Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 582/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 67/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.02.2001 und der Bescheid der Beklagten vom 05.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.1998 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen. -
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die teilweise Aufhebung einer Arbeitslosengeld (Alg)-Bewilligung vom 29.06.1996 bis 27.06.1997 und die Rückforderung überzahlter Leistungen in Höhe von 5.819,10 DM.
Die am 1955 geborene Klägerin bezog bis zum 28.06.1996 Unterhaltsgeld (Uhg) nach einem Arbeitsentgelt von 730,00 DM in Leistungsgruppe D in Höhe von 231,60 DM wöchentlich.
Am 09.05.1996 beantragte die Klägerin die Gewährung von Alg und bestätigte im Leistungsantrag unterschriftlich, das Merkblatt für Arbeitslose ("Ihre Rechte - Ihre Pflichten") erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Sie gab ferner an, seit 1983 mit Herrn H. M. verheiratet zu sein. Der gemeinsame Sohn R. war am 21.10.1983 geboren worden.
In der vorgelegten Lohnsteuerkarte war für 1996 für ihren Ehemann die Steuerklasse III/I eingetragen.
Mit Bescheid vom 19.08.1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 550,00 DM in Leistungsgruppe C in Höhe von 295,20 DM wöchentlich. Im Bewilligungsbescheid war unter Leistungssatz vermerkt "erhöhter". Auf der Rückseite befand sich der Hinweis, dass sich die Leistungsgruppe üblicherweise nach der Lohnsteuerklasse richte und die Steuerklasse III in der Regel zur Leistungsgruppe C führe. Sei ein Kind zu berücksichtigen, werde ein erhöhter Leistungssatz gezahlt.
Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass die Klägerin Alg fälschlicherweise nach Steuerklasse III anstatt nach Steuerklasse V erhalten hatte und ihr für das Jahr 1996 lediglich Leistungen in Höhe von 183,00 DM wöchentlich und für das Jahr 1997 in Höhe von 179,40 DM zugestanden hätten, hörte die Beklagte die Klägerin gem § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit Schreiben vom 04.03.1998 an.
Mit Bescheid vom 05.05.1998 hob die Beklagte die Alg-Bewilligung an die Klägerin vom 29.06.1996 bis 27.06.1997 teilweise auf und forderte sie zur Erstattung der überzahlten Alg-Leistungen in Höhe von 5.819,10 DM auf.
Der hiergegen am 11.05.1998 eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg. Im Widerspruchsbescheid vom 03.09.1998 führte die Beklagte aus, dass die Klägerin anhand des Merkblattes für Arbeitslose ohne große Schwierigkeiten hätte erkennen können, dass ihr nur bei Eintragung der Lohnsteuerklasse III Leistungen nach Leistungsgruppe C zugestanden hätten, sie sich jedoch durchgehend in Lohnsteuerklasse V befunden habe. Auch im Hinblick auf die wöchentliche Leistungshöhe hätte sie ohne weiteres erkennen können, dass ihr zuvor Uhg nach einem erheblich höheren Arbeitsentgelt von 730,00 DM in Höhe von 231,60 DM gewährt worden war, während das anschließend von ihr bezogene Alg nach einem niedrigeren Arbeitsentgelt von 550,00 DM zu einem Leistungssatz von nur 295,20 DM geführt habe. Da sie auch entsprechende Nachfragen beim Arbeitsamt unterlassen habe, rechtfertige dies den Vorwurf grober Fahrlässigkeit.
Die dagegen am 16.09.1998 von der Klägerin zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 14.02.2001 abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 19.08.1996 bilde § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X iVm § 330 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Die Klägerin habe grob fahrlässig die Überzahlung des Alg nicht erkannt. Sie könne sich nicht darauf berufen, dass sie gegenüber der Beklagten nur korrekte Angaben gemacht habe, da sie die Überzahlung nicht angezeigt hätte. Unerheblich sei ferner, dass die Beklagte die Überzahlung verursacht habe. Die Klägerin habe in der Klageschrift eingeräumt, das Merkblatt für Arbeitslose nur überflogen zu haben. Die fehlende Kenntnisnahme des Inhaltes des Merkblattes stelle eine grobe Fahrlässigkeit dar. Bei aufmerksamen Durchlesen des Merkblattes hätte sie leicht feststellen können, dass die Lohnsteuerklasse und die Leistungsgruppe korrespondierten und die Beklagte offenbar von einer falschen Leistungsgruppe bei der Alg-Berechnung ausgegangen sei. Die von ihr in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bescheinigung der Dipl.-Psychologin M., wonach sich dort in Behandlung stünde, könne sie nicht entlasten, denn darin sei lediglich bescheinigt worden, dass sie einer vollen Erwerbstätigkeit zurzeit nicht gewachsen sei.
Gegen das ihr am 13.03.2001 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 23.02.2001 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung.
