L 11 KA 37/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 74/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 37/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 30.11.2000 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rückforderung eines Teils des dem Kläger für die Behandlung von Versicherten der Beigeladenen für 1993 zugeflossenen Honorars.

Der Kläger war 1993 zur vertragszahnärztlichen Versorgung in C zugelassen. Die Beklagte hatte am 19.05.1993 für das Jahr 1993 einen Gesamtvertrag mit den Beigeladenen über die höchstzulässige Gesamtvergütung geschlossen und danach auch das vertragszahnärztliche Honorar des Klägers abgerechnet. Der Gesamtvertrag wurde von der Aufsichtsbehörde am 06.09.1993 beanstandet, was die Beklagte ihren Mitgliedern im Mitgliederrundschreiben 6/1993 vom 03. November 1993 mitteilte. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Honorarzahlungen auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarung unter Vorbehalt erfolgten. Ab dem Quartal II/1993 war den Honorarbescheiden folgender Zusatz beigefügt:

"Diese Vierteljahresabrechnung der KZVWL erfolgte vorbehaltlich einer etwaigen Honorarrückforderung bei Überschreitung des für die vertragszahnärztliche Versorgung zur Verfügung stehenden Gesamtbudgets (§§ 71, 85 Abs. 3a, 270 a SGB V) oder bei Überschreitung der in § 85 Abs. 4 SGB V festgelegten Gesamtpunktmengen. Darüber hinaus wird diese Honorarabrechnung erst dann wirksam, wenn die Ausschlussfrist für Anträge auf Honorarberichtigung oder Wirtschaftlichkeitsprüfung abgelaufen ist, ohne dass solche Anträge gestellt worden sind oder über Anträge auf Honorarberichtigung oder Wirtschaftlichkeitsprüfung bestands- oder rechtskräftig entschieden worden ist ( § 4 Abs. 2 HVM der KZVWL)."

Am 09.11.1998 schloss die Beklagte mit den Beigeladenen einen Gesamtvertrag, wonach sie für das Jahr 1993 26.000.000,- DM an die Beigeladenen zurückzuzahlen hatte und es für die Jahre 1994 und 1995 bei den bisher vereinbarten Beträgen blieb. Dieser Gesamtvertrag wurde von der Aufsichtsbehörde genehmigt.

Die Beklagte verlangte ein Drittel dieser 26 Millionen DM von Ihren Mitgliedern zurück, jeweils abhängig vom Abrechnungsvolumen der einzelnen Praxis in 1993. Den Rest brachte sie durch Rückstellungen auf.

Mit Bescheid vom 18.12.1998 forderte sie vom Kläger 2.653,20 DM zurück. Dabei wies sie darauf hin, dass sich ohne die Rücklagenbildung ein Rückforderungsbetrag von 7.959,60 DM ergeben hätte.

Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, dass die Zahlungen für das Jahr 1993 nicht unter Vorbehalt erfolgt seien und im Übrigen etwaige Rückforderungsansprüche verjährt seien. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.1999 den Widerspruch zurück. Sie habe schon am 01. Juni 1993 in der Vorstandsinformation Nr. 4/93 auf die Vereinbarung mit den Beigeladenen hingewiesen und darauf, dass alle Zahlungen bis zur endgültigen Festsetzung nur vorläufig seien. Im Übrigen verjährten Rückforderungsansprüche erst in vier Jahren. Die Abrechnung für das Jahr 1993 sei im Jahr 1994 erfolgt, so dass die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen sei.

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. In den Bescheiden für die Jahre 1993 und 1994 sei kein wirksamer Vorbehalt enthalten gewesen. Auch der HVM habe für 1993 keine Rückforderung vorgesehen. Das abgerechnete Honorar habe er gutgläubig verbraucht. Im Übrigen könne ein Vertrag mit den Beigeladenen als Vertrag zu Lasten Dritter ihn nicht verpflichten. Es sei unzulässig, für drei Jahre eine Vereinbarung mit den Beigeladenen zu treffen und dann die gesamte Rückforderung auf das Jahr 1993 zu beziehen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18.12.1998 und den Widerspruchsbescheid vom 28.04.1999 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 30.11.2000 die Klage abgewiesen. Ein wirksamer Vertrag über die Gesamtvergütung für das Jahr 1993 sei erst 1998 zustande gekommen. Auf Grund des Vorbehaltes in § 6 Abs. 4 der Anlage 1 des HVM sei die Beklagte berechtigt gewesen, den überzahlten Betrag zurückzufordern. Ab dem Quartal II/1993 habe sich ein entsprechender Vorbehalt auch in den Honorarbescheiden befunden.

