L 14 AL 60/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 53 AL 3358/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AL 60/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Mai 2002 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. April bis zum 22. Juni 1999 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind der Eintritt einer Sperrzeit und dessen Folgen.

Die Beklagte gewährte dem 1944 geborenen Kläger, der durch Aufhebungsvertrag gegen eine Abfindung von 138.854,18 DM zum 31. Januar 1996 aus einem langjährigen Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden und anschließend selbständig erwerbstätig gewesen war, antragsgemäß ab 2. Januar 1998 Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von 789 Kalendertagen. In der Folgezeit ergingen mehrere Änderungsbescheide.

Am 16. März 1999 übersandte die Beklagte dem Kläger einen Vermittlungsvorschlag für eine Tätigkeit als Technischer Sachbearbeiter bei der WBG W ... In einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten beantragte er am 23. März 1999 „Urlaub“ für eine USA-Reise, der ihm bewilligt wurde. Ausweislich des Beratungsvermerks gab er dabei an, demnächst hinsichtlich des Vermittlungsvorschlages einen Vorstellungstermin zu haben.

Die WBG W. teilte der Beklagten unter dem 30. März 1999 mit, der Kläger habe sich nicht gemeldet, vorgestellt oder beworben. In einer „Erklärung über das Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses“ vom 16. April 1999 gab der Kläger an, er sei vom 24. bis 31. März 1999 auf einer Reise in den USA gewesen. In seiner Naivität sei er davon ausgegangen, dass eine Vorstellung nach dem Urlaub ausreichend sei und habe sich am 12. April 1999 mit dem Arbeitgeber in Verbindung gesetzt. Das Ergebnis wird nicht mitgeteilt. Die Arbeitsvermittlerin vermerkte dazu, der Kläger habe bei der Urlaubsanmeldung den Eindruck erweckt, ein Vorstellungstermin sei bereits vereinbart. Ansonsten wäre der Urlaub nicht bewilligt worden.

Mit Bescheid vom 22. April 1999 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 31. März 1999 bis zum 22. Juni 1999 fest. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 84 Tage. Gleichzeitig hob die Beklagte die Leistungsbewilligung für den 31. März 1999 auf und forderte das für diesen Tag gezahlte Arbeitslosengeld in Höhe von 45,97 DM zurück. Die ab 1. April 1999 eingestellte Leistung wurde ab dem 23. Juni 1999 wiederbewilligt.

Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1999). Klage wurde - zunächst - nicht erhoben.

Eine die Sperrzeit betreffende Eingabe des Klägers vom 6. April 2000 wertete die Beklagte als Überprüfungsantrag, den sie mit Bescheid vom 26. April 2000 ablehnte. Ferner stellte der Kläger auf Anregung der Beklagten mit Datum vom 2. Juli 2000 einen weiteren Überprüfungsantrag, der mit Bescheid vom 6. Juli 2000 abgelehnt wurde.

In der Folgezeit wandte sich der Kläger erfolglos in mehreren Eingaben an den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, an die „Hauptstelle“ in Nürnberg und an den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. In diesem Rahmen teilte die Mitarbeiterin G. der WBG W. auf Befragen der Beklagten mit, sie selbst sei für die Besetzung der Stelle zuständig und in dem maßgeblichen Zeitraum im Betrieb anwesend gewesen. Bei einer Abwesenheit werde sie vertreten. Der Kläger sei ihr nicht bekannt. Die Stelle sei noch nicht besetzt gewesen und der dann eingestellten Mitarbeiterin frühestens Mitte April 1999 zugesagt worden.

Am 24. September 2001 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Berlin wegen der Sperrzeit erhoben. Für ihn sei es viel Geld, um das es sich zu kämpfen lohne. Das Sozialgericht hat die als auf Aufhebung des Bescheides vom 22. April 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 1999 gerichtet angesehene Klage durch Urteil vom 24. Mai 2002 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, diese sei unzulässig, weil die einmonatige Klagefrist versäumt sei und Wiedereinsetzungsgründe nicht vorlägen.