Sie habe die Alg-Leistungen erst einige Zeit nach Antragstellung erhalten, so dass ihr der Inhalt des Merkblattes nicht mehr vollständig präsent gewesen sei. Zudem habe sie auf Grund der von ihr gemachten korrekten Angaben auf die Richtigkeit des Bewilligungsbescheides vertraut. Der Vorwurf grober Fahrlässigkeit könne ihr nicht gemacht werden.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 14.02.2001 und den Bescheid der Beklagten vom 05.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die Klägerin hätte erkennen können, dass ihr überhöhtes Alg bewilligt worden war.
Auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz = SGG) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).
In der Sache erweist sich die Berufung auch als begründet, denn das SG hat im angefochtenen Urteil vom 14.02.2001 zu Unrecht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 05.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.1998 abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide finden - entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG - in § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X keine Rechtsgrundlage. Danach kann ein begünstigender Verwaltungsakt - wie der Bewilligungsbescheid vom 19.08.1996 - teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit die Betroffene (= die Klägerin) die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X vor, wenn die Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG, Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R), der sich der Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat, ist einer Leistungsempfängerin, die die fehlerhafte Zuordnung von Tatsachen (hier der Steuerklasse zu den gesetzlichen Merkmalen) nicht aus der Bescheidbegründung erkennen kann, eine grobe Fahrlässigkeit nur dann vorzuwerfen, wenn ihr der Fehler mit ihren subjektiven Erkenntnismöglichkeiten oder aus anderen Gründen geradezu "in die Augen springt". Davon ist zB auszugehen, wenn die bewilligte Lohnersatzleistung offensichtlich außer Verhältnis zu dem zugrunde liegenden Arbeitsentgelt steht.
Nach Auffassung des Senates liegt eine grobe Fahrlässigkeit in diesem Sinne bei der Klägerin nicht vor. Allein aus dem Erhalt des "Merkblattes für Arbeitslose" und der mit der Unterschrift unter dem Leistungsantrag von der Klägerin bestätigten Kenntnisnahme kann nicht gefolgert werden, dass sie seinen Inhalt auch verstanden hat, soweit aus den dortigen Erläuterungen die Alg-Höhe ab dem 29.06.1996 zu berechnen war (BSG vom 24.04.1997 - 11 RAr 89/96). Die Klägerin konnte lediglich aus der Fassung des Bescheides erkennen, dass ihr Alg in Höhe von 295,20 DM wöchentlich auf Grund des "erhöhten" Leistungssatzes aus Leistungsgruppe C gewährt wurde, anstatt der ihr rechtmäßig zustehenden 183,00 DM wöchentlich. Aus den auf der Rückseite des Bescheides befindlichen Rechenbeispielen ging hervor, dass die Steuerklasse III zur Leistungsgruppe C führt und ein erhöhter Leistungssatz gezahlt wird, wenn ein Kind zu berücksichtigen ist. Eine weitere Begründung für die Zuordnung dieses Leistungssatzes konnte sie dem Bescheid nicht entnehmen.
Die Klägerin hatte im Antragsformular zutreffend angegeben, seit 1983 verheiratet zu sein. Die vorgelegte Lohnsteuerkarte ihres Ehemannes enthielt für das Jahr 1996 auf Grund des gemeinsamen Kindes R. M. (geb. 1983) die Steuerklasse III/I. Nach der Fassung des Bescheides war die fehlerhafte Berechnung des Leistungssatzes daher für die Klägerin nicht ohne weiteres erkennbar. Soweit bei der Berechnung ihres Alg die Leistungsgruppe C zugrunde gelegt wurde, entsprach dies nach den Hinweisen auf der Rückseite des Bescheides der Steuerklasse III. Der erhöhte Leistungssatz war ihr zu gewähren, weil ihr Sohn Robert berücksichtigt wurde.
Es fehlte somit an Anhaltspunkten für eine offenbare Fehlerhaftigkeit des Bewilligungsbescheides vom 19.08.1996. Die Klägerin hatte keinen Anlass, die Bemessungsfaktoren anhand des Merkblattes weiter zu überprüfen oder beim Arbeitsamt nachzufragen, um Unstimmigkeiten aufzudecken (vgl BSG aaO). Sie konnte nicht ohne weiteres von einer Unrichtigkeit des Bewilligungsbescheides und somit von dessen Rechtswidrigkeit ausgehen, sondern durfte vielmehr auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns der Beklagten vertrauen.
Die Voraussetzungen für eine teilweise Aufhebung des der Klägerin ab dem 29.06.1996 gewährten Alg nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X lagen somit nicht vor. Andere Rückforderungstatbestände sind für den Senat nicht ersichtlich.
