Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 218/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 02.03.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2001 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 19.02.2001 bis einschließlich 19.03.2001 und vom 14.05.2001 bis einschließlich 24.06.2001 Krankengeld nach weiter Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Krankgeld für die Zeiträume vom 19.2.01 bis zum 19.3.2001 und vom 14.5.2001 bis zum 24.6.2001 hat.
Die 0000 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen das Risiko der Krankheit versichert. Sie ist seit 00.2000 als Verpackerin tätig. Am 00.00.2001 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft festgestellt.
Der behandelnde Arzt schrieb die Klägerin mehrfach krank: Vom 00.00.2001 bis zum 00.00.2001 wegen einer C, vom 00.00. bis zum 00.00, vom 00.00. bis zum 00.00 und vom 00.00. bis zum 00.00.2001 wegen eines drohenden B. Ab dem 00.00.2001 befand sich die Klägerin in Mutterschutz. Zuvor zahlte die Beklagte seit dem 25.6.2001 Krankengeld.
Darüber hinaus stellte der behandelnde Arzt der Klägerin bei dieser für die streitgegenständlichen Zeiträume neben der Krankheit auch Beschäftigungsverbote, zunächst nach § 4 Mutterschutzgesetz (bis zum 00.00.2001) und schließlich nach § 3 Mutterschutzgesetz (ab dem 00.00.2001) fest.
Der Arbeitgeber der Klägerin gewährte dieser lediglich für einen Teil ihrer Ausfallzeiten Entgeltfortzahlung, nämlich bis zum 18.2 2001 Entgeltfortzahlung wegen Krankheit und vom 20.3. bis zum 14.5.2001 nach § 11 Mutterschutzgesetz Entgeltfortzahlung wegen der bestehenden Beschäftigungsverbote. Für den streitgegenständlichen Zeitraum erbrachte er keine Entgeltersatzleistungen. Er war insoweit der Ansicht, das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit schließe die Entgeltfortzahlung nach dem Mutterschutzgesetz aus. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Krankheit bestehe nicht, da die Klägerin den hierfür maßgeblichen 6 Wochen-Zeitraum bereits überschritten habe.
Gegen die Verweigerung der Entgeltfortzahlung erhob die Klägerin am 22.5.2001 Klage vor dem Arbeitsgericht. Das dortige Verfahren wurde zwischenzeitlich zum Ruhen gebracht, um die Entscheidung in dem anhängigen Sozialrechtsstreit abzuwarten.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von Krankengeld mit Bescheid vom 2.3.2001 für den Zeitraum bis zum 19.3.2001 und durch an den Arbeitgeber der Klägerin gerichtetes Schreiben vom 11.6.2001 für den Zeitraum vom 15.5.2001 bis zum 24.6.2001 ab. Beide Schreiben waren nicht mit Rechtsbehelfsbelehrungen versehen. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin vorrangig die Leistungen nach dem Mutterschutzgesetz in Anspruch zu nehmen habe und dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Krankheit gegen den Arbeitgeber noch nicht aufgezehrt sei, da die Entgeltfortzahlung bis zum 18.2.2001 zumindest teilweise keine Entgeltfortzahlung wegen Krankheit, sondern wegen eines bestehenden Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz gewesen sei. Für die rechtliche Einordnung sei nicht die Bestimmung durch den Arbeitgeber entscheidend, sondern vielmehr das tatsächliche Vorliegen eines Beschäftigungsverbotes ausreichend.
Gegen den Bescheid vom 2.3.2001 hat die Klägerin am 24.4.2001 Widerspruch eingelegt. Diesen hat sie unter dem 17.7.2001 auch auf das an ihren Arbeitgeber gerichtete Schreiben vom 11.6.2001 bezogen.
Den Widerspruch der Klägerin wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten durch Bescheid vom 4.10.2001 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 19.10.2001 Klage erhoben, um ihr Begehren weiter zu verfolgen.
