S 8 RA 35/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 RA 35/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger der Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 des 6. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) unterliegt und im Falle der Versicherungspflicht von dieser gemäß § 231 Abs. 6 SGB VI zu befreien ist.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist seit 00.1991 als selbständiger Tennislehrer erwerbstätig, ohne seit dem einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt zu haben.

Mit Schreiben vom 24.12.1990 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er eventuell vorhabe, sich im nächsten Jahr selbständig zu machen. Er stellte unter dem 17.03.1992 den förmlichen Antrag auf Beitragszahlung zur Angestelltenversicherung für eine freiwillige Versicherung. Der Abschnitt unter Ziffer 4 des förmlichen Antrags, der bei dem Eintritt einer Pflichtversicherung für selbständig Tätige auszufüllen ist, wurde durchgestrichen. Die Frage in dem Vordruck nach der derzeit ausgeübten Beschäftigung/Tätigkeit blieb von dem Kläger unbeantwortet. Die Berechtigung zur Zahlung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung wurde von der Beklagten sodann antragsgemäß festgestellt. Die Zahlung freiwilliger Beiträge erfolgte bis Juli 1993.

Im März 1998 erhielt die Beklagte durch den vom Amtsgericht H im Rahmen eines Scheidungsverfahrens übersandten, von dem Kläger ausgefüllten Fragebogen zum Versorgungsausgleich davon Kenntnis, dass der Kläger als selbständiger Tennislehrer erwerbstätig sei. Auf Anfrage der Beklagten teilte der Kläger mit, dass er seit 00.1991 als selbständiger Tennislehrer tätig sei. Die Beklagte klärte den Kläger mit Schreiben vom 03.06.1998 darüber auf, dass selbständig tätige Lehrer Kraft Gesetzes der Versicherungspflicht unterlägen, sofern sie im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen (§ 2 Nr. 1 SGB VI). Unter Berücksichtigung der Verjährungsvorschriften seien rückwirkend vom 01.01.1994 an Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen. In seiner Stellungnahme vom 06.07.1998 zu dem Schreiben der Beklagten vom 03.06.1998 machte der Kläger geltend, dass er sich durch eine Lebensversicherung abgesichert habe. Eine Doppelzahlung sei ihm nicht zuzumuten. Er beantragte die Befreiung von der Versicherungspflicht. Mit Bescheid vom 05.08.1998 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht aufgrund der selbständigen Tätigkeit des Klägers als Tennislehrer gemäß § 2 Abs. 1 SGB VI in der Rentenversicherung der Angestellten und die ab dem 01.01.1994 zu zahlenden Beiträge fest, die Befreiung von der Versicherungspflicht lehnte sie ab. Das anschließende Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. In dem folgenden Streitverfahren S 00 RA 00/98 des Sozialgerichts Gelsenkirchen beendeten die Beteiligten den Rechtsstreit mit dem Abschluss eines Vergleichs, in dem sich der Kläger zur Zahlung der von der Beklagten geforderten Beitragssumme in monatlichen Raten von 000 DM ab dem 01.03.1999 bereit erklärte.

Der weitere Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht vom 12.03.1999 blieb nach Durchführung des Widerspruchs- und Klageverfahrens (SG Gelsenkirchen, Aktenzeichen S 0 RA 00/99) erfolglos. In dem Streitverfahren nahm der Kläger die Klage zurück.

Mit Bescheid vom 17.04.2000 nahm die Beklagte die Neuberechnung der Beiträge ab dem 01.01.1996 und der restlichen Gesamtbeitragsforderung vor.

Mit Schriftsatz vom 18.10.2000 beantragte der Kläger, ihn von der Versicherungspflicht zu befreien. Soweit Beitragsbescheide bestandskräftig geworden seien, seien diese zu Unrecht erhoben worden und gemäß § 44 Abs. 1 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen und die Beiträge zurückzuzahlen. Zur Begründung nahm der Kläger Bezug auf ein Gutachten von Prof. em. Dr. Dr. h. c. H1 (Forschungsstelle für Sozialrecht und Gesundheitsökonomie der Universität C) vom 31.07.2000, in dem dieser zu dem Ergebnis kam, dass die Regelung des § 2 Nr. 1 SGB VI gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoße, soweit selbständige Tennislehrer in die Versicherungspflicht einbezogen werden. Auf den Inhalt des Gutachtens wird Bezug genommen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21.12.2000 den Antrag des Klägers vom 18.10.2000 ab. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X lägen nicht vor. Der Kläger sei dem Personenkreis des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zuzuordnen. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a, § 231 Abs. 5 SGB VI scheide aus, weil bei dem Kläger Versicherungspflicht nicht erst aufgrund des am 01.01.1999 in Kraft getretenen § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI eingetreten sei, sondern bereits zuvor nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Das Gutachten von Prof. em. Dr. Dr. h. c. H1 sei im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.10.2000, Aktenzeichen B 12 RA 4/00 R, nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu gelangen.