Gegen das ihm am 28. Juni 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Juli 2002 erhobene Berufung des Klägers, mit der er die Beseitigung der Sperrzeit und die Zahlung von Arbeitslosengeld für den Sperrzeitzeitraum erstrebt. Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Mai 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. April 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld für die Zeit vom 31. März bis zum 22. Juni 1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, nach so langer Zeit könne der Kläger die Beseitigung der Sperrzeit und die Zahlung von Leistungen nicht mehr verlangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt verwiesen. Die Prozessakte des Sozialgerichts Berlin. sowie die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten. haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht (§ 151 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) erhobene sowie statthafte (§ 144 SGG) Berufung des Klägers ist zulässig und sachlich teilweise auch begründet. Allerdings muss sie ohne Erfolg bleiben, soweit der Kläger weiterhin die Aufhebung des Bescheides vom 22. April 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 1999 begehrt, in dem der Eintritt einer Sperrzeit festgestellt, die Anspruchsdauer um 84 Tage gemindert sowie die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den 31. März 1999 aufgehoben wurde. Da die dagegen gerichtete Klage nicht innerhalb der Frist von einem Monat nach Zugang des Widerspruchsbescheides erhoben wurde, hat sie das Sozialgericht, auf dessen Begründung wegen der Einzelheiten insoweit verwiesen wird, zutreffend als unzulässig abgewiesen.

Indes hat der Kläger mit seiner Klage nicht nur die Aufhebung des „Sperrzeitbescheides“ begehrt, sondern auch die Zahlung von Arbeitslosengeld für den Sperrzeitzeitraum (vgl. den Schriftsatz vom 2. April 2002: „Für mich ist es viel Geld ...“). Das Sozialgericht hat dieses Klagebegehren nicht in den Klageantrag aufgenommen, möglicherweise weil es davon ausgegangen ist, die Beklagte werde ggf. - bei Aufhebung des „Sperrzeitbescheides“ - den aus dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid bestehenden Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllen. Über dieses - vom Sozialgericht mithin übergangene - Klagebegehren (Zahlung) kann der Senat im Berufungsverfahren entscheiden (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7. Auflage 2002, § 99 Rdnr. 12 m.w.N.). Da die Klage auf Zahlung (reine Leistungsklage) aus dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid rechtlich unabhängig von der - fristgebundenen - Anfechtungsklage gegen den „Sperrzeitbescheid“ ist, konnte sie ohne Einhaltung einer Frist und damit zulässig auch noch im September 2001 erhoben werden. Für eine Zahlungsklage besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis, da es die Beklagte ausweislich der Erklärung ihrer Vertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2003 ausdrücklich abgelehnt hat, einen Zahlungsanspruch des Klägers aus dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid zu erfüllen, der - ursprüngliche - Bewilligungsbescheid kein Vollstreckungstitel und eine Zahlungsklage deshalb zur Erlangung eines vollstreckbaren Titels erforderlich ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 27. März 1980 - 10 RV 23/79 - SozR 1500 § 54 SGG Nr. 40).

Die Zahlungsklage ist vorliegend im Wesentlichen auch begründet. Die Beklagte hat die ursprüngliche Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen des Eintritts der Sperrzeit in dem Bescheid vom 22. April 1999 nur für den 31. März 1999 aufgehoben und die Leistung für den Zeitraum ab 1. April 1999 lediglich eingestellt. Ein Aufhebungsbescheid für diesen Zeitraum liegt nicht vor, es besteht - wie die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2003 eingeräumt hat - auch kein Anhalt für die Erteilung eines Aufhebungsbescheides. Eine eingestellte Leistung ist aber nach § 331 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches, Drittes Buch - SGB III - „unverzüglich“ nachzuzahlen, wenn der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, einen Monat (nach der bis zum 31. Juli 1999 geltenden Fassung; jetzt: zwei Monate) nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben ist. Das ist hier nicht geschehen. Der im Jahr 1999 entstandene Anspruch ist auch nicht verjährt, da seit Ablauf dieses Jahres noch nicht vier Jahre vergangen sind (§ 45 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches, Erstes Buch - SGB I -). Die Beklagte war deshalb zu verurteilen, das - eingestellte - Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. April bis zum 22. Juni 1999 (nach-) zuzahlen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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