Sie trägt vor, ein Anspruch auf Krankengeld sei gegeben. Bei gleichzeitigem Vorliegen einer Krankheit und eines Beschäftigungsverbotes sei der Anspruch auf Leistungen wegen der Krankheit (Entgeltfortzahlung, Krankengeld) vorrangig. Ihr Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber sei aufgezehrt, da sie bereits länger als sechs Wochen krank gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2.3.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4.10.2001 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 19.2.2001 bis einschließlich 19.3.2001 sowie für die Zeit vom 14.5.2001 bis zum 24.6.2001 Krankengeld auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung ein Beschäftigungsverbot nach § 4 Mutterschutzgesetz stünde einem Anspruch auf Krankengeld entgegen, da die Klägerin nicht arbeiten dürfe, so dass krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht eintreten könne. Dies gelte aus Rechtsgründen auch entgegen der Feststellungen des Arztes, was sich aus dem Anhang der Richtlinie zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und der Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung vom 3.9.1991 des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ergebe. Hiernach bestehe Arbeitsunfähigkeit nicht, wenn andere Gründe als eine Krankheit des Versicherten Ursache für eine Arbeitsverhinderung seien. Für die Zeiten des Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz habe sie ab dem 25.6.2001 Krankengeld gezahlt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und der Verwaltungsakte der Beklagten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Soweit die Beklagte die Zahlung von Krankengeld auch für den Zeitraum vom 14.5.2001 bis zum 24.6.2001 abgelehnt hat, hat sie dies gegenüber der Klägerin erstmals durch den Widerspruchsbescheid vom 4.10.2001 bekannt gegeben. Zumindest nach dem Rechtsgedanken der §§ 86 und 96 SGG ist diese Entscheidung auch Gegenstand dieses Klageverfahrens geworden. Der Bescheid der Beklagten vom 2.3.2001 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4.10.2001 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 19.2.2001 bis zum 19.3.2001 und vom 14.5.2001 bis zum 24.6.2001 Anspruch auf Krankengeld gegen die Beklagte.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten einer Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist gesetzlich nicht definiert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist arbeitsunfähig, wer seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Beschäftigung wegen Krankheit nicht weiter verrichten kann (BSG, Urteil vom 9.12.1986 - Az.: 8 RK 12/85; Urteil vom 8.2.2000 - Az.: B 1 KR 11/99 R). Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausüben könnte, ist unerheblich.
Demnach hat die Klägerin einen Anspruch auf Krankengeld. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin auch Beschäftigungsverboten nach § 4 beziehungsweise § 3 Mutterschutzgesetz unterfiel.
Ein gleichzeitig zur krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bestehendes Beschäftigungsverbot lässt nicht aus Rechtsgründen den Krankengeldanspruch entfallen. Dem steht entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht die nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V notwendige Kausalität zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit entgegen, denn die Krankheit ist im sozialversicherungsrechtlichen Sinne wesentliche Ursache der Arbeitsunfähigkeit.
Eine solche Kausalität ist grundsätzlich notwendig, um Ansprüche auf Krankengeld zu begründen. Dementsprechend formulieren die Richtlinien des Bundesausschusses Ärzte und Krankenkassen, auf die sich die Beklagte beruft, Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung liege nicht vor, wenn andere Ursachen als eine Krankheit die Arbeitsunfähigkeit hervorrufen. Hierin liegt eine Widerholung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale und jedenfalls keine weitergehende Einschränkung der Ansprüche der Versicherten. Dies ergibt bereits die gesetzeskonforme Auslegung der Richtlinien, so dass sich die Frage der Wirksamkeit einer weitergehenden Einschränkung durch die Richtlinien nicht stellt.
Dass ein zugleich bestehendes Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz den Anspruch auf Krankengeld nicht allein wegen mangelnder Kausalität der Krankheit für die Arbeitsunfähigkeit entfallen lässt, ergibt sich schon daraus, dass die Leistungen nach § 11 MuSchG, die durch den Arbeitgeber im Falle eines Beschäftigungsverbotes zu erbringen sind, ebenfalls kausal bedingt sind, durch einen Zusammenhang zwischen einer Aussetzungen der Arbeit und dem Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 und § 4 MuSchG ("wegen eines Beschäftigungsverbotes").