Gegen diesen Bescheid richtete sich der am 17.01.2001 bei der Beklagten eingegangene Widerspruch des Klägers. Zur Begründung nahm der Kläger auf das zuvor genannte Gutachten Bezug. Mit Bescheid vom 11.04.2001 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Bescheid vom 05.08.1998 in Verbindung mit dem Bescheid vom 17.04.2000 könne nach § 44 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB X nicht zurückgenommen werden, weil weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Des weiteren wiederholt die Beklagte die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.

Mit seiner am 11.05.2001 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt unter Vorlage der entsprechenden Versicherungsunterlagen vor, dass er seinen privaten Versicherungsschutz so geregelt habe, dass er ausreichende Vorsorge für seine private Altersversorgung getroffen habe. Er sei zu Unrecht von der Beklagten in die Versicherungspflicht einbezogen worden. Hinsichtlich der Unwirksamkeit des § 2 Nr. 1 SGB VI werde Bezug genommen auf das bereits der Beklagten übersandte Gutachten des Prof. em. Dr. Dr. h. c. H1. Der Gutachter komme zu dem Ergebnis, dass die gesetzliche Regelung gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG verstoße, soweit selbständige Tennislehrer in die Versicherungspflicht einbezogen seien.

Mit dem am 07.09.2001 bei der Beklagten eingegangen Antrag vom 31.08.2001 hat der Kläger die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI beantragt. Hierzu hat der Kläger angegeben, dass er vor dem 01.01.1999 Kenntnis von der Versicherungspflicht aufgrund der selbständigen Tätigkeit gehabt habe. Zur Begründung seines Antrags hat er ausgeführt, dass er trotz der vor dem 01.01.1999 erlangten Kenntnis von der Versicherungspflicht die Befreiungsvorschrift des § 231 Abs. 6 SGB VI in seinem Fall aufgrund des Sinns und Zwecks der Vorschrift entsprechend anwendbar sei. Wesentlicher Grund für die Einführung der Befreiungsregelung sei der Schutz des betroffenen Personenkreises vor einer Doppelbelastung durch Beiträge zur gesetzlichen und privaten Alterversorgung gewesen. Die Regelung des § 231 Abs. 6 SGB VI sei aufgrund des festgelegten Zeitpunktes, bis zu dem eine Kenntnis des selbständigen Lehrers nicht vorgelegen haben darf, für den Personenkreis unzureichend, der zufällig nur kurz vor dem 31.12.1998 von der Versicherungspflicht erfahren hat. Den Ausführungen des Bundessozialgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI im Hinblick auf Art. 3 GG sei teilweise nicht zuzustimmen. Die vom BSG für die Einbeziehung in die Versicherungspflicht angeführte größere Schutzbedürftigkeit von selbständigen Lehrern sei gerade im Vergleich zu anderen Selbständigen nicht gegeben. Vielen Lehrern sei es gerade möglich, aufgrund hoher Gewinnspannen, die auf den in aller Regel sehr geringen Betriebsausgaben beruhten, in wesentlich kürzerer Zeit einen die Alters- oder Invaliditätsvorsorge deckenden Kapitalstock zu erwirtschaften. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber es durch Einführung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI das Argument der Schutzbedürftigkeit im Grunde vollkommen entkräftet. Nach dieser Vorschrift liege schon dann keine Versicherungspflicht vor, wenn der Selbständige mehrere Auftraggeber habe, für die er tätig werde. Es werde gerade nicht nach Art der Tätigkeit unterschieden, sondern lediglich nach Zahl der Auftraggeber. Derartige Differenzierung lasse jedoch keinen sachlichen Unterscheidungsgrund mehr erkennen, sondern stelle de facto eine willkürliche Auswahl dar, die in keiner Weise der heutigen Erwerbslandschaft gerecht werden könne. Mit Bescheid vom 01.11.2001 hat die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht für Selbständige abgelehnt, da der Kläger bereits seit dem 03.06.1998 aufgrund ihres Schreibens vom 03.06.1998 und damit vor dem 01.01.1999 Kenntnis von seiner Versicherungspflicht gehabt habe.

