Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 338/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 365/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.09.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Betrieb der Klägerin bereits ab 01.03.1999 anstatt wie bisher zur Gefahrklasse 10,50 zur niedrigeren Gefahrklasse 6,0 zu veranlagen.
Der Geschäftsführer der Klägerin, G. J. , betrieb bereits in der Zeit vom 01.01.1982 bis 28.02.1997 ein Unternehmen, das bei der Beklagten versichert war. Der Betriebsgegenstand wurde mit Sägewerk, Zimmererarbeit und Ingenieurholzbau bezeichnet. Als solches Unternehmen war die Veranlagung bei der Beklagten auch vorgenommen worden. Das Unternehmen wurde später an die Firma H. , A. GmbH, verkauft und von dieser weitergeführt. Letztgenannte Firma geriet im Februar 1999 in Konkurs und der Betrieb wurde mit Wirkung ab 01.04.1999 an die frühere Firma, jetzt bezeichnet als Firma H. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Dipl.-Ing. G. J. , zurückgegeben. Diesen Vorgang zeigte die Klägerin mit Schreiben vom 06.04.1999 an. Die Beklagte übersandte daraufhin einen sogenannten "Betriebsfragebogen", welchen die Klägerin ausfüllte und am 09.06.1999 zurücksandte. In der Rubrik 6.1, in der nach der Art der Arbeiten im Betrieb gefragt wurde, gab die Klägerin "Zimmererarbeiten" an und auf die Frage 6.2, worauf der arbeitsmäßige Schwerpunkt liege, "Zimmerei". Zur Frage 7.3, wo nach der Verteilung der Beschäftigten auf einzelne Arbeitsarten gefragt wurde, antwortete die Klägerin, die Beschäftigten seien alle mit Zimmererarbeiten befasst. Aus der der Beklagten bereits vorliegenden Gewerbeanmeldung der Firma H. GmbH vom 28.11.1978 geht hervor, dass Gegenstand des Gewerbes Holzverarbeitung und Zimmereiarbeiten sowie der An- und Verkauf von Holz im Handwerksbetrieb waren. Mit Bescheid vom 29.06.1999 veranlagte die Beklagte das Unternehmen für die Unternehmenszweige kaufmännisches und technisches Personal jeweils in der Gefahrklasse 1,00 und für den Bereich Zimmererarbeiten und Ingenieur-Holzbau ab 01.03.1999 in der Gefahrklasse 10,50. Eine Ausfertigung ihrer Satzung und ihres Gefahrtarifs bezeichnete die Beklagte als Anlagen ihres Veranlagungsbescheides.
Mit Schreiben vom 09.07.2000 wandte sich die Klägerin an die Beklagte. Sie brachte vor, anläßlich eines Vortrages der Beklagten am 07.07.2000, an dem ein Vertreter ihres Unternehmens teilgenommen habe, habe sie entdeckt, dass sie ab dem 01.03. 1999, dem Wiederbeginn des Unternehmens, in eine falsche Gefahrklasse eingestuft worden sei. Sie habe seit dem 01.03.1999 vier Holzhäuser gebaut sowie an einem bestehenden Bungalow und einem Altstadthaus im Innenbereich Trockenarbeiten und eine Fußbodenerneuerung vorgenommen. Infolgedessen sei sie der niedrigeren Gefahrklasse 6,0, welche Trocken-, Akkustikbau, Fertighaus- oder -teilbau umfasse, zuzuordnen und nicht wie bisher der Gefahrklasse 10,50, welche für einen Zimmererbetrieb gelte. Sie beantrage deshalb den gesamten Lohnnachweis für 1999 nach der Gefahrklasse 6,00 einzustufen. Mit Bescheid vom 10.08.2000 entsprach die Beklagte diesem Antrag insoweit, als sie ab 01.01.2000 differenzierte Gefahrklassen zugrunde legte, nämlich für Zimmererarbeiten und Ingenieurholzbau wie bisher die Gefahrklasse 10,50, für Fußbodenbelagsarbeiten die Gefahrklasse 4,0 und für Trocken-, Akkustikbau und Fertighaus- oder -teilbau die Gefahrklasse 