Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 8/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 120/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 5/03 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.08.2000 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Art der Abrechnung von vertragsärztlichen Leistungen im Vertretungsfall in Praxisgemeinschaften. Der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten enthält zumindest seit dem 01.07.1986 in § 4 Abs. 3 folgende Regelung:
Abrechnungsscheine für den ärztlichen Notdienst, Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretung (Muster 19) berechtigen nur zur Abrechnung von Vertretungsleistungen und im Notfall von Leistungen der Erstversorgung bzw. der Behandlung während des organisierten Notfalldienstes. Wechselseitige Vertretungen der Partner von Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften mit gemeinsamen Räumlichkeiten sowie Vertretungen in den Praxisräumen des vertretenden Arztes dürfen nicht auf diesem Abrechnungsschein abgerechnet werden. (Seit 1995 Abs. 3 f, seit 01.01.1996 Abs. 3 b, seit 01.07.2001 Abs. 3 e).
Die Klägerin ist als praktische Ärztin mit der Zusatzbezeichnung Phlebologie in N zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und unterhält mit dem praktischen Arzt S eine Praxisgemeinschaft u.a. zur gemeinsamen Nutzung von Praxisräumen und Praxiseinrichtungen. Im Zeiten von Abwesenheit vertreten die Klägerin und ihr Partner sich gegenseitig. Im Quartal IV/1997 rechnete die Klägerin 43 Behandlungsfälle und im Quartal I/1998 25 Behandlungsfälle von Patienten ihres Partners über sogenannte Muster 19 - Vertretungsscheine - ab. Die Behandlungen fanden in den Monaten des Quartals IV/1997 an folgenden Tagen statt:
00., 00., 00., 00., 00., 00., 00., 00., 00., 00. Oktober,
00., 00., 00., 00., 00., 00., 00., 00., 00., 00. November,
00., 00., 00., 00., 00., 00., 00., 00. Dezember.
An insgesamt vier Tagen wurden fünf bis acht Patienten behandelt, an den übrigen Tagen jeweils nur einer. In diesem Quartal fiel keine Urlaubsvertretung an. Nach dem Vortrag der Klägerin beruhen die Vertretungsfälle darauf, dass der Partner damals in G wohnte und verkehrsbedingt später in die Praxis kam. Auch sei er im Rahmen der Betreuung eines Altenheims für Notfälle dort hingerufen worden. Im Falle der Behandlung von Patienten des Partners hat die Klägerin die entsprechende Patientenkarteikarte des Partners hinzugezogen. Mit Bescheiden vom 09.02.1998 und 09.06.1998 berichtigte die Beklagte die Abrechnungen der Klägerin u.a. dahingehend, dass sie die auf diesen Scheinen abgerechneten Leistungen unter Hinweis auf § 4 Abs. 3 d des HVM strich. Die Widersprüche der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 03. November 1998 zurück.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, dass sie als Vertragsärztin gegen die Beklagte unmittelbar einen Anspruch auf Vergütung ihrer Leistungen habe. Eine Abrechnung der Leistungen auf dem Schein des jeweils anderen Vertragsarztes verstieße gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung. Die teilweise Gleichbehandlung von Praxisgemeinschaften mit Gemeinschaftspraxen beseitige de fakto das Recht der Vertragsärzte auf Wahl der Organisationsform. In einer Praxisgemeinschaft hätten jeder der Partner ein eigenes Klientel und würde nur für sich abrechnen. Dieses bestehende Recht zur Bildung einer Praxisgemeinschaft werde ausgehöhlt. Die bloße Wahl zwischen verschiedenen Organisationsformen könne kein Rechtfertigungsgrund für eine schlechtere Honorierung sein. Jedenfalls dürfe eine solche Einschränkung der Berufsausübung nicht in einem HVM vorgenommen werden.
