L 6 RJ 134/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 374/00 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 134/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RJ 111/03 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 4. Juli 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen. -

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001 - auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger, der am 1938 geboren und Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien (bzw. Republik Serbien und Montenegro) ist, hat in seiner Heimat vom 11.07.1955 bis 31.05.1970 Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt. In der Bundesrepublik Deutschland ist er vom 24.09.1970 bis 08.09.1987 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Der Zeitraum vom 01.01.1980 bis 30.09.1987 enthält drei Jahre Pflichtbeitragszeiten und acht Monate Lücke (Dezember 1985 = ein Monat, Januar 1986 = ein Monat und Februar bis Juli 1987 = sechs Monate). Nach Beendigung des letzten Beschäftigungsverhältnisses ist der Kläger in seine Heimat zurückgekehrt. Er gibt an, seit dem Ende seiner letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung (sc. in Deutschland) von seinen Ersparnissen bzw. von Sozialhilfeleistungen gelebt zu haben. Seit 16.01.1990 hat er in seiner Heimat Anspruch auf Invalidenrente der I. Kategorie.

Zu seinem beruflichen Werdegang gibt der Kläger an, in Jugoslawien zum "Meister - hochqualifizierter Maurer" ausgebildet worden und in Deutschland bei verschiedenen Firmen als Maurermeister gearbeitet zu haben.

Die Firma A. - Industrie- und Wohnbau GmbH (Fa. A.), M. , bei der der Kläger vom 28.03.1977 bis 14.04.1981 gearbeitet hat, ist nicht mehr auffindbar. Später weist der Kläger noch zwei kurzfristige Arbeitsverhältnisse auf, nämlich bei der Firma E. Bauunternehmung (Fa. E.), G. , vom 16.10.1984 bis 15.12.1984 und bei der Firma E. Baugesellschaft mbH (Fa. E.), N. , vom 19.08. 1987 bis 08.09.1987.

Einen ersten auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit gerichteten Antrag des Klägers vom 23.01.1989 hat die Beklagte mit Bescheid vom 01.02.1991 abgelehnt. Zwar bestehe nach dem in Belgrad erstatteten Rentengutachten vom 16.01. 1990 und nach dem Gutachten der Ärztlichen Gutachterstelle Regensburg/Arzt für innere Medizin Dr.R. vom 02.10.1990 seit 16.01.1990 Erwerbsunfähigkeit, aber die für eine Rentengewährung erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Ein weiterer, am 02.03.1994 gestellter Antrag ist aus demselben Grund erfolglos geblieben (Bescheid vom 27.07.1994).

Am 25.05.1999 ging bei der Beklagten ein Schreiben des Kläger vom 29.04.1999 ein, das die Beklagte als Antrag gemäß § 44 SGB X auf Überprüfung der bisher getroffenen Entscheidungen auslegte. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 16.06.1999 und (materiell-rechtlichem) Widerspruchsbescheid vom 06.03.2000 ab. Auch nach nochmaliger Prüfung des in Belgrad erstatteten Rentengutachtens vom 16.01.1990 und des Gutachtens der Ärztlichen Gutachterstelle Regensburg/Arzt für innere Medizin Dr.R. vom 02.10.1990 bleibe es dabei, daß der Leistungsfall erst am 16.01.1990 eingetreten sei, somit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Mit der am 07.04.2000 zum Sozialgericht Landshut (SG) durch seinen Prozessbevollmächtigten erhobenen Klage verfolgte der Kläger seinen Rentenanspruch weiter.

Das SG zog die Verwaltungsakten der Beklagten bei, versuchte ohne Erfolg eine Auskunft von der Fa. A. zu erhalten und erholte von dem Internisten und Radiologen Dr.R. über Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen des Klägers ein medizinisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage (vom 07.08.2000). Dr.R. kam zum Ergebnis, der Kläger habe im März 1989 unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbesondere ohne unübliche Pausen) einfache und leichte Arbeiten, die kein besonders gutes Sehvermögen vorausgesetzt hätten (Grobarbeiten), noch vollschichtig verrichten können. Unzumutbar seinen Tätigkeiten gewesen, die das Bronchialsystem und die Wirbelsäule belastet hätten (Arbeiten in nasskaltem Klima, Arbeiten mit Staub-, Rauch- oder Chemikalienexposition; Heben oder Tragen schwerer Lasten, Arbeiten in gebückter Haltung bzw. Zwangshaltung, Arbeiten in Rumpfbeuge). Umstellungsfähigkeit sei für einfache Anlerntätigkeiten gegeben gewesen. Beschränkungen des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte hätten nicht bestanden. Ab Januar 1990 habe der Kläger keine Arbeiten mehr verrichten können. Maßgeblich dafür sei der graue Star beidseits gewesen. Die wesentliche Verschlechterung der Sehschärfe sei nach den Angaben des Klägers in den Monaten vor der Begutachtung in Belgrad (Januar 1990) eingetreten. Hieraus sei zu schließen, dass das Sehvermögen im März 1989 noch für einfache Grobarbeiten ausreichend gewesen sei.

Mit Urteil vom 04.07.2001 wies das SG die Klage ab. Im Hinblick auf das Gutachten Dr.R. müsse davon ausgegangen werden, dass vor Januar 1990 noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen vorgelegen habe. Bei Eintritt der Erwerbsunfähigkeit erst im Januar 1990 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentenleistung nicht erfüllt und auch nicht mehr erfüllbar.

