Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 272/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 58/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 15/03 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.02.2001 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Änderung der Festsetzung des Bemessungszeitraumes zur Berechnung des Individualbudgets und/oder eine Erhöhung des für ihre Praxis festgesetzten maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens gemäß § 7 des Honorarverteilungsmaßstabs der Beklagten (HVM).
§ 7 HVM in der ab dem 01.07.1999 geltenden Fassung (Rhein. Ärzteblatt 6/99, S 57 ff.; 9/99, S. 59 ff.) ist mit "Leistungsmengensteuerung" überschrieben und soll dem Eingangssatz nach die Mengenentwicklung bei den ambulanten ärztlichen Leistungen steuern und die Vorschriften des § 85 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erfüllen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HVM erhält jede Praxis ein individuelles Leistungsbudget (Punktzahlengrenzwert). Ausgenommen sind die in § 7 Abs. 1 Satz 3 HVM genannten Honoraranteile, im Wesentlichen Leistungen im ärztlichen organisierten Notfalldienst, Präventions-, Impf- und Methadonleistungen, psychotherapeutische Leistungen und hausärztliche Grundvergütung. Von dem verbleibenden individuellen Umsatz werden 3 % für die Finanzierung neuer Praxen und des erlaubten Zuwachses etablierter Praxen zurückgestellt (§ 7 Abs. 1 Satz 4 HVM). Bemessungsgrundlage sind die individuellen Honorarumsätze des Bemessungszeitraums, der die Quartale III/1997 bis II/1998 umfasst (§ 7 Abs. 6 HVM i.V.m. § 7a Abs. 2 HVM). Bei Ärzten, deren Niederlassungsdauer am 30.06.1999 weniger als 21 Quartale beträgt, können auf Antrag die durchschnittlichen anerkannten Werte bis zu vier aufeinanderfolgenden Quartalen vor Inkrafttreten des HVM, nicht jedoch vor dem Quartal III/1997, zu Grunde gelegt werden (§ 7a Abs. 6 HVM). Der hiernach verbleibende Honoraranteil, vervielfältigt mit dem Faktor 10, ergibt das zulässige Punktzahlvolumen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 HVM). Darüber hinausgehend abgerechnete Punktzahlen "werden nicht vergütet" (§ 7 Abs. 2 Satz 2 HVM). Ein Punktzahlzuwachs ist nur möglich bei Praxen, die unter dem gemäß § 7 Abs. 4 HVM berechneten durchschnittlichen Punktzahlengrenzwert ihrer Arztgruppe liegen, und zwar maximal im Umfang von 3 % bezogen auf das Vorjahresquartal (§ 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 HVM), ab 01.01.2000 bezogen auf den Bemessungszeitraum. Eine Ausnahme gilt u.a. für neu niedergelassene Ärzte, die für die Dauer von 20 Quartalen bis zum Erreichen des durchschnittlichen Punktzahlengrenzwertes unbegrenzt wachsen dürfen (§ 7 Abs. 8 HVM). Das hiernach zulässige Punktzahlvolumen wird mit der Fachgruppenquote vervielfältigt, die sich aus dem im jeweiligen Honorartopf zur Verfügung stehenden Honorarvolumen ergibt. So errechnet sich das individuelle Punktzahlvolumen, das nach einem festen Punktwert von 10,0 Pf vergütet wird (§ 7 Abs. 2 Sätze 3 und 4 HVM). Auf Antrag kann der Vorstand der Beklagten die Individualwerte nach Maßgabe des § 7a Abs. 7 HVM anpassen und sich aus der Umsetzung des HVM ergebende Ausnahmeregelungen beschließen (§ 7a Abs. 8 HVM). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vorschriften der §§ 7, 7a HVM verwiesen.
Der Kläger ist seit Januar 1992 als Arzt für innere Medizin - Gastroenterologie - in I zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Unter dem 04.11.1999 teilte die Beklagte dem Kläger die "Ermittlung des maximal zulässigen Punktzahlvolumens" seiner Praxis mit, die ein maximal zulässiges Punktzahlvolumen von 661.147,3 Punkten ergab. Diesen Wert ermittelte die Beklagte aus der Summe der Primär- und Ersatzkassenhonorare des Klägers in den Quartalen III/1997 bis II/1998 nach Abzug der in § 7 Abs. 1 HVM genannten Honoraranteile. Im Februar 2000 nahm sie eine Neuberechnung vor und stellte unter Berücksichtigung des erlaubten Zuwachs der Praxis ein zulässiges Punktzahlvolumen von 695.095,6 Punkten fest.
