S 17 KR 197/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 197/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten hinsichtlich der Versorgung der Klägerin mit digitalen Hörgeräten.

Unter Vorlage einer ohrenärztlichen Verordnung des Herrn Dr. H sowie des Anpassungsberichts und eines Kostenvoranschlages der Firma Hörgeräte T, beantragte der Vater der am 00.00.0000 geborenen Klägerin für diese die Übernahme der Kosten digitaler Hörgeräte von DM 7090,-.

Der hierzu durch die Beklagte angehörte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) teilte in einem Gutachten vom 07.05.2001 mit, zwar werde mit dem angepassten Hörgerät der Firma Oticon ein optimales Sprachverständnis erzielt, jedoch werde mit allen vergleichend angepassten Hörgeräten auch ein ausreichendes Sprachverständnis erzielt. So werde mit dem Hörgerät der Firma Oticon, Typ Personic 425 eine 85%ige Sprachverständlichkeit erreicht. Hierbei handele es sich um ein einkanaliges Hörgerät aus der Festbetragsgruppe 2. Auch die audiometrischen Daten der ohrenärztlichen Verordnung sprächen dafür, dass eine ausreichende Versorgung mit einem Hörgerät der Festbetragsgruppe 2 möglich sei. Eine medizinische Indikation zur Kostenübernahme jenseits der Vertragspreise bestehe nicht. Aus dem Anpassungsbericht gehe hervor, dass die Versicherte bereits mit einer Mikroportanlage versorgt sei, so dass auch unter Störschallbedingungen in der Schule ein ausreichendes Sprachverständnis gewährleistet sei.

Hierauf gestützt bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 09.05.2001 die für das vom MDK benannte Hörgerät nach der Festbetragsgruppe 2 anfallenden Kosten in Höhe von DM 3653,10 und lehnte den darüber hinausgehenden Versorgungsantrag unter Hinweis auf die Feststellungen des MDK ab. Mit seinem Widerspruch vom 29.06.2001 legte der Vater der Klägerin eine Bescheinigung des Herrn Dr. H vom 00.00.2001 vor, in der dieser unter anderem ausführt, die Klägerin könne mit den digitalen Hörgeräten erstmalig dem Unterricht in der Schule störungsfrei folgen. Die Trageakzeptanz sei mit den digitalen Hörgeräten vorbildlich. Er halte die Anpassung der digitalen Hörgeräte für sinnvoll und aufgrund der hohen Trageakzeptanz langfristig auch für wirtschaftlich und empfehle nochmals die Kostenübernahme. Ergänzend führte der Vater der Klägerin unter anderem aus, er sehe die Anpassung digitaler Hörgeräte als notwendig und unbedingt erforderlich an, um die gute schulische und soziale Integration der Klägerin auch weiterhin zu gewährleisten. Die vorhandene Mikroportanlage schalte den Störschall im Klassenraum still, wenn der Lehrer spreche, jedoch nicht, wenn Mitschüler Unterrichtsbeiträge brächten. Hier sei seine Tochter voll auf gut funktionierende Hörgeräte angewiesen. In vergleichbaren Fällen hätten die Sozialgerichte Suhl und Stade zu Gunsten der Versicherten entschieden.

Mit Bescheid vom 10.08.2001 hat der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen und unter anderem ausgeführt, nach den §§ 12 Abs. 2, 33 Abs. 2, 36 Abs. 1 SGB V bestehe der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln für die Festbeträge gebildet seien nur bis zur Höhe dieses Betrages. Im übrigen habe der MDK festgestellt, dass eine Hörgeräteversorgung der Klägerin im Rahmen der Festbetragsregelung ausreichend sei. Die Entscheidung der Beklagten stehe im Einklang mit entsprechenden Urteilen des LSG Nordrhein-Westfalen sowie der Sozialgerichte Neuruppin, Duisburg und Hildesheim. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, dass ein Versicherter nach der ständigen sozialgerichtlichen Rechtssprechung im Rahmen der Hilfsmittelversorgung keinen Anspruch auf die jeweils denkbar optimale Versorgung habe, sondern nur auf eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse ausreichende und zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung.