Das Urteil, versehen mit der Rechtsmittelbelehrung, dass die Berufung vom Kläger innerhalb von drei Monaten eingelegt werden könne, wurde am 25.07.2001 an den ausländischen Wohnsitz des Klägers an den Kläger persönlich mit Einschreiben und Rückschein übersandt, vom Kläger aber nicht abgeholt (Rücklauf am 17.08. 2001). Nun wurde am 21.08.2001 nochmals mit Einschreiben/Rückschein zugestellt; der Rückschein ist beim SG nicht eingegangen. Hierauf veranlasste das SG die öffentliche Zu- stellung des Urteils (ausgehängt am 28.11.2001, abgenommen am 07.01.2002).

Am 13.03.2002 ging die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil beim SG ein. Er trug u.a. vor, erst neulich habe er das Urteil vom 04.07.2001 erhalten. Er begehre Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1990. Seit diesem Zeitpunkt beziehe er nämlich bereits in seiner Heimat Invalidenrente. Als Belege für seinen schlechten Gesundheitszustand, der insbesondere auf den Folgen einer Alkoholkrankheit - nicht auf seiner Augenkrankheit - beruhe, legte er medizinische Unterlagen betreffend ärztliche Behandlungen ab März 1995 vor. In dem Entlassungsschein über eine psychiatrische stationäre Behandlung vom 09.03.1995 bis 04.04. 1995 in der Nervenklinik G. heißt es, dies sei die erste Einweisung wegen der Folgen des Alkoholismus gewesen.

Der Senat zog die Klageakten des SG sowie die Verwaltungsakten der Beklagten bei und versuchte erfolglos, bei der Landeshauptstadt München Informationen über die Fa. A. zu erhalten. Die AOK München bestätigte dem Senat (Schreiben vom 14.01.2003) die Versicherungszeit des Klägers vom 19.08.1987 bis 08.09.1987 - entsprechend seinem letzten Arbeitsverhältnis - und teilte mit, dass Unterlagen über ärztliche Behandlungen des Klägers nicht vorlägen.

Außerdem erholte der Senat von dem Augenarzt K. S. ein medizinisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage (vom 23.12.2002). Der ärztliche Sachverständige stellte fest, der Kläger habe im Februar 1989 und noch bis einschließlich September 1989 vollschichtig arbeiten können. Von seiten der Augen seien bis September 1989 keine qualitativen Leistungseinschränkungen gegeben gewesen. Auch der Anmarschweg zur Arbeitsstätte sei nicht eingeschränkt gewesen.

Die Anfrage des Senats nach Unterlagen bzw. Zeugen für den Inhalt des in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten Berufs hat der Kläger nicht beantwortet (Schreiben vom 13.12.2002).

Der Senat hat den Beteiligten die Gutachten des Sachverständigen P. vom 24.09.1998 bzw. 04.10.2002 in den beim Bayer. Landessozialgericht anhängig gewesenen Berufungen Az.: L 6 RJ 626/97 bzw. L 6 RJ 237/01 ZVW sowie das Schreiben der Direktion Novi Sad des Fonds der Renten- und Invalidenversicherung der Beschäftigten der Republik vom 09.05.2002 in der beim Bayer. Landessozialgericht anhängig gewesenen Berufung Az.: L 6 RJ 614/01 zur Kenntnis gegeben.

Der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 04.07.2001 und die Bescheide der Beklagten vom 01.02.1991, 27.07.1994 sowie vom 16.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund seines Antrags vom 23.01.1989 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001 - eine Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen. -

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG Landshut vom 04.07.2001 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente hat.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 04.07.2001 ist zulässig. Dass sie erst am 13.03.2002 eingegangen ist, ist unschädlich, weil das Urteil unter Verstoß gegen § 73 Abs.3 Satz 1 SGG nicht an den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt worden ist, die Zustellung an den Kläger somit unwirksam gewesen ist (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 73 Rdnr.16a). Eine Prozessvollmacht für das Berufungsverfahren liegt vor.

In der Sache erweist sich die Berufung jedoch als unbegründet.

Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass die Klage ohne Prozessvollmacht erhoben worden, somit an sich unzulässig gewesen ist. Denn dieser Mangel ist im Berufungsverfahren heilbar gewesen (und ist durch eine entsprechende Erklärung der Klägerseite geheilt worden), weil es das erstinstanzliche Gericht versäumt hat, vor der mündlichen Verhandlung eine Prozessvollmacht unter Hinweis auf die etwaigen prozessualen Folgen anzufordern.

