L 18 SB 37/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 11 SB 454/99
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 SB 37/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Rückzahlung von erhaltenem Vorschuss wegen verschuldetem Nichterscheinen - Kein Anspruch auf Entschädigung, wenn p.E. nicht angeordnet
I. Die Antragstellerin ist verpflichtet, den als Vorschuss geleisteten Betrag von 188,00 Euro entsprechend der Aufforderung vom 07.01.2003 an die Staatskasse zurückzuzahlen.
II. Der Antrag auf Erstattung angefallener Fahrtkosten wird abgelehnt.

Gründe:

I.

1.

Die Antragstellerin ist die Mutter der am.1994 geborenen Klägerin. Seit Januar 2002 war beim Bayer. Landessozialgericht in Schweinfurt ein Berufungsverfahren nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) anhängig, in dem über das Ausmaß einer vom Beklagten festgestellten Besserung der Sehbehinderung der Klägerin gestritten wurde. Nachdem die Klägerin im August 2002 nach B. verzogen war, setzte der zuständige Berichterstatter des 18. Senats für den 11.10.2002 einen Erörterungstermin in Schweinfurt an, zu dem das persönliche Erscheinen der Antragstellerin angeordnet wurde. Nachdem die Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 08.10.2002 telefonisch um einen Gutschein gebeten hatte, da die Antragstellerin die Fahrkarte für die Reise von B. nach Schweinfurt nicht bezahlen könne, wurde der Antragstellerin mit gerichtlichem Schreiben vom selben Tag ein Fahrgutschein der Deutschen Bahn AG übersandt mit dem Hinweis, dass die Antragstellerin gegen Vorlage dieses Gutscheins am Fahrkartenschalter eine Rückfahrkarte zweiter Klasse B. - Schweinfurt für den Erörterungstermin am 11.10.2002 erhalten könne.

Laut Sitzungsniederschrift vom 11.10.2002 fand die Sitzung nicht wie in der Ladung vorgesehen ab 11.30 Uhr, sondern erst von 12.37 bis 13.27 Uhr statt. Für die Klägerin war lediglich die Prozessbevollmächtigte, nicht aber die Antragstellerin erschienen. Eine von der Bahn Anfang November 2002 übersandte Rechnung über 188,00 Euro für eine Rückfahrtkarte von B. nach Schweinfurt für die Antragstellerin auf Grund des von ihr vorgelegten Gutscheins wurde vom zuständigen Kostenbeamten des Bayerischen Landessozialgerichts beglichen. Anschließend forderte der Kostenbeamte die Antragstellerin mit Schreiben vom 07.01.2003 auf, diesen Betrag zurückzuzahlen oder Antrag auf richterliche Entscheidung zu stellen, da nach dem Kommentar von Meyer-Ladewig zu § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Anspruch auf Fahrkostenersatz erst mit Terminswahrnehmung entstehe. Da die Antragstellerin nicht zum Erörterungstermin erschienen sei, habe sie auch keinen Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten gehabt.

Mit Schriftsatz vom 23.01.2003 beantragte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin richterliche Entscheidung nach § 16 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG), da die Antragstellerin unverschuldet nicht erschienen sei. Diese habe zusammen mit der Klägerin die Bahnfahrt über Hannover und Würzburg Richtung Schweinfurt angetreten. Sie sei um 11.38 Uhr in Würzburg-Hauptbahnhof in Richtung Schweinfurt abgefahren und habe an der Haltestelle Schweinfurt-Stadtbahnhof aussteigen wollen. Wider Erwarten sei der Zug jedoch in Richtung Bad Kissingen weitergefahren. Die Antragstellerin sei dann an der nächsten Haltestelle in Poppenhausen ausgestiegen und habe erst mit ziemlicher Verspätung nach Schweinfurt zurückfahren können, sodass sie an der mündlichen Verhandlung nicht habe teilnehmen können. Es sei nicht bekannt, weshalb der Zug eine unerwartete Richtungsänderung vorgenommen habe.

2.