Der Kläger beantragte am 05.11.1999, ihm ab dem Quartal III/1999 ein Individualbudget in Höhe von etwa 91.500,00 DM pro Quartal zu gewähren. Er stütze seinen Antrag auf § 7 Abs. 11 HVM der Beklagten und trug vor, die gastroenterologische vertragsärztliche Versorgung im Raum I und dem östlichen S-T-Kreis könne nur aufrecht erhalten werden, wenn ihm ein Individualbudget im genannten Rahmen zugebilligt werde. Ansonsten sei der Sicherstellungsauftrag in dieser Region nicht mehr zu gewährleisten, denn er sei der einzige niedergelassene fachärztlich tätige Gastroenterologe. Die Stadt I habe in den letzten 10 Jahren einen außergewöhnlichen Bevölkerungszuwachs erfahren; der Bevölkerungsanstieg in den Jahren 1986 bis 1996 betrage 26,6 %, der Bevölkerungsanstieg im Land Nordrhein-Westfalen betrage durchschnittlich 7,3 %.
Die Beklagte lehnte diesen Antrag des Klägers mit Bescheid vom 28.02.2000 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, beim Kläger liege unter keinem der im HVM genannten Gesichtspunkte ein Ausnahmetatbestand vor, der eine Änderung des geltenden Individualbudgets bzw. des maximalen Punktzahlenvolumens rechtfertigen könnte.
Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.11.2000).
Mit der gegen diesen Widerspruchsbescheid erhobene Klage hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte habe sich mit seinem Vortrag zum außergewöhnlichen Bevölkerungszuwachs in I und Umgebung nicht ausreichend auseinandergesetzt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2000 über seinen Antrag auf Änderung der Festsetzung des Bemessungszeitraumes zur Berechnung des Individualbudgets gemäß § 7 HVM und/oder Erhöhung des maximalen Punktzahlenvolumens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen in ihren Bescheiden verwiesen.
Mit Urteil vom 21.02.2002 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die streitige HVM-Regelung zum Individualbudget sei unter Berücksichtigung insbesondere der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den Urteilen vom 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R und B 6 KA 71/97 R - rechtmäßig. Ausnahmetatbestände zugunsten des Klägers seien nicht vorhanden. Soweit der Kläger auf die Erhöhung des Patientenstammes durch den überproportionalen Bevölkerungszuwachs in I hinweise, sei der Tatbestand des § 7a Abs. 7d HVM nicht erfüllt, da davon allein unvorhersehbare Änderungen der Versorgungsstruktur erfasst seien; eine allmähliche Erhöhung des Patientenstammes durch einen Bevölkerungszuwachs falle jedoch nicht darunter; die Ausnahmeregelung des § 7a Abs. 7d HVM solle nur plötzlich auftretende Härten vermeiden.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt zur Begründung vor, die fachärztliche gastroentorologische Versorgung sei nicht mehr sichergestellt. Im Referenzzeitraum habe er durchschnittliche 783 Patienten pro Quartal behandelt; im Quartal I/2001 sei die Patientenzahl auf 1049 angestiegen. § 7a Abs. 7d HVM sehe gerade Sicherstellungsgründe als Ausnahmetatbestände vor; die Beispielsfälle beträfen die Verringerung der Arztzahl bei gleichbleibender Zahl der Versicherten; vorliegend habe sich die Anzahl der Ärzte nicht verändert, jedoch sie die Zahl der Versicherten deutlich und überproportional angestiegen. Dieser Umstand entspreche ebenfalls dem Sinn und Zweck des Ausnahmetatbestandes in § 7a Abs. 7d HVM.
Des weiteren trägt der erstmals im Berufungsverfahren vor, er begehre auch die Anpassung seines Individualbudgets an den sogenannten Fachgruppendurchschnitt; deshalb werde er auch durch die Regelung in § 7 Abs. 3 HVM (3%-Regelung) beschwert; diese sei rechtswidrig, da langfristig kleine Praxen gegenüber größeren Praxen benachteiligt würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.02.2002 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Abrechnungsunterlagen des Klägers aus den Quartalen III/1997 bis II/2001 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Wegen der Auswertung dieser Unterlagen wird auf die nachfolgende Tabelle Bezug genommen, die in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörtert worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung des für seine Praxis festgesetzten maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens.
