L 6 VJ 17/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 5 VI 25/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 VJ 17/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. Mai 2000 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Beschädigtenversorgung in rentenberechtigtem Grade nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) bzw. Bundesversorgungsgesetz (BVG) u.a. wegen Erkrankung der Lunge infolge von Haftzeiten vom 14. Juni 1946 bis 20. Juli 1946 im GPU-Keller in E., anschließend bis 18. November 1946 im GPU-Gefängnis E. und danach bis 23. Januar 1950 im KZ S ...

Der im ... 1930 geborene Kläger ist anerkannter Schwerbehinderter/schwerbehinderter Mensch nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG)/Sozialgesetzbuch 9. Buch (SGB IX) mit den Behinderungen: traumatische Kniegelenkinstabilität links; degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Wirbelgleiten und Wurzelreizsyndrom; Omarthrose links, Zwerchfellhernie und Bluthochdruck mit einem Gesamt-Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie Träger des Merkzeichens "G" (erheblich beeinträchtigt in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr); Abhilfebescheid des Beklagten vom 16. September 1993. Er war nach der Haftentlassung als Brauereiarbeiter, Heizer, Bauhilfsarbeiter, Hilfsschlosser, Presser und seit 1959 überwiegend als Kraftfahrer erwerbstätig. Im November 1976 erlitt er einen Arbeitsunfall mit Verletzung des linken Knies, der einen Körperschaden von 35 v. H. mit einer entsprechenden Unfallrente nach sich zog. Der Kläger bezog seit 29. August 1981 Invalidenrente, die zum 01. Januar 1992 nach dem Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI) umgewertet sowie angepasst und als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von der LVA Brandenburg geleistet worden ist. Seit 01. August 1995 bezieht der Kläger Regelaltersrente von der LVA Brandenburg.

Am 15. Mai 1996 beantragte der Kläger beim Amt für Soziales und Versorgung Frankfurt (Oder) für die Haftzeiten Beschädigtenversorgung nach dem Häftlingshilfegesetz und machte zunächst die Gesundheitsstörungen, Atemnot, Herzrasen, Asthmaanfälle, Fettleber, Schmerzen im rechten Oberbauch, Angstzustände und Raumangst als Folge der Umstände während der Haftzeiten geltend. Er sei Ende Oktober 1946 im GPU-Gefängnis E. in eine mit einer Eisschicht bedeckten Regentonne gestellt worden, um ein Geständnis von ihm zu erpressen. Im KZ S. habe er sich eine Rippenfellentzündung, eine Lungenentzündung, eine Hepatitis sowie eine Blinddarmentzündung zugezogen. Die Bronchitis sei niemals ausgeheilt und chronisch geworden. Er leide zudem unter Asthma. Von 1950 bis jetzt sei er bei einer Vielzahl von Ärzten behandelt worden. Im Februar 1997 machte der Kläger weiter den Verlust von sechs Schneidezähnen während der Haft im GPU-Gefängnis E. geltend.

Die Beklagte zog zum Verfahren die Bescheinigung gemäß § 10 Abs. 4 HHG den Kläger betreffend wegen der Inhaftierung vom 14. Juni 1946 bis 23. Januar 1950 bei; Kopie des Bescheides der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge vom 28. September 1995, ärztliche Gutachten über den Arbeitsunfall des Klägers 1976, ärztliche Auskünfte der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H., die im Dezember 1996 u.a. angab, die Dyphorie oder Depression beim Kläger seien durch die Haft entstanden, weitere medizinische Unterlagen aus den Schwerbehindertenakten des Klägers, u.a. ein ärztliches Gutachten des Orthopäden Dr. S., Kopie der Sozialversicherungsausweise des Klägers mit Angaben beginnend ab 1957, ärztliche Unterlagen von 1994 über den Kläger aus den Kliniken Bad W. und Altunterlagen seit 1981 aus dem Universitätsklinikum C. sowie weitere Krankenunterlagen aus dem Krankenhaus und der Poliklinik R. GmbH, vom Gesundheitsamt des Landkreises Oder-Spree und aus dem Krankenhaus K. bei.