Die Klägerin hat beantragt,
unter teilweiser Aufhebung der Berichtigungsbescheide vom 09.02.1998 und 09.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.1999 die Streichung der Vertretungsleistungen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die gestrichenen Leistungen nachzuvergüten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 23.08.2000 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen. Die Abrechnungen der Klägerin seien wegen § 4 Abs. 3 d HVM zu Recht zurückgewiesen worden. Im Falle der Vertretung in den Praxisräumen des vertretenen Arztes in Abwesenheit des Praxisinhabers (§ 32 Abs. 1 Ärzte-ZV) bestünden ausschließlich Abrechnungsbeziehungen des vertretenen Praxisinhabers zur Kassenärztlichen Vereinigung. Die Bestimmung des § 4 Abs. 3 d Satz 2 HVM betreffe insgesamt die Situation, dass die Vertretung in den Räumlichkeiten des vertretenen Arztes erfolge, sei es, dass der Vertreter die Vertretung in den Praxisräumen eines Einzelarztes wahrnehme oder sich der Vertreter ohnehin die Räumlichkeiten mit dem vertretenen Arzt teile, wie es bei Praxisgemeinschaften der Fall sei. Diese enge räumliche Beziehung rechtfertige, die Vertretungsleistungen auf dem "Hauptschein" des vertretenen Arztes abzurechnen. Gleichzeitig werde dadurch Missbrauchsmöglichkeiten vorgebeugt, denn auch schon vor Geltung der fallzahlbezogenen Teil- und Praxisbudgets seien in dem Augenblick, in dem sich zwei Ärzte wechselseitig vertreten, neue Fälle jedenfalls mit der möglichen Folge eines Punktwertverfalls entstanden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Sie sieht in der streitbefangenen Regelung einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 des Grundgesetzes und eine Schlechterstellung von Vertragsärzten in Praxisgemeinschaften gegenüber Vertragsärzten in jeweils getrennten Praxen. Der Vertretene erhalte bei Abrechnung über seinen normale Behandlungsfall de fakto keine Vergütung. Der Klägerin sei die in der Berufsordnung vorgesehene kollegiale Vertretung genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.08.2000 abzuändern und die Berichtigungsbescheide der Beklagten vom 09.02.1998 und 09.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.1999 wegen der Streichung der Vertretungsleistungen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die gestrichenen Leistungen nachzuvergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Weitere Einzelheiten, auch des Vorbringens der Beteiligten, ergeben sich aus den Prozessakten und den beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten einschließlich der Abrechnungsscheine, auf die Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.08.2000 ist statthaft und zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht beschwert, denn diese sind rechtmäßig. Sie beruhen auf § 4 Abs. 3 d des HVM der Beklagten, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen vor, wenn die von der Klägerin beschriebenen Abwesenheitszeiten ihres Partners als "Vertretungsfall" angesehen werden. Die Klägerin hat in den mit ihrem Partner gemeinsam genutzten Praxisräumen und Einrichtungen in dessen Abwesenheit als dessen Vertreterin Leistungen an dessen Patienten erbracht. § 4 Abs. 3 d HVM der Beklagten schließt die von der Klägerin vorgenommene Abrechnung auf einem Vertretungsschein jedenfalls aus. Eine Abrechnung auf einem normalen Abrechnungsschein des Partners ist nicht Gegenstand des Verfahrens.