Auf die Berufung der Klägerin waren somit das Urteil des SG Würzburg vom 14.02.2001 und der Bescheid der Beklagten vom 05.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.1998 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen. -
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die teilweise Aufhebung einer Arbeitslosengeld (Alg)-Bewilligung vom 29.06.1996 bis 27.06.1997 und die Rückforderung überzahlter Leistungen in Höhe von 5.819,10 DM.
Die am 1955 geborene Klägerin bezog bis zum 28.06.1996 Unterhaltsgeld (Uhg) nach einem Arbeitsentgelt von 730,00 DM in Leistungsgruppe D in Höhe von 231,60 DM wöchentlich.
Am 09.05.1996 beantragte die Klägerin die Gewährung von Alg und bestätigte im Leistungsantrag unterschriftlich, das Merkblatt für Arbeitslose ("Ihre Rechte - Ihre Pflichten") erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Sie gab ferner an, seit 1983 mit Herrn H. M. verheiratet zu sein. Der gemeinsame Sohn R. war am 21.10.1983 geboren worden.
In der vorgelegten Lohnsteuerkarte war für 1996 für ihren Ehemann die Steuerklasse III/I eingetragen.
Mit Bescheid vom 19.08.1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 550,00 DM in Leistungsgruppe C in Höhe von 295,20 DM wöchentlich. Im Bewilligungsbescheid war unter Leistungssatz vermerkt "erhöhter". Auf der Rückseite befand sich der Hinweis, dass sich die Leistungsgruppe üblicherweise nach der Lohnsteuerklasse richte und die Steuerklasse III in der Regel zur Leistungsgruppe C führe. Sei ein Kind zu berücksichtigen, werde ein erhöhter Leistungssatz gezahlt.
Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass die Klägerin Alg fälschlicherweise nach Steuerklasse III anstatt nach Steuerklasse V erhalten hatte und ihr für das Jahr 1996 lediglich Leistungen in Höhe von 183,00 DM wöchentlich und für das Jahr 1997 in Höhe von 179,40 DM zugestanden hätten, hörte die Beklagte die Klägerin gem § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit Schreiben vom 04.03.1998 an.
Mit Bescheid vom 05.05.1998 hob die Beklagte die Alg-Bewilligung an die Klägerin vom 29.06.1996 bis 27.06.1997 teilweise auf und forderte sie zur Erstattung der überzahlten Alg-Leistungen in Höhe von 5.819,10 DM auf.
Der hiergegen am 11.05.1998 eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg. Im Widerspruchsbescheid vom 03.09.1998 führte die Beklagte aus, dass die Klägerin anhand des Merkblattes für Arbeitslose ohne große Schwierigkeiten hätte erkennen können, dass ihr nur bei Eintragung der Lohnsteuerklasse III Leistungen nach Leistungsgruppe C zugestanden hätten, sie sich jedoch durchgehend in Lohnsteuerklasse V befunden habe. Auch im Hinblick auf die wöchentliche Leistungshöhe hätte sie ohne weiteres erkennen können, dass ihr zuvor Uhg nach einem erheblich höheren Arbeitsentgelt von 730,00 DM in Höhe von 231,60 DM gewährt worden war, während das anschließend von ihr bezogene Alg nach einem niedrigeren Arbeitsentgelt von 550,00 DM zu einem Leistungssatz von nur 295,20 DM geführt habe. Da sie auch entsprechende Nachfragen beim Arbeitsamt unterlassen habe, rechtfertige dies den Vorwurf grober Fahrlässigkeit.
Die dagegen am 16.09.1998 von der Klägerin zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 14.02.2001 abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 19.08.1996 bilde § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X iVm § 330 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Die Klägerin habe grob fahrlässig die Überzahlung des Alg nicht erkannt. Sie könne sich nicht darauf berufen, dass sie gegenüber der Beklagten nur korrekte Angaben gemacht habe, da sie die Überzahlung nicht angezeigt hätte. Unerheblich sei ferner, dass die Beklagte die Überzahlung verursacht habe. Die Klägerin habe in der Klageschrift eingeräumt, das Merkblatt für Arbeitslose nur überflogen zu haben. Die fehlende Kenntnisnahme des Inhaltes des Merkblattes stelle eine grobe Fahrlässigkeit dar. Bei aufmerksamen Durchlesen des Merkblattes hätte sie leicht feststellen können, dass die Lohnsteuerklasse und die Leistungsgruppe korrespondierten und die Beklagte offenbar von einer falschen Leistungsgruppe bei der Alg-Berechnung ausgegangen sei. Die von ihr in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bescheinigung der Dipl.-Psychologin M., wonach sich dort in Behandlung stünde, könne sie nicht entlasten, denn darin sei lediglich bescheinigt worden, dass sie einer vollen Erwerbstätigkeit zurzeit nicht gewachsen sei.
Gegen das ihr am 13.03.2001 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 23.02.2001 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung.