6,00. Sie stützte diese Änderung der Veranlagung auf § 160 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Bereits im Schreiben vom 09.08.2000 hatte sie darauf hingewiesen, eine Änderung der Gefahrklassen für 1999 sei nicht möglich, da sowohl der Veranlagungsbescheid vom 28.06.1999 als auch der Beitragsbescheid für 1999 vom 25.04.2000 bestandskräftig geworden seien und innerhalb der jeweiligen Widerspruchsfristen keine Einwände dagegen erhoben worden seien. Die Änderung der Veranlagung könne daher erst für das Jahr 2000 erfolgen. Die Klägerin erhob dagegen Widerspruch bzw. beantragte einen "Zugunstenbescheid" nach § 160 SGB VII mit Wirkung zum 01.03.1999. Sie habe zwar den Betriebsfragebogen nach bestem Wissen und Gewissen ausgefüllt, jedoch habe sich aus der dort beispielhaft genannten Aufzählung verschiedener Betriebsarten nicht ersehen lassen, dass es noch Untergruppen gebe und hierbei eine niedrigere Gefahrklasse für Bodenlege- und Holzbauarbeiten in Betracht komme. Die Beklagte hätte sie darüber aufklären müssen, dass es solche Untergruppierungen gebe. Ihre Angaben im Betriebsfragebogen seien zwar grundsätzlich richtig gewesen, so dass ihr keinesfalls Unkenntnis zur Last gelegt werden könne. Dass es bezüglich der Zimmererarbeiten noch ein beitragsmäßig günstigeres Berufsbild, nämlich den Fertighausbau, gebe, habe sie aus den ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht erkennen können. Mit Bescheid vom 19.09.2000 lehnte die Beklagte die Änderung der Veranlagung zu der niedrigeren Gefahrklasse 6,00 schon zum 01.03.1999 ab. Die Klägerin habe ihr erst mit Schreiben vom 09.07.2000 mitgeteilt, dass ihre Angaben im Betriebsfragebogen nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen hatten. Dies sei ein vom Unternehmer zu vertretender Umstand, welcher zu einer zu hohen Gefahrklassenveranlagung geführt habe. In solchen Fällen dürfe die Veranlagung nach § 160 SGB VII nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft abgeändert werden. Dem habe sie bereits entsprochen. Der Widerspruch, in dem sich die Klägerin auf ihr bisheriges Vorbringen bezog, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 25.10.2000).
Dagegen hat die Klägerin beim Sozialgericht Regensburg Klage erhoben und ihr Begehren ohne weitere Begründung aufrecht erhalten. Mit Urteil vom 26.09.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Veranlagungsbescheides vom 29.06.1999 mit Wirkung für die Vergangenheit sei gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII nicht erfüllt. Unternehmensänderungen hätten die Beteiligten nach § 192 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII innerhalb von vier Wochen dem Unfallversicherungsträger mitzuteilen. Die Folgen einer solchen unrichtigen oder unterlassenen Mitteilung regle § 160 Abs. 1 bzw. Abs. 3 SGB VII. Die ablehnende Entscheidung sei daher rechtmäßig, denn die Klägerin habe selbst im Betriebsfragebogen vom 09.06.1999 angegeben, Gegenstand ihres Unternehmens seien Zimmererarbeiten. In Anbetracht dieser Erklärung habe die Beklagte keinen Anlass gehabt, an der Richtigkeit zu zweifeln. Eine Aufhebung der Veranlagung rückwirkend zum 01.03.1999 komme nicht in Betracht.