Zur Begründung seiner Klage führte der Kläger weiter aus, dass er trotz seiner vor dem 01.01.1999 erlangten Kenntnis von der Versicherungspflicht gemäß § 231 Abs. 6 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit werden müsse. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten diejenigen, die von ihrer Versicherungspflicht keine Kenntnis hatten und deshalb in gutem Glauben privat für ihr Alter Vorsorge getroffen haben, von der zweifachen Belastung durch private und gesetzliche Altersvorsorge befreit werden. Bei der gebotenen teleologischen Auslegung der Befreiungsvorschrift könne es daher nicht auf den Stichtag, bis zu dem keine Kenntnis vorgelegen haben darf, angekommen. Er sei zudem wesentlich schutzbedürftiger als die meisten anderen selbständigen Lehrer, da er sogar positiv in gutem Glauben gehandelt habe, denn es sei ihm noch im Jahre 1992 von der Beklagten beschieden worden, dass er als selbständiger Sportlehrer keiner Versicherungspflicht unterliege. Darüber hinaus sei bereits nach der bisherigen Gesetzeslage fraglich, ob eine Versicherungspflicht anzunehmen sei. Dem Ausschluss der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bei Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Angestellten liege der Grundgedanke zugrunde, dass der Geschäftsbetrieb eines Selbständigen einen derartigen Umfang erreicht habe, dass die als Grundlage der Versicherungspflicht stets herangezogene Schutzbedürftigkeit dann jedenfalls entfalle. Die Tatsache, dass er zeitweilig verschiedene Selbständige beschäftigt habe, sei somit ebenfalls ein Grund für fehlende Versicherungspflicht. Letztlich müsse es dem Kläger überlassen bleiben, ob er lieber verschiedene Freiberufler oder Angestellte für den Betrieb seiner Tennisschule einsetzen wolle. Des weiteren sei zugunsten des Klägers von der Möglichkeit des Erlasses der Nachforderung Gebrauch zu machen. Insoweit sei seine fehlende Kenntnis von der Versicherungspflicht jedenfalls zu berücksichtigen. Schließlich werde von der Beklagten generell die Halbierung des monatlichen Beitrages auf die ersten drei Jahre der Versicherungspflicht in Fällen wie im vorliegenden angewendet. Dies sollte auch im Fall des Klägers selbstverständlich sein. Im Ergebnis sei er daher von der Versicherungspflicht vom Beginn der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit an zu befreien.

Der Kläger trägt weiter vor, dass für ihn besondere Vertrauensgesichtspunkte zu berücksichtigen seien. Er habe sich über das Vorliegen einer gesetzlichen Versicherungspflicht erkundigt. Er habe die Auskunft erhalten, dass er nicht versicherungspflichtig sei. Im Vertrauen hierauf habe er dann im weiteren seine private Altersvorsorge entsprechend ausgebaut. Es sei also davon auszugehen, dass eine die Befreiung rechtfertigende Vertrauensposition zweifelsfrei vorliege. Es könne daher keinen Unterschied machen, ob der Kläger vor einem Stichtag von seiner Versicherungspflicht in Kenntnis gesetzt worden sei, der im Hinblick auf seine dann schon bestehende Vertrauensstellung völlig ohne jegliche Bedeutung sei. Wenn man auf einen positiven Bescheid hin, dass man keiner gesetzlichen Versicherungspflicht unterliege, private Altersvorsorge betreibt, so sei diese Stellung mindestens so vertrauenswürdig wie die desjenigen, der, ohne sich um seine eigenen gesetzlichen Pflichten zu kümmern, private Altersvorsorge betreibt und zufällig erst am 02. Januar 1999 in Folge einer Außenprüfung über seine Versicherungspflicht in Kenntnis gesetzt werde. Es sei aufgrund der aktiven Erkundigung des Kläger von einem weit erhöhten Vertrauensschutzbedürfnis auszugehen, dem nur durch eine Befreiung der gesetzlichen Versicherungspflicht in Verbindung mit Aufhebung der Nachzahlungspflicht ab Beginn der Selbständigkeit Rechnung getragen werden könne.