I. Der Senat hat in seiner Entscheidung im Verfahren L 11 KA 85/02 im Einzelnen dargelegt, dass und warum das von der Beklagten praktizierte System einer Bindung des Vertragsarztes an einen in der Vergangenheit erzielten eigenen Honorarumsatz grundsätzlich zulässig ist. Auf die entsprechenden Ausführungen im Senatsurteil vom heutigen Tage wird Bezug genommen.
Nach Maßgabe der hierzu in § 7 HVM niedergelegten Bestimmungen hat die Beklagte das zulässige Punktzahlvolumen des Klägers zutreffend berechnet. Der Kläger hat gegen die Berechnung als solche ausdrücklich keine Einwände erhoben.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung des Individualbudgets aus Sicherstellungsgründen. Gemäß § 7a Abs. 7d HVM kann der Vorstand der Beklagten in begründeten Ausnahmefällen auf Antrag aus Sicherstellungsgründen Zuschläge auf den individuellen Punktzahlengrenzwert des Arztes der Praxis bewilligen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen. Hierzu zählen insbesondere Veränderungen
in der vertragsärztlichen Versorgung in unmittelbarem Umfeld der Arztpraxis (z.B. durch Praxisaufgaben, Erlöschen von Ermächtigungen von Krankenhausärzten),
in der Verteilung der Leistungserbringung innerhalb einer Arzt-/ Untergruppe Konzentration von Leistungen auf eine gegenüber dem Bemessungszeitraum geringere Erbringungszahl), die dazu führen, das der Puntkzahlengrenzwert aus dem Bemessungszeitraum der nachweislich veränderten Leistungsmenge nicht angemessen ist. Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob der Umstand des vom Kläger geschilderten Bevölkerungszuwachses bei gleichbleibender Arztzahl grundsätzlich unter den Ausnahmetatbestand des § 7a Abs. 7d HVM fällt, weil insoweit die beispielhaft geschilderten Fälle in dieser Norm des HVM einen entsprechenden Sachverhalt wiederspiegeln. Es ist ebenfalls nicht zu entscheiden, ob entsprechend der Ansicht der Beklagten (und des Sozialgerichts) von der Ausnahmeregelung in § 7a Abs. 7d HVM nur derartige Fallkonstellationen erfasst werden, in denen plötzlich auftretende Härten eine veränderte Leistungssituation begründen. Denn aus den vom Senat beigezogenen ausgewerteten Abrechnungsunterlagen des Klägers ergibt sich, dass nicht aus Sicherstellungsgründen der Punktzahlengrenzwert aus dem Bemessungszeitraum unangemessen ist. Vielmehr zeigt sich daraus deutlich, dass trotz des vom Kläger geschilderten erheblichen Bevölkerungszuwachses im Raum I und einer deutlichen Steigerung der Fallzahl sich die Leistungsmenge des Klägers um 10,5 % reduziert hat. Bei einer derartigen Entwicklung des Leistungsvolumens ist überhaupt nicht ersichtlich, dass zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung dem Kläger ein höheres Punktzahlvolumen zuzubilligen ist. Vielmehr zeigt sich, dass zumindest die Praxis des Klägers hinsichtlich der für die Behandlung der Versicherten erforderlichen Leistungen durch den Bevölkerungszuwachs nicht in einem stärkerem Maße als zuvor in Anspruch genommen worden ist. Dabei unterstellt der Senat, dass sowohl vor Einführung des Individualbudgets als auch danach der Kläger den gesetzlich Krankenversicherten nur, aber auch alle die für die Behandlung der Erkrankungen erforderlichen Leistungen hat zukommen lassen.
Wenn man weiter berücksichtigt, dass bei Reduzierung des Leistungsvolumens um rund 10 % eine gleichzeitige Erhöhung des Honorars um ca. 10 % zu verzeichnen ist, lässt sich auch nicht nur ansatzweise feststellen, dass durch die Einführung des Individualbudgets die Existenz der Praxis des Klägers gefährdet und damit die gastroentologische Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten im Raum I beeinträchtigt oder gar gefährdet sein könnte.
III. Ein weitergehender Anspruch auf Erhöhung des für eine Praxis festgesetzten maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens im Sinne einer vorab und außerhalb einer konkreten Quartalsabrechnung gewährten abstrakt-individuellen Ausnahme von den Beschränkungen des § 7a Abs. 3 HVM besteht nicht.