Wenn das Kausalitätserfordernis in beiden Gesetzen so verstanden würde, dass die Krankheit oder das Beschäftigungsverbot jeweils allein ursächlich für die Arbeitsunfähigkeit beziehungsweise das Aussetzen mit der Arbeit sein müssten, hätte dies zur Folge, dass die Versicherte trotz, genauer gerade wegen des Vorliegens von zwei Versicherungsfällen überhaupt keine Leistungen erhielte. Das würde der Schutzrichtung beider Gesetze, zugunsten des Arbeitnehmers beziehungsweise des Versicherten, zuwiderlaufen. Das Kausalitätserfordernis kann also nicht in diesem Sinne verstanden werden. Es ist vielmehr durch Auslegung der Normen zu ermitteln, welche der beiden Leistungen, Krankengeld beziehungsweise Entgeltfortzahlung nach § 11 MuSchG, vorrangig ist.
Diese Auslegung führt im Ergebnis zu einem Vorrang der Krankengeldleistungen. Dies haben das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht für die insofern vergleichbare Konstellation des Zusammentreffens von Entgeltfortzahlungsansprüchen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz und dem Mutterschutzgesetz entschieden (BAG, Urteil vom 22.3.1995, Az.: 5 AZR 874/93 und BSG, Urteil vom 17.4.1991, Az.: 1/3 RK 21/88). Auch wenn beide Entscheidungen zu Beschäftigungsverboten nach § 3 Abs. 1 MuSchG ergangen sind, sind sie im Ergebnis auch auf das Beschäftigungsverbot nach § 4 MuSchG übertragbar. Dies gilt schon deshalb, weil sich die tragenden Erwägungen des Bundessozialgerichts auf eine restriktive Auslegung des § 11 MuSchG stützen, der unabhängig davon, ob ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 oder § 4 MuSchG vorliegt die hier streitgegenständliche Rechtspflicht des Arbeitgebers für Leistungen an die schwangere Arbeitnehmerin begründet.
Das Bundessozialgericht hat dazu ausgeführt: Der Anspruch auf Mutterschutzlohn hänge nach § 11 MuSchG davon ab, dass die Schwangere wegen eines Beschäftigungsverbotes mit der Arbeit aussetzte. Dieser Wortwahl liege eine monokausale Betrachtungsweise zugrunde, wonach das Beschäftigungsverbot die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall und damit für den Entgeltausfall sein müsse. Die werdende Mutter müsse wegen, d.h. in Befolgung eines Beschäftigungsverbotes, mit der Arbeit ausgesetzt und dadurch eine Verdiensteinbuße erlitten haben. Seien andere Gründe - für sich allein oder neben dem Beschäftigungsverbot - für das Aussetzen mit der Arbeit maßgeblich, etwa eine Arbeitsunfähigkeit bedingende Krankheit, möge sie auch mit der Schwangerschaft zusammenhängen, fehle es an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang mit der Folge, dass ein Anspruch auf Mutterschutzlohn nicht bestehe. Dann sei die Krankheit und nicht - jedenfalls nicht ausschließlich - das Beschäftigungsverbot für den Verdienstausfall ursächlich. Diese Auslegung werde vor allem durch die Entstehungsgeschichte des § 11 Mutterschutzgesetzes bestätigt, dessen seit 1. Januar 1965 geltende Fassung erstmals einen Anspruch auf Mutterschutzlohn auch bei völligem Aussetzen mit der Arbeit vorgesehen habe. Dazu heiße es im schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit: Voraussetzung der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Fortzahlung des bisherigen Durchschnittsverdienstes sei, dass die Frau nicht krank im Sinne der RVO sei. In diesem Falle stehe ihr nur der Anspruch auf Lohnfortzahlung nach den Vorschriften über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle zu (BT-Drucks IV/3652, S 6 zu Nr. 12). Daraus werde deutlich, dass der Mutterschutzlohn nach § 11 MuSchG von der Intention her andere Leistungen wegen Krankheit nicht verdränge, sondern lediglich das durch das MuSchG zusätzlich abgedeckte Risiko des Aussetzens mit der Arbeit wegen eines Beschäftigungsverbotes sichern wolle. Ziel der gesetzlichen Regelung sei es, der Arbeitnehmerin den bisherigen Lebenstandart zu erhalten; insbesondere solle durch die Weiterzahlung des bisherigen Durchschnittsverdienstes jeder Anreiz für sie entfallen, entgegen den Beschäftigungsverboten, die Arbeiten zu ihrem und des Kindes Schaden aus wirtschaftlichen Gründen fortzusetzen.
