätzlich vorenthaltene Beiträge" handelt, nicht hingegen darauf, daß die Beiträge bereits bei ihrer Fälligkeit vorsätzlich vorenthalten wurden. Vorsätzlich sind Beiträge auch dann vorenthalten, wenn der Schuldner von seiner bereits früher entstandenen und fällig gewordenen Beitragsschuld erfährt oder er diese erkennt, die Entrichtung der rückständigen Beiträge aber dennoch willentlich unterläßt. Das Verstreichen des Fälligkeitstermins beseitigt weder das Bestehen der Beitragsforderung noch ihre Fälligkeit. Der Beitragsschuldner bleibt auch in solchen Fällen verpflichtet, bisher unterlassene Meldungen nachzuholen, unrichtige, weil unvollständig erstattete Meldungen zu berichtigen und die bisher unterlassene Beitragszahlung nachzuholen (vgl § 9 Abs 2 der 2. Datenerfassungs-Verordnung (2. DEVO) vom 29. Mai 1980, BGBl I 593, geändert durch Verordnung vom 21. März 1984, BGBl I 479, für die Zeit bis 31. Dezember 1998; § 28a Abs 1 Nr 5, § 28b Abs 1 SGB IV iVm § 14 Abs 1 Datenerfassungs- und Übermittlungs-Verordnung (DEÜV) vom 10. Februar 1998, BGBl I 343, für die Zeit ab 1. Januar 1999).
Demgegenüber fällt nicht ins Gewicht, daß der Beitragsschuldner in solchen Fällen trotz anfänglicher Gutgläubigkeit so behandelt wird, als sei er bereits bei Eintritt der Fälligkeit bösgläubig gewesen, und die Frage, ob die kurze oder die lange Verjährungsfrist eingreift, erst nach Ablauf der Frist für die kurze Verjährung endgültig beurteilt werden kann. Auch wird der Arbeitgeber nicht unzumutbar belastet, wenn er die Arbeitnehmeranteile bei Hinzutritt eines Vorenthaltungsvorsatzes insgesamt und nicht nur für Zeiten seiner Bösgläubigkeit bis zum Ablauf der 30jährigen Verjährungsfrist zu tragen hat. Denn auch dem Gutgläubigen ergeht es nicht anders; er kann während der Zeiten seiner Gutgläubigkeit zwar sein Recht zum Einbehalt der Arbeitnehmeranteile mittels Lohnabzug schon mangels Kenntnis nicht und nach Kenntniserlangung für Zeiten der Gutgläubigkeit wegen § 28g SGB IV zeitlich nur eng begrenzt ausüben. Dennoch bleibt er bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist tragungs- und zahlungspflichtig.
Nach allem kommt es darauf an, ob die Klägerin noch vor Ablauf der für die Beträge der Jahre 1989 bis 1991 jeweils geltenden vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig iS eines vorsätzlichen Vorenthaltens der Beiträge und der Umlage geworden ist.
4. Für Vorsatz, wie ihn § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV voraussetzt, sind seit der Neuregelung der Verjährung durch das am 1. Juli 1977 in Kraft getretene SGB IV das Bewußtsein und der Wille erforderlich, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 21. Juni 1990 (12 RK 13/89, USK 90106 = Die Beiträge 1991, 112 ff) ausgeführt hat, reicht es für das Eingreifen der 30jährigen Verjährungsfrist aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Das angefochtene Urteil und das Vorbringen der Beklagten geben jedoch Anlaß zu dem Hinweis, daß Fahrlässigkeit, auch in den Erscheinungsformen der bewußten oder der groben Fahrlässigkeit, nicht genügen.
Zum Vorsatz muß das Vorliegen des inneren (subjektiven) Tatbestandes festgestellt, dh anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell ermittelt werden (vgl zB Hauck in Hauck/Haines, SGB IV, Stand Januar 1994, K § 25 RdNr 4; Schwerdtfeger in GesamtKomm, Stand Februar 1984, § 25 SGB IV Anm 9c und f). Die Feststellungslast (Beweislast) für den subjektiven Tatbestand trifft im Zweifel den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstige lange Verjährungsfrist beruft.