Der Facharzt für Lungenkrankheiten Dr. C. fertigte unter dem 14. Juni 1997 ein ärztliches Gutachten nach Untersuchung des Klägers am 30. Mai 1997, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 165 bis 172 der B-Akten des Beklagten verwiesen wird: Zur Vorgeschichte nach Angaben des Klägers vermerkte Dr. C. u. a., seit Ende der 70er Jahre bestehe eine chronische rezidivierende bronchitische Symptomatik. Von den Diagnosen 1. Zustand nach Pleuritis exsudativa rechts während der Haftzeit 1946 bis 1950 mit basaler Lungenverschwartung und daraus resultierenden restriktiven Ventilationsstörungen mit Lungenüberblähung mäßigen Grades; 2. chronische obstruktive Lungenerkrankung mit dauernder zentraler und peripherer Obstruktion mittleren Grades ohne manifester Hypoxaemie; 3. chronische ischaemische Herzerkrankung bei Adipositas, essentieller Hypertonie, Stoffwechselstörungen und latenter cardialer Insuffizienz; 4. chronisch-rezidivierendes Lumbal- und Cervikalsyndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen sowie Gonarthrose links bei Zustand nach Meniskektomie 1978 sei die zuerst genannte Gesundheitsstörung voll als Folge der Haft anzuerkennen. Die als 2. genannte Gesundheitsstörung sei unter Berücksichtigung der altersphysiologischen Umstände zumindest als bedingt und anteilig als Folge der durchgemachten Pleuritis exsudativa anzusehen. Die zu 3. und 4. genannten Gesundheitsstörungen seien nicht als mittelbare Folgen der Haft anzuerkennen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Haftfolgen betrage 50 v. H.

In einem prüfärztlichen Vermerk des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagen (Dr. L., Juli 1997) wurde dem Gutachten des Dr. C. hinsichtlich der Kausalität der Ventilationsstörung nicht gefolgt. Feststellungen im Gutachten seien ohne Diskussion der Kausalität getroffen worden. Es fehlten Angaben zur Lebensweise des Klägers im Gutachten.

Prof. Dr. T. vermerkte u.a. in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 27. November 1997 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 25. August 1997 zur Eigenanamnese, der Kläger habe gehäuft seit Ende der 70er Jahre unter Bronchitis gelitten. Der Kläger leide an folgenden Gesundheitsstörungen: 1. rechtsseitige basale Brustfellschwarte nach Pleuritis exsudativa rechts 1947/1948 mit mittelgradiger Einschränkung der Lungenfunktion und chronisch obstruktiver Bronchitis; 2. chronisch-ischämische Herzkrankheit bei Adipositas und essentiellem Hypertonus; 3. cerebrovaskuläre Labilität; 4. chronisch rezidivierendes Lumbal- und Cervikalsyndrom bei Osteochondrose; 5. Gonarthrose links nach Knietrauma 1978; 6. chronisch rezidivierende Magenbeschwerden bei Zwerchfellhernie; 7. Bänderriss linkes Sprunggelenk vor drei Monaten mit bestehenden Beschwerden; 8. Nierenzyste mit gelegentlichen Nierenbeschwerden und 9. beginnende sekundäre-neurotische Entwicklung bei akzentuierter Persönlichkeitsstruktur und konflikthafter Verarbeitung des derzeitigen Bearbeitungsverlaufes seines Antrages. Hiervon seien als Schädigungsfolge die unter 1. genannten Gesundheitsstörungen mit einer MdE von 50 v. H. direkt auf das schädigende Ereignis zurückzuführen. Der Kläger habe ihm glaubhaft angegeben, er habe seit dieser Zeit eine chronische Bronchitis mit entsprechenden Beschwerden und Einschränkungen der Atmungsfunktionen gehabt. Deshalb müsse diese Erkrankung als haftbedingt anerkannt werden. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens des Prof. Dr. T. wird auf Bl. 179 bis 197 der B-Akten des Beklagten verwiesen.