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und am 18.11.2002 vorgetragen, ihr Geschäftsführer habe, als er den Betrieb im April 1999 erneut übernommen habe, in einem alten Fragebogenvordruck Angaben gemacht, welche im jetzigen - anders gestalteten - Fragebogen anders beantwortet worden wären. Eine Rubrik Fertighaus oder -teilbau sei in dem früheren Fragebogen nicht enthalten gewesen. Darauf beruhten die unterschiedlichen Angaben. Diese Unzulänglichkeit könne aber nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Ihre rückwirkende Einstufung zu einer niedrigeren Gefahrklasse sei gerechtfertigt.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 26.09.2002 und des Bescheids vom 19.09.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.10.2000 zu verurteilen, ihren Unternehmensbereich Trocken-, Akkustikbau, Fertighaus oder -teilbau anstatt zur Gefahrklasse 10,50 zur Gefahrklasse 6,00 mit Wirkung ab 01.03.1999 zu veranlagen und insoweit den Veranlagungsbescheid vom 28.06.1999 abzuändern.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.09.2002 zurückzuweisen,
da der Veranlagungsbescheid vom 29.06.1999 rechtsverbindlich geworden und ihr eine Änderung des Unternehmensgegenstandes erstmals mit Schreiben vom 09.07.2000 angezeigt worden sei.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Beitragsakte der Beklagten (Az.: 3958249) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Den Ausführungen des Sozialgerichts, wonach eine rückwirkende Änderung der Gefahrklassenveranlagung zum 01.03.1999 nicht zu begründen ist, tritt der Senat bei. Auf die dortigen Ausführungen nimmt er gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Rechtlich zutreffend stellt das Sozialgericht auf die Vorschrift des § 160 SGB VII ab, wonach eine Änderung eines bereits rechtsverbindlich gewordenen Veranlagungsbescheids mit Beginn des Monats zu erfolgen hat, der einer Änderungsmitteilung durch den Unternehmer folgt (§ 160 Abs. 1 und Abs. 3 SGB VII). Eine Änderung der Veranlagung mit Wirkung für die Vergangenheit ist nur unter den Voraussetzungen, der in § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB VII genannten Fallkonstellationen, zulässig. Dort sind die Fälle erfasst, in denen es zu einer zu niedrigen Gefahrklassenveranlagung oder zu einer zu hohen Gefahrklassenveranlagung infolge von Umständen gekommen ist, welche von den Unternehmern nicht zu vertreten sind. Anspruchsnorm könnte somit nach dem Vortrag der Klägerin, die Einstufung sei nach einer zu hohen Gefahrklasse vorgenommen worden, lediglich § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII sein. Diese Bestimmung greift dann ein, wenn es zu einer zu hohen Gefahrklassenveranlagung gekommen ist, welche von den Unternehmern nicht zu vertreten ist. In der Literatur (Kassler Kommentar, § 160 SGB VII, Anm. 5; Lauterbach, Unfallversicherung SGB VII, § 160 SGB VII, Anm. 8; Hauck, Sozialgesetzbuch SGB VII, K § 160 Anm. 8; a.A. nur Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII, § 160 Anm. 10) wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass ein Vertretenmüssen nicht nur Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit entsprechend § 276 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch umfasst, sondern schon dann vorliegt, wenn den Unternehmer eine Mitverantwortung für das Nicht-Übereinstimmen von Veranlagung und materieller Rechtslage trifft. Nur wenn er alle Angaben vollständig, umfassend und richtig gemacht hat, jedoch der Unfallversicherungsträger diese falsch verstanden oder unrichtig ausgewertet hat, ist seine Mitverantwortung ausgeschlossen. Der Senat tritt dieser Rechtsauffassung bei.