Allgemein geltende Aussagen zum Vorliegen des subjektiven Tatbestandes sind insoweit ausgeschlossen. Jedoch wird Vorsatz regelmäßig vorliegen, wenn für das gesamte typische Arbeitsentgelt (zB bei "Schwarzarbeit") überhaupt keine Beiträge entrichtet werden (vgl auch den Sachverhalt in BSG SozR 2200 § 29 Nr 9). Vorsatz liegt auch noch nahe, wenn Beiträge für verbreitete "Nebenleistungen" zum Arbeitsentgelt nicht gezahlt werden und zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder ohne weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht. Demgegenüber muß der Vorsatz bei wenig verbreiteten Nebenleistungen, bei denen die Steuer- und die Beitragspflicht in komplizierten Vorschriften geregelt sind und nicht voll übereinstimmen, eingehend geprüft und festgestellt werden. Fehler bei der Beitragsentrichtung dürften in diesen Fällen nicht selten nur auf fahrlässiger Rechtsunkenntnis beruhen (vgl Seewald in Kasseler Komm, Stand Mai 1993, § 25 SGB IV RdNr 6), zumal wenn es sich um kleine Betriebe handelt, bei denen der Arbeitgeber die Beitragsberechnung ohne Fachpersonal selbst vornimmt. Zum Vorsatz aber gehört auch in diesen Fällen, daß es der Arbeitgeber zumindest für möglich hält, daß bestimmte Zuwendungen an die Arbeitnehmer dem Grunde nach beitragspflichtiges Arbeitsentgelt und, sofern noch nicht geschehen, Beiträge und die Umlage zu zahlen sind. Hingegen braucht die genaue Beitragshöhe nicht vom Vorsatz umfaßt zu sein.
5. Das angefochtene Urteil enthält keine ausreichenden Feststellungen zum Vorsatz der Klägerin. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, konkrete Tatsachen festzustellen, die nach der Lohnsteuerprüfung des Jahres 1993 den Vorsatz des Vorenthaltens von Beiträgen ergeben. Daran fehlt es im angefochtenen Urteil vollständig. Vielmehr hat das SG allein aus allgemeinen rechtlichen Erwägungen auf Vorsatz geschlossen, ohne zu prüfen, ob seine rechtlichen Erwägungen nach der ArEV zutreffend und auch von der Klägerin angestellt worden sind. Das SG hat damit den Vorsatz als subjektives Tatbestandsmerkmal verkannt.
Abgesehen von dem unzulässigen Vorgehen, aus rechtlichen Erwägungen Tatsachen (hier Vorsatz) abzuleiten und damit vom Sollen auf das Sein zu schließen, nimmt das SG hinsichtlich der Prämien zur Gruppenunfallversicherung zu Unrecht eine vollständige Übereinstimmung von Steuer- und Beitragspflicht an. Daß diese Übereinstimmung nicht besteht, zeigen die komplizierten Vorschriften der ArEV mit ihren steuerrechtlichen Bezügen. Für die Frage des Vorsatzes der Klägerin kann zudem nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Nachbesteuerung hier zwar nicht nach dem Pauschsteuersatz des § 40b Abs 3 EStG erfolgte, sondern gemäß § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG nach einem vom Finanzamt ermittelten, einem Pauschsteuersatz aber immerhin ähnlichen, "repräsentativ durchschnittlichen Nettosteuersatz von 23,4 vH."
Weder die Beklagte noch das SG haben ermittelt, ob die Klägerin die Beitragspflicht der von ihr bezahlten Versicherungsprämien und das Bestehen eines entsprechenden Beitragsrückstandes für möglich gehalten hat und ob sie wegen fehlenden Zahlungswillens die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen hat. Aus dem angefochtenen Urteil und den dort in Bezug genommenen Akten ergeben sich keine Hinweise darauf, daß der Inhaber der Klägerin oder sein Personal hierzu befragt worden ist. Der Gruppenunfallversicherungsvertrag, der möglicherweise Hinweise auf die steuer- und beitragsrechtliche Behandlung der Versicherungsprämien enthalten könnte, befindet sich nicht bei den Akten; er wurde anscheinend nicht beigezogen. Ob die Klägerin oder ihr Personal etwa bei der Betriebsprüfung durch die IKK im Jahre 1994 über die Beitragspflicht der Versicherungsprämien aufgeklärt oder sie hierauf durch sonstige Personen (zB Steuerberater) hingewiesen wurde, ist ebenfalls ungeklärt.