Sei die Schwangere auch ohne das Beschäftigungsverbot wegen Krankheit zur Arbeitsleistung nicht fähig, könne der Mutterschutzlohn seinen Zweck nicht erfüllen. Einer Abdeckung des auf Schwangerschaft beruhenden Krankheitsrisikos durch das MuSchG habe es nicht bedurft, weil dieses Risiko im wesentlichen durch die Krankenversicherung und zu einem Teil durch die Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle bereits gedeckt sei. Diesem Normzweck des Mutterschutzes ist bei der Auslegung des § 44 SGB V und damit auch der diesen konkretisierenden Richtlinien des Bundesausschusses Rechnung zu tragen. Damit ergibt sich, dass bei gleichzeitigem Vorliegen von Krankheit und Beschäftigungsverbot die Krankheit die für das Sozialversicherungsrecht wesentliche Bedingung des Arbeitsausfalles ist. Dass die Krankheit wesentliche, wenn auch nicht alleinige Bedingung für den Entgeltausfall ist, ist für die Anspruchsbegründung auf Krankengeld ausreichend. Im Sozialversicherungsrecht ist für einen gesetzlich geforderten Kausalitätszusammenhang notwendig, aber auch ausreichend, dass das kausale Ereignis wesentliche Bedingung ist. Hierfür ist auf eine normative Betrachtung abzustellen. Unter Berücksichtigung des Normzweckes des Mutterschutzgesetzes ergibt sich damit, dass die Krankheit wesentliche Bedingung für den Lohnausfall ist.
Für den insoweit bestehenden Vorrang des Krankengeldes vor dem Mutterschutzlohn sprechen zwei weitere rechtliche Gesichtspunkte: Zum einen hat der Gesetzgeber zur Höhe der Entgeltersatzleistungen bei Krankheit und bei Mutterschutz eine Wertung dahingehend getroffen, dass der Mutterschutzlohn in voller Höhe, das Krankengeld nur in verringerter Höhe bezogen auf das ausfallende Entgelt gewährt wird. Dieser Wertung wird dann Rechnung getragen, wenn bei Realisierung beider Risiken, nur die geringere Leistung gewährt wird, da die Krankheit auch Ursache des Ausfalls der Erwerbstätigkeit ist.
Zudem widerspräche es, worauf das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung verweist, der Systematik der Sozialen Sicherung im Krankheitsfall, das Risiko der Krankheit eines Arbeitnehmers über den Mutterschutz auf den Arbeitgeber zu übertragen, zumal die Entgeltfortzahlungspflicht bei einem Beschäftigungsverbot anders als die Entgeltfortzahlung bei Krankheit nicht auf sechs Wochen begrenzt ist, sondern unbeschränkt besteht.
Die Auffangfunktion des Krankengeldes ergibt sich zudem auch aus § 2 Abs. 2 2. Halbsatz SGB I, wonach bei der Auslegung von Vorschriften des Sozialgesetzbuches sicherzustellen ist, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Dieser Auslegungsmaßstab ist bei der Interpretation des § 44 SGB V zu beachten, nicht hingegen bei der Auslegung des § 11 MuSchG, bei dem es sich um einen arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungsanspruch handelt. So sehr es deshalb unbedenklich ist, einen Anspruch auf Mutterschutzleistungen zu verwehren, so sehr ist es erforderlich durch die Gewährung von Krankengeldleistungen zu verhindern, dass die Klägerin ohne Absicherung für Risiken verbleibt, die nach den Wertungen des Gesetzgebers abgesichert sein sollen.
Ob der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EFZG aufgezehrt ist, oder ob aufgrund des Vorliegens einer neuen (anderen) Erkrankung (Gefahr eines B) eine neuer Entgeltfortzahlungsanspruch gegeben ist, kann offen bleiben, da Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls tatsächlich nicht geleistet wurde. Nur soweit jedoch tatsächlich Entgeltfortzahlungsleistungen erbracht werden, ruht der Krankengeldanspruch. Das Bestehen eines (nicht erfüllten) Anspruchs des Arbeitnehmers hierauf genügt hingegen nicht. Auch in diesem Fall ist die Beklagte leistungspflichtig. Allenfalls kann ein Erstattungsanspruch nach § 115 SGB X gegen den Arbeitgeber der Klägerin bestehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Krankgeld für die Zeiträume vom 19.2.01 bis zum 19.3.2001 und vom 14.5.2001 bis zum 24.6.2001 hat.