Die Antragstellerin beantragte außerdem mit Schriftsatz vom 04.11.2002 die Erstattung der Kosten für die Fahrkarten der Klägerin und der Antragstellerin für die Zugfahrt von B. nach Schweinfurt und zurück in Höhe von 282,00 Euro abzüglich bereits an die Antragstellerin geleisteter Zahlungen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Antragstellerin habe die Klägerin zum Gerichtstermin mitnehmen müssen, da eine anderweitige Beaufsichtigung des Kindes an diesem Tag nicht möglich gewesen sei. Daher seien 94,00 Euro für die für das Kind aufgewendeten Fahrkosten im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe zu erstatten. Dieser Antrag wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 22.11.2002 abgelehnt, da Voraussetzung für einen Anspruch auf Fahrtkostenentschädigung eines Beteiligten dessen Wahrnehmung des gerichtlichen Termins sei. Mit Schriftsatz vom 23.01.2003 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch für die im Verfahren angefallenen Kosten richterliche Festsetzung gemäß § 16 Abs.1 ZSEG beantragt und darauf hingewiesen, dass die Klägerin bzw. die Antragstellerin unverschuldet an der Terminswahrnehmung verhindert gewesen seien.

Der Kostenbeamte hat beiden Anträgen nicht abgeholfen und die Angelegenheit dem Kostensenat zur Entscheidung vorgelegt. Eine richterliche Anfrage vom 21.03.2003 zum Abfahrtszeitpunkt, zu den einzelnen Umsteigestationen und zur Frage, weshalb die Antragstellerin das Gericht nicht mehr aufgesucht hat, ist unbeantwortet geblieben.

II.

Nach § 16 Abs.1 ZSEG wird die einem Beteiligten zu gewährende Entschädigung auf Antrag durch gerichtlichen Beschluss festgesetzt. Zuständig ist das Gericht, von dem das persönliche Erscheinen des Beteiligten angeordnet wurde. Nachdem der Kostenbeamte dem Antrag nicht abgeholfen hat, ist der Kostensenat des Bayer. Landessozialgerichts zuständig.

Streitig ist einerseits die Rückforderung von 188,00 Euro von der Antragstellerin, andererseits ist über den Antrag auf Erstattung von 282,00 Euro für angefallene Fahrtkosten zu entscheiden.

1.

Rechtsgrundlage für den mittels eines Bahngutscheines gezahlten Vorschuss ist § 191 SGG, wonach einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen wie einem Zeugen vergütet werden, ferner §§ 14, 9 ZSEG. Danach erhält ein geladener Beteiligter oder Zeuge auf Antrag einen Vorschuss für die entstehenden Reisekosten, wenn ihm nicht zugemutet werden kann, diese aus eigenen Mitteln vorzuschießen.