Zur weiteren Begründung der Klage macht der Kläger geltend, dass ein kurz vor dem Stichtag des 01.01.1999 ergangener Bescheid der Beklagten nicht dazu habe führen können, dass er positiv Kenntnis von seiner Versicherungspflicht haben sollte. Ihm sei ja vielmehr gesagt worden, dass er als Selbständiger gerade keiner Versicherungspflicht unterliege. Der Kläger rügt des weiteren die Verfassungswidrigkeit des § 2 SGB VI in seiner Gesamtheit im Versicherungssystem. Diese Überlegung beruhe auf der in zweifacher Hinsicht verfehlten Annahme der Schutzwürdigkeit. Zum einen sei nicht ersichtlich, weshalb die Berufsgruppe, der auch der Kläger angehöre, schutzwürdiger sein solle als beispielsweise ein Betreiber eines kleinen Kiosks oder aber eines wesentlich auf seine Arbeitskraft angewiesenen Computerspezialisten mit mehr als einem Auftraggeber. Die Annahme der größeren Schutzbedürftigkeit sei in der heutigen Zeit nicht mehr aufrechtzuerhalten. Jedenfalls ergebe sich im Fall des Klägers aufgrund der nachgewiesenen breit angelegten privaten Altersvorsorge, dass keinerlei Schutzbedürfnis für eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Versicherung bestehe. Zum anderen werde nach wie vor bestritten, dass die Mitgliedschaft bei der Beklagten die beste Möglichkeit sei, um den notwendigen Schutz für die Altersvorsorge zu erhalten. Die gesetzliche Situation verstoße zudem gegen Art. 3 GG. Es sei nicht ersichtlich, worin die Gleichbehandlung der Berufsgruppe des Klägers im Verhältnis zur Gleichbehandlung eines selbständigen Managementberaters liege, der im wesentlichen nur für zwei Auftraggeber tätig sei, wohingegen der Kläger eine Vielzahl von Auftraggebern habe und demzufolge wirtschaftlich wesentlich unabhängiger sei. Des weiteren sei darauf hingewiesen, dass es für den Kläger nicht erklärbar sei, dass man als Selbständiger in die Kassen der Bundesanstalt für Angestellte einzahlen müsse. Er sei daher bei der im Bescheid vom 05.08.1998 behaupteten Feststellung seiner Versicherungspflicht davon ausgegangen, dass es sich hierbei um ein Versehen bei der Beklagten gehandelt habe, und er möglicherweise für ein Scheinselbständigen gehalten worden sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 21.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Bescheide vom 05.08.1998, 29.10.1998 und vom 17.04.2000 zurückzunehmen, hilfsweise den Bescheid vom 01.11.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Versicherungspflicht zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Kläger als selbständiger Tennislehrer gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig sei. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da mit dem Bescheid vom 05.08.1998 die Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 1 SGB VI und die Beitragspflicht ab 01.01.1994 festgestellt worden sei. Damit habe der Kläger am 31.12.1998 Kenntnis von seiner Versicherungspflicht gehabt, so dass schon aus diesem Grunde die Befreiung nach § 231 Abs. 6 SGB VI abzulehnen sei. Was die angesprochene Verfassungskonformität des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI anbelange, so werde auf das BSG-Urteil vom 12.10.2000 (B 12 RA 2/99 R) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Streitakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 00 RA 00/00 und S 0 RA 00/00, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2001 und der gemäß § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheid vom 01.11.2001 sind rechtmäßig und beschweren den Kläger somit nicht gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat zu Recht die Rücknahme der Bescheide vom 05.08.1998, 29.10.1998 und 17.04.2000 gemäß § 44 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) abgelehnt und die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 231 Abs. 6 SGB VI in dem Bescheid vom 01.11.2001 abgelehnt.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Bescheide vom 05.08.1998, 29.10.1998 und vom 17.04.2000 erweisen sich nicht als unrichtig.

In den genannten Bescheiden hat die Beklagte zutreffend die Versicherungspflicht des Klägers als selbständiger Tennislehrer gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI festgestellt. Der Kläger ist Lehrer im Sinne der genannten Vorschrift, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist auch nicht verfassungswidrig. Die Kammer nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen in dem Urteil des BSG vom 12.10.2000, Az. B 12 RA 4/00 R. Durch die Ausführungen in dem genannten Urteil sieht die Kammer insbesondere das vom Kläger zur Stützung seines Vorbringens vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. H1 als widerlegt an.

Der Kläger hat auch keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Die Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger zeitweilig verschiedene Selbständige beschäftigt hatte. Dies sieht zum einen die gesetzliche Regelung nicht vor, zum anderen ist nicht ersichtlich, dass der Kläger von seinen Einkünften her dazu in der Lage gewesen ist, sowohl versicherungspflichtige Arbeitnehmer als auch selbständig beschäftigte über einen nennenswerten Zeitraum in einem nennenswerten Umfang zu beschäftigen.