Die Sache war demnach gemäß § 170 Abs 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht (LSG) zurückzuverweisen, damit die Frage des vorsätzlichen Vorenthaltens und somit erforderlich auch das Bestehen einer Beitragsforderung geklärt wird.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um eine Beitragsforderung.
Die Klägerin, eine kleine Firma für Holzbau, beschäftigt mehrere Arbeitnehmer, für die sie eine Gruppenunfallversicherung abgeschlossen hat. Die Prämien hierfür zahlt sie kalenderjährlich im voraus zum 1. Januar. Bei einer Lohnsteueraußenprüfung stellte das Finanzamt im April 1993 fest, daß es sich bei diesen Versicherungsprämien um steuerpflichtigen Arbeitslohn handele. Es setzte daher gegenüber der Klägerin für 1989 bis 1993 eine Lohnsteuernachzahlung nach einem "repräsentativ ermittelten durchschnittlichen Nettosteuersatz von 23,4 vH" fest.
In der Folgezeit wurden bei der Klägerin auch von Sozialversicherungsträgern Betriebsprüfungen durchgeführt. Bei einer im November 1994 durchgeführten Betriebsprüfung setzte die damals hierfür zuständige Innungskrankenkasse (IKK, Beigeladene zu 1) zwar eine Nachzahlung fest, die jedoch nicht die Gruppenunfallversicherung betraf. Diese wurde erst im Jahre 1996 bei einer Betriebsprüfung von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) aufgegriffen. Mit Summenbescheid vom 28. Mai 1996 verlangte die Beklagte von der Klägerin auf die Prämien zur Gruppenunfallversicherung eine Nachzahlung von insgesamt 3.204,84 DM an Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 31. August 1994.
Die Klägerin hat gegen den Beitragsbescheid Widerspruch eingelegt und die Verjährungseinrede erhoben, soweit von ihr wegen der Gruppenunfallversicherung Beiträge für die Jahre 1989 bis 1991 (insgesamt 1.633,50 DM) verlangt wurden. Es gelte eine vierjährige Verjährungsfrist, so daß die Beklagte die "Nachbelastung" erst ab 1. Januar 1992 vornehmen könne. Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 1997 zurückgewiesen, weil die Beitragsforderung auch für die Jahre 1989 bis 1991 nicht verjährt sei. Die Klägerin habe nach Zustellung des Lohnsteuerbescheides im Jahre 1993 "wissen müssen", daß die Gruppenunfallversicherungsprämien auch beitragspflichtig zur Sozialversicherung seien. Sie habe die Nachentrichtung zumindest bedingt vorsätzlich unterlassen, so daß die 30jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 Satz 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) gelte.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 4. Februar 1999 abgewiesen. Mit Zugang eines Lohnsteuernachforderungsbescheides erhalte ein Arbeitgeber positive Kenntnis davon, daß die noch nicht gemäß § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV verjährten Sozialversicherungsbeiträge von ihm noch zu zahlen seien. Steuerpflichten, die auf der Grundlage des Lohnsteuerhaftungsbescheides festgesetzt würden, lösten auch Beitragspflichten in der Sozialversicherung aus. Dies sei jedem Arbeitgeber bekannt, der versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftige. Anderenfalls sei ihm die Führung eines Betriebes nicht möglich. Daher sei auch bei der Klägerin seit der Lohnsteuernachforderung von Vorsatz und einer 30jährigen Verjährungsfrist auszugehen.
Die Klägerin hat Sprungrevision eingelegt und eine Verletzung des § 25 Abs 1 SGB IV gerügt. Sie habe nicht gewußt, daß es sich bei den Prämien für die Gruppenunfallversicherung um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt handele, und Beiträge nicht vorenthalten wollen. Das SG sei auf das bei vorsätzlichem Vorenthalten von Beiträgen erforderliche Willenselement nicht eingegangen. Es habe außer acht gelassen, daß für jeden Nichtjuristen Arbeitsentgelt das sei, was der Arbeitnehmer nach getaner Arbeit zur freien Verfügung ausgezahlt bekomme, nicht aber Versicherungsprämien, die der Arbeitnehmer "nicht zu Gesicht bekomme" und von denen er voraussichtlich keine Vorteile habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG vom 4. Februar 1999 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 1997 aufzuheben, soweit Beträge für die Zeit vor 1992 verlangt werden.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
II
Die Revision ist iS einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung des Rechtsstreits begründet. Die festgestellten Tatsachen reichen nicht aus, um abschließend über die streitige Nachforderung zu entscheiden.