Im vorliegenden Fall wurden die für die Antragstellerin bereits bezahlten Fahrtkosten in Höhe von 188,00 Euro zu Recht zurückgefordert, weil ein Anspruch auf Fahrtkosten wegen des Verhaltens der Antragstellerin nicht entstanden war. In der einschlägigen Fachliteratur wird einerseits die Auffassung vertreten, dass ein Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten nur dann entsteht, wenn der persönlich geladene Beteiligte den Termin wahrnimmt, zu dem er persönlich erscheinen sollte (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage, Rdnr.11 zu § 191). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin die Fahrkarte in Höhe von 188,00 Euro gelöst hat, um von ihrem Wohnort in B. zum Sitzungsort nach Schweinfurt und zurück zu gelangen. Die Antragstellerin ist jedoch nicht ohne ihr Verschulden nicht rechtzeitig zur mündlichen Verhandlung erschienen (vgl. Meyer/Höver/Bach, Kommentar zum ZSEG, 21. Auflage, Rdnr.32 zu § 1). Nach den vom Gericht beigezogenen Fahrplänen ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin am 11.10.2002 erst um 08.18 Uhr in B. abgefahren ist und fahrplanmäßig erst um 12.02 Uhr in Schweinfurt Hauptbahnhof angekommen wäre, obwohl sie bereits um 11.30 Uhr zur Sitzung geladen worden war. Wenn sie sorgfältig und vorausschauend gehandelt hätte, hätte sie entweder bereits den Zug um 06.18 oder um 07.06 Uhr genommen. Auf Grund eines Telefonanrufs der Antragstellerin bei ihrer Prozessbevollmächtigten über die voraussehbare Verspätung wurde der Sitzungsbeginn um eine Stunde auf 12.37 Uhr verschoben. Weshalb die Antragstellerin, die laut Fahrplan um 12.02 Uhr in Schweinfurt Hauptbahnhof angekommen war, den Sitzungssaal bis zum Ende der Sitzung um 13.27 Uhr nicht erreicht hat, lässt sich nicht mehr aufklären. Es könnte sein, dass die ortskundige Antragstellerin in einen Zug zum Stadtbahnhof Schweinfurt umsteigen wollte, der sich nahe dem Gericht befindet, versehentlich aber in den falschen Zug nach Bad Kissingen eingestiegen ist. Es erscheint unwahrscheinlich, dass der Zug der Antragstellerin wider Erwarten eine falsche Richtung eingeschlagen hat. Nicht klar ist, weshalb die Antragstellerin nicht tatsächlich bei der nächsten Haltestelle, nämlich in Ebenhausen ausgestiegen ist, sondern erst in Poppenhausen. Die Antragstellerin konnte jedenfalls nicht glaubhaft machen, dass sie unverschuldet verhindert war, zur Sitzung zu erscheinen. In der Sitzung ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Antragstellerin als gesetzlicher Vertreterin der Klägerin nicht aufgehoben worden. Vielmehr musste der Rechtsstreit vertagt werden, da die Bevollmächtigte der Klägerin nicht in der Lage war, für die Klägerseite zu entscheiden, wie weiter verfahren werden sollte. Somit ist der mit dem Vorschuss bezweckte Erfolg, nämlich die persönliche Anhörung der Antragstellerin und Erörterung des Rechtsstreits am 11.10.2002 auf Grund eines der Antragstellerin vorwerfbaren Verhaltens nicht eingetreten. Die Antragstellerin ist daher verpflichtet, den Wert der ohne rechtlichen Grund bezahlten Fahrkarte, nämlich 188,00 Euro, an die Staatskasse zurückzuerstatten.

2.

Auch ein Erstattungsanspruch in Höhe von 282,00 Euro für die Fahrkarten von B. nach Schweinfurt und zurück für die Antragstellerin und ihre Tochter besteht nicht.

Ein Anspruch auf Fahrtkostenerstattung für Beteiligte nach § 191 SGG i.V.m. § 9 ZSEG setzt voraus, dass das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zu einem bestimmten Termin angeordnet worden ist und dass bare Auslagen, z.B. Fahrtkosten, entstanden sind.

Wie unter 1. ausgeführt, sind der Antragstellerin keine Kosten für ihre eigene Fahrtkarte zur Sitzung am 11.10.2002 entstanden, weil sie die Fahrtkarte nach Vorlage des ihr ausgestellten Gutacheins kostenfrei erhalten hat. Im Übrigen würde ein Erstattungsanspruch auch an den oben ausgeführten Gründen des verschuldeten Nichterscheinens zum Termin scheitern.

Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Fahrkarte für das Kind der Antragstellerin ist nicht begründet, weil das persönliche Erscheinen der Tochter der Antragstellerin (Klägerin) nicht angeordnet war. Der Vortrag, dass die Antragstellerin das knapp sechsjährige Kind habe mitnehmen müssen, da keine Betreuungsmöglichkeit bestanden habe, erscheint nicht überzeugend. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass das Kind wochentags zumindest vormittags in einen Kindergarten (wohl noch nicht in die Grundschule) geht. Es erscheint auch für den Senat nicht recht nachvollziehbar, weshalb die Antragstellerin für sich einen Bahngutschein beantragt hat, aber für die Tochter, obwohl deren persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, ohne vorherige Rückfrage beim Landessozialgericht eine Fahrkarte nach Schweinfurt gelöst hat. Ein Anspruch auf Erstattung von 94,00 Euro für die Fahrkarte des Kindes besteht jedenfalls aus verschiedenen dargelegten Gründen nicht.

Dieser Beschluss ist entgültig (§ 16 Abs.2 Satz 4 ZSEG, § 177 SGG); er ergeht kostenfrei (§ 193 SGG).
Rechtskraft
Aus
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