§ 4 Abs. 3 d HVM der Beklagten verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen die Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung vom 07.02.1995 (Vordruckvereinbarung). § 34 Abs. 1 des auf der Grundlage des § 82 Abs. 1 SGB V von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbarten BMV-Ä in der ab 01.01.1995 geltenden Fassung bestimmt, dass Abrechnungs- und Verordnungsvordrucke sowie Vordrucke für schriftliche Informationen als verbindliche Muster in der Vordruckvereinbarung (Anlage 2 zum Bundesmantelvertrag) festgelegt werden, übereinstimmend dazu § 6 Abs. 1 EKV-Ä. In dieser Vordruckvereinbarung sind die einzelnen in der vertragsärztlichen Versorgung einheitlich zu verwendenden Vordrucke und ihre Zweckbestimmung beschrieben sowie allgemeine Regelungen über die Verwendung und das Ausfüllen von Vordrucken getroffen. Ziffer 2.19.1 bestimmt, dass für die Abrechnung der Leistungen im ärztlichen Notfalldienst und bei Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretung das anliegende Muster 19 zu verwenden sei, dass im Weiteren in seiner Ausgestaltung beschrieben wird. Der Senat folgte der Auffassung des Sozialgerichts und nimmt gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die insofern zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug, dass weder die Vordruckvereinbarung noch der BMV-Ä eine Definition der Begriffe ärztlicher Notfalldienst oder Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretung enthalten. Auch der HVM der Beklagten regelt inhaltlich nicht einen Vertretungsfall, sondern gibt lediglich für die Art und Weise der Abrechnung von Vertreterbehandlungen Vorgaben, die von ihrer Kompetenz gemäß § 85 Abs. 4 SGB V und der daraus folgenden Satzungsautonomie gedeckt sind.
Ebenso wenig sieht der Senat einen Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes (GG), insbesondere keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber einem Vertragsarzt in einer eigenen, getrennten Praxis. Das Vertragsarztrecht kennt zwei Arten der gegenseitigen Vertretung. § 32 Ärzte-ZV regelt die Vertretung durch einen Arzt in der Praxis des vertretenen Vertragsarztes. Vertreter im Sinne des § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV ist derjenige Arzt, der in Abwesenheit des Praxisinhabers an dessen Stelle und in dessen Praxis eine vertragsärztliche Tätigkeit ausübt (Schallen, Ärzte-ZV, 3. Auflage, Rn. 580). Zwar hat jeder Arzt die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung in freier Praxis (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV, § 15 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ärzte). Persönlich in diesem Sinne bedeutet aber nicht in jedem Einzelfall "höchstpersönlich", so dass die Leistung ausschließlich durch den Vertragsarzt selbst erbracht werden müsste. Vielmehr kann die Leistungserbringung auch durch ärztliche und nichtärztliche Hilfskräfte (z.B. Assistenten und angestellte Ärzte) sowie durch Vertreter erfolgen (§ 32 Abs. 1 Ärzte-ZV). Deren Tätigkeit wird dem Vertragsarzt als Eigenleistung zugerechnet, auch abrechnungsrechtlich. Darauf beruht der Wortlaut der gemäß § 4 Abs. 9 HVM der Beklagten vorgeschriebenen Erklärung zu der vierteljährlichen Abrechnung:
Ich versichere hiermit, dass die in den beiliegenden Abrechnungsunterlagen in Rechnung gestellten Leistungen von mir selbst oder von einem Vertreter (§ 32 Ärzte-ZV) ... ausgeführt wurden.
Demgegenüber erfolgt die sogenannte gegenseitige "kollegiale Vertretung" im Rahmen der standesrechtlichen Berufspflicht in der Praxis des Vertreters und wird deshalb durch § 32 Ärzte-ZV nicht erfasst. Dieser Vertretungsfall wird auf Muster 19 abgerechnet, soweit ein Vertragsarzt in seiner eigenen Praxis einen Patienten eines anderen Vertragsarztes bei dessen Verhinderung im laufenden Behandlungsfall behandelt.