Die hiergegen erhobene Klage ist am 10.09.2001 bei Gericht eingegangen. Die Klägerin ist der Auffassung, der geltend gemachte Anspruch stehe ihr zu. Digitale Hörgeräte seien erst seit 1996 auf dem Markt und mit der ab dem 01.04.1994 geltenden Höchtspreisvereinbarung nicht erfasst. Die Beschränkung auf einkanalige Hörgeräte entspreche nicht mehr dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und berücksichtige den medizinischen Fortschritt nicht hinreichend, wie auch die Sozialgerichte Stade und Suhl erkannt hätten. Das begehrte volldigitale Hörgerät sei auch erforderlich, um die Behinderung der Klägerin auszugleichen. Dies werde auch durch das Gutachten des MDK bestätigt, da das einkanalige analoge Hörgerät nur eine 85%ige Sprachverständlichkeit gewährleiste, dem gegenüber durch das digitale Hörgerät ein Hörgewinn von 100 % erzielt werde. Ein optimal funktionierendes Hörgerät sei besonders während der sprachvulnerablen Phase Voraussetzung für eine möglichst normgerechte Sprachentwicklung. Dies gelte insbesondere auch bei dem Lernen von Fremdsprachen. Digitale Geräte überträfen analog verstärkte in der Klangqualität, in der Leichtigkeit des Hörens, dem Klangkomfort und der signifikant verbesserten Sprachverständlichkeit besonders in Lärm. Im Ergebnis könne aus medizinischer Sicht und auch nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V nur eine Versorgung mit einem digitalen Hörgerät sachgemäß sein. Auf das von der Beklagten zitierte Urteil des SG Duisburg könne sie sich nicht berufen, denn dieses verhalte sich nicht über die Versorgung von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr.

Nachdem die Beklagte weitere Urteile des SG Potsdam und des SG Neuruppin zur Unterstützung ihrer Auffassung vorgelegt hat, hat der Bevollmächtigte ergänzend hierzu ausgeführt, dem Urteil des SG Potsdam liege eine andere Festbetragsregelung zugrunde während das SG Neuruppin jegliche Auseinandersetzung mit der Wirksamkeit der Rechtsgrundlage bzw. der entsprechenden Festbetragsregelung vermissen lasse.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2001 zu verurteilen, die Kosten der Versorgung mit zwei Hörgeräten der Marke "Oticon Digi Comp II" zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und die von ihr überreichten Urteile.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen und die Verwaltungsakte der Beklagten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Die Klägerin wird durch die Bescheide der Beklagten nicht in ihren Rechten verletzt. Die Bescheide sind rechtsfehlerfrei ergangen. Die Kammer nimmt insoweit zunächst vollinhaltlich Bezug auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides vom 10.08.2001 (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die der Klägerin durch die Beklagte zugesagte Versorgung mit analogen Hörgeräten ist im Rahmen ihres Anspruchs nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V im Hinblick auf die Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens als ausreichend anzusehen. Nach den - insoweit unwidersprochenen - Feststellungen des MDK wäre die Klägerin medizinisch im Sinne einer Grundsicherung hiermit hinreichend versorgt. Die von der Klägerin beantragte weitergehende Versorgung ist nach ihrem ärztlicherseits unterstützten Vortrag im wesentlichen aufgrund der besonderen schulischen Situation und den in diesem Zusammenhang auftretenden Kommunikationsproblemen erforderlich.

Die Leistungspflicht der Krankenkasse ist jedoch im Rahmen der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens durch Versorgung mit Hilfsmitteln auf Maßnahmen medizinischer Art beschränkt. Sie ist nicht zuständig für Maßnahmen, die nicht bei der Behinderung selbst, sondern bei deren Folgen auf beruflichem, gesellschaftlichem oder privatem Gebiet ansetzen. Werden Hilfsmittel zum Ausgleich der Behinderung im wesentlichen bei der Freizeitgestaltung benötigt oder dienen sie speziellen schulischen bzw. Studienzwecken oder der Berufsausübung, können sie durch die Krankenkassen nicht zur Verfügung gestellt werden, da sie insoweit nicht mehr der Befriedigung eines Grundbedürfnisses - hier auf Hören - als Voraussetzung zur Sicherung der persönlichen Existenz dienen (BSG, 03.11.1999 - B 3 KR 3/99 R; BSG, 30.01.2001 - B 3 KR 10/00 R).

Bestehen - wie vorliegend - über die Grundsicherung hinausgehende Versorgungsbedürfnisse, sind diese ggf. durch andere Sozialleistungsträger (z.B. im Rahmen der Eingliederungshilfe) zu befriedigen.

Aus diesen Gründen bedurfte es daher weder einer weitergehenden Auseinandersetzung der Kammer mit den der Leistungszusage der Beklagten zugrundeliegenden Festbetragsvereinbarungen noch der dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung gemäß Artikel 100 GG vorgelegten Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des §36 SGB V (vgl. BSG 14.06.1995 - 3 RK 21 und 23/94).

Allein in Ansehung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V erweist sich der weitergehende Anspruch der Klägerin jedenfalls als unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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