Zwar hat der Senat diese Bestimmung in seinen Entscheidungen L 11 KA 85/02 und L 11 KA 256/01 vom heutigen Tage u.a. insoweit für rechtswidrig erachtet, als sie Ärzte mit einem Individualbudget unter dem durchschnittlichen Punktzahlengrenzwert der Fachgruppe, die ihr Leistungsvolumen im Verhältnis zum Vorjahresquartal bzw. Bemessungszeitraum steigern, daran hindert, ihren Umsatz in angemessener Zeit bis zum durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe zu steigern. Dementsprechend erweisen sich Quartalskonto/Abrechnungsbescheide und unter Umständen (so im Verfahren L 11 KA 256/01) auch außerhalb einer konkreten Quartalsabrechnung erlassene Bescheide über Leistungsmengensteuerungen, in denen ein maximal abrechenbares Punktzahlvolumen verbindlich festgestellt wird, als rechtswidrig, soweit sie den genannten Personenkreis an dem in § 7 Abs. 3 Satz 2 HVM geregelten beschränkten Zuwachs festhalten. Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall jedoch grundsätzlich. Denn der Kläger wendet sich mit seinen erstmals im Berufungsverfahren vorgetragenen Einwendungen zur begrenzten Steigerung von 3 % weder gegen einen konkreten Quartalskonto/Abrechnungsbescheid noch gegen einen abstrakt-individuellen Bescheid über die Bemessungsgrundlagen. Vielmehr erstrebt er eine ihm begünstigende abstrakt-individuelle Ausnahmebewilligung von der Anwendung einer einzelnen Berechnungsvorschrift, und zwar unabhängig von ihrem jeweiligen quartalsweisen anerkannten Leistungsbedarf.
Für eine solche Bewilligung enthält der HVM der Beklagten jedoch keine Rechtsgrundlage. Vielmehr hat die Beklagte die möglichen Ausnahmegewährungen abschließend geregelt und auf die abweichende Festlegung der Individualwerte bei Neupraxen (§ 7a Abs. 6 HVM), die Anpassung der Individualwerten (§ 7a Abs. 7 HVM) und die allgemeine Generalklausel (§ 7a Abs. 8 HVM) beschränkt. Ein darüber hinaus gehender Anspruch des Vertragsarztes, die Anwendung einzelner Berechnungsvorschriften des HVM auf seine Praxis von vornherein auszuschließen, wäre überdies mit der Systematik des HVM nicht zu vereinbaren. Denn der HVM beinhaltet ein auf typische Praxisentwicklungen abgestelltes Rechenwerk mit der Möglichkeit zu Ausnahmebewilligungen in atypischen Fällen, das seine Wirkung und Berechenbarkeit durch gleichsam auf Vorrat angelegte Wachstumsbewilligungen weitgehend verlieren würde.
Hierfür besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis. Klarheit über die Rechtmäßigkeit der einzelnen Berechnungsvorschriften können die Vertragsärzte ebenso - im Wege der Inzidenterkontrolle - durch die Anfechtung des jeweiligen Quartalskonto/Abrechnungsbescheides erlangen. Da die Beklagte und ihr nachfolgend die Gerichte etwa zeitgleich mit der Entscheidung über die Erhöhung des Individualbudgets über die Rechtsbehelfe gegen die ersten Quartalskonto/Abrechnungsbescheide entschieden haben (wie auch der vorliegende Fall zeigt), führt eine Vorabklärung auch nicht zu der Möglichkeit, das eigene Leistungsverhalten frühzeitiger zu steuern. Ebenso wenig dient sie zwangsläufig der Prozessökonomie. Wie nämlich dieses Verfahren sowie mehrere andere beim Senat anhängige Streitsachen belegen, sind die auf Voraberhöhung ihres Individualbudgets klagenden Vertragsärzte häufig in den Quartalskonto/Abrechnungsbescheiden durch die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 2 HVM gar nicht beschwert, weil sie ihr Leistungsvolumen entweder überhaupt nicht oder jedenfalls unterhalb des von der Beklagten gestatteten Zuwachses gesteigert haben. Der Kläger hat - wie bereits oben ausgeführt - trotz denklicher Steigerung der Fallzahl (+ 11,5 %) sein Leistungsvolumen im erheblichem Maße (- 10,5 %) reduziert.
Die Anerkennung eines Anspruchs auf Ausnahme von einzelnen Abrechnungsvorschriften ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage im HVM oder das Vorliegen einer konkreten Beschwer käme daher im Ergebnis einer abstrakt-generellen Normenkontrolle gleich. Eine solche ist dem sozialgerichtlichen Verfahren, anders als z. B. im Verwaltungsgerichtsprozess (§ 47 Verwaltungsgerichtsordnung), jedoch fremd und daher auch im vorliegenden Fall nicht anzuerkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen hat der Senat die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Änderung der Festsetzung des Bemessungszeitraumes zur Berechnung des Individualbudgets und/oder eine Erhöhung des für ihre Praxis festgesetzten maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens gemäß § 7 des Honorarverteilungsmaßstabs der Beklagten (HVM).