Somit ergibt sich die unterschiedliche abrechnungsrechtliche Behandlung der beiden Vertretungsfälle allein daraus, in welcher Praxis die Behandlung des Versicherten im Verhinderungsfall erfolgt, d.h. ob der Versicherte in den Praxisräumen des vertretenen Arztes oder in den Praxisräumen des Vertreters behandelt wird. Gerade diese Abgrenzung ist im Falle der Praxisgemeinschaft nicht möglich. Typischerweise liegt die Besonderheit gerade darin, dass Praxisräume, Praxiseinrichtungen usw. gemeinsam genutzt werden und nicht- ärztliches Hilfspersonal gemeinsam beschäftigt wird, § 33 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV. Wenn die Regelung des § 4 Abs. 3 d HVM die Abrechnung im Rahmen der sogenannten "kollegialen" Vertretung ausschließt, sieht der Senat sachliche Rechtfertigungsgründe zweifach. Zum einen würde es von einfachen Gestaltungsmöglichkeiten abhängen, ob der Patient des anderen Praxisgemeinschaftspartners in den diesem Vertragsarzt zur persönlichen Nutzung zugewiesenen Praxisteilen oder in dem dem Vertreter zugewiesenen Praxisteilen stattfindet. Solche spontanen Gestaltungsmöglichkeiten bestehen jedenfalls nicht, wenn von vornherein feststeht, ob ein anderer Arzt in der Praxis des verhinderten Arztes eine Vertretung ausübt oder ein anderer Vertragsarzt in seiner eigenen Praxis die Vertretung für einen anderen Kollegen übernimmt. Auch entstünde durch Abrechnung über den Vertreterschein ein neuer budgetrelevanter Behandlungsfall mit einem erneuten Vergütungsanteil auch für die Praxiskosten, obwohl der Versicherte im Rahmen eines laufenden Behandlungsfalls des vertretenden Arztes in denselben gemeinsam genutzten Praxisräumen z.B. nur einmalig den Vertreter aufsucht.
Dabei greift der Einwand der Klägerin nicht durch, ihre ärztlichen Leistungen als Vertreterin ihres Praxisgemeinschaftspartners würden nicht vergütet. Selbstverständlich kann der vertretende Kollege im Rahmen der gemäß § 4 Abs. 9 des HVM der Beklagten vorgesehenen Sammelerklärung diese ärztlichen Leistungen abrechnen. Damit die Klägerin als tatsächlich tätig gewordene Ärztin eine Vergütung oder einen Vergütungsanteil erhält, bedarf es allerdings einer privatrechtlichen Regelung zwischen den beiden Ärzten, sei es dahingehend, dass die wechselseitigen Vertretungen gegeneinander aufgerechnet werden oder der eine Arzt den anderen in angemessener Weise an der von ihm erlangten Vergütung teilhaben lässt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 und 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen hat der Senat die Revision zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Art der Abrechnung von vertragsärztlichen Leistungen im Vertretungsfall in Praxisgemeinschaften. Der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten enthält zumindest seit dem 01.07.1986 in § 4 Abs. 3 folgende Regelung:
Abrechnungsscheine für den ärztlichen Notdienst, Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretung (Muster 19) berechtigen nur zur Abrechnung von Vertretungsleistungen und im Notfall von Leistungen der Erstversorgung bzw. der Behandlung während des organisierten Notfalldienstes. Wechselseitige Vertretungen der Partner von Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften mit gemeinsamen Räumlichkeiten sowie Vertretungen in den Praxisräumen des vertretenden Arztes dürfen nicht auf diesem Abrechnungsschein abgerechnet werden. (Seit 1995 Abs. 3 f, seit 01.01.1996 Abs. 3 b, seit 01.07.2001 Abs. 3 e).
Die Klägerin ist als praktische Ärztin mit der Zusatzbezeichnung Phlebologie in N zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und unterhält mit dem praktischen Arzt S eine Praxisgemeinschaft u.a. zur gemeinsamen Nutzung von Praxisräumen und Praxiseinrichtungen. Im Zeiten von Abwesenheit vertreten die Klägerin und ihr Partner sich gegenseitig. Im Quartal IV/1997 rechnete die Klägerin 43 Behandlungsfälle und im Quartal I/1998 25 Behandlungsfälle von Patienten ihres Partners über sogenannte Muster 19 - Vertretungsscheine - ab. Die Behandlungen fanden in den Monaten des Quartals IV/1997 an folgenden Tagen statt:
00., 00., 00., 00., 00., 00., 00., 00., 00., 00. Oktober,
00., 00., 00., 00., 00., 00., 00., 00., 00., 00. November,
00., 00., 00., 00., 00., 00., 00., 00. Dezember.