Mit seiner Berufung rügt der Kläger die Besetzung des Sozialgerichts mit zwei Zahnärzten als ehrenamtlichen Richtern. Er macht erneut geltend, dass es sich für die Rückforderung an einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage fehle. Es habe keine Rechtsvorschrift bestanden, die nach § 32 Abs. 1 SGB X eine Nebenbestimmung gerechtfertigt habe. Der bis zum 31.12.1993 geltende HVM der Beklagten habe einen entsprechenden Vorbehalt nicht vorgesehen. § 85 Abs. 1 SGB V betreffe das Dreiecksverhältnis zwischen Kassenzahnarzt, KZV und den Trägern der Krankenversicherung. Die Leistungsbescheide beträfen dagegen ausschließlich den Leistungsanspruch des Zahnarztes gegen die Beklagte. Der Gesamtvertrag, auf den die Beklagte ihren Rückforderungsbescheid stützen möchte, betreffe ausschließlich das Verhältnis zwischen ihr und den Krankenkassen. Rückforderungsansprüche der Krankenkassen gegenüber der Beklagten könnten sich auf das Verhältnis zum Kläger nicht auswirken. § 85 Abs. 3a SGB V enthalte keine Ermächtigungsgrundlage für eine Rückforderung. Die Beklagte könne sich auch nicht auf den ab dem 01.01.1994 geltenden HVM stützen, weil dieser keine rechtliche Bindungswirkung für die davor liegenden Abrechnungszeiträume enthalten könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 30.11.2000 abzuändern und die Bescheide der Beklagten vom 18.12.1998 und 28.04.1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Deren wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Die erkennende Kammer des Sozialgerichts war vorschriftsmäßig besetzt. Die Mitgliedschaft eines Vertragszahnarztes in der beteiligten Kassenzahnärztlichen Vereinigung führt nicht zu seinem Ausschluss als ehrenamtlicher Richter im sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. BSG SozR 3-1500 § 60 Nr. 4). Einen Ablehnungsantrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nicht gestellt, sodass gem. § 43 ZPO ein etwaiges Ablehnungsrecht verbraucht ist.

Das Sozialgericht hat die Klage in der Sache zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht. Die Beklagte durfte vom Kläger einen Teil seines Honorars für 1993 zurückfordern. Die Rückforderung konnte sie für die Quartale II/1993 bis IV/1993 auf die den Honorarbescheiden beigefügten Vorbehalte, für das Quartal I/1993 auf den allgemeinen Vorbehalt in § 4 Abs. 1 ihres HVM stützen.