Entgegen der Auffassung des Klägers war die Beklagte nicht gehalten, in den Bescheiden vom 05.08.1998, 29.10.1998 und 17.04.2000 auf die rückwirkende Geltendmachung der Beitragsforderung zu verzichten, vielmehr ist sie dazu verpflichtet, geschuldete Beiträge einzufordern. Die Rückforderung der Beiträge hat die Beklagte zutreffend auf den Zeitraum ab dem 01.01.1994 begrenzt, da für den davor liegenden Zeitraum gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV Verjährung eingetreten ist.

Soweit der Kläger geltend macht, von der Beklagten werde generell die Halbierung des monatlichen Beitrags auf die ersten drei Jahre der Versicherungspflicht in Fällen wie im vorliegenden angewendet, führt dieser Einwand nicht zu einer Verringerung der Beitragsschuld des Klägers. Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind beitragspflichtige Einnahmen bei selbständig Tätigen ein Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines niedrigeren oder höheren Arbeitseinkommens jedoch dieses Arbeitseinkommen, mindestens jedoch monatlich 630 DM. Beitragspflichtige Einnahmen sind bei selbständig Tätigen nach § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB VI abweichend von Satz 1 Nr. 1 bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein Arbeitseinkommen in Höhe von 50 v.H. der Bezugsgröße, wenn ein Versicherter dies beim Träger der Rentenversicherung beantragt. Im vorliegenden Fall gilt zunächst, dass aufgrund der zuvor genannten Verjährungsregelung des § 25 Abs. 1 SGB IV für die Jahre 1991 bis 1993 ohnehin keine Beiträge vom Kläger gefordert werden. Für das Jahr 1994 fordert die Beklagte einen monatlichen Beitrag von 170,98 DM. Damit liegt dieser Beitrag sogar deutlich unter der Beitragshöhe bei Berücksichtigung eines Arbeitseinkommens in Höhe von 50 v.H. der Bezugsgröße gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB VI (= 376,32 DM). Eine weitere Verringerung der Beiträge sieht das Gesetz nicht vor.

Mit dem Bescheid vom 01.11.2001 hat die Beklagte zu Recht die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht gemäß § 231 Abs. 6 SGB VI abgelehnt.

Der Kläger hat nicht im Sinne des § 231 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 SGB VI glaubhaft gemacht, dass er bis zum 31.12.1998 von seiner Versicherungspflicht keine Kenntnis hatte. Vielmehr wurde dem Kläger diese Kenntnis mit Bescheid der Beklagten vom 05.08.1998 vermittelt. Die Tatsache, dass der Kläger diese Versicherungspflicht seinerzeit angezweifelt hat, ändert an der Kenntnis selbst nichts. Von der Stichtagsregelung in § 231 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 SGB VI kann nicht im Wege einer teleologischen Reduktion abgesehen werden. Rechtssystematisch wird durch eine derartige Auslegung der Anwendungsbereich einer Vorschrift eingeschränkt. Im Falle des § 231 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 SGB VI würde ein Absehen von der Stichtagsregelung jedoch zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs führen, so dass rechtssystematisch dem Begehren des Klägers mit einer teleologischen Reduktion nicht Rechnung getragen werden kann.

Eine Befreiung kommt auch nicht in analoger Anwendung des § 231 Abs. 6 SGB VI in Betracht. Voraussetzung einer Analogie ist, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Eine solche ist jedoch nicht erkennbar.