An insgesamt vier Tagen wurden fünf bis acht Patienten behandelt, an den übrigen Tagen jeweils nur einer. In diesem Quartal fiel keine Urlaubsvertretung an. Nach dem Vortrag der Klägerin beruhen die Vertretungsfälle darauf, dass der Partner damals in G wohnte und verkehrsbedingt später in die Praxis kam. Auch sei er im Rahmen der Betreuung eines Altenheims für Notfälle dort hingerufen worden. Im Falle der Behandlung von Patienten des Partners hat die Klägerin die entsprechende Patientenkarteikarte des Partners hinzugezogen. Mit Bescheiden vom 09.02.1998 und 09.06.1998 berichtigte die Beklagte die Abrechnungen der Klägerin u.a. dahingehend, dass sie die auf diesen Scheinen abgerechneten Leistungen unter Hinweis auf § 4 Abs. 3 d des HVM strich. Die Widersprüche der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 03. November 1998 zurück.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, dass sie als Vertragsärztin gegen die Beklagte unmittelbar einen Anspruch auf Vergütung ihrer Leistungen habe. Eine Abrechnung der Leistungen auf dem Schein des jeweils anderen Vertragsarztes verstieße gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung. Die teilweise Gleichbehandlung von Praxisgemeinschaften mit Gemeinschaftspraxen beseitige de fakto das Recht der Vertragsärzte auf Wahl der Organisationsform. In einer Praxisgemeinschaft hätten jeder der Partner ein eigenes Klientel und würde nur für sich abrechnen. Dieses bestehende Recht zur Bildung einer Praxisgemeinschaft werde ausgehöhlt. Die bloße Wahl zwischen verschiedenen Organisationsformen könne kein Rechtfertigungsgrund für eine schlechtere Honorierung sein. Jedenfalls dürfe eine solche Einschränkung der Berufsausübung nicht in einem HVM vorgenommen werden.
Die Klägerin hat beantragt,
unter teilweiser Aufhebung der Berichtigungsbescheide vom 09.02.1998 und 09.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.1999 die Streichung der Vertretungsleistungen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die gestrichenen Leistungen nachzuvergüten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 23.08.2000 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen. Die Abrechnungen der Klägerin seien wegen § 4 Abs. 3 d HVM zu Recht zurückgewiesen worden. Im Falle der Vertretung in den Praxisräumen des vertretenen Arztes in Abwesenheit des Praxisinhabers (§ 32 Abs. 1 Ärzte-ZV) bestünden ausschließlich Abrechnungsbeziehungen des vertretenen Praxisinhabers zur Kassenärztlichen Vereinigung. Die Bestimmung des § 4 Abs. 3 d Satz 2 HVM betreffe insgesamt die Situation, dass die Vertretung in den Räumlichkeiten des vertretenen Arztes erfolge, sei es, dass der Vertreter die Vertretung in den Praxisräumen eines Einzelarztes wahrnehme oder sich der Vertreter ohnehin die Räumlichkeiten mit dem vertretenen Arzt teile, wie es bei Praxisgemeinschaften der Fall sei. Diese enge räumliche Beziehung rechtfertige, die Vertretungsleistungen auf dem "Hauptschein" des vertretenen Arztes abzurechnen. Gleichzeitig werde dadurch Missbrauchsmöglichkeiten vorgebeugt, denn auch schon vor Geltung der fallzahlbezogenen Teil- und Praxisbudgets seien in dem Augenblick, in dem sich zwei Ärzte wechselseitig vertreten, neue Fälle jedenfalls mit der möglichen Folge eines Punktwertverfalls entstanden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Sie sieht in der streitbefangenen Regelung einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 des Grundgesetzes und eine Schlechterstellung von Vertragsärzten in Praxisgemeinschaften gegenüber Vertragsärzten in jeweils getrennten Praxen. Der Vertretene erhalte bei Abrechnung über seinen normale Behandlungsfall de fakto keine Vergütung. Der Klägerin sei die in der Berufsordnung vorgesehene kollegiale Vertretung genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.08.2000 abzuändern und die Berichtigungsbescheide der Beklagten vom 09.02.1998 und 09.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.1999 wegen der Streichung der Vertretungsleistungen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die gestrichenen Leistungen nachzuvergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Weitere Einzelheiten, auch des Vorbringens der Beteiligten, ergeben sich aus den Prozessakten und den beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten einschließlich der Abrechnungsscheine, auf die Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.08.2000 ist statthaft und zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht beschwert, denn diese sind rechtmäßig. Sie beruhen auf § 4 Abs. 3 d des HVM der Beklagten, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen vor, wenn die von der Klägerin beschriebenen Abwesenheitszeiten ihres Partners als "Vertretungsfall" angesehen werden. Die Klägerin hat in den mit ihrem Partner gemeinsam genutzten Praxisräumen und Einrichtungen in dessen Abwesenheit als dessen Vertreterin Leistungen an dessen Patienten erbracht. § 4 Abs. 3 d HVM der Beklagten schließt die von der Klägerin vorgenommene Abrechnung auf einem Vertretungsschein jedenfalls aus. Eine Abrechnung auf einem normalen Abrechnungsschein des Partners ist nicht Gegenstand des Verfahrens.