1. Die Klägerin hat ihren Arbeitnehmern in der Zeit vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1991 dadurch, daß sie eine Gruppenunfallversicherung abgeschlossen und die Prämien hierfür getragen hat, einen geldwerten Vorteil zugewandt. Dieser war jedenfalls seit 1990 Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV; ob er es schon 1989 war, kann aufgrund der vom SG festgestellten Tatsachen nicht beurteilt werden.
Arbeitsentgelt iS von § 14 Abs 1 SGB IV sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Jedoch bestimmte § 1 der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) bereits in seiner bis zum 31. Dezember 1989 geltenden Fassung, daß einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus §§ 2 und 3 ArEV nichts anderes ergibt. Nach § 2 Abs 3 Nr 2 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV) in ihrer Fassung vom 23. Oktober 1984 (BGBl I 1311) gehörten Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistete, um einen Arbeitnehmer für den Fall des Unfalls abzusichern, steuerrechtlich zu den Ausgaben für die Zukunftssicherung und diese nur insoweit zum Arbeitslohn, als sie im Kalenderjahr 312 DM überstiegen. Ausgaben für die Zukunftssicherung bis zu jährlich 312 DM je Arbeitnehmer waren kein steuerpflichtiger Arbeitslohn und waren gemäß § 1 ArEV auch nicht dem Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV zuzurechnen.
Mit Verordnung vom 10. Oktober 1989 (BGBl I 1845) wurde die Freibetragsregelung des § 2 Abs 3 Nr 2 LStDV aufgehoben. Die Regelung, daß es sich bei den Ausgaben des Arbeitgebers für Zukunftssicherung um Arbeitsentgelt handelt, wurde beibehalten (vgl § 2 Abs 2 Nr 3 LStDV idF der VO vom 10. Oktober 1989), dem Arbeitgeber aber in § 40b Abs 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für Veranlagungszeiträume ab 1990 das Recht eröffnet, von den Prämien für eine Unfallversicherung des Arbeitnehmers die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von zunächst 15 vH, später 20 vH der Beiträge zu erheben, wenn mehrere Arbeitnehmer gemeinsam in einem Unfallversicherungsvertrag versichert sind und der Teilbetrag, der sich bei einer Aufteilung der gesamten Beiträge nach Abzug der Versicherungssteuer durch die Zahl der begünstigten Arbeitnehmer ergibt, 120 DM im Kalenderjahr nicht übersteigt (vgl Art 1 Nr 24, Art 17 Abs 1 des Wohnungsbauförderungsgesetzes vom 22. Dezember 1989, BGBl I 2408; Drenseck in Schmidt, EStG, 18. Aufl 1999, § 40b RdNr 11; Ahrend/Förster/Rößler in Blümich, EStG, Stand März 1996, § 40b EStG RdNr 25; BT-Drucks 11/5970 S 41 zu Nr 24; Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 18. Februar 1997, BStBl I 278). Soweit der Arbeitgeber seit 1990 die Lohnsteuer für Beiträge und Zuwendungen nach § 40b Abs 3 EStG erhebt, sind die Beiträge und Zuwendungen ebenfalls nicht dem Arbeitsentgelt iS von § 14 SGB IV zuzurechnen (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 3 ArEV in der seit 1. Januar 1990 geltenden Fassung der Verordnung vom 12. Dezember 1989, BGBl I 2177; später ergänzt durch Art 2 Nr 1 der VO vom 18. Dezember 1998, BGBl I 3822).