Der Gesetzgeber hat den 31.12.1998 als Stichtag in Anlehnung an das Inkrafttreten des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI am 01.01.1999 (Bundesgesetzblatt I 1998, S. 3843) bestimmt. Dies beruhte auf der Überlegung, dass etliche Selbständige im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI erstmalig mit Inkrafttreten des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI von ihrer Versicherungspflicht erfahren haben. Den bis dahin vorhandenen guten Glauben dieser Versicherungspflichtigen an das Nichtbestehen der Versicherungspflicht wollte der Gesetzgeber schützen. Hingegen wollte der Gesetzgeber weitergehenden Forderungen nicht Rechnung tragen, weil Selbständige, die schon seit Jahren nach §§ 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3, 229a SGB VI rentenversicherungspflichtig gewesen seien, in Bezug auf den Schutz ihres guten Glaubens an das Nichtbestehen der Versicherungspflicht nicht besser gestellt werden könnten als Selbständige, die bis zum Inkrafttreten des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI tatsächlich nicht rentenversicherungspflichtig waren. Dies gelte auch für die Stichtage und Fristen (Bundestagsdrucksache 14/5095, S. 9). Die vom Gesetzgeber angestrebte Gleichbehandlung der gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI seit dem 01.01.1999 "neu" Versicherungspflichtigen allein mit denjenigen "alten" Versicherungspflichtigen im Sinne der §§ 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3, 229a SGB VI, die bis zum 31.12.1998 gutgläubig in Bezug auf das Nichtbestehen einer Versicherungspflicht waren, verbietet es somit, § 231 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in analoger Anwendung auf Versicherte, wie den Kläger auszuweiten, deren guter Glaube schon am 31.12.1998 nicht mehr bestand.

Der Kläger kann auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe bei ihm bis zum 31.12.1998 Unkenntnis gemäß § 231 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 SGB VI vorgelegen. Hierbei kann dahinstehen, ob der Kläger vor Beginn der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit tatsächlich falsch beraten wurde, denn die Herstellung der Unkenntnis des Klägers von seiner Rentenversicherungspflicht als Selbständiger jedenfalls bis zum 31.12.1998 ist keine Rechtsfolge, die vom sozialrechtlichen Herstellungsanspruch umfasst ist.

Bedenken ergeben sich schon daraus, dass tatsächliche Verhältnisse, die Voraussetzung eines Anspruchs sind, durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch weder negiert noch geschaffen werden können (Gagel, Der Herstellungsanspruch, SGb 2000, 517 [518, li.Sp.]). So kann eine fehlende Arbeitslosmeldung auch dann nicht im Wege des Herstellungsanspruchs fingiert werden, wenn sie auf einer Fehlberatung beruht (BSGE 62, 43, 48). Gleiches gilt für die fehlende Verfügbarkeit des Arbeitslosen zur Arbeitsvermittlung (vgl. BSGE 58, 104, 109). Denn bei dem Merkmal "keine Kenntnis von der Versicherungspflicht" handelt es sich gerade um eine Tatsache, die Voraussetzung eines Anspruchs (auf Befreiung nach § 231 Abs. 6 SGB VI) ist.

Hinzu kommt, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ohnehin drauf beschränkt ist, dass, was im Bereich der Sozialrechtsverhältnisse abgelaufen ist, so zu korrigieren, dass die Verhältnisse hergestellt werden, die bei ordnungsgemäßem Ablauf bestanden hätten (Gagel, a.a.O.). Das Sozialrechtsverhältnis ist so wiederherzustellen, wie es dem Versicherten ohne die Pflichtverletzung zugestanden hätte (BSG Urteil vom 05.04.2000, Az. B 5 RJ 50/98 R, S. 13). Bei ordnungsgemäßem Ablauf aber hätte der Kläger schon anlässlich des von ihm vorgetragenen Beratungsgesprächs, das vor der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit stattgefunden haben soll, auf seine Versicherungspflicht hingewiesen werden müssen. Auch dann aber hätte er entgegen § 231 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bereits vor dem 31.12.1998 Kenntnis von seiner Versicherungspflicht gehabt.

Auch ist es rechtlich nicht von Bedeutung, dass der Kläger nach der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit im Jahre 1991 private Versicherungsverträge abgeschlossen hat, zu denen er ebenfalls Beiträge zu entrichten hat. Denn der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist gerade kein allgemeinen Schadensersatzanspruch (Gagel a.a.O.).

§ 231 Abs. 6 SGB VI ist auch nicht verfassungswidrig (s. LSG NRW, Urteil vom 08.11.2002, Az.: L 4 RA 56/02). Die Einführung dieser Vorschrift hat für den Kläger zu keiner Verschlechterung seiner Position geführt. Vor der Einführung dieser Vorschrift war keinerlei Befreiungsmöglichkeit gesetzlich vorgesehen. Selbst diesen Status hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 12.10.2000, Az. B 12 RA 4/00 R, als verfassungsgemäß angesehen. Mit der Einführung des § 231 Abs. 6 SGB VI hat sich an der rechtlichen Situation des Klägers nichts geändert, so dass hierdurch im Hinblick auf das genannte Urteil des BSG sich an der Beurteilung in verfassungsrechtlicher Hinsicht nichts geändert hat.
Rechtskraft
Aus
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