Nach weiterem Prüfvermerk der Versorgungsärztin Dr. L. im Dezember 1997 (Bl. 198 der B-Akten) seien als Schädigungsfolge eine "basale Pleuraschwarte rechts infolge Rippenfellentzündung" mit einer MdE von weniger als 10 v.H. anzuerkennen. Dem Gutachten von Dr. C. könne sie hinsichtlich der Kausalität der heute noch nachgewiesenen Ventilationsstörung nicht folgen, da der Nachweis eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Haftentlassung und Beginn von bronchitischen Beschwerden nicht erbracht worden sei. Eine Diskussion zu schädigungsunabhängigen Kausalfaktoren (Alterung, Lebensgewohnheiten) lasse das Gutachten vermissen. Die heutige Lungenüberblähung und chronische Bronchitis mit Ventilationsstörung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die in der Haft durchgemachte Rippenfellentzündung zurückzuführen und deswegen eine Nichtschädigungsfolge. Brückensymptome bis 1981 fehlten. Dem Gutachten von Prof. Dr. T. könne nicht gefolgt werden. Er habe keine haftbedingten Störungen nachweisen können. Eine Hiatushernie, Blinddarmoperation 1948, Fettleber und Lungenemphysem seien ebenfalls als Nichtschädigungsfolgen zu bewerten, weil Brückensymptome fehlten.

Das Amt für Soziales und Versorgung Frankfurt (Oder) stellte die Gesundheitsstörung "basale Pleuraschwarte rechts infolge Rippenfellentzündung" wegen der Inhaftierung vom 14. Juni 1946 bis 23. Januar 1950 als Schädigungsfolge nach dem BVG i. V. m. dem HHG mit Anspruch auf Heilbehandlung ab 15. Mai 1996 ohne eine MdE von wenigstens 25 v. H. fest; Bescheid vom 17. Februar 1998. Nicht zur Anerkennung als Schädigungsfolgen gelangten die Gesundheitsstörungen: Hiatushernie, Gelbsucht, Lungenemphysem, Fettleber, Fraktur der linken Kniescheibe, Blinddarmoperation, chronische Bronchitis mit Ventilationsstörung.

Der Kläger legte hiergegen am 27. Februar 1998 Widerspruch ein: Die chronische Bronchitis sei Folge der Inhaftierung. Er habe von Juli bis Oktober 1946 im GPU-Gefängnis E. in feuchten Kellern und Verliesen liegen müssen. Das Wasser sei mitunter von den Wänden getropft. Seine Gesundheit sei durch Folter weiter geschädigt worden. Die Gesundheitsstörungen wie Fraktur der linken Kniescheibe, Blinddarmoperation und Gelbsucht habe er nicht als Haftschaden geltend gemacht. Die Hiatushernie habe aber schon nach seiner Haftentlassung und auch in den letzten anderthalb Jahren bestanden. Hauptsächlich in der Nacht leide er unter schmerzhaftem Sodbrennen, das behandelt werden müsse. Er habe aber auch den Verlust von Schneidezähnen als Schädigungsfolge geltend gemacht. Ihm sei nach einem Fluchtversuch aus dem KZ S. infolge Fesselung der linke Arm ausgekugelt. Sein jetzt behandelnder Arzt führe die Beschwerden in diesem Schultergelenk auf diese Behandlung zurück. Er nehme hierzu Bezug auf einen Arztbrief des Chefarztes Dr. Z. aus dem H. Klinikum Bad S. (Februar 1998) und auf das Gutachten des Dr. C., der eine Schädigungsfolge von 50 v. H. zur Anerkennung vorgeschlagen habe. Auch der neurologisch-psychiatrische Gutachter Prof. Dr. T. bewerte eine leichtere neurotische Störung mit psychosomatischem Beschwerdebild mit einer MdE von 10 v. H., die anerkannt werden müsste. Insgesamt habe die MdE 70 v. H. zu betragen.