Zur Überzeugung des Senats steht jedoch fest, dass die Klägerin die unrichtige Veranlagung im vorgenannten Sinn zu vertreten hat. Denn die Beklagte hat genau die Angaben der Veranlagung im Bescheid vom 29.06.1999 zugrunde gelegt, welche die Klägerin selbst im Betriebsfragebogen vom 09.06.1999 gemacht hatte. Da dem Veranlagungsbescheid bereits die Satzung und auch der Gefahrtarif der Beklagten beigefügt waren und auf der Rückseite des Bescheids auf die Auswirkungen der Veranlagung und auf die Pflicht zur sorgfältigen Überprüfung hingewiesen wurde, beruht der Irrtum der Klägerin auf von ihr zu vertretenden Umständen. Daran ändert der spätere Vortrag der Klägerin, der Gefahrtarif und die Satzung hätten dem Bescheid vom 09.06.1999 nicht wie dort angegeben beigelegen, nichts. Denn allein der Hinweis auf der Bescheidrückseite, die Veranlagung zu überprüfen, hätte bei üblicher Sorgfalt zumindest Anlass geben müssen, das angebliche Fehlen der Anlagen zu rügen. Für die Beklagte, der die Angaben über den früheren Betrieb noch vorlagen, worin der Betrieb ebenfalls als Zimmererbetrieb bezeichnet worden war, bestand jedenfalls keine Veranlassung zur Überprüfung. Ein Fall des § 160 Abs. 2 SGB VII liegt daher nicht vor. Es kann offen bleiben, ob § 160 Abs. 1 oder Abs. 3 SGB VII Grundlage des Veranlagungsänderungsbescheids vom 19.09.2000 ist, denn in beiden Fällen kommt eine rückwirkende Aufhebung nicht in Betracht. Dies entspricht auch der Systematik und dem Sinn des Gesetzes. Es soll nämlich vermieden werden, dass in bereits abgeschlossene Tarifzeiträume bzw. Umlagen eingegriffen wird bzw. soll ein Eingriff nur unter den verschärften Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGB VII stattfinden dürfen. Denn es soll keinesfalls die Solidargemeinschaft mit den Folgen der Nachlässigkeit eines Unternehmers belastet werden. Da die Beklagte von der Änderung bzw. von der Richtigstellung der für die Veranlagung maßgeblichen Tatsachen erst mit Schreiben vom 09.07.2000 Kenntnis erhalten hat und sie im Bescheid vom 10.08.2000 die begehrte Berichtigung sogar mit Wirkung zum 01.01.2000 vorgenommen hat, ergibt sich keine Möglichkeit für eine andere Entscheidung. Der Senat kommt daher zum Ergebnis, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.09.2002 mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen ist.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG hierfür nicht erfüllt sind.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Betrieb der Klägerin bereits ab 01.03.1999 anstatt wie bisher zur Gefahrklasse 10,50 zur niedrigeren Gefahrklasse 6,0 zu veranlagen.
Der Geschäftsführer der Klägerin, G. J. , betrieb bereits in der Zeit vom 01.01.1982 bis 28.02.1997 ein Unternehmen, das bei der Beklagten versichert war. Der Betriebsgegenstand wurde mit Sägewerk, Zimmererarbeit und Ingenieurholzbau bezeichnet. Als solches Unternehmen war die Veranlagung bei der Beklagten auch vorgenommen worden. Das Unternehmen wurde später an die Firma H. , A. GmbH, verkauft und von dieser weitergeführt. Letztgenannte Firma geriet im Februar 1999 in Konkurs und der Betrieb wurde mit Wirkung ab 01.04.1999 an die frühere Firma, jetzt bezeichnet als Firma H. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Dipl.-Ing. G. J. , zurückgegeben. Diesen Vorgang zeigte die Klägerin mit Schreiben vom 06.04.1999 an. Die Beklagte übersandte daraufhin einen sogenannten "Betriebsfragebogen", welchen die Klägerin ausfüllte und am 09.06.1999 zurücksandte. In der Rubrik 6.1, in der nach der Art der Arbeiten im Betrieb gefragt wurde, gab die Klägerin "Zimmererarbeiten" an und auf die Frage 6.2, worauf der arbeitsmäßige Schwerpunkt liege, "Zimmerei". Zur Frage 7.3, wo nach der Verteilung der Beschäftigten auf einzelne Arbeitsarten gefragt wurde, antwortete die Klägerin, die Beschäftigten seien alle mit Zimmererarbeiten befasst. Aus der der Beklagten bereits vorliegenden Gewerbeanmeldung der Firma H. GmbH vom 28.11.1978 geht hervor, dass Gegenstand des Gewerbes Holzverarbeitung und Zimmereiarbeiten sowie der An- und Verkauf von Holz im Handwerksbetrieb waren. Mit Bescheid vom 29.06.1999 veranlagte die Beklagte das Unternehmen für die Unternehmenszweige kaufmännisches und technisches Personal jeweils in der Gefahrklasse 1,00 und für den Bereich Zimmererarbeiten und Ingenieur-Holzbau ab 01.03.1999 in der Gefahrklasse 10,50. Eine Ausfertigung ihrer Satzung und ihres Gefahrtarifs bezeichnete die Beklagte als Anlagen ihres Veranlagungsbescheides.