Die 0000 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen das Risiko der Krankheit versichert. Sie ist seit 00.2000 als Verpackerin tätig. Am 00.00.2001 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft festgestellt.
Der behandelnde Arzt schrieb die Klägerin mehrfach krank: Vom 00.00.2001 bis zum 00.00.2001 wegen einer C, vom 00.00. bis zum 00.00, vom 00.00. bis zum 00.00 und vom 00.00. bis zum 00.00.2001 wegen eines drohenden B. Ab dem 00.00.2001 befand sich die Klägerin in Mutterschutz. Zuvor zahlte die Beklagte seit dem 25.6.2001 Krankengeld.
Darüber hinaus stellte der behandelnde Arzt der Klägerin bei dieser für die streitgegenständlichen Zeiträume neben der Krankheit auch Beschäftigungsverbote, zunächst nach § 4 Mutterschutzgesetz (bis zum 00.00.2001) und schließlich nach § 3 Mutterschutzgesetz (ab dem 00.00.2001) fest.
Der Arbeitgeber der Klägerin gewährte dieser lediglich für einen Teil ihrer Ausfallzeiten Entgeltfortzahlung, nämlich bis zum 18.2 2001 Entgeltfortzahlung wegen Krankheit und vom 20.3. bis zum 14.5.2001 nach § 11 Mutterschutzgesetz Entgeltfortzahlung wegen der bestehenden Beschäftigungsverbote. Für den streitgegenständlichen Zeitraum erbrachte er keine Entgeltersatzleistungen. Er war insoweit der Ansicht, das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit schließe die Entgeltfortzahlung nach dem Mutterschutzgesetz aus. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Krankheit bestehe nicht, da die Klägerin den hierfür maßgeblichen 6 Wochen-Zeitraum bereits überschritten habe.
Gegen die Verweigerung der Entgeltfortzahlung erhob die Klägerin am 22.5.2001 Klage vor dem Arbeitsgericht. Das dortige Verfahren wurde zwischenzeitlich zum Ruhen gebracht, um die Entscheidung in dem anhängigen Sozialrechtsstreit abzuwarten.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von Krankengeld mit Bescheid vom 2.3.2001 für den Zeitraum bis zum 19.3.2001 und durch an den Arbeitgeber der Klägerin gerichtetes Schreiben vom 11.6.2001 für den Zeitraum vom 15.5.2001 bis zum 24.6.2001 ab. Beide Schreiben waren nicht mit Rechtsbehelfsbelehrungen versehen. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin vorrangig die Leistungen nach dem Mutterschutzgesetz in Anspruch zu nehmen habe und dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Krankheit gegen den Arbeitgeber noch nicht aufgezehrt sei, da die Entgeltfortzahlung bis zum 18.2.2001 zumindest teilweise keine Entgeltfortzahlung wegen Krankheit, sondern wegen eines bestehenden Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz gewesen sei. Für die rechtliche Einordnung sei nicht die Bestimmung durch den Arbeitgeber entscheidend, sondern vielmehr das tatsächliche Vorliegen eines Beschäftigungsverbotes ausreichend.
Gegen den Bescheid vom 2.3.2001 hat die Klägerin am 24.4.2001 Widerspruch eingelegt. Diesen hat sie unter dem 17.7.2001 auch auf das an ihren Arbeitgeber gerichtete Schreiben vom 11.6.2001 bezogen.
Den Widerspruch der Klägerin wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten durch Bescheid vom 4.10.2001 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 19.10.2001 Klage erhoben, um ihr Begehren weiter zu verfolgen.
