Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Oldenburg (NSB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 51/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 13. April 2000 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ein Recht auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Mit seinem Begehren hatte der Kläger im Verwaltungsverfahren und erstinstanzlichen Verfahren keinen Erfolg (Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1997, Gerichtsbescheid des SG vom 2. August 1998). Im Berufungsverfahren hatte das LSG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 13. April 2000 anberaumt. Ein persönliches Erscheinen des Klägers war nicht angeordnet worden. Mit Schriftsatz vom 7. April 2000 hat der Kläger ua gebeten, "den Gerichtstermin am 13. April 2000 vorläufig auszusetzen". Er sei zur Zeit krankgeschrieben und könne deshalb diesen Termin voraussichtlich nicht wahrnehmen, halte aber seine Anwesenheit für dringend erforderlich. Zur Unterstützung hat er in Kopie ein Attest von Dr. med. H vom 27. Januar 2000 vorgelegt, in dem eine Arbeitsunfähigkeit vom 27. Januar bis 30. April 2000 bescheinigt worden war.
Das Schreiben des Klägers ist am 11. April 2000 beim LSG eingegangen. Ohne über den Antrag zu entscheiden, hat das LSG am 13. April 2000 in Abwesenheit des Klägers die mündliche Verhandlung durchgeführt und dessen Berufung mit Urteil vom selben Tage zurückgewiesen. In einer dienstlichen Erklärung vom 14. April 2000 hat der Richter am SG P (Berichterstatter) angegeben, erst nach Ende des Sitzungstages habe er auf der Geschäftsstelle des Senats von dem Schriftsatz des Klägers vom 7. April 2000 Kenntnis genommen. Der Schriftsatz sei ihm nicht vorgelegt und daher bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt worden.
Auf die Beschwerde des Klägers hat der Senat die Revision gegen das Berufungsurteil zugelassen, weil dieser einen Verfahrensmangel zulässig und begründet gerügt hat (Beschluss vom 30. August 2001).
Mit seiner Revision rügt der Kläger, daß die angefochtene Entscheidung auf Verfahrensmängeln beruhe. So habe das LSG ua seinen Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, daß es in seiner Abwesenheit am 13. April 2000 verhandelt und entschieden habe, ohne über seinen "Vertagungsantrag" zu befinden.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 13. April 2000 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 2. August 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab 1. August 1995 zu zahlen, hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 13. April 2000 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte hat keinen Sachantrag gestellt.
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das angefochtene Berufungsurteil beruht auf einem Verfahrensmangel, den der Kläger ordnungsgemäß gerügt hat (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt, indem es am 13. April 2000 in Abwesenheit des Klägers die mündliche Verhandlung durchgeführt und aufgrund dieser Verhandlung über das Berufungsbegehren des Klägers entschieden hat.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet es, den Prozeßbeteiligten Gelegenheit zu geben, sich ua zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlaß der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, müssen die Beteiligten ihren Standpunkt in der mündlichen Verhandlung darlegen können. Dabei ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, daß das Gericht gemäß § 110 SGG die mündliche Verhandlung anberaumt und die Beteiligten hierzu ordnungsgemäß lädt und gemäß § 112 Abs 1 SGG die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Termin eröffnet und durchführt.
Bleibt der Beteiligte unentschuldigt dem Termin fern, kann grundsätzlich in seiner Abwesenheit verhandelt und entschieden werden (§ 126 SGG). Ist jedoch - wie im anhängigen Rechtsstreit - Antrag auf Aufhebung des Termins gestellt worden, darf die Verhandlung nur durchgeführt werden, wenn der Vorsitzende diesen Antrag abgelehnt hat. Dies ist hier nicht geschehen. Wie sich aus der dienstlichen Erklärung des Berichterstatters ergibt, hatten weder er noch der Vorsitzende überhaupt Kenntnis von dem Terminsaufhebungsantrag, der allerdings schon seit dem 11. April 2000 bei der Gerichtsverwaltung des LSG vorgelegen hatte. Damit war dieser Antrag wirksam gestellt, auch wenn er den gesetzlichen Richter nicht erreicht hatte.