Die Unbegründetheit der Berufung folgt vielmehr daraus, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und - ab 01.01.2001 - auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der Kläger ist nämlich im Februar 1989, in dem Zeitpunkt, in dem letztmalig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung einer solchen Rente erfüllt gewesen sind, und noch darüber hinaus bis einschließlich September 1989 weder berufs- noch erwerbsunfähig gewesen. Der Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach Februar 1989 kann nach dem bisherigen Versicherungsleben des Klägers einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsminderung nicht mehr begründen.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen des im Verfahren nach § 44 SGB X maßgeblichen Antrags vom 23.01.1989, der vor dem 31.03. 1992 liegt, und wegen der Geltendmachung eines bereits vor dem 01.01.1992 bestehenden Rentenanspruchs an den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu messen, vgl. § 300 Abs.2 und 3 SGB VI in Verbindung mit dem Urteil des BSG vom 30.01. 1997 - 4 RA 55/95 (= SozR 3-2600 § 300 Nr.10; vgl. auch KassKomm-Niesel § 300 SGB VI Rdnr.5 und 13), dem sich der Senat anschließt. Für den Anspruch des Klägers sind aber auch die Vorschriften des SGB VI maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen ist, dass der Anspruch jedenfalls seit ei- nem Zeitpunkt nach dem 31.12.1991 gegeben sei, vgl. § 300 Abs.1 SGB VI.

Nach den §§ 1246 Abs.1, 1247 Abs.1 RVO in der vom 01.01.1984 bis 31.12.1991 geltenden - neuen - Fassung (n.F.) erhält Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit der Versicherte, der berufsunfähig bzw. erwerbsunfähig ist und zuletzt vor Eintritt der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist.

Die Wartezeit von 60 Kalendermonaten Versicherungszeit (§§ 1246 Abs.3, 1247 Abs.3 Satz 1 Buchst. a RVO n.F.) hatte der Kläger nach seinem Versicherungsverlauf (schon allein mit deutschen Zeiten) bereits vor dem 01.01.1984 erfüllt.

Zuletzt vor Eintritt der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit ist nach den § 1246 Abs.2a Satz 1, 1247 Abs.2a RVO n.F. eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden, wenn 1. von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind oder 2. die Berufsunfähigkeit bzw. die Erwerbsunfähigkeit auf Grund eines der in § 1252 RVO genannten Tatbestände eingetreten ist.

Die in Nr. 2 genannte Alternative scheidet im Fall des Klägers aus, weil die Tatbestände des § 1252 RVO mangels jeden Hinweises im beruflichen oder sonstigen Leben des Klägers ganz offensichtlich nicht erfüllt sind.

Die in Nr. 1 genannte Alternative, daß von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind, würde der Kläger nur beim Eintritt der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit spätestens im Februar 1989 erfüllen; der (verlängerte) Sechzig-Monats-Zeitraum, in dem gerade noch 36 Kalendermonate Pflichtbeitragszeiten enthalten sind, endet nämlich im Januar 1989.

Im Februar 1989 (und darüber hinaus bis einschließlich September 1989) ist der Kläger jedoch noch nicht berufsunfähig im Sinn des § 1246 Abs.2 RVO gewesen; erst recht hat beim Kläger zu dieser Zeit Erwerbsunfähigkeit nach § 1247 Abs.2 RVO nicht vorgelegen.

Nach § 1246 Abs.2 RVO ist ein Versicherter nur dann berufsunfähig, wenn seine Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen eines gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfasst hierbei alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit haben beim Kläger im Februar 1989 (und noch darüber hinaus bis 30.09. 1989) nicht vorgelegen.

Im Februar 1989 (und noch darüber hinaus bis 30.09.1989) ist das nach Satz 1 dieser Definition zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers zwar bereits eingeschränkt gewesen. Er hat aber unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbesondere ohne unübliche Pausen) einfache und leichte Arbeiten, noch vollschichtig verrichten können. Unzumutbar sind Tätigkeiten gewesen, die das Bronchialsystem und die Wirbelsäule belastet hätten (Arbeiten in nass- kaltem Klima, Arbeiten mit Staub-, Rauch- oder Chemikalienexposition; Heben oder Tragen schwerer Lasten, Arbeiten in gebückter Haltung bzw. Zwangshaltung, Arbeiten in Rumpfbeuge). Von seiten der Augen sind bis September 1989 keine zusätzlichen qualitativen Leistungseinschränkungen verursacht worden. Auf einfache Anlerntätigkeiten hat sich der Kläger noch umstellen können. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte haben nicht vorgelegen, da der Kläger die durchschnittlich erforderlichen Fußwege hat zurücklegen können (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr.10).

Dieses berufliche Leistungsvermögen des Klägers im Februar 1989 (und noch darüber hinaus bis 30.09.1989) ergibt sich vor allem aus dem vom SG eingeholten Gutachten des Internisten und Radiologen Dr.R. und dem vom Senat veranlassten Gutachten des Augenarztes K. S. , durch die das im Verwaltungsverfahren erholte Gutachten der Ärztlichen Gutachterstelle Regensburg/ Arzt für innere Medizin Dr.R. in seinen wesentlichen Ergebnissen bestätigt worden ist.

Im Februar 1989 (und noch darüber hinaus bis 20.09.1989) haben beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen vorgelegen:

1. Chronische Emphysembronchitis.

2. Mäßige degenerative Wirbelsäulenveränderungen ohne Nervenwurzelreiz.

3. Magengeschwürsneigung.

4. Linsentrübung beider Augen, links mehr als rechts, ohne Auswirkung auf die berufliche Leistungsfähigkeit.

5. Psycho-vegetative Labilität mit vermehrter nervöser Erregbarkeit, ohne Auswirkung auf die berufliche Leistungsfähigkeit.