Der Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie, Umweltmedizin und Rehabilitationswesen Prof. Dr. S. hat am 12. August 1998 ein Gutachten nach Aktenlage gefertigt: Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Haftentlassung und dem Beginn der bronchitischen Beschwerden ließe sich nicht feststellen. Eine chronische Bronchitis werde erst 1984 erwähnt, also 34 Jahre nach der Haftentlassung. Auch seien in den Unterlagen keine weiteren Hinweise für eine rezidivierende chronisch-obstruktive Lungenerkrankung in den Jahren 1946 bis 1984 nachweisbar. Nach der gängigen Lehrmeinung sei es möglich, dass ungünstige Lebensumstände wie KZ oder Kriegsgefangenschaft die Entstehung einer chronischen Bronchitis begünstigen könnten. Voraussetzung zur Anerkennung der Kausalität sei der Nachweis eines engen zeitlichen Zusammenhangs, wonach die bronchitischen Beschwerden sich bereits nach Rückkehr aus der Haft hätten manifestieren müssen. Lägen jedoch Jahre oder Jahrzehnte, wie hier beim Kläger, zwischen der Haftentlassung und den bronchitischen Beschwerden, müsse angenommen werden, dass andere Kausalfaktoren wie Alterung, Lebensgewohnheiten, Zigarettenkonsum und berufliche Faktoren als Ursachen in Frage kämen. Daher sei es höchst unwahrscheinlich, dass die nun vorhandene leicht- bis mittelgradige chronisch-obstruktive Lungenerkrankung mit Lungenblähung etwa 34 Jahre später durch die Haft ausgelöst worden sei. Unter Berücksichtigung der medizinischen Lehrmeinung bestehe auch keine Kausalität zwischen der im Jahre 1949 erlittenen Pleuritis und der nach etwa 34 Jahren aufgetretenen chronischen Bronchitis. Fragen zum Verlust von Schneidezähnen, einer Hiatushernie und Beschwerden in der linken Schulter könne er nicht beantworten. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens des Prof. Dr. S. wird auf Bd. II Bl. 28 bis 36 der B-Akten des Beklagten verwiesen.

Die Versorgungsärztin und Sozialmedizinerin Dr. F. (September 1998) empfahl den Verlust der Zähne (Schneidezähne 12, 11, 21, 22, 41, 31) als Schädigungsfolge ohne eine MdE anzuerkennen. Die Gesundheitsstörung im Bereich der linken Schulter stünde in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis, denn im Röntgenbefund von Oktober 1984 seien keine knöchernen Veränderungen beschrieben. Aus den Originalunterlagen der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. ergebe sich für den Zeitraum Februar 1977 bis März 1983 u. a. eine Behandlung wegen Magenbeschwerden.

Das Landesamt für Soziales und Versorgung - Landesversorgungsamt - stellte durch Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1998 den Verlust der Zähne 12, 11, 21, 22 als Schädigungsfolge nach dem HHG fest und wies im Übrigen den Widerspruch im Wesentlichen aus den Gründen des Gutachtens des Prof. Dr. S. als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten des Widerspruchsbescheids wird auf Bd. II Bl. 35 bis 38 der B-Akten des Beklagten verwiesen.