Sie trägt vor, ein Anspruch auf Krankengeld sei gegeben. Bei gleichzeitigem Vorliegen einer Krankheit und eines Beschäftigungsverbotes sei der Anspruch auf Leistungen wegen der Krankheit (Entgeltfortzahlung, Krankengeld) vorrangig. Ihr Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber sei aufgezehrt, da sie bereits länger als sechs Wochen krank gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2.3.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4.10.2001 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 19.2.2001 bis einschließlich 19.3.2001 sowie für die Zeit vom 14.5.2001 bis zum 24.6.2001 Krankengeld auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung ein Beschäftigungsverbot nach § 4 Mutterschutzgesetz stünde einem Anspruch auf Krankengeld entgegen, da die Klägerin nicht arbeiten dürfe, so dass krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht eintreten könne. Dies gelte aus Rechtsgründen auch entgegen der Feststellungen des Arztes, was sich aus dem Anhang der Richtlinie zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und der Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung vom 3.9.1991 des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ergebe. Hiernach bestehe Arbeitsunfähigkeit nicht, wenn andere Gründe als eine Krankheit des Versicherten Ursache für eine Arbeitsverhinderung seien. Für die Zeiten des Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz habe sie ab dem 25.6.2001 Krankengeld gezahlt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und der Verwaltungsakte der Beklagten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Soweit die Beklagte die Zahlung von Krankengeld auch für den Zeitraum vom 14.5.2001 bis zum 24.6.2001 abgelehnt hat, hat sie dies gegenüber der Klägerin erstmals durch den Widerspruchsbescheid vom 4.10.2001 bekannt gegeben. Zumindest nach dem Rechtsgedanken der §§ 86 und 96 SGG ist diese Entscheidung auch Gegenstand dieses Klageverfahrens geworden. Der Bescheid der Beklagten vom 2.3.2001 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4.10.2001 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 19.2.2001 bis zum 19.3.2001 und vom 14.5.2001 bis zum 24.6.2001 Anspruch auf Krankengeld gegen die Beklagte.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten einer Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist gesetzlich nicht definiert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist arbeitsunfähig, wer seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Beschäftigung wegen Krankheit nicht weiter verrichten kann (BSG, Urteil vom 9.12.1986 - Az.: 8 RK 12/85; Urteil vom 8.2.2000 - Az.: B 1 KR 11/99 R). Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausüben könnte, ist unerheblich.
Demnach hat die Klägerin einen Anspruch auf Krankengeld. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin auch Beschäftigungsverboten nach § 4 beziehungsweise § 3 Mutterschutzgesetz unterfiel.
Ein gleichzeitig zur krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bestehendes Beschäftigungsverbot lässt nicht aus Rechtsgründen den Krankengeldanspruch entfallen. Dem steht entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht die nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V notwendige Kausalität zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit entgegen, denn die Krankheit ist im sozialversicherungsrechtlichen Sinne wesentliche Ursache der Arbeitsunfähigkeit.
Eine solche Kausalität ist grundsätzlich notwendig, um Ansprüche auf Krankengeld zu begründen. Dementsprechend formulieren die Richtlinien des Bundesausschusses Ärzte und Krankenkassen, auf die sich die Beklagte beruft, Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung liege nicht vor, wenn andere Ursachen als eine Krankheit die Arbeitsunfähigkeit hervorrufen. Hierin liegt eine Widerholung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale und jedenfalls keine weitergehende Einschränkung der Ansprüche der Versicherten. Dies ergibt bereits die gesetzeskonforme Auslegung der Richtlinien, so dass sich die Frage der Wirksamkeit einer weitergehenden Einschränkung durch die Richtlinien nicht stellt.
Dass ein zugleich bestehendes Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz den Anspruch auf Krankengeld nicht allein wegen mangelnder Kausalität der Krankheit für die Arbeitsunfähigkeit entfallen lässt, ergibt sich schon daraus, dass die Leistungen nach § 11 MuSchG, die durch den Arbeitgeber im Falle eines Beschäftigungsverbotes zu erbringen sind, ebenfalls kausal bedingt sind, durch einen Zusammenhang zwischen einer Aussetzungen der Arbeit und dem Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 und § 4 MuSchG ("wegen eines Beschäftigungsverbotes").