Sie habe die Alg-Leistungen erst einige Zeit nach Antragstellung erhalten, so dass ihr der Inhalt des Merkblattes nicht mehr vollständig präsent gewesen sei. Zudem habe sie auf Grund der von ihr gemachten korrekten Angaben auf die Richtigkeit des Bewilligungsbescheides vertraut. Der Vorwurf grober Fahrlässigkeit könne ihr nicht gemacht werden.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 14.02.2001 und den Bescheid der Beklagten vom 05.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die Klägerin hätte erkennen können, dass ihr überhöhtes Alg bewilligt worden war.
Auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz = SGG) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).
In der Sache erweist sich die Berufung auch als begründet, denn das SG hat im angefochtenen Urteil vom 14.02.2001 zu Unrecht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 05.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.1998 abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide finden - entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG - in § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X keine Rechtsgrundlage. Danach kann ein begünstigender Verwaltungsakt - wie der Bewilligungsbescheid vom 19.08.1996 - teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit die Betroffene (= die Klägerin) die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X vor, wenn die Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG, Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R), der sich der Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat, ist einer Leistungsempfängerin, die die fehlerhafte Zuordnung von Tatsachen (hier der Steuerklasse zu den gesetzlichen Merkmalen) nicht aus der Bescheidbegründung erkennen kann, eine grobe Fahrlässigkeit nur dann vorzuwerfen, wenn ihr der Fehler mit ihren subjektiven Erkenntnismöglichkeiten oder aus anderen Gründen geradezu "in die Augen springt". Davon ist zB auszugehen, wenn die bewilligte Lohnersatzleistung offensichtlich außer Verhältnis zu dem zugrunde liegenden Arbeitsentgelt steht.
Nach Auffassung des Senates liegt eine grobe Fahrlässigkeit in diesem Sinne bei der Klägerin nicht vor. Allein aus dem Erhalt des "Merkblattes für Arbeitslose" und der mit der Unterschrift unter dem Leistungsantrag von der Klägerin bestätigten Kenntnisnahme kann nicht gefolgert werden, dass sie seinen Inhalt auch verstanden hat, soweit aus den dortigen Erläuterungen die Alg-Höhe ab dem 29.06.1996 zu berechnen war (BSG vom 24.04.1997 - 11 RAr 89/96). Die Klägerin konnte lediglich aus der Fassung des Bescheides erkennen, dass ihr Alg in Höhe von 295,20 DM wöchentlich auf Grund des "erhöhten" Leistungssatzes aus Leistungsgruppe C gewährt wurde, anstatt der ihr rechtmäßig zustehenden 183,00 DM wöchentlich. Aus den auf der Rückseite des Bescheides befindlichen Rechenbeispielen ging hervor, dass die Steuerklasse III zur Leistungsgruppe C führt und ein erhöhter Leistungssatz gezahlt wird, wenn ein Kind zu berücksichtigen ist. Eine weitere Begründung für die Zuordnung dieses Leistungssatzes konnte sie dem Bescheid nicht entnehmen.
Die Klägerin hatte im Antragsformular zutreffend angegeben, seit 1983 verheiratet zu sein. Die vorgelegte Lohnsteuerkarte ihres Ehemannes enthielt für das Jahr 1996 auf Grund des gemeinsamen Kindes R. M. (geb. 1983) die Steuerklasse III/I. Nach der Fassung des Bescheides war die fehlerhafte Berechnung des Leistungssatzes daher für die Klägerin nicht ohne weiteres erkennbar. Soweit bei der Berechnung ihres Alg die Leistungsgruppe C zugrunde gelegt wurde, entsprach dies nach den Hinweisen auf der Rückseite des Bescheides der Steuerklasse III. Der erhöhte Leistungssatz war ihr zu gewähren, weil ihr Sohn Robert berücksichtigt wurde.
Es fehlte somit an Anhaltspunkten für eine offenbare Fehlerhaftigkeit des Bewilligungsbescheides vom 19.08.1996. Die Klägerin hatte keinen Anlass, die Bemessungsfaktoren anhand des Merkblattes weiter zu überprüfen oder beim Arbeitsamt nachzufragen, um Unstimmigkeiten aufzudecken (vgl BSG aaO). Sie konnte nicht ohne weiteres von einer Unrichtigkeit des Bewilligungsbescheides und somit von dessen Rechtswidrigkeit ausgehen, sondern durfte vielmehr auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns der Beklagten vertrauen.
Die Voraussetzungen für eine teilweise Aufhebung des der Klägerin ab dem 29.06.1996 gewährten Alg nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X lagen somit nicht vor. Andere Rückforderungstatbestände sind für den Senat nicht ersichtlich.
Auf die Berufung der Klägerin waren somit das Urteil des SG Würzburg vom 14.02.2001 und der Bescheid der Beklagten vom 05.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.1998 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
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