Mit Schreiben vom 09.07.2000 wandte sich die Klägerin an die Beklagte. Sie brachte vor, anläßlich eines Vortrages der Beklagten am 07.07.2000, an dem ein Vertreter ihres Unternehmens teilgenommen habe, habe sie entdeckt, dass sie ab dem 01.03. 1999, dem Wiederbeginn des Unternehmens, in eine falsche Gefahrklasse eingestuft worden sei. Sie habe seit dem 01.03.1999 vier Holzhäuser gebaut sowie an einem bestehenden Bungalow und einem Altstadthaus im Innenbereich Trockenarbeiten und eine Fußbodenerneuerung vorgenommen. Infolgedessen sei sie der niedrigeren Gefahrklasse 6,0, welche Trocken-, Akkustikbau, Fertighaus- oder -teilbau umfasse, zuzuordnen und nicht wie bisher der Gefahrklasse 10,50, welche für einen Zimmererbetrieb gelte. Sie beantrage deshalb den gesamten Lohnnachweis für 1999 nach der Gefahrklasse 6,00 einzustufen. Mit Bescheid vom 10.08.2000 entsprach die Beklagte diesem Antrag insoweit, als sie ab 01.01.2000 differenzierte Gefahrklassen zugrunde legte, nämlich für Zimmererarbeiten und Ingenieurholzbau wie bisher die Gefahrklasse 10,50, für Fußbodenbelagsarbeiten die Gefahrklasse 4,0 und für Trocken-, Akkustikbau und Fertighaus- oder -teilbau die Gefahrklasse 6,00. Sie stützte diese Änderung der Veranlagung auf § 160 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Bereits im Schreiben vom 09.08.2000 hatte sie darauf hingewiesen, eine Änderung der Gefahrklassen für 1999 sei nicht möglich, da sowohl der Veranlagungsbescheid vom 28.06.1999 als auch der Beitragsbescheid für 1999 vom 25.04.2000 bestandskräftig geworden seien und innerhalb der jeweiligen Widerspruchsfristen keine Einwände dagegen erhoben worden seien. Die Änderung der Veranlagung könne daher erst für das Jahr 2000 erfolgen. Die Klägerin erhob dagegen Widerspruch bzw. beantragte einen "Zugunstenbescheid" nach § 160 SGB VII mit Wirkung zum 01.03.1999. Sie habe zwar den Betriebsfragebogen nach bestem Wissen und Gewissen ausgefüllt, jedoch habe sich aus der dort beispielhaft genannten Aufzählung verschiedener Betriebsarten nicht ersehen lassen, dass es noch Untergruppen gebe und hierbei eine niedrigere Gefahrklasse für Bodenlege- und Holzbauarbeiten in Betracht komme. Die Beklagte hätte sie darüber aufklären müssen, dass es solche Untergruppierungen gebe. Ihre Angaben im Betriebsfragebogen seien zwar grundsätzlich richtig gewesen, so dass ihr keinesfalls Unkenntnis zur Last gelegt werden könne. Dass es bezüglich der Zimmererarbeiten noch ein beitragsmäßig günstigeres Berufsbild, nämlich den Fertighausbau, gebe, habe sie aus den ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht erkennen können. Mit Bescheid vom 19.09.2000 lehnte die Beklagte die Änderung der Veranlagung zu der niedrigeren Gefahrklasse 6,00 schon zum 01.03.1999 ab. Die Klägerin habe ihr erst mit Schreiben vom 09.07.2000 mitgeteilt, dass ihre Angaben im Betriebsfragebogen nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen hatten. Dies sei ein vom Unternehmer zu vertretender Umstand, welcher zu einer zu hohen Gefahrklassenveranlagung geführt habe. In solchen Fällen dürfe die Veranlagung nach § 160 SGB VII nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft abgeändert werden. Dem habe sie bereits entsprochen. Der Widerspruch, in dem sich die Klägerin auf ihr bisheriges Vorbringen bezog, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 25.10.2000).