§ 7 HVM in der ab dem 01.07.1999 geltenden Fassung (Rhein. Ärzteblatt 6/99, S 57 ff.; 9/99, S. 59 ff.) ist mit "Leistungsmengensteuerung" überschrieben und soll dem Eingangssatz nach die Mengenentwicklung bei den ambulanten ärztlichen Leistungen steuern und die Vorschriften des § 85 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erfüllen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HVM erhält jede Praxis ein individuelles Leistungsbudget (Punktzahlengrenzwert). Ausgenommen sind die in § 7 Abs. 1 Satz 3 HVM genannten Honoraranteile, im Wesentlichen Leistungen im ärztlichen organisierten Notfalldienst, Präventions-, Impf- und Methadonleistungen, psychotherapeutische Leistungen und hausärztliche Grundvergütung. Von dem verbleibenden individuellen Umsatz werden 3 % für die Finanzierung neuer Praxen und des erlaubten Zuwachses etablierter Praxen zurückgestellt (§ 7 Abs. 1 Satz 4 HVM). Bemessungsgrundlage sind die individuellen Honorarumsätze des Bemessungszeitraums, der die Quartale III/1997 bis II/1998 umfasst (§ 7 Abs. 6 HVM i.V.m. § 7a Abs. 2 HVM). Bei Ärzten, deren Niederlassungsdauer am 30.06.1999 weniger als 21 Quartale beträgt, können auf Antrag die durchschnittlichen anerkannten Werte bis zu vier aufeinanderfolgenden Quartalen vor Inkrafttreten des HVM, nicht jedoch vor dem Quartal III/1997, zu Grunde gelegt werden (§ 7a Abs. 6 HVM). Der hiernach verbleibende Honoraranteil, vervielfältigt mit dem Faktor 10, ergibt das zulässige Punktzahlvolumen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 HVM). Darüber hinausgehend abgerechnete Punktzahlen "werden nicht vergütet" (§ 7 Abs. 2 Satz 2 HVM). Ein Punktzahlzuwachs ist nur möglich bei Praxen, die unter dem gemäß § 7 Abs. 4 HVM berechneten durchschnittlichen Punktzahlengrenzwert ihrer Arztgruppe liegen, und zwar maximal im Umfang von 3 % bezogen auf das Vorjahresquartal (§ 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 HVM), ab 01.01.2000 bezogen auf den Bemessungszeitraum. Eine Ausnahme gilt u.a. für neu niedergelassene Ärzte, die für die Dauer von 20 Quartalen bis zum Erreichen des durchschnittlichen Punktzahlengrenzwertes unbegrenzt wachsen dürfen (§ 7 Abs. 8 HVM). Das hiernach zulässige Punktzahlvolumen wird mit der Fachgruppenquote vervielfältigt, die sich aus dem im jeweiligen Honorartopf zur Verfügung stehenden Honorarvolumen ergibt. So errechnet sich das individuelle Punktzahlvolumen, das nach einem festen Punktwert von 10,0 Pf vergütet wird (§ 7 Abs. 2 Sätze 3 und 4 HVM). Auf Antrag kann der Vorstand der Beklagten die Individualwerte nach Maßgabe des § 7a Abs. 7 HVM anpassen und sich aus der Umsetzung des HVM ergebende Ausnahmeregelungen beschließen (§ 7a Abs. 8 HVM). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vorschriften der §§ 7, 7a HVM verwiesen.
Der Kläger ist seit Januar 1992 als Arzt für innere Medizin - Gastroenterologie - in I zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Unter dem 04.11.1999 teilte die Beklagte dem Kläger die "Ermittlung des maximal zulässigen Punktzahlvolumens" seiner Praxis mit, die ein maximal zulässiges Punktzahlvolumen von 661.147,3 Punkten ergab. Diesen Wert ermittelte die Beklagte aus der Summe der Primär- und Ersatzkassenhonorare des Klägers in den Quartalen III/1997 bis II/1998 nach Abzug der in § 7 Abs. 1 HVM genannten Honoraranteile. Im Februar 2000 nahm sie eine Neuberechnung vor und stellte unter Berücksichtigung des erlaubten Zuwachs der Praxis ein zulässiges Punktzahlvolumen von 695.095,6 Punkten fest.