Der Kläger hat am 16. November 1998 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) mit dem Begehren erhoben, die chronische Bronchitis als Schädigungsfolge mit rentenberechtigenden Grade anzuerkennen. Prof. Dr. S. habe sich unter anderem auf die Epikrisen aus den Krankenunterlagen aus dem Krankenhaus B.-K., der C. in B., dem H. Klinikum in Bad S. sowie eines Krankenberichtes aus der Kurklinik in Bad W. bezogen. Diese gesundheitlichen Einrichtungen seien, was die chronische Bronchitis anbelange, nicht relevant beziehungsweise aussagekräftig. In diesen Einrichtungen habe er sich ausschließlich zur Behandlung von orthopädischen Leiden befunden. Nach seiner durchgemachten Pleuritis exsudativa im KZ S. (November 1946 bis Januar 1950) sei er zunächst mit einem Medikament behandelt worden, damit er besser abhusten könne. Dieses Medikament sei nicht ungefährlich gewesen und er habe es unter strenger ärztlicher Kontrolle einnehmen müssen. Aus diesem Grunde sei er während der Haft von Dr. L. fünf Monate betreut worden. Dieser habe ihm geraten, sich nach einer eventuellen Haftentlassung sofort in ärztliche Behandlung zu begeben, was auch geschehen sei. Er habe nach der Haftentlassung bei seinen Eltern gewohnt (O. im Kreis A.) und sich zur Behandlung in die Poliklinik A. begeben. Er habe unter Atemnot gelitten und bei Belastung auch Schmerzen in der rechten vorderen Brustseite gehabt. Röntgenaufnahmen seien angefertigt worden. Auf die Frage des behandelnden Arztes, woher er sich die Erkrankungen zugezogen habe, habe er angegeben, er habe sich in einem sowjetischen Konzentrationslager S. befunden und dort eine nasse Rippenfellentzündung durchgemacht. Der Arzt habe sich diesen Ton verbeten und ihn darauf hingewiesen, die sowjetischen Genossen hätten keine Konzentrationslager besessen. Bis 1954 sei eine ärztliche Behandlung bei Dr. B. erfolgt, anschließend (bis 1958) bei Dr. W. in E ... Die Behandlung sei dann von Dr. W. in E. fortgeführt worden. Eine weitere Behandlung habe anschließend im Krankenhaus/Poliklinik in R. stattgefunden. Dort seien keine Krankenunterlagen mehr über ihn verfügbar. Er habe bis zum Gesundheitsamt in B. Erkundigungen eingezogen. Nirgends seien Unterlagen über ihn vorhanden. Mit Verwunderung stelle er fest, Prof. Dr. S. habe vom Gesundheitsamt in Beeskow pulmologische Unterlagen erhalten. Im Jahre 1950 sei er von dem damaligen Arbeitsamt in A. zum Uranbergbau nach Aue vermittelt worden. Ein russisches Ärzteteam habe die Untertagetauglichkeit geprüft. Seine Lunge sei durchleuchtet worden und er habe nach dem Befund sofort eine Rückfahrkarte nach Hause erhalten. Wegen seiner Lungenerkrankung habe er auch eine Tätigkeit im Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet, die ihm das Arbeitsamt in West-Berlin vermittelt habe vermitteln, nicht bekommen. Ihm sei gesagt worden, für Arbeiten im Bergbau unter Tage komme er nicht in Betracht. Er habe aufgrund seiner Krankheit auch nicht schwere körperliche Arbeiten verrichten können. Er habe als ungelernter Arbeiter bei Bauern gearbeitet (Kühe gehütet, leichte vorkommende Arbeiten in der Landwirtschaft verrichtet). Sozialversicherungsausweise für die Jahre 1950 bis 1957 seien bei der Antragstellung seiner Invalidenrente (1959) auf dem Behördenweg verlorengegangen, so dass diese Zeit leider nicht nachvollziehbar sei. Darüber hinaus hätten die Eintragungen im Sozialversicherungsausweis jedenfalls für die Zeit bis 1954 ohnehin keine weiteren Erkenntnisse ergeben, weil die Arztbesuche von den Bauern/Arbeitgebern privat bezahlt worden seien. Die Gründe im Widerspruchsbescheid könnten ihn nicht überzeugen. Er mache die so genannte "Kann-Versorgung" geltend.

Mit den Beteiligten hat vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) am 11. März 1999 ein Erörterungstermin stattgefunden, in dem der Kläger unter anderem erklärt hat, die Anerkennung der chronischen Bronchitis als Schädigungsfolge und entsprechende Grundrente zu begehren.

Zum Verfahren hat die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. Krankenunterlagen über den Kläger übersandt. Die Poliklinik R. hat im März 1999 mitgeteilt, der Kläger habe sich von 1977 bis 1981 in Betreuung der orthopädischen Poliklinik des Krankenhauses R. befunden. Ablichtungen der vorhandenen Unterlagen sind zu den Gerichtsakten gereicht worden. Das Gesundheitsamt des Landkreises Uckermark hat im Mai 1999 mitgeteilt, dass über den Kläger keine Krankenunterlagen und Röntgenaufnahmen vorliegen würden.

Die Versorgungsärztin und Sozialmedizinerin Dr. F. hat im Juni 1999 die beigezogenen medizinischen Unterlagen über den Kläger ausgewertet und festgestellt, dass Angaben zur Bronchitis sich in diesen Berichten nicht befänden. Auch anhand der Originalbehandlungsunterlagen der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. ließen sich keine Brückensymptome hinsichtlich der chronischen Bronchitis zu dem vom Kläger geltend gemachten schädigenden Ereignis feststellen.

Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat durch Urteil vom 25. Mai 2000 die Klage als unbegründet abgewiesen: Brückensymptome zwischen dem schädigenden Vorgang und der vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörung seien nicht festzustellen. Der Kläger habe selbst mehrfach erklärt, dass er seit Ende der 70er Jahre an einer Bronchitis leide. Prof. Dr. S. habe zutreffend fehlende Brückensymptome festgestellt und deswegen ebenfalls einen ursächlichen Zusammenhang verneint. Der Kläger könne sich auch nicht auf die so genannte "Kann-Versorgung" nach § 4 Abs. 5 HHG berufen. Die chronische Bronchitis sei keine Krankheit nach Nummer 39 Abs. 7 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (Ausgabe 1996 - AHP 1996). Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Bl. 96 bis 105 der Gerichtsakten verwiesen.

Gegen das am 20. Juli 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. August 2000 Berufung eingelegt und sein Begehren unter Bezugnahme der Gutachten des Dr. C. und Prof. Dr. T. weiter verfolgt. Es sei unzutreffend, dass er erst in den 70er Jahren an einer chronischen Bronchitis gelitten habe. Wahr sei, dass er zum ersten Mal 1950 mit der Erkrankung einer Bronchitis konfrontiert worden sei. In diesem Zusammenhang sei er nach ärztlicher Untersuchung für den Bergbau untauglich worden. Wenn 1964 eine Arbeitsunfähigkeit wegen akuter Bronchitis in seinen Unterlagen dokumentiert sei, so sei dies ein Zeichen dafür, er habe an dieser Krankheit gelitten. Wenn er Ende der 70er Jahre unter Atemnot gelitten habe, so sei dies darauf zurückzuführen, dass er zu diesem Zeitpunkt wieder Lkw-Fahrer tätig geworden sei. Hierzu habe überwiegend die Belieferung von Lebensmittelgeschäften mit Waren des täglichen Gebrauchs gehört. Als Kraftfahrer habe er auch schon mal mit bzw. entladen müssen. Daher habe er zu dieser Zeit häufiger an Atemnot gelitten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. Mai 2000 sowie den Bescheid des Amtes für Soziales und Versorgung Frankfurt (Oder) vom 17. Februar 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamtes vom 19. Oktober 1998 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, die Gesundheitsstörung chronische Bronchitis als Schädigungsfolge anzuerkennen und Beschädigtenversorgung nach einer MdE von mindestens 25 v. H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt im Wesentlichen Bezug auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.

Zum Verfahren sind im Original die Sozialversicherungsausweise, die Rentenakten den Kläger betreffend bei der Landesversicherungsanstalt Brandenburg (VSNR ...) und Krankenunterlagen über den Kläger vom Gesundheitsamt des Landkreises Oder-Spree im Original beigezogen worden.

Mit den Beteiligten hat am 20. Juli 2001 ein Termin mit Beweisaufnahme stattgefunden. Als Zeugin ist die Ehefrau des Klägers zum Beweisthema: Umfang des Gesundheitszustandes des Kläger von 1950 bis jetzt gehört worden; wegen der Einzelheiten ihrer Aussage wird auf Blatt 163 der Gerichtsakten verwiesen. Zum selben Beweisthema ist am 29. August 2001 ein weiterer Erörterungstermin zur Beweisaufnahme mit Vernehmung der Zeuginnen bzw. Zeugen H. S., G. und G. L. durchgeführt worden. Wegen der Einzelheiten der Aussage der Zeugen H. S., G. L. und G. L. wird auf Blatt 179 bis 181 der Gerichtsakten verwiesen.

Durch versorgungsärztliche Stellungnahme vom 09. August 2001 sind die Diagnoseschlüsselkennzahlen in den Sozialversicherungsausweisen des Klägers entschlüsselt worden. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf Bl.173 – 174 der Gerichtsakten verwiesen.