Das Bundessozialgericht hat in seinen Entscheidungen vom 31.10.2001 (B 6 KA 16/00 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 42 - u.a.) klargestellt, dass grundsätzlich auch in Fällen, in denen die Unrichtigkeit des Honorarbescheides nicht dem Vertragszahnarzt zuzurechnen ist, eine sachlich-rechnerische Berichtigung erfolgen kann. Eine Unrichtigkeit liegt demnach auch dann vor, wenn ein Fehler des Honorarbescheides der Sphäre der Kassenzahnärztlichen Vereinigung zuzurechnen ist. Das BSG fordert für eine sachlich-rechnerische Berichtigung in diesem Fall, dass auf Grund entsprechender Hinweise hinreichend deutlich ist oder sich zumindest aus den dem Vertragszahnarzt bekannten Gesamtumständen hinreichend deutlich ergibt, unter welchen konkreten Voraussetzungen und in welchem ungefähren Umfang sich die KZV auf eine Vorläufigkeit des Bescheides berufen will. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Ab dem Quartal II/1993 waren den Honorarbescheiden Vorbehalte beigefügt, aus denen klar hervorging, dass die Zahlungen unter dem Vorbehalt einer etwaigen Überschreitung des für die vertragszahnärztliche Versorgung zur Verfügung stehenden Gesamtbudgets erfolgten. Es war darüber hinaus aufgrund der an die Mitglieder gerichteten Vorstands-Informationen für alle Vertragszahnärzte erkennbar, dass die Gesamtvergütung für 1993 bei Erlass der Honorarbescheide für 1993 noch nicht feststand und damit auch ihr endgültiger Honoraranspruch noch nicht feststehen konnte. Eine Überschreitung des Gesamtbudgets war für 1993 eingetreten. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass sich die Summe von 26.000.000,- DM aus Überschreitungen in Höhe von ca. 21.000.000,- DM für den Bereich des VdAK und ca. 5.000.000,- DM für den AEV ergab, weil das ursprüngliche Budget unter Berücksichtigung der Mitgliederentwicklung berechnet worden war. Daraus ergibt sich auch, dass sich der im Gesamtvertrag vom 09.11.1998 festgelegte Rückzahlungsbetrag ausschließlich auf das Jahr 1993 bezog. Die Berechnung der Rückforderung orientiert am Abrechnungsvolumen ist nicht zu beanstanden und wird auch vom Kläger nicht angegriffen. Der Kläger wurde, weil die Beklagte im Hinblick auf die unsichere Rechtslage erhebliche Rücklagen gebildet hatte, sowohl absolut als auch prozentual nur geringfügig belastet.

Die Rückforderung der Beklagten konnte auch das Quartal 1993 einbeziehen. Zwar fand sich für dieses Quartal kein ausdrücklicher Vorbehalt im Honorarbescheid. Für die Aufnahme eines speziellen Vorbehalts in die Honorarbescheide bestand zum Zeitpunkt der Abrechnung des Quartals I/1993 aber auch noch kein Anlass. Die Beanstandung des im Mai geschlossenen Gesamtvertrages erfolgte erst im September 1993. Es ist zu berücksichtigen, dass sich, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, aus der Natur der Sache einer Abrechnung unter Budgetbedingungen ergibt, dass gerade zu Beginn des Gesamtabrechnungszeitraums von einem Jahr die Vergütungshöhe noch nicht feststehen kann. Ein etwaiger Ausgleich von Über- und Nachzahlungen hat in dem auf das einzelne Quartal ausgerichteten Gesamtvergütungssystem allein unter den in diesem Quartal tätigen Ärzten zu erfolgen (BSG aaO). In dieser besonderen Situation gerade für das Quartal I/1993 war die Beklagte nicht gehindert, auch für dieses Quartal einen Teil des Honorars zurückzufordern und sich dabei auf den allgemeinen Vorbehalt in § 4 Abs. 1 ihres HVM zu stützen, wonach die Verteilung der Gesamtvergütung vorbehaltlich einer späteren Berichtigung erfolgt. Eine andersartige Handhabung dahingehend, dem Kläger wie allen Vertragszahnärzten wegen der fehlenden vertraglichen Rechtsgrundlage für eine Gesamtvergütung im Ersatzkassenbereich überhaupt kein Honorar auszuzahlen, scheidet nach Berücksichtigung der Interessenlage auch des Klägers offensichtlich aus.

Da sachlich-rechnerische Richtigstellungen innerhalb einer Frist von vier Jahren zulässig sind (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2001 - B 6 KA 2/01 R -) und die Abrechnung unter Budgetbedingungen für das Jahr 1993 erst 1994 erfolgen konnte, steht der Rückforderung der Beklagten auch nicht der Ablauf einer Ausschlussfrist entgegen. Als Fristbeginn ist in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV der 01.01.1995 anzusehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den hier noch anwendbaren §§ 183, 193 SGG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung (vgl. BSG, Urteil vom 31.01.200 - B 6 Ka 20/01 R -).

Es besteht kein Anlass für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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