Der vom Kläger geltend gemachte Alkoholismus lag damals jedenfalls nicht in einem leistungsmindernden Ausmaß vor. Dies ergibt sich aus dem in Belgrad erstatteten Rentengutachten vom 16.01.1990 und aus dem Gutachten der Ärztlichen Gutachterstelle Regensburg/Arzt für innere Medizin Dr.R. vom 02.10.1990, die darüber nichts aussagen. Dass die Alkoholkrankheit erst längere Zeit nach Februar 1989 in ein Stadium getreten ist, das möglicherweise eine rechtserhebliche Leistungsminderung bewirkt haben könnte, zeigt der Entlassungsschein über die psychiatrische stationäre Behandlung vom 09.03.1995 bis 04.04.1995 in der Nervenklinik G. , wonach dies die erste Einweisung wegen der Folgen des Alkoholismus gewesen sei.

Nach dem beruflichen Leistungsvermögen ist weiterer Ausgangspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit der Hauptberuf des Versicherten. Bei dessen Bestimmung ist grundsätzlich von der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland auszugehen (vgl. KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr.21 ff. mit weiteren Nachweisen). Maßgeblicher Hauptberuf ist vorliegend der eines Bauarbeiters.

Obwohl der Kläger diesen Beruf schon im Februar 1989 nicht mehr hat ausüben können, ist er aber dennoch nicht berufsunfähig gewesen. Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nämlich nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann; vielmehr sind - wie sich aus Satz 2 der oben zitierten Definition der Berufsunfähigkeit ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 § 1246 RVO Nr.138).

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr.138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht auschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 1246 Abs.2 Satz 2 RVO am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr.27 und 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr.143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr.5).

Unter Anwendung dieser Grundsätze muss der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters (keine Anlernzeit oder eine solche von weniger als drei Monaten, Arg. BSG-Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr.45), zugeordnet werden, weil sich eine höhere Qualität der in der Bundesrepublik Deutschland verrichteten Berufstätigkeit mangels Existenz der früheren Arbeitgeber nicht mehr ermitteln lässt; dies geht nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers, zumal dieser auch eine Anfrage des Senats nach Unterlagen über seine Tätigkeit in Deutschland nicht beantwortet hat.

Als ungelerntem Arbeiter sind dem Kläger alle Berufstätigkeiten sozial zumutbar gewesen, denen er körperlich, geistig und seelisch gewachsen gewesen ist. Der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs bedarf es grundsätzlich nicht. Auch hat beim Kläger weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorgelegen, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auch bei einem Versicherten erforderlich machen würde, der der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen ist. Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich hätte vermittelt werden können, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend bestimmt § 43 Abs.2 Satz 4 SGB VI klarstellend (die Rechtslage ist nämlich auch zu Zeiten der Geltung von § 1246 RVO aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine andere gewesen), daß nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und dass hierbei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr.8).

Der Kläger, der bis einschließlich Februar 1989 (und noch darüber hinaus bis einschließlich September 1989) nicht berufsunfähig gewesen ist, weil er in einem zumutbaren anderen Beruf noch vollschichtig leistungsfähig gewesen ist, ist zur maßgeblichen Zeit erst recht nicht erwerbsunfähig gewesen, weil er als nicht einmal Berufsunfähiger die strengeren Voraussetzun- gen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit nicht erfüllt hat, vgl. § 1247 Abs.2 RVO. Im übrigen ist Erwerbsunfähigkeit auch wegen der selbständigen Tätigkeit des Klägers als Landwirt ausgeschlossen gewesen, vgl. § 1247 Abs.2 Satz 3 RVO.

Der im Januar 1989 endende Sechzig-Monats-Zeitraum, in dem gerade noch 36 Kalendermonate Pflichtbeitragszeiten enthalten sind, lässt sich nicht durch sogenannte Streckungstatbestände in Sinn der §§ 1246 Abs.2a Satz 2, 1247 Abs.2a RVO n.F. derart über den Januar 1989 hinaus erweitern, dass auch für einen nach Februar 1989 eintretenden Versicherungsfall noch 36 Pflicht- beitragsmonate vorhanden wären. Von den in den §§ 1246 Abs.2a Satz 2, 1247 Abs.2a RVO n.F. genannten Tatbeständen sind nach den Umständen des vorliegenden Falles höchstens Rentenbezugszeiten, Ausfallzeiten bzw. ein Streckungstatbestand wegen Krankheit und eine Ausfallzeit wegen Arbeitslosigkeit in Betracht zu ziehen.