Der Kläger beantragte am 05.11.1999, ihm ab dem Quartal III/1999 ein Individualbudget in Höhe von etwa 91.500,00 DM pro Quartal zu gewähren. Er stütze seinen Antrag auf § 7 Abs. 11 HVM der Beklagten und trug vor, die gastroenterologische vertragsärztliche Versorgung im Raum I und dem östlichen S-T-Kreis könne nur aufrecht erhalten werden, wenn ihm ein Individualbudget im genannten Rahmen zugebilligt werde. Ansonsten sei der Sicherstellungsauftrag in dieser Region nicht mehr zu gewährleisten, denn er sei der einzige niedergelassene fachärztlich tätige Gastroenterologe. Die Stadt I habe in den letzten 10 Jahren einen außergewöhnlichen Bevölkerungszuwachs erfahren; der Bevölkerungsanstieg in den Jahren 1986 bis 1996 betrage 26,6 %, der Bevölkerungsanstieg im Land Nordrhein-Westfalen betrage durchschnittlich 7,3 %.
Die Beklagte lehnte diesen Antrag des Klägers mit Bescheid vom 28.02.2000 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, beim Kläger liege unter keinem der im HVM genannten Gesichtspunkte ein Ausnahmetatbestand vor, der eine Änderung des geltenden Individualbudgets bzw. des maximalen Punktzahlenvolumens rechtfertigen könnte.
Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.11.2000).
Mit der gegen diesen Widerspruchsbescheid erhobene Klage hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte habe sich mit seinem Vortrag zum außergewöhnlichen Bevölkerungszuwachs in I und Umgebung nicht ausreichend auseinandergesetzt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2000 über seinen Antrag auf Änderung der Festsetzung des Bemessungszeitraumes zur Berechnung des Individualbudgets gemäß § 7 HVM und/oder Erhöhung des maximalen Punktzahlenvolumens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen in ihren Bescheiden verwiesen.
Mit Urteil vom 21.02.2002 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die streitige HVM-Regelung zum Individualbudget sei unter Berücksichtigung insbesondere der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den Urteilen vom 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R und B 6 KA 71/97 R - rechtmäßig. Ausnahmetatbestände zugunsten des Klägers seien nicht vorhanden. Soweit der Kläger auf die Erhöhung des Patientenstammes durch den überproportionalen Bevölkerungszuwachs in I hinweise, sei der Tatbestand des § 7a Abs. 7d HVM nicht erfüllt, da davon allein unvorhersehbare Änderungen der Versorgungsstruktur erfasst seien; eine allmähliche Erhöhung des Patientenstammes durch einen Bevölkerungszuwachs falle jedoch nicht darunter; die Ausnahmeregelung des § 7a Abs. 7d HVM solle nur plötzlich auftretende Härten vermeiden.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt zur Begründung vor, die fachärztliche gastroentorologische Versorgung sei nicht mehr sichergestellt. Im Referenzzeitraum habe er durchschnittliche 783 Patienten pro Quartal behandelt; im Quartal I/2001 sei die Patientenzahl auf 1049 angestiegen. § 7a Abs. 7d HVM sehe gerade Sicherstellungsgründe als Ausnahmetatbestände vor; die Beispielsfälle beträfen die Verringerung der Arztzahl bei gleichbleibender Zahl der Versicherten; vorliegend habe sich die Anzahl der Ärzte nicht verändert, jedoch sie die Zahl der Versicherten deutlich und überproportional angestiegen. Dieser Umstand entspreche ebenfalls dem Sinn und Zweck des Ausnahmetatbestandes in § 7a Abs. 7d HVM.
Des weiteren trägt der erstmals im Berufungsverfahren vor, er begehre auch die Anpassung seines Individualbudgets an den sogenannten Fachgruppendurchschnitt; deshalb werde er auch durch die Regelung in § 7 Abs. 3 HVM (3%-Regelung) beschwert; diese sei rechtswidrig, da langfristig kleine Praxen gegenüber größeren Praxen benachteiligt würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.02.2002 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Abrechnungsunterlagen des Klägers aus den Quartalen III/1997 bis II/2001 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Wegen der Auswertung dieser Unterlagen wird auf die nachfolgende Tabelle Bezug genommen, die in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörtert worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung des für seine Praxis festgesetzten maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens.