Dagegen hat die Klägerin beim Sozialgericht Regensburg Klage erhoben und ihr Begehren ohne weitere Begründung aufrecht erhalten. Mit Urteil vom 26.09.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Veranlagungsbescheides vom 29.06.1999 mit Wirkung für die Vergangenheit sei gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII nicht erfüllt. Unternehmensänderungen hätten die Beteiligten nach § 192 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII innerhalb von vier Wochen dem Unfallversicherungsträger mitzuteilen. Die Folgen einer solchen unrichtigen oder unterlassenen Mitteilung regle § 160 Abs. 1 bzw. Abs. 3 SGB VII. Die ablehnende Entscheidung sei daher rechtmäßig, denn die Klägerin habe selbst im Betriebsfragebogen vom 09.06.1999 angegeben, Gegenstand ihres Unternehmens seien Zimmererarbeiten. In Anbetracht dieser Erklärung habe die Beklagte keinen Anlass gehabt, an der Richtigkeit zu zweifeln. Eine Aufhebung der Veranlagung rückwirkend zum 01.03.1999 komme nicht in Betracht.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und am 18.11.2002 vorgetragen, ihr Geschäftsführer habe, als er den Betrieb im April 1999 erneut übernommen habe, in einem alten Fragebogenvordruck Angaben gemacht, welche im jetzigen - anders gestalteten - Fragebogen anders beantwortet worden wären. Eine Rubrik Fertighaus oder -teilbau sei in dem früheren Fragebogen nicht enthalten gewesen. Darauf beruhten die unterschiedlichen Angaben. Diese Unzulänglichkeit könne aber nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Ihre rückwirkende Einstufung zu einer niedrigeren Gefahrklasse sei gerechtfertigt.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 26.09.2002 und des Bescheids vom 19.09.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.10.2000 zu verurteilen, ihren Unternehmensbereich Trocken-, Akkustikbau, Fertighaus oder -teilbau anstatt zur Gefahrklasse 10,50 zur Gefahrklasse 6,00 mit Wirkung ab 01.03.1999 zu veranlagen und insoweit den Veranlagungsbescheid vom 28.06.1999 abzuändern.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.09.2002 zurückzuweisen,
da der Veranlagungsbescheid vom 29.06.1999 rechtsverbindlich geworden und ihr eine Änderung des Unternehmensgegenstandes erstmals mit Schreiben vom 09.07.2000 angezeigt worden sei.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Beitragsakte der Beklagten (Az.: 3958249) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Den Ausführungen des Sozialgerichts, wonach eine rückwirkende Änderung der Gefahrklassenveranlagung zum 01.03.1999 nicht zu begründen ist, tritt der Senat bei. Auf die dortigen Ausführungen nimmt er gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Rechtlich zutreffend stellt das Sozialgericht auf die Vorschrift des § 160 SGB VII ab, wonach eine Änderung eines bereits rechtsverbindlich gewordenen Veranlagungsbescheids mit Beginn des Monats zu erfolgen hat, der einer Änderungsmitteilung durch den Unternehmer folgt (§ 160 Abs. 1 und Abs. 3 SGB VII). Eine Änderung der Veranlagung mit Wirkung für die Vergangenheit ist nur unter den Voraussetzungen, der in § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB VII genannten Fallkonstellationen, zulässig. Dort sind die Fälle erfasst, in denen es zu einer zu niedrigen Gefahrklassenveranlagung oder zu einer zu hohen Gefahrklassenveranlagung infolge von Umständen gekommen ist, welche von den Unternehmern nicht zu vertreten sind. Anspruchsnorm könnte somit nach dem Vortrag der Klägerin, die Einstufung sei nach einer zu hohen Gefahrklasse vorgenommen worden, lediglich § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII sein. Diese Bestimmung greift dann ein, wenn es zu einer zu hohen Gefahrklassenveranlagung gekommen ist, welche von den Unternehmern nicht zu vertreten ist. In der Literatur (Kassler Kommentar, § 160 SGB VII, Anm. 5; Lauterbach, Unfallversicherung SGB VII, § 160 SGB VII, Anm. 8; Hauck, Sozialgesetzbuch SGB VII, K § 160 Anm. 8; a.A. nur Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII, § 160 Anm. 10) wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass ein Vertretenmüssen nicht nur Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit entsprechend § 276 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch umfasst, sondern schon dann vorliegt, wenn den Unternehmer eine Mitverantwortung für das Nicht-Übereinstimmen von Veranlagung und materieller Rechtslage trifft. Nur wenn er alle Angaben vollständig, umfassend und richtig gemacht hat, jedoch der Unfallversicherungsträger diese falsch verstanden oder unrichtig ausgewertet hat, ist seine Mitverantwortung ausgeschlossen. Der Senat tritt dieser Rechtsauffassung bei.
Zur Überzeugung des Senats steht jedoch fest, dass die Klägerin die unrichtige Veranlagung im vorgenannten Sinn zu vertreten hat. Denn die Beklagte hat genau die Angaben der Veranlagung im Bescheid vom 29.06.1999 zugrunde gelegt, welche die Klägerin selbst im Betriebsfragebogen vom 09.06.1999 gemacht hatte. Da dem Veranlagungsbescheid bereits die Satzung und auch der Gefahrtarif der Beklagten beigefügt waren und auf der Rückseite des Bescheids auf die Auswirkungen der Veranlagung und auf die Pflicht zur sorgfältigen Überprüfung hingewiesen wurde, beruht der Irrtum der Klägerin auf von ihr zu vertretenden Umständen. Daran ändert der spätere Vortrag der Klägerin, der Gefahrtarif und die Satzung hätten dem Bescheid vom 09.06.1999 nicht wie dort angegeben beigelegen, nichts. Denn allein der Hinweis auf der Bescheidrückseite, die Veranlagung zu überprüfen, hätte bei üblicher Sorgfalt zumindest Anlass geben müssen, das angebliche Fehlen der Anlagen zu rügen. Für die Beklagte, der die Angaben über den früheren Betrieb noch vorlagen, worin der Betrieb ebenfalls als Zimmererbetrieb bezeichnet worden war, bestand jedenfalls keine Veranlassung zur Überprüfung. Ein Fall des § 160 Abs. 2 SGB VII liegt daher nicht vor. Es kann offen bleiben, ob § 160 Abs. 1 oder Abs. 3 SGB VII Grundlage des Veranlagungsänderungsbescheids vom 19.09.2000 ist, denn in beiden Fällen kommt eine rückwirkende Aufhebung nicht in Betracht. Dies entspricht auch der Systematik und dem Sinn des Gesetzes. Es soll nämlich vermieden werden, dass in bereits abgeschlossene Tarifzeiträume bzw. Umlagen eingegriffen wird bzw. soll ein Eingriff nur unter den verschärften Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGB VII stattfinden dürfen. Denn es soll keinesfalls die Solidargemeinschaft mit den Folgen der Nachlässigkeit eines Unternehmers belastet werden. Da die Beklagte von der Änderung bzw. von der Richtigstellung der für die Veranlagung maßgeblichen Tatsachen erst mit Schreiben vom 09.07.2000 Kenntnis erhalten hat und sie im Bescheid vom 10.08.2000 die begehrte Berichtigung sogar mit Wirkung zum 01.01.2000 vorgenommen hat, ergibt sich keine Möglichkeit für eine andere Entscheidung. Der Senat kommt daher zum Ergebnis, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.09.2002 mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen ist.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG hierfür nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
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