Berücksichtigt man zunächst allein deutsche Rechtsvorschriften, so scheidet der (erst und damit ohnehin zu spät) ab 16.01.1990 bestehende Bezug der jugoslawischen Invalidenrente nach der Rechtsprechung des BSG als Streckungstatbestand im Sinn der §§ 1246 Abs.2a Satz 2 Nr.3, 1247 Abs.2a RVO n.F. aus (vgl. BSG-Urteil vom 03.11.1994 = SozR 3-2200 § 1246 Nr.48). Auch eine Ausfallzeit wegen Arbeitsunfähigkeit (vgl. § 1246 Abs.2a Satz 2 Nr.2 RVO n.F. in Verbindung mit § 1259 Abs.1 Satz 1 Nr.1 RVO) oder eine auf Arbeitsunfähigkeit beruhende Streckungszeit im Sinn von § 1246 Abs.2a Satz 2 Nr.6 RVO n.F. liegt nicht vor. Nach Mitteilung der AOK München vom 14.01.2003 haben im Rahmen des letzten Arbeitsverhältnisses des Klägers vom 19.08.1987 bis 08.09.1987 keine ärztlichen Behandlungen stattgefunden; auch ist im Versicherungsverlauf des Klägers keine anschließende Zeit der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit verzeichnet. Der Kläger ist somit, ohne Sozialleistungen wegen Krankheit zu beziehen, unmittelbar nach dem Ende des letzten Beschäftigungsverhältnisses offenbar gesund in seine Heimat zurückgekehrt. Trotz Aufforderung durch den Senat (Schreiben vom 10.07.2002 und 01.10.2002) hat der Kläger keine medizinischen Unterlagen aus der an September 1987 unmittelbar anschließenden Zeit beigebracht. Ab wann der Kläger nach September 1987 dann arbeitsunfähig im Sinn der gesetzlichen Krankenversicherung geworden ist, lässt sich somit nicht ermitteln. Im Übrigen wäre der Tatbestand der Arbeitsunfähigkeit beim Kläger auch aus dem Grund nicht mehr festzustellen, weil die in Deutschland konkret ausgeübte Berufstätigkeit, die den Ausgangspunkt für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bildet, unbekannt ist. Darüber hinaus sind Ausfallzeiten wegen Krankheit, die nach dem 31.12.1983 begonnen haben, nur solche, für die Krankengeld oder ähnliche Leistungen bezogen worden oder für die bestimmte Beiträge geleistet worden sind; beides liegt nicht vor. Jedenfalls scheitert die Feststellung einer Krankheit im Sinn der gesetzlichen Krankenversicherung an der fehlenden Ermittelbarkeit der zugrundeliegenden Tatsachen; auch dies geht nach dem im sozial- gerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers. Sofern der Kläger nach September 1987 in seiner Heimat arbeitslos gewesen sein sollte (aus seinem Vortrag ist dies aber kaum zu entnehmen), könnte diese Arbeitslosigkeit nicht als Ausfallzeit gemäß § 1259 Abs.1 Satz 1 Nr.3 RVO berücksichtigt werden, da hierfür nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes die Meldung bei einem deutschen Arbeitsamt erforderlich gewesen wäre.

Aus den Vorschriften des im Verhältnis zwischen der Bundesre- publik Deutschland und der Bundesrepublik Jugoslawien weiter anwendbaren Abk Jugoslawien SozSich lassen sich keine Strcckungstatbestände herleiten, zumal darin keine Gleichstellung entsprechender in Jugoslawien verwirklichter Tatbestände vorgenommen worden ist (vgl. BSG-Urteil vom 03.11.1994 = SozR 3-2200 § 1246 Nr.48). Es ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. das eben genannte Urteil vom 03.11.1994) auch nicht möglich, die Streckungstatbestände der §§ 1246 Abs.2a Satz 2, 1247 Abs.2a RVO n.F. - etwa im Wege einer verfassungskonformen Auslegung - auf entsprechende Vorgänge im Ausland zu erstrecken. Eine generelle Einbeziehung ausländischer Tatbestände scheidet von vornherein aus, weil dies nicht für alle im Ausland befindlichen Personen verfassungsrechtlich geboten erscheint, sondern allenfalls für solche, für die die Bundesrepublik Deutschland - etwa aufgrund von völkerrechtlichen Verträgen - eine besondere Verantwortung hat. Eine entsprechende Differenzierung, die zudem alle Besonderheiten ausländischer Verhältnisse berücksichtigen müsste, lässt sich durch bloße Auslegung des Gesetzes nicht vornehmen.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen nach Februar 1989 eintretenden Versicherungsfall sind auch nicht unter Berücksichtigung der Übergangsregelung des Art.2 § 6 Abs.2 ArVNG erfüllt oder noch erfüllbar. Nach Satz 1 dieser Vorschrift (die Sätze 2 und 3 sind hier von vornherein nicht einschlägig) gelten die §§ 1246 Abs.1, 1247 Abs.1 RVO in der bis zum 31. Dezember 1983 gültigen - alten - Fassung (a.F.), die das grundsätzliche Erfordernis von versicherungsfallnahen Pflichtbeitragszeiten noch nicht kannte, auch für Versicherungsfälle nach dem 31.12.1983, wenn der Versicherte 1. vor dem 01.01.1984 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hat und 2. jeden Kalendermonat in der Zeit vom 01.01.1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalls mit Beiträgen oder den bei der Ermittlung der 60 Kalendermonate nach § 1246 Abs.2a RVO n.F. nicht mitzuzählenden Zeiten belegt hat.