I. Der Senat hat in seiner Entscheidung im Verfahren L 11 KA 85/02 im Einzelnen dargelegt, dass und warum das von der Beklagten praktizierte System einer Bindung des Vertragsarztes an einen in der Vergangenheit erzielten eigenen Honorarumsatz grundsätzlich zulässig ist. Auf die entsprechenden Ausführungen im Senatsurteil vom heutigen Tage wird Bezug genommen.
Nach Maßgabe der hierzu in § 7 HVM niedergelegten Bestimmungen hat die Beklagte das zulässige Punktzahlvolumen des Klägers zutreffend berechnet. Der Kläger hat gegen die Berechnung als solche ausdrücklich keine Einwände erhoben.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung des Individualbudgets aus Sicherstellungsgründen. Gemäß § 7a Abs. 7d HVM kann der Vorstand der Beklagten in begründeten Ausnahmefällen auf Antrag aus Sicherstellungsgründen Zuschläge auf den individuellen Punktzahlengrenzwert des Arztes der Praxis bewilligen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen. Hierzu zählen insbesondere Veränderungen
in der vertragsärztlichen Versorgung in unmittelbarem Umfeld der Arztpraxis (z.B. durch Praxisaufgaben, Erlöschen von Ermächtigungen von Krankenhausärzten),
in der Verteilung der Leistungserbringung innerhalb einer Arzt-/ Untergruppe Konzentration von Leistungen auf eine gegenüber dem Bemessungszeitraum geringere Erbringungszahl), die dazu führen, das der Puntkzahlengrenzwert aus dem Bemessungszeitraum der nachweislich veränderten Leistungsmenge nicht angemessen ist. Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob der Umstand des vom Kläger geschilderten Bevölkerungszuwachses bei gleichbleibender Arztzahl grundsätzlich unter den Ausnahmetatbestand des § 7a Abs. 7d HVM fällt, weil insoweit die beispielhaft geschilderten Fälle in dieser Norm des HVM einen entsprechenden Sachverhalt wiederspiegeln. Es ist ebenfalls nicht zu entscheiden, ob entsprechend der Ansicht der Beklagten (und des Sozialgerichts) von der Ausnahmeregelung in § 7a Abs. 7d HVM nur derartige Fallkonstellationen erfasst werden, in denen plötzlich auftretende Härten eine veränderte Leistungssituation begründen. Denn aus den vom Senat beigezogenen ausgewerteten Abrechnungsunterlagen des Klägers ergibt sich, dass nicht aus Sicherstellungsgründen der Punktzahlengrenzwert aus dem Bemessungszeitraum unangemessen ist. Vielmehr zeigt sich daraus deutlich, dass trotz des vom Kläger geschilderten erheblichen Bevölkerungszuwachses im Raum I und einer deutlichen Steigerung der Fallzahl sich die Leistungsmenge des Klägers um 10,5 % reduziert hat. Bei einer derartigen Entwicklung des Leistungsvolumens ist überhaupt nicht ersichtlich, dass zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung dem Kläger ein höheres Punktzahlvolumen zuzubilligen ist. Vielmehr zeigt sich, dass zumindest die Praxis des Klägers hinsichtlich der für die Behandlung der Versicherten erforderlichen Leistungen durch den Bevölkerungszuwachs nicht in einem stärkerem Maße als zuvor in Anspruch genommen worden ist. Dabei unterstellt der Senat, dass sowohl vor Einführung des Individualbudgets als auch danach der Kläger den gesetzlich Krankenversicherten nur, aber auch alle die für die Behandlung der Erkrankungen erforderlichen Leistungen hat zukommen lassen.
Wenn man weiter berücksichtigt, dass bei Reduzierung des Leistungsvolumens um rund 10 % eine gleichzeitige Erhöhung des Honorars um ca. 10 % zu verzeichnen ist, lässt sich auch nicht nur ansatzweise feststellen, dass durch die Einführung des Individualbudgets die Existenz der Praxis des Klägers gefährdet und damit die gastroentologische Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten im Raum I beeinträchtigt oder gar gefährdet sein könnte.
III. Ein weitergehender Anspruch auf Erhöhung des für eine Praxis festgesetzten maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens im Sinne einer vorab und außerhalb einer konkreten Quartalsabrechnung gewährten abstrakt-individuellen Ausnahme von den Beschränkungen des § 7a Abs. 3 HVM besteht nicht.