Der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologe, Sport-, Schlaf- und Umweltmedizin Dr. S. hat am 21. Juni 2002 nach Untersuchung des Klägers am 30. April 2002 ein lungenfachärztliches Gutachten nach Szintigrafie erstellt. Der Kläger leide auf internistisch-pneumologischem Gebiet an zwei Krankheitsbildern, an einer rechtsseitige Pleuraverschwielung und einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung. Anamnestisch lasse sich die Pleuraverschwielung am ehesten auf die Ende der 40er Jahre durchgemachte Lungen- und Rippenfellentzündung zurückführen. Aktenkundig finde sich eine Beschreibung einer rechtsseitigen Pleuraschwiele erstmalig im September 1996. In einem der Sozialversicherungsausweise sei eine erstmalige Durchführung einer Röntgenaufnahme der Lunge im Juni 1968 belegt. Ein Röntgenbefund der Thoraxorgane aus den 50er und 60er Jahren sei nicht aktenkundig. Da aber kein relevantes klinisches Ereignis im Sinne von ausgeprägter Lungenentzündung mit Rippenfellbeteiligung und Wasseransammlung im Bereich der Lunge (Pleuraerguss) in den folgenden Jahre vorgelegen habe, sei eine Rückdatierung zu dem Ereignis Ende der 40er Jahre klinisch-anamnestisch am wahrscheinlichsten. Kein Zweifel bestehe an einer ausgeprägten chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung. Nach Aussage des Klägers bestünden broncho-pulmonale Beschwerden, im Wesentlichen Belastungskurzatmigkeit, bereits seit Ende der 40er Jahre und würden auf die Lungenentzündung mit Rippenfellentzündung zurückgeführt werden. Auch die Berufsausführung des Klägers sei immer wieder durch Belastungskurzatmigkeit eingeschränkt gewesen. Ärztliche Dokumente zum Beleg einer Behandlung wegen einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung in den 50er bis 70er Jahren fehlten. Während einer Kurmaßnahme im Sommer 1993 seien erstmalig typisch klinische Untersuchungsergebnisse einer solchen Krankheit beschrieben worden. Im Sozialversicherungsausweis finde sich ein Eintrag über eine Behandlung in einer Lungenabteilung im I. Quartal 1980. Lungenfunktionsdaten, die eine ausgeprägte obstruktive Ventilationsstörung dokumentierten, fänden sich erst im September 1996. Aktuell liege eine mittelschwere obstruktive Ventilationsstörung mit deutlicher Lungenüberblähung vor und Auftreten einer Gasaustauschstörung (Hyperkapnie) unter Belastungsbedingungen, so dass die körperliche Leistungsfähigkeit durch die pulmonale Erkrankung limitiert sei. Eine chronische Bronchitis und auch die chronisch-obstruktive Bronchitis träten häufig auf. Querschnittsuntersuchungen in Deutschland hätten gezeigt, dass bei etwa 14 % der erwachsenen Bevölkerung mit einer Einschränkung der Lungenfunktion zu rechnen sei. Der Prozess, der zur chronischen Bronchitis und zur chronisch-obstruktiven Bronchitis führe, werde durch exogene und durch endogene Faktoren verursacht und moduliert. Als wesentliche Faktoren seien zu nennen das Inhalationsrauchen, berufliche Inhalationsschadstoffe, Luftverunreinigung, Infekte. Exogen-allergische Faktoren könnten aufgrund klinisch-anamnestischer Daten und des aktuellen Allergietestergebnisses ausgeschlossen werden. Der Kläger habe angegeben, nie geraucht zu haben. Der aktuell bestimmte CO-Hb-Wert spreche für einen Nichtraucher. Bei Nachfrage würden keine gehäuft auftretenden broncho-pulmonalen Infekte angegeben. Eine letzte antibiotische Behandlung wegen eines Atemwegsinfektes sei vor fünf Jahren notwendig gewesen. Aufgrund der beruflichen Tätigkeit ergebe sich kein Hinweis auf eine Exposition gegenüber beruflichen Inhalationsnoxen. Auf der einen Seite sei der Gesundheitszustand des Klägers durch Aussagen der Zeugen (Ehefrau, Nachbarn, Bekannte) dargestellt worden, wonach der Kläger bereits Anfang der 50er Jahre unter Belastungskurzatmigkeit gelitten habe. Der zum Zeitpunkt der Inhaftierung knapp 16-jährige Kläger sei nach anamnestischen Daten vorher lungengesund gewesen. Andererseits lägen keinerlei medizinische Daten aus den 50er, 60er und 70er Jahren vor, die eine Behandlungspflichtigkeit broncho-pulmonaler Beschwerden belegten. Auch ließen sich keine anamnestischen Daten über wiederholt auftretende broncho-pulmonale Effekte in zeitlicher Folge nach Entlassung aus