Da der Kläger die Wartezeit bereits vor 1984 erfüllt hatte und erst nach Februar 1989 erwerbsunfähig geworden ist (frühestens im Oktober 1989), kommt es hier noch auf die erforderliche Belegung der Zeit vom 01.01.1984 bis 31.12.1988 mit Beiträgen oder Streckungszeiten an. Streckungstatbestände, die die Lücken Dezember 1985, Januar 1986, Februar bis Juli 1987, Oktober bis Dezember 1987 und Januar bis Dezember 1988 im Versicherungsleben des Klägers schließen könnten, sind nicht erkennbar und damit - zumindest im Sinn des Grundsatzes der objektiven Beweislast - nicht vorhanden. Eine nachträgliche Belegung der Lücken mit Beiträgen - es kommen nur freiwillige in Betracht - ist nicht mehr zulässig. Zwar war der Kläger während seines Aufenthalts in Deutschland und auch nach seiner Rückkehr nach Jugoslawien gemäß § 1233 Abs.1 RVO i.V.m. Art.3 Abs.1 Buchst. a Abk Jugoslawien SozSich berechtigt, freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung zu entrichten, nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften konnte und kann die Zahlung jedoch nicht mehr nachgeholt werden. Dazu sah § 1418 Abs.1 RVO in der vom 01.01.1980 bis 31.12.1991 geltenden Fassung vor, dass freiwillige Beiträge nur bis zum Ende des Jahres entrichtet werden konnten, für das sie gelten sollten. Diese Frist war für die hier zu belegenden Zeiten in den Jahren 1985 bis 1988 bereits abgelaufen, als der Versicherte im Januar 1989 seinen Rentenantrag stellte, was zu einer Hemmung noch offener Fristen hätte führen können (vgl. § 1420 Abs.2 RVO).

Zwar könnte eine Hemmung der in § 1418 Abs.1 RVO vorgesehenen Beitragsentrichtungsfristen ab dem Zeitpunkt der Rückkehr des Klägers nach Jugoslawien in entsprechender Anwendung des § 203 BGB in der vom 01.01.1964 bis 31.12.2001 geltenden - alten - Fassung (a.F.) bzw. des § 206 BGB in der seit 01.01.2002 geltenden - neuen - Fassung (n.F.) - die Bestimmungen haben im Wesentlichen denselben Regelungsgehalt - in Betracht gezogen werden (vgl. hierzu BSG-Urteil vom 11.05.2000 - B 13 RJ 85/98 R = SozR 3-5750 Art.2 § 6 Nr.18), die Voraussetzungen dieser Bestimmungen sind hier jedoch nicht gegeben. Nach § 203 Abs.1 BGB a.F. ist die Verjährung gehemmt, solange der Berechtigte durch Stillstand der Rechtspflege innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist an der Rechtsverfolgung verhindert ist. Das gleiche gilt, wenn eine solche Verhinderung in anderer Weise durch höhere Gewalt herbeigeführt wird (§ 203 Abs.2 BGB a.F. bzw. 206 n.F.).

Höhere Gewalt in diesem Sinne ist ein außergewöhnliches Ereignis, dessen Eintritt nicht vorauszusehen und auch bei äußerster Sorgfalt nicht mit üblichen Mitteln abzuwenden ist; schon das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus (vgl. das o.g. BSG-Urteil vom 11.05.2000). Danach können auch durch Gesetzgebung oder Verwaltung veranlasste objektive Zahlungshindernisse zu einer Fristhemmung führen. Zwar könnten die seinerzeit in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) bestehenden devisenrechtlichen Beschränkungen, die es Versicherten unmöglich machten, von ihrer Heimat aus Rentenversicherungsbeiträge nach Deutschland zu überweisen, möglicherweise als Akt höherer Gewalt angesehen werden, der Kläger ist dadurch jedoch nicht im Sinn von § 203 BGB a.F. bzw. des § 206 BGB n.F. gehindert worden, die Frist des § 1418 Abs.1 RVO zu wahren. Dabei kann offenbleiben, ob er in der fraglichen Zeit Kenntnis von dem ihn treffenden Beitragsentrichtungserfordernis hatte. Wußte er nichts von den Voraussetzungen einer Anwartschaftserhaltung nach Art.2 § 6 Abs.2 ArVNG, so fehlte ihm bereits ein entsprechender Beitragszahlungswille. Damit scheiden die §§ 203 BGB a.F., 206 BGB n.F. von vornherein aus. Diese Vorschriften beziehen sich nämlich nur auf Fälle, in denen der an sich vorhandene Wille des Berechtigten, sein Recht geltend zu machen, infolge einer auf höherer Gewalt beruhenden Verhinderung nicht verwirklicht werden kann. Darüber hinaus ist Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum - abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall einer sog. anspruchsfeindlichen Rechtsprechung - nicht als Ereignis höherer Gewalt anzusehen (vgl. das o.g. BSG-Urteil vom 11.05.2000). Waren dem Versicherten die einschlägigen Regelungen hingegen zumindest im Wesentlichen bekannt und wollte er etwas gegen den drohenden Verlust seiner Anwartschaft auf eine Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit unternehmen, so hätte es ihm bei der zu fordernden äußersten Sorgfalt oblegen, sich an die Beklagte oder auch die jugoslawische Verbindungsstelle mit der Bitte um Hilfe und Beratung zu wenden, wie er seine Anwartschaft in Anbetracht der bestehenden devisenrechtlichen Beschränkungen aufrechterhalten könne. Die Beklagte wäre dann verpflichtet gewesen, ihm gemäß § 1420 Abs.1 Nr.2 RVO die Möglichkeit einer fristwahrenden Bereiterklärung zur späteren Beitragsentrichtung zu eröffnen.