Zwar hat der Senat diese Bestimmung in seinen Entscheidungen L 11 KA 85/02 und L 11 KA 256/01 vom heutigen Tage u.a. insoweit für rechtswidrig erachtet, als sie Ärzte mit einem Individualbudget unter dem durchschnittlichen Punktzahlengrenzwert der Fachgruppe, die ihr Leistungsvolumen im Verhältnis zum Vorjahresquartal bzw. Bemessungszeitraum steigern, daran hindert, ihren Umsatz in angemessener Zeit bis zum durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe zu steigern. Dementsprechend erweisen sich Quartalskonto/Abrechnungsbescheide und unter Umständen (so im Verfahren L 11 KA 256/01) auch außerhalb einer konkreten Quartalsabrechnung erlassene Bescheide über Leistungsmengensteuerungen, in denen ein maximal abrechenbares Punktzahlvolumen verbindlich festgestellt wird, als rechtswidrig, soweit sie den genannten Personenkreis an dem in § 7 Abs. 3 Satz 2 HVM geregelten beschränkten Zuwachs festhalten. Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall jedoch grundsätzlich. Denn der Kläger wendet sich mit seinen erstmals im Berufungsverfahren vorgetragenen Einwendungen zur begrenzten Steigerung von 3 % weder gegen einen konkreten Quartalskonto/Abrechnungsbescheid noch gegen einen abstrakt-individuellen Bescheid über die Bemessungsgrundlagen. Vielmehr erstrebt er eine ihm begünstigende abstrakt-individuelle Ausnahmebewilligung von der Anwendung einer einzelnen Berechnungsvorschrift, und zwar unabhängig von ihrem jeweiligen quartalsweisen anerkannten Leistungsbedarf.
Für eine solche Bewilligung enthält der HVM der Beklagten jedoch keine Rechtsgrundlage. Vielmehr hat die Beklagte die möglichen Ausnahmegewährungen abschließend geregelt und auf die abweichende Festlegung der Individualwerte bei Neupraxen (§ 7a Abs. 6 HVM), die Anpassung der Individualwerten (§ 7a Abs. 7 HVM) und die allgemeine Generalklausel (§ 7a Abs. 8 HVM) beschränkt. Ein darüber hinaus gehender Anspruch des Vertragsarztes, die Anwendung einzelner Berechnungsvorschriften des HVM auf seine Praxis von vornherein auszuschließen, wäre überdies mit der Systematik des HVM nicht zu vereinbaren. Denn der HVM beinhaltet ein auf typische Praxisentwicklungen abgestelltes Rechenwerk mit der Möglichkeit zu Ausnahmebewilligungen in atypischen Fällen, das seine Wirkung und Berechenbarkeit durch gleichsam auf Vorrat angelegte Wachstumsbewilligungen weitgehend verlieren würde.
Hierfür besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis. Klarheit über die Rechtmäßigkeit der einzelnen Berechnungsvorschriften können die Vertragsärzte ebenso - im Wege der Inzidenterkontrolle - durch die Anfechtung des jeweiligen Quartalskonto/Abrechnungsbescheides erlangen. Da die Beklagte und ihr nachfolgend die Gerichte etwa zeitgleich mit der Entscheidung über die Erhöhung des Individualbudgets über die Rechtsbehelfe gegen die ersten Quartalskonto/Abrechnungsbescheide entschieden haben (wie auch der vorliegende Fall zeigt), führt eine Vorabklärung auch nicht zu der Möglichkeit, das eigene Leistungsverhalten frühzeitiger zu steuern. Ebenso wenig dient sie zwangsläufig der Prozessökonomie. Wie nämlich dieses Verfahren sowie mehrere andere beim Senat anhängige Streitsachen belegen, sind die auf Voraberhöhung ihres Individualbudgets klagenden Vertragsärzte häufig in den Quartalskonto/Abrechnungsbescheiden durch die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 2 HVM gar nicht beschwert, weil sie ihr Leistungsvolumen entweder überhaupt nicht oder jedenfalls unterhalb des von der Beklagten gestatteten Zuwachses gesteigert haben. Der Kläger hat - wie bereits oben ausgeführt - trotz denklicher Steigerung der Fallzahl (+ 11,5 %) sein Leistungsvolumen im erheblichem Maße (- 10,5 %) reduziert.
Die Anerkennung eines Anspruchs auf Ausnahme von einzelnen Abrechnungsvorschriften ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage im HVM oder das Vorliegen einer konkreten Beschwer käme daher im Ergebnis einer abstrakt-generellen Normenkontrolle gleich. Eine solche ist dem sozialgerichtlichen Verfahren, anders als z. B. im Verwaltungsgerichtsprozess (§ 47 Verwaltungsgerichtsordnung), jedoch fremd und daher auch im vorliegenden Fall nicht anzuerkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen hat der Senat die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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NRW
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