2. Das SG ist davon ausgegangen, daß es sich bei den von der Klägerin in den Jahren 1989 bis 1991 gezahlten Prämien für die Gruppenunfallversicherung insgesamt um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt handele. Soweit es um die Beitragsnachforderung für 1989 geht, ist jedoch bereits unklar, ob der Beitragsanspruch überhaupt entstanden ist. Das SG hat insoweit nicht festgestellt, ob die von der Klägerin 1989 für die Gruppenunfallversicherung entrichtete Prämie steuer- und beitragspflichtig war. Soweit es um die Beiträge für 1990 und 1991 geht, ist die Ansicht, die Prämien seien Arbeitsentgelt, nicht zu beanstanden. In dieser Zeit lagen die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 3 ArEV iVm § 40b Abs 3 EStG anscheinend schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin damals diese Pauschsteuer tatsächlich nicht entrichtet hat. Des weiteren scheint der auf jeden Arbeitnehmer entfallende Teilbetrag die für die Pauschalversteuerung geltende Grenze von 120 DM überschritten zu haben. Der geldwerte Vorteil der Gruppenunfallversicherung war daher als Arbeitsentgelt Teil der Bemessungsgrundlage für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und die Umlage nach §§ 14, 17 LFZG. Die Klägerin hat nicht beanstandet, daß die Nachforderung durch einen Summenbescheid festgesetzt wurde.
3. In der Frage der Verjährung von Beitragsforderungen unterscheidet § 25 Abs 1 SGB IV zwischen einer kurzen vierjährigen Verjährungsfrist und einer langen 30jährigen Verjährungsfrist. Nach Satz 1 des § 25 Abs 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren dagegen nach Satz 2 der Vorschrift in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ob die Beiträge für die Jahre von 1989 bis 1991 verjährt sind, richtet sich folglich danach, ob sie iS des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV vorsätzlich vorenthalten worden sind, denn bei Geltung der kurzen Verjährungsfrist waren die Beiträge für die Jahre 1989 bis 1991 verjährt, als sie mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. Mai 1996 geltend gemacht wurden.
Während im Zivilrecht der Lauf der Verjährungsfrist im Regelfall bereits mit der Entstehung des Anspruchs beginnt (vgl § 198 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)), beginnt der Lauf sowohl der kurzen als auch der langen Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 SGB IV erst mit Ablauf des Jahres, in dem die Beiträge fällig geworden sind. Ob die kurze oder die lange Verjährungsfrist gilt, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber gutgläubig war (dh die Beiträge nicht vorsätzlich vorenthalten hat) oder ob er bösgläubig war (dh die Beiträge vorsätzlich vorenthalten hat). War er bei Fälligkeit der Beiträge gutgläubig und ist er es bis zum Ablauf der dann geltenden vierjährigen Verjährungsfrist geblieben, gilt die kurze Verjährungsfrist. War er hingegen schon bei Fälligkeit der Beiträge bösgläubig, gilt die lange 30jährige Verjährungsfrist. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob die kurze oder die lange Verjährungsfrist gilt, wenn der Arbeitgeber bei Fälligkeit der Beiträge (hier in den Jahren 1989 bis 1991) gutgläubig war, aber vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist (hier im Anschluß an die Lohnsteuerprüfung des Jahres 1993) bösgläubig geworden ist.
Auch in diesem Fall gilt die lange Verjährungsfrist. Hat der Beitragsschuldner bei Eintritt der Fälligkeit noch keinen Vorsatz zur Vorenthaltung, läuft zunächst vom folgenden Kalenderjahr an eine vierjährige Verjährungsfrist. Diese verlängert sich jedoch durch eine rückwirkende Umwandlung in die 30jährige Verjährungsfrist, wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig wird. Wie der Senat zum früheren § 29 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) schon entschieden hat, reicht es aus, daß die den subjektiven Tatbestand begründenden Umstände innerhalb der kurzen Verjährungsfrist eintreten (BSG SozR 2200 § 29 Nr 9 S 21 f; BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 6 S 26). Hieran hält der Senat zu § 25 Abs 1 SGB IV fest (so auch Seewald in Kasseler Komm, Stand Mai 1993, § 25 SGB IV RdNr 6).