Auch eine ausnahmsweise mögliche Zulassung zur Beitragsnachent- richtung kommt hier nicht in Betracht, und zwar unabhängig davon, ob man insoweit die Regelung des am 01.01.1992 in Kraft getretenen § 197 Abs.3 SGB VI oder aber das zuvor geltende Recht für anwendbar hält. Sofern man hinsichtlich der für die Jahre 1985 bis 1988 versäumten Beitragsentrichtungsfrist des § 1418 Abs.1 RVO überhaupt § 27 SGB X heranziehen kann (ablehnend insoweit BSG SozR 3-1200 § 14 Nr.9; BSG SozR 3-5750 Art.2 § 6 Nr.7), scheitert die danach vorgesehene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jedenfalls daran, dass seit dem Ablauf der für die Jahre 1985 bis 1987 maßgeblichen Frist bei der Antragstellung des Versicherten im Januar 1989 bereits mehr als ein Jahr vergangen war. Eine Nachzahlung wäre mithin gemäß § 27 Abs.3 SGB X nur dann zulässig, wenn sie vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Davon kann hier - wie bereits zu § 203 Abs.2 BGB a.F. und § 206 BGB n.F. dar- gelegt - nicht ausgegangen werden.

Entsprechendes gilt nach der Rechtsprechung des BSG, sofern man eine Anwendung der Grundsätze über eine Nachsichtgewährung für möglich erachten sollte (vgl. zum folgenden das o.g. BSG-Urteil vom 11.05.2000 m.w.N.). Bei Versäumung einer gesetzlichen Ausschlussfrist kann nämlich Nachsicht in der Regel dann nicht mehr gewährt werden, wenn die versäumte Rechtshandlung nicht innerhalb eines Jahres nach Fristablauf nachgeholt worden ist. Eine u.a. bei höherer Gewalt anerkannte Ausnahme kommt hier aus den dargelegten Gründen nicht in Betracht.

Eine Anwendung des § 197 Abs.3 SGB VI würde zum selben Ergebnis führen. Nach Satz 1 dieser Bestimmung ist in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, die Zahlung von Beiträgen auf Antrag der Versicherten auch nach Ablauf der in § 197 Abs.1 und 2 SGB VI genannten Frist zuzulassen, wenn die Versicherten an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert waren. Unabhängig davon, inwiefern man eine Unkenntnis des Art.2 § 6 Abs.2 ArVNG, die auf unzureichende Informationsmöglichkeiten am ausländischen Wohnsitz eines Versicherten zurückzuführen ist, als unverschuldetes Hindernis der Beitragszahlung anerkennen könnte, würde die in § 27 Abs.3 SGB X geregelte und bei der Nachsichtgewährung entsprechend anwendbare Jahresfrist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu berücksichtigen sein. In dieser für die Nachholung von versäumten Handlungen gesetzten zeitlichen Grenze, die sich auch in anderen fristbezogenen Vorschriften (vgl. z.B § 66 Abs.2, § 67 Abs.3 SGG) findet, kommt nämlich eine allgemeine gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, welcher eine sachgerechte Abwägung zwischen Rechtssicherheit und Individualinteresse zugrunde legt. Dementsprechend kann sich ein Versicherter auch im Rahmen des § 197 Abs.3 SGB VI nicht zeitlich unbeschränkt auf ein mangelndes Verschulden berufen. Liegt der Ablauf der Beitragsentrichtungsfrist - wie hier - über ein Jahr zurück, so ist die Nachzahlung mithin allenfalls dann zuzulassen, wenn diese - anders als im vorliegenden Fall - zuvor infolge höherer Gewalt unmöglich war.

Ob ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch neben diesen besonderen Nachentrichtungsregelungen überhaupt Platz greifen kann, kann dahinstehen, weil dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Denn ein Fehlverhalten der Beklagten in Gestalt eines Verstoßes gegen ihre Beratungspflicht nach § 14 SGB I, das in anderem Zusammenhang jedenfalls Grundlage für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wäre und vorliegend auch zu einer besonderen Härte im Sinn des § 197 Abs.3 SGB VI führen könnte (vgl. KassKomm-Peters § 197 SGB VI Rdnr.19), liegt nicht vor. Der Kläger hat sich nämlich erstmals anlässlich seines Rentenantrags vom Januar 1989 an die Beklagte gewandt, so dass eine rechtzeitige Aufklärung über das Beitragszahlungserfordernis nicht möglich gewesen ist. Ein möglicher Beratungsfehler seitens der Arbeitsverwaltung, das der Beklagten zurechenbar wäre, könnte nicht kausal für die Unterlassung der Beitrags- leistung für Zeit ab Oktober 1987 sein, weil der Kläger nicht aus dem Sozialleistungsbezug der Arbeitsverwaltung, sondern aus einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden und in seine Heimat zurückgekehrt ist, so dass eine Beratungstätigkeit des Arbeitsamts im entscheidenden Zeitpunkt nicht möglich gewesen ist. Auch für die Jahre 1985 bis einschließlich der ersten Jahreshälfte 1987 ist nach Aktenlage ein Beratungsfehler des Arbeitsamts auszuschließen, zumal das Arbeitsamt München, das nach den Feststellungen der Beklagten für den in München wohnhaften Kläger bis 1987 zuständig gewesen ist (vgl. das Schreiben des Arbeitsamts München vom 06.02.1991, Bl.33a Rs. der Rentenakte der Beklagten), dem Senat mitgeteilt hat (Schreiben vom 19.12.2002), dass die Leistungsakten nicht (mehr) vorhanden seien. Die Nichtfeststellbarkeit eines Beratungsfehlers geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers.