Wenn das Kausalitätserfordernis in beiden Gesetzen so verstanden würde, dass die Krankheit oder das Beschäftigungsverbot jeweils allein ursächlich für die Arbeitsunfähigkeit beziehungsweise das Aussetzen mit der Arbeit sein müssten, hätte dies zur Folge, dass die Versicherte trotz, genauer gerade wegen des Vorliegens von zwei Versicherungsfällen überhaupt keine Leistungen erhielte. Das würde der Schutzrichtung beider Gesetze, zugunsten des Arbeitnehmers beziehungsweise des Versicherten, zuwiderlaufen. Das Kausalitätserfordernis kann also nicht in diesem Sinne verstanden werden. Es ist vielmehr durch Auslegung der Normen zu ermitteln, welche der beiden Leistungen, Krankengeld beziehungsweise Entgeltfortzahlung nach § 11 MuSchG, vorrangig ist.
Diese Auslegung führt im Ergebnis zu einem Vorrang der Krankengeldleistungen. Dies haben das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht für die insofern vergleichbare Konstellation des Zusammentreffens von Entgeltfortzahlungsansprüchen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz und dem Mutterschutzgesetz entschieden (BAG, Urteil vom 22.3.1995, Az.: 5 AZR 874/93 und BSG, Urteil vom 17.4.1991, Az.: 1/3 RK 21/88). Auch wenn beide Entscheidungen zu Beschäftigungsverboten nach § 3 Abs. 1 MuSchG ergangen sind, sind sie im Ergebnis auch auf das Beschäftigungsverbot nach § 4 MuSchG übertragbar. Dies gilt schon deshalb, weil sich die tragenden Erwägungen des Bundessozialgerichts auf eine restriktive Auslegung des § 11 MuSchG stützen, der unabhängig davon, ob ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 oder § 4 MuSchG vorliegt die hier streitgegenständliche Rechtspflicht des Arbeitgebers für Leistungen an die schwangere Arbeitnehmerin begründet.
Das Bundessozialgericht hat dazu ausgeführt: Der Anspruch auf Mutterschutzlohn hänge nach § 11 MuSchG davon ab, dass die Schwangere wegen eines Beschäftigungsverbotes mit der Arbeit aussetzte. Dieser Wortwahl liege eine monokausale Betrachtungsweise zugrunde, wonach das Beschäftigungsverbot die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall und damit für den Entgeltausfall sein müsse. Die werdende Mutter müsse wegen, d.h. in Befolgung eines Beschäftigungsverbotes, mit der Arbeit ausgesetzt und dadurch eine Verdiensteinbuße erlitten haben. Seien andere Gründe - für sich allein oder neben dem Beschäftigungsverbot - für das Aussetzen mit der Arbeit maßgeblich, etwa eine Arbeitsunfähigkeit bedingende Krankheit, möge sie auch mit der Schwangerschaft zusammenhängen, fehle es an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang mit der Folge, dass ein Anspruch auf Mutterschutzlohn nicht bestehe. Dann sei die Krankheit und nicht - jedenfalls nicht ausschließlich - das Beschäftigungsverbot für den Verdienstausfall ursächlich. Diese Auslegung werde vor allem durch die Entstehungsgeschichte des § 11 Mutterschutzgesetzes bestätigt, dessen seit 1. Januar 1965 geltende Fassung erstmals einen Anspruch auf Mutterschutzlohn auch bei völligem Aussetzen mit der Arbeit vorgesehen habe. Dazu heiße es im schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit: Voraussetzung der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Fortzahlung des bisherigen Durchschnittsverdienstes sei, dass die Frau nicht krank im Sinne der RVO sei. In diesem Falle stehe ihr nur der Anspruch auf Lohnfortzahlung nach den Vorschriften über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle zu (BT-Drucks IV/3652, S 6 zu Nr. 12). Daraus werde deutlich, dass der Mutterschutzlohn nach § 11 MuSchG von der Intention her andere Leistungen wegen Krankheit nicht verdränge, sondern lediglich das durch das MuSchG zusätzlich abgedeckte Risiko des Aussetzens mit der Arbeit wegen eines Beschäftigungsverbotes sichern wolle. Ziel der gesetzlichen Regelung sei es, der Arbeitnehmerin den bisherigen Lebenstandart zu erhalten; insbesondere solle durch die Weiterzahlung des bisherigen Durchschnittsverdienstes jeder Anreiz für sie entfallen, entgegen den Beschäftigungsverboten, die Arbeiten zu ihrem und des Kindes Schaden aus wirtschaftlichen Gründen fortzusetzen.