§ 4 Abs. 3 d HVM der Beklagten verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen die Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung vom 07.02.1995 (Vordruckvereinbarung). § 34 Abs. 1 des auf der Grundlage des § 82 Abs. 1 SGB V von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbarten BMV-Ä in der ab 01.01.1995 geltenden Fassung bestimmt, dass Abrechnungs- und Verordnungsvordrucke sowie Vordrucke für schriftliche Informationen als verbindliche Muster in der Vordruckvereinbarung (Anlage 2 zum Bundesmantelvertrag) festgelegt werden, übereinstimmend dazu § 6 Abs. 1 EKV-Ä. In dieser Vordruckvereinbarung sind die einzelnen in der vertragsärztlichen Versorgung einheitlich zu verwendenden Vordrucke und ihre Zweckbestimmung beschrieben sowie allgemeine Regelungen über die Verwendung und das Ausfüllen von Vordrucken getroffen. Ziffer 2.19.1 bestimmt, dass für die Abrechnung der Leistungen im ärztlichen Notfalldienst und bei Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretung das anliegende Muster 19 zu verwenden sei, dass im Weiteren in seiner Ausgestaltung beschrieben wird. Der Senat folgte der Auffassung des Sozialgerichts und nimmt gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die insofern zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug, dass weder die Vordruckvereinbarung noch der BMV-Ä eine Definition der Begriffe ärztlicher Notfalldienst oder Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretung enthalten. Auch der HVM der Beklagten regelt inhaltlich nicht einen Vertretungsfall, sondern gibt lediglich für die Art und Weise der Abrechnung von Vertreterbehandlungen Vorgaben, die von ihrer Kompetenz gemäß § 85 Abs. 4 SGB V und der daraus folgenden Satzungsautonomie gedeckt sind.
Ebenso wenig sieht der Senat einen Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes (GG), insbesondere keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber einem Vertragsarzt in einer eigenen, getrennten Praxis. Das Vertragsarztrecht kennt zwei Arten der gegenseitigen Vertretung. § 32 Ärzte-ZV regelt die Vertretung durch einen Arzt in der Praxis des vertretenen Vertragsarztes. Vertreter im Sinne des § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV ist derjenige Arzt, der in Abwesenheit des Praxisinhabers an dessen Stelle und in dessen Praxis eine vertragsärztliche Tätigkeit ausübt (Schallen, Ärzte-ZV, 3. Auflage, Rn. 580). Zwar hat jeder Arzt die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung in freier Praxis (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV, § 15 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ärzte). Persönlich in diesem Sinne bedeutet aber nicht in jedem Einzelfall "höchstpersönlich", so dass die Leistung ausschließlich durch den Vertragsarzt selbst erbracht werden müsste. Vielmehr kann die Leistungserbringung auch durch ärztliche und nichtärztliche Hilfskräfte (z.B. Assistenten und angestellte Ärzte) sowie durch Vertreter erfolgen (§ 32 Abs. 1 Ärzte-ZV). Deren Tätigkeit wird dem Vertragsarzt als Eigenleistung zugerechnet, auch abrechnungsrechtlich. Darauf beruht der Wortlaut der gemäß § 4 Abs. 9 HVM der Beklagten vorgeschriebenen Erklärung zu der vierteljährlichen Abrechnung:
Ich versichere hiermit, dass die in den beiliegenden Abrechnungsunterlagen in Rechnung gestellten Leistungen von mir selbst oder von einem Vertreter (§ 32 Ärzte-ZV) ... ausgeführt wurden.