Der objektiv gegebene Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens kann im Revisionsverfahren nicht geheilt werden. Das Urteil des LSG ist daher mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG an die Vorinstanz zurückzuverweisen; denn es gibt keine verfahrensfehlerfreien tatsächlichen Feststellungen des LSG, auf die eine revisionsgerichtliche Prüfung der Sachentscheidung des Berufungsgerichts gestützt werden könnte.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mitzuentscheiden haben.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger ein Recht auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Mit seinem Begehren hatte der Kläger im Verwaltungsverfahren und erstinstanzlichen Verfahren keinen Erfolg (Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1997, Gerichtsbescheid des SG vom 2. August 1998). Im Berufungsverfahren hatte das LSG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 13. April 2000 anberaumt. Ein persönliches Erscheinen des Klägers war nicht angeordnet worden. Mit Schriftsatz vom 7. April 2000 hat der Kläger ua gebeten, "den Gerichtstermin am 13. April 2000 vorläufig auszusetzen". Er sei zur Zeit krankgeschrieben und könne deshalb diesen Termin voraussichtlich nicht wahrnehmen, halte aber seine Anwesenheit für dringend erforderlich. Zur Unterstützung hat er in Kopie ein Attest von Dr. med. H vom 27. Januar 2000 vorgelegt, in dem eine Arbeitsunfähigkeit vom 27. Januar bis 30. April 2000 bescheinigt worden war.
Das Schreiben des Klägers ist am 11. April 2000 beim LSG eingegangen. Ohne über den Antrag zu entscheiden, hat das LSG am 13. April 2000 in Abwesenheit des Klägers die mündliche Verhandlung durchgeführt und dessen Berufung mit Urteil vom selben Tage zurückgewiesen. In einer dienstlichen Erklärung vom 14. April 2000 hat der Richter am SG P (Berichterstatter) angegeben, erst nach Ende des Sitzungstages habe er auf der Geschäftsstelle des Senats von dem Schriftsatz des Klägers vom 7. April 2000 Kenntnis genommen. Der Schriftsatz sei ihm nicht vorgelegt und daher bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt worden.
Auf die Beschwerde des Klägers hat der Senat die Revision gegen das Berufungsurteil zugelassen, weil dieser einen Verfahrensmangel zulässig und begründet gerügt hat (Beschluss vom 30. August 2001).
Mit seiner Revision rügt der Kläger, daß die angefochtene Entscheidung auf Verfahrensmängeln beruhe. So habe das LSG ua seinen Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, daß es in seiner Abwesenheit am 13. April 2000 verhandelt und entschieden habe, ohne über seinen "Vertagungsantrag" zu befinden.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 13. April 2000 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 2. August 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab 1. August 1995 zu zahlen, hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 13. April 2000 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte hat keinen Sachantrag gestellt.
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das angefochtene Berufungsurteil beruht auf einem Verfahrensmangel, den der Kläger ordnungsgemäß gerügt hat (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt, indem es am 13. April 2000 in Abwesenheit des Klägers die mündliche Verhandlung durchgeführt und aufgrund dieser Verhandlung über das Berufungsbegehren des Klägers entschieden hat.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet es, den Prozeßbeteiligten Gelegenheit zu geben, sich ua zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlaß der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, müssen die Beteiligten ihren Standpunkt in der mündlichen Verhandlung darlegen können. Dabei ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, daß das Gericht gemäß § 110 SGG die mündliche Verhandlung anberaumt und die Beteiligten hierzu ordnungsgemäß lädt und gemäß § 112 Abs 1 SGG die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Termin eröffnet und durchführt.
Bleibt der Beteiligte unentschuldigt dem Termin fern, kann grundsätzlich in seiner Abwesenheit verhandelt und entschieden werden (§ 126 SGG). Ist jedoch - wie im anhängigen Rechtsstreit - Antrag auf Aufhebung des Termins gestellt worden, darf die Verhandlung nur durchgeführt werden, wenn der Vorsitzende diesen Antrag abgelehnt hat. Dies ist hier nicht geschehen. Wie sich aus der dienstlichen Erklärung des Berichterstatters ergibt, hatten weder er noch der Vorsitzende überhaupt Kenntnis von dem Terminsaufhebungsantrag, der allerdings schon seit dem 11. April 2000 bei der Gerichtsverwaltung des LSG vorgelegen hatte. Damit war dieser Antrag wirksam gestellt, auch wenn er den gesetzlichen Richter nicht erreicht hatte.
Der objektiv gegebene Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens kann im Revisionsverfahren nicht geheilt werden. Das Urteil des LSG ist daher mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG an die Vorinstanz zurückzuverweisen; denn es gibt keine verfahrensfehlerfreien tatsächlichen Feststellungen des LSG, auf die eine revisionsgerichtliche Prüfung der Sachentscheidung des Berufungsgerichts gestützt werden könnte.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mitzuentscheiden haben.
Rechtskraft
Aus
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