Zwar könnte eine Entrichtung von freiwilligen Beiträgen zu einem vom Abk Jugoslawien SozSich erfassten ausländischen Rentenversicherungssystem zur Erfüllung der Voraussetzungen des Art.2 § 6 Abs.2 ArVNG ebenfalls ausreichen (vgl. das o.g. BSG-Urteil vom 11.05.2000), sie ist jedoch im vorliegenden Fall ausgeschlossen. Der Kläger hatte nämlich keine Möglichkeit der Entrichtung freiwilliger Beiträge zu Versicherungsträgern in der ehemaligen SFRJ hatte. Den Gutachten des Sachverständigen P. vom 24.09.1998 bzw. 04.10.2002 in den beim Bayer. Landessozialgericht anhängig gewesenen Berufungen Az.: L 6 RJ 626/97 bzw. L 6 RJ 237/01 ZVW sowie dem Schreiben der Direktion Novi Sad des Fonds der Renten- und Invalidenversicherung der Beschäftigten der Republik vom 09.05.2002 in der beim Bayer. Landessozialgericht anhängig gewesenen Berufung Az.: L 6 RJ 614/01 ist insoweit zu entnehmen, dass sich der Kläger in seiner Heimat nicht für die Jahre 1985 bis 1988 (rückwirkend) versichern konnte. Insbesondere gab und gibt es nach Einsetzen der Invalidenrente (16.01.1990) nach jugoslawischen Rechtsvorschriften für den Kläger keine irgendwie geartete Möglichkeit, Beiträge zum System der gesetzlichen Rentenversicherung in der Bundesrepublik Jugoslawien zu zahlen. Auch der Hinzukauf von Beiträgen hätte dem Kläger nicht genützt, weil diese keinem Zeitraum (wie aber erforderlich) zugeordnet werden.

Da nach alledem eine Entrichtung von freiwilligen Beiträgen jedenfalls für die Jahre 1985 bis 1988 nicht mehr möglich ist, kann das Belegungserfordernis des Art.2 § 6 Abs.2 ArVNG schon aus diesem Grunde nicht erfüllt werden. Mithin kommt es nicht darauf an, inwiefern sich ein weiteres Hindernis aus § 1419 Abs.1 RVO ergibt.

Aus der fehlenden Zulässigkeit einer Beitragszahlung für die Jahre 1985 bis 1988 folgt zugleich, dass der Kläger einen Rentenanspruch, soweit es Leistungszeiträume ab 01.01.1992 betrifft, auch nicht aus den Vorschriften des SGB VI herleiten kann. Zunächst enthalten die §§ 43 Abs.1 Satz 1 Nr.2, Abs.3 und Abs.4, 44 Abs.1 Satz 1 Nr.2, Abs.4 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung und § 43 Abs.1 Satz 1 Nr.2, Abs.2 Satz 1 Nr.2, Abs.4 und Abs.5 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen, die den in den §§ 1246 Abs.1 und Abs.2a, 1247 Abs.1 und Abs.2a RVO geregelten im wesentlichen entsprechen (drei Jahre Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren vor dem Versicherungsfall) und die der Kläger folglich ebenfalls nicht erfüllte. Auch die Übergangsregelung der §§ 240, 241 Abs.2 SGB VI in der bis 31.12. 2000 geltenden Fassung greifen nicht ein. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 01.01. 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist oder wenn die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit vor dem 01.01.1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, ist eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich (§ 241 Abs.2 Satz 2 SGB VI). Zwar hatte der Versicherte die Wartezeit lange vor 1984 erfüllt und war frühestens im Oktober 1989 erwerbsunfähig geworden, es fehlt jedoch an der erforderlichen Belegung der Zeit vom 01.01.1984 bis 31.12.1988 mit Anwartschaftserhaltungszeiten im Sinn von § 240 Abs.2 SGB VI. Die Regelung der §§ 240 Abs.2 Satz 2, 241 Abs.2 Satz 2 SGB VI hilft hier nicht weiter, weil eine Beitragszahlung insoweit nicht mehr zulässig ist.

Soweit der Rentenanspruch des Versicherten an einem Fehlen der oben erörterten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen scheitert, wird dieser dadurch nach der Rechtsprechung des BSG nicht in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt (vgl. hierzu das o.g. Urteil des BSG vom 11.05.2000).

Da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit schon seit März 1989 und erst recht beim Eintritt der Erwerbsunfähigkeit (frühestens) im Oktober 1989 nicht mehr vorgelegen haben und auch nicht mehr herstellbar sind, der Kläger somit keinen Rentenanspruch hat, war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 04.07.2001 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

Der Kläger sei noch darauf hingewiesen, daß er ab 01.12.2003 Anspruch auf Regelaltersrente hat. Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen sollte er diese rechtzeitig (am besten bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2003) über den Versicherungsträger seiner Heimat bei der Beklagten beantragen.
Rechtskraft
Aus
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