Die anfänglich vorhandene Gutgläubigkeit begründet keinen Vertrauensschutz, wenn nach Fälligkeit, aber noch vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist Vorsatz hinzutritt. Soweit § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV auf die Fälligkeit der Beiträge abstellt, geschieht dies nur, um den Beginn der Verjährungsfrist auf das Kalenderjahr nach Eintritt der Fälligkeit festzulegen. Dagegen kommt es nach dem Wortlaut der Vorschrift für die Anwendung der 30jährigen Verjährungsfrist nur darauf an, daß es sich um "vorsätzlich vorenthaltene Beiträge" handelt, nicht hingegen darauf, daß die Beiträge bereits bei ihrer Fälligkeit vorsätzlich vorenthalten wurden. Vorsätzlich sind Beiträge auch dann vorenthalten, wenn der Schuldner von seiner bereits früher entstandenen und fällig gewordenen Beitragsschuld erfährt oder er diese erkennt, die Entrichtung der rückständigen Beiträge aber dennoch willentlich unterläßt. Das Verstreichen des Fälligkeitstermins beseitigt weder das Bestehen der Beitragsforderung noch ihre Fälligkeit. Der Beitragsschuldner bleibt auch in solchen Fällen verpflichtet, bisher unterlassene Meldungen nachzuholen, unrichtige, weil unvollständig erstattete Meldungen zu berichtigen und die bisher unterlassene Beitragszahlung nachzuholen (vgl § 9 Abs 2 der 2. Datenerfassungs-Verordnung (2. DEVO) vom 29. Mai 1980, BGBl I 593, geändert durch Verordnung vom 21. März 1984, BGBl I 479, für die Zeit bis 31. Dezember 1998; § 28a Abs 1 Nr 5, § 28b Abs 1 SGB IV iVm § 14 Abs 1 Datenerfassungs- und Übermittlungs-Verordnung (DEÜV) vom 10. Februar 1998, BGBl I 343, für die Zeit ab 1. Januar 1999).
Demgegenüber fällt nicht ins Gewicht, daß der Beitragsschuldner in solchen Fällen trotz anfänglicher Gutgläubigkeit so behandelt wird, als sei er bereits bei Eintritt der Fälligkeit bösgläubig gewesen, und die Frage, ob die kurze oder die lange Verjährungsfrist eingreift, erst nach Ablauf der Frist für die kurze Verjährung endgültig beurteilt werden kann. Auch wird der Arbeitgeber nicht unzumutbar belastet, wenn er die Arbeitnehmeranteile bei Hinzutritt eines Vorenthaltungsvorsatzes insgesamt und nicht nur für Zeiten seiner Bösgläubigkeit bis zum Ablauf der 30jährigen Verjährungsfrist zu tragen hat. Denn auch dem Gutgläubigen ergeht es nicht anders; er kann während der Zeiten seiner Gutgläubigkeit zwar sein Recht zum Einbehalt der Arbeitnehmeranteile mittels Lohnabzug schon mangels Kenntnis nicht und nach Kenntniserlangung für Zeiten der Gutgläubigkeit wegen § 28g SGB IV zeitlich nur eng begrenzt ausüben. Dennoch bleibt er bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist tragungs- und zahlungspflichtig.
Nach allem kommt es darauf an, ob die Klägerin noch vor Ablauf der für die Beträge der Jahre 1989 bis 1991 jeweils geltenden vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig iS eines vorsätzlichen Vorenthaltens der Beiträge und der Umlage geworden ist.
4. Für Vorsatz, wie ihn § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV voraussetzt, sind seit der Neuregelung der Verjährung durch das am 1. Juli 1977 in Kraft getretene SGB IV das Bewußtsein und der Wille erforderlich, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 21. Juni 1990 (12 RK 13/89, USK 90106 = Die Beiträge 1991, 112 ff) ausgeführt hat, reicht es für das Eingreifen der 30jährigen Verjährungsfrist aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Das angefochtene Urteil und das Vorbringen der Beklagten geben jedoch Anlaß zu dem Hinweis, daß Fahrlässigkeit, auch in den Erscheinungsformen der bewußten oder der groben Fahrlässigkeit, nicht genügen.
Zum Vorsatz muß das Vorliegen des inneren (subjektiven) Tatbestandes festgestellt, dh anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell ermittelt werden (vgl zB Hauck in Hauck/Haines, SGB IV, Stand Januar 1994, K § 25 RdNr 4; Schwerdtfeger in GesamtKomm, Stand Februar 1984, § 25 SGB IV Anm 9c und f). Die Feststellungslast (Beweislast) für den subjektiven Tatbestand trifft im Zweifel den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstige lange Verjährungsfrist beruft.