Sei die Schwangere auch ohne das Beschäftigungsverbot wegen Krankheit zur Arbeitsleistung nicht fähig, könne der Mutterschutzlohn seinen Zweck nicht erfüllen. Einer Abdeckung des auf Schwangerschaft beruhenden Krankheitsrisikos durch das MuSchG habe es nicht bedurft, weil dieses Risiko im wesentlichen durch die Krankenversicherung und zu einem Teil durch die Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle bereits gedeckt sei. Diesem Normzweck des Mutterschutzes ist bei der Auslegung des § 44 SGB V und damit auch der diesen konkretisierenden Richtlinien des Bundesausschusses Rechnung zu tragen. Damit ergibt sich, dass bei gleichzeitigem Vorliegen von Krankheit und Beschäftigungsverbot die Krankheit die für das Sozialversicherungsrecht wesentliche Bedingung des Arbeitsausfalles ist. Dass die Krankheit wesentliche, wenn auch nicht alleinige Bedingung für den Entgeltausfall ist, ist für die Anspruchsbegründung auf Krankengeld ausreichend. Im Sozialversicherungsrecht ist für einen gesetzlich geforderten Kausalitätszusammenhang notwendig, aber auch ausreichend, dass das kausale Ereignis wesentliche Bedingung ist. Hierfür ist auf eine normative Betrachtung abzustellen. Unter Berücksichtigung des Normzweckes des Mutterschutzgesetzes ergibt sich damit, dass die Krankheit wesentliche Bedingung für den Lohnausfall ist.
Für den insoweit bestehenden Vorrang des Krankengeldes vor dem Mutterschutzlohn sprechen zwei weitere rechtliche Gesichtspunkte: Zum einen hat der Gesetzgeber zur Höhe der Entgeltersatzleistungen bei Krankheit und bei Mutterschutz eine Wertung dahingehend getroffen, dass der Mutterschutzlohn in voller Höhe, das Krankengeld nur in verringerter Höhe bezogen auf das ausfallende Entgelt gewährt wird. Dieser Wertung wird dann Rechnung getragen, wenn bei Realisierung beider Risiken, nur die geringere Leistung gewährt wird, da die Krankheit auch Ursache des Ausfalls der Erwerbstätigkeit ist.
Zudem widerspräche es, worauf das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung verweist, der Systematik der Sozialen Sicherung im Krankheitsfall, das Risiko der Krankheit eines Arbeitnehmers über den Mutterschutz auf den Arbeitgeber zu übertragen, zumal die Entgeltfortzahlungspflicht bei einem Beschäftigungsverbot anders als die Entgeltfortzahlung bei Krankheit nicht auf sechs Wochen begrenzt ist, sondern unbeschränkt besteht.
Die Auffangfunktion des Krankengeldes ergibt sich zudem auch aus § 2 Abs. 2 2. Halbsatz SGB I, wonach bei der Auslegung von Vorschriften des Sozialgesetzbuches sicherzustellen ist, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Dieser Auslegungsmaßstab ist bei der Interpretation des § 44 SGB V zu beachten, nicht hingegen bei der Auslegung des § 11 MuSchG, bei dem es sich um einen arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungsanspruch handelt. So sehr es deshalb unbedenklich ist, einen Anspruch auf Mutterschutzleistungen zu verwehren, so sehr ist es erforderlich durch die Gewährung von Krankengeldleistungen zu verhindern, dass die Klägerin ohne Absicherung für Risiken verbleibt, die nach den Wertungen des Gesetzgebers abgesichert sein sollen.
Ob der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EFZG aufgezehrt ist, oder ob aufgrund des Vorliegens einer neuen (anderen) Erkrankung (Gefahr eines B) eine neuer Entgeltfortzahlungsanspruch gegeben ist, kann offen bleiben, da Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls tatsächlich nicht geleistet wurde. Nur soweit jedoch tatsächlich Entgeltfortzahlungsleistungen erbracht werden, ruht der Krankengeldanspruch. Das Bestehen eines (nicht erfüllten) Anspruchs des Arbeitnehmers hierauf genügt hingegen nicht. Auch in diesem Fall ist die Beklagte leistungspflichtig. Allenfalls kann ein Erstattungsanspruch nach § 115 SGB X gegen den Arbeitgeber der Klägerin bestehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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