Demgegenüber erfolgt die sogenannte gegenseitige "kollegiale Vertretung" im Rahmen der standesrechtlichen Berufspflicht in der Praxis des Vertreters und wird deshalb durch § 32 Ärzte-ZV nicht erfasst. Dieser Vertretungsfall wird auf Muster 19 abgerechnet, soweit ein Vertragsarzt in seiner eigenen Praxis einen Patienten eines anderen Vertragsarztes bei dessen Verhinderung im laufenden Behandlungsfall behandelt.
Somit ergibt sich die unterschiedliche abrechnungsrechtliche Behandlung der beiden Vertretungsfälle allein daraus, in welcher Praxis die Behandlung des Versicherten im Verhinderungsfall erfolgt, d.h. ob der Versicherte in den Praxisräumen des vertretenen Arztes oder in den Praxisräumen des Vertreters behandelt wird. Gerade diese Abgrenzung ist im Falle der Praxisgemeinschaft nicht möglich. Typischerweise liegt die Besonderheit gerade darin, dass Praxisräume, Praxiseinrichtungen usw. gemeinsam genutzt werden und nicht- ärztliches Hilfspersonal gemeinsam beschäftigt wird, § 33 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV. Wenn die Regelung des § 4 Abs. 3 d HVM die Abrechnung im Rahmen der sogenannten "kollegialen" Vertretung ausschließt, sieht der Senat sachliche Rechtfertigungsgründe zweifach. Zum einen würde es von einfachen Gestaltungsmöglichkeiten abhängen, ob der Patient des anderen Praxisgemeinschaftspartners in den diesem Vertragsarzt zur persönlichen Nutzung zugewiesenen Praxisteilen oder in dem dem Vertreter zugewiesenen Praxisteilen stattfindet. Solche spontanen Gestaltungsmöglichkeiten bestehen jedenfalls nicht, wenn von vornherein feststeht, ob ein anderer Arzt in der Praxis des verhinderten Arztes eine Vertretung ausübt oder ein anderer Vertragsarzt in seiner eigenen Praxis die Vertretung für einen anderen Kollegen übernimmt. Auch entstünde durch Abrechnung über den Vertreterschein ein neuer budgetrelevanter Behandlungsfall mit einem erneuten Vergütungsanteil auch für die Praxiskosten, obwohl der Versicherte im Rahmen eines laufenden Behandlungsfalls des vertretenden Arztes in denselben gemeinsam genutzten Praxisräumen z.B. nur einmalig den Vertreter aufsucht.
Dabei greift der Einwand der Klägerin nicht durch, ihre ärztlichen Leistungen als Vertreterin ihres Praxisgemeinschaftspartners würden nicht vergütet. Selbstverständlich kann der vertretende Kollege im Rahmen der gemäß § 4 Abs. 9 des HVM der Beklagten vorgesehenen Sammelerklärung diese ärztlichen Leistungen abrechnen. Damit die Klägerin als tatsächlich tätig gewordene Ärztin eine Vergütung oder einen Vergütungsanteil erhält, bedarf es allerdings einer privatrechtlichen Regelung zwischen den beiden Ärzten, sei es dahingehend, dass die wechselseitigen Vertretungen gegeneinander aufgerechnet werden oder der eine Arzt den anderen in angemessener Weise an der von ihm erlangten Vergütung teilhaben lässt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 und 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen hat der Senat die Revision zugelassen.
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