Allgemein geltende Aussagen zum Vorliegen des subjektiven Tatbestandes sind insoweit ausgeschlossen. Jedoch wird Vorsatz regelmäßig vorliegen, wenn für das gesamte typische Arbeitsentgelt (zB bei "Schwarzarbeit") überhaupt keine Beiträge entrichtet werden (vgl auch den Sachverhalt in BSG SozR 2200 § 29 Nr 9). Vorsatz liegt auch noch nahe, wenn Beiträge für verbreitete "Nebenleistungen" zum Arbeitsentgelt nicht gezahlt werden und zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder ohne weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht. Demgegenüber muß der Vorsatz bei wenig verbreiteten Nebenleistungen, bei denen die Steuer- und die Beitragspflicht in komplizierten Vorschriften geregelt sind und nicht voll übereinstimmen, eingehend geprüft und festgestellt werden. Fehler bei der Beitragsentrichtung dürften in diesen Fällen nicht selten nur auf fahrlässiger Rechtsunkenntnis beruhen (vgl Seewald in Kasseler Komm, Stand Mai 1993, § 25 SGB IV RdNr 6), zumal wenn es sich um kleine Betriebe handelt, bei denen der Arbeitgeber die Beitragsberechnung ohne Fachpersonal selbst vornimmt. Zum Vorsatz aber gehört auch in diesen Fällen, daß es der Arbeitgeber zumindest für möglich hält, daß bestimmte Zuwendungen an die Arbeitnehmer dem Grunde nach beitragspflichtiges Arbeitsentgelt und, sofern noch nicht geschehen, Beiträge und die Umlage zu zahlen sind. Hingegen braucht die genaue Beitragshöhe nicht vom Vorsatz umfaßt zu sein.
5. Das angefochtene Urteil enthält keine ausreichenden Feststellungen zum Vorsatz der Klägerin. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, konkrete Tatsachen festzustellen, die nach der Lohnsteuerprüfung des Jahres 1993 den Vorsatz des Vorenthaltens von Beiträgen ergeben. Daran fehlt es im angefochtenen Urteil vollständig. Vielmehr hat das SG allein aus allgemeinen rechtlichen Erwägungen auf Vorsatz geschlossen, ohne zu prüfen, ob seine rechtlichen Erwägungen nach der ArEV zutreffend und auch von der Klägerin angestellt worden sind. Das SG hat damit den Vorsatz als subjektives Tatbestandsmerkmal verkannt.
Abgesehen von dem unzulässigen Vorgehen, aus rechtlichen Erwägungen Tatsachen (hier Vorsatz) abzuleiten und damit vom Sollen auf das Sein zu schließen, nimmt das SG hinsichtlich der Prämien zur Gruppenunfallversicherung zu Unrecht eine vollständige Übereinstimmung von Steuer- und Beitragspflicht an. Daß diese Übereinstimmung nicht besteht, zeigen die komplizierten Vorschriften der ArEV mit ihren steuerrechtlichen Bezügen. Für die Frage des Vorsatzes der Klägerin kann zudem nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Nachbesteuerung hier zwar nicht nach dem Pauschsteuersatz des § 40b Abs 3 EStG erfolgte, sondern gemäß § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG nach einem vom Finanzamt ermittelten, einem Pauschsteuersatz aber immerhin ähnlichen, "repräsentativ durchschnittlichen Nettosteuersatz von 23,4 vH."
Weder die Beklagte noch das SG haben ermittelt, ob die Klägerin die Beitragspflicht der von ihr bezahlten Versicherungsprämien und das Bestehen eines entsprechenden Beitragsrückstandes für möglich gehalten hat und ob sie wegen fehlenden Zahlungswillens die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen hat. Aus dem angefochtenen Urteil und den dort in Bezug genommenen Akten ergeben sich keine Hinweise darauf, daß der Inhaber der Klägerin oder sein Personal hierzu befragt worden ist. Der Gruppenunfallversicherungsvertrag, der möglicherweise Hinweise auf die steuer- und beitragsrechtliche Behandlung der Versicherungsprämien enthalten könnte, befindet sich nicht bei den Akten; er wurde anscheinend nicht beigezogen. Ob die Klägerin oder ihr Personal etwa bei der Betriebsprüfung durch die IKK im Jahre 1994 über die Beitragspflicht der Versicherungsprämien aufgeklärt oder sie hierauf durch sonstige Personen (zB Steuerberater) hingewiesen wurde, ist ebenfalls ungeklärt.
Die Sache war demnach gemäß § 170 Abs 4 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht (LSG) zurückzuverweisen, damit die Frage des vorsätzlichen Vorenthaltens und somit erforderlich auch das Bestehen einer Beitragsforderung geklärt wird.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.
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