der Haft finden. Die während der Haft erlittene Pleuropneumonie habe zu einer Verschwielung der Lungen geführt, die allein jedoch nicht ursächlich für die ausgeprägte Lungenfunktionsstörung sei. Die aktuell durchgeführte nuklearmedizinische Untersuchung zeige eine homogene Durchblutungsverteilung rechts zu links. Brustfellentzündungen mit folgenden Verwachsungen (Pleuraschwiele) könnten grundsätzlich zu Funktionsstörungen im Bereich der Lunge führen. Das Ausmaß der röntgenologisch-manifesten Verschwielung sei aber relativ gering und die nuklearmedizinische Untersuchung habe keine sichere funktionelle Verschlechterung der betroffenen rechten Seite darlegen können. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der während der Haft erlittenen Lungenentzündung und Rückenfellentzündung mit der vorliegenden ausgeprägten chronisch-obstruktiven Bronchitis sei als nicht wahrscheinlich anzusehen. Es fehlten medizinisch relevante Daten bezüglich einer dauerhaften Behandlungspflichtigkeit aufgrund broncho-pulmonaler Beschwerden im engen zeitlichen Zusammenhang in den 50er bis 70er Jahren. Dr. C. könne er (Dr. Schultbraucks) nicht folgen, weil dieser lediglich Behauptungen aufgestellt und seine Ansicht nicht begründet habe. Selbst Prof. Dr. T. habe in seinem Gutachten unter anderem vermerkt, zusammenfassend könne aus den Aktenunterlagen ersehen werden, dass bei früheren Begutachtungen aus den 70er Jahren die jetzt im Vordergrund stehende Ventilationsstörung der Lungen gutachterlich keine Rolle gespielt habe. Andererseits führe aber dieser Gutachter an, der Kläger habe glaubwürdig broncho-pulmonale Beschwerden im zeitlich unmittelbaren Zusammenhang nach der Inhaftierung angegeben. Sie seien deswegen Folge der verbrachten Haft. Dem könne er (Dr. S.) nicht zustimmen. Er habe Zweifel an dem kausalen Zusammenhang. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf Bl. 211 bis 235 der Gerichtsakten verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 17. März 2003 hat der Prozessbevollmächtigte des Kläger unter anderem beanstandet, der Sachverständige Dr. S. habe sich nicht ausreichend mit den anamnestischen Angaben des Klägers beziehungsweise den Angaben der Zeugen auseinandergesetzt. In ergänzender lungenfachärztlicher Stellungnahme vom 02. April 2003 ist Dr. S. nicht von seiner im Gutachten eingenommen Meinung auch unter Berücksichtigung eigenanamnestischen Angaben des Klägers und der fremdanamnestischen Angaben der Zeugen abgewichen. Im Einzelnen wird hierzu auf Bl. 256 bis 257 der Gerichtsakten verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten wird auf zwei Bände Gerichtsakten, zwei Bände B-Akten des Beklagten (Grdl.-Nr ...), Akten des Gesundheitsamtes Beeskow/Landkreis Oder-Spree, Personalakten des Klägers, zwei Bände Verwaltungsakten der Landesversicherungsanstalt Brandenburg (VSNR ...) verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen des Beklagten sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach den Vorschriften des HHG bzw. des BVG, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Es kann dahinstehen, ob Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers der Tatbestand des § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 HHG ist, wofür die anspruchsbegründende Bescheinigung der ehemaligen Stiftung für politische Häftlinge vom 28. September 1995, mit der ein Gewahrsam des Klägers im Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HHG vom 14. Juni 1946 bis 23. Januar 1950 sowie das Fehlen von Ausschlussgründen des § 2 HHG verbindlich für die Versorgungsverwaltung festgestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 02. März 1983, 8 a RVh 1/82; Der Versorgungsbeamte 1983, 83), spricht oder hier § 1 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Buchstabe d BVG anwendbar ist. Nach Nr. 4 der Verwaltungsvorschrift zu § 5 BVG ist nämlich auch die "Internierung in Arbeits- und sonstigen Lagern durch die Besatzungsmacht" ein schädigender Vorgang im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchstabe d BVG (Kriegseinwirkung infolge Besetzung im Zusammenhang mit einer "besonderen Gefahr"). Nähere Umstände, warum es zur Inhaftierung des Klägers nach seinen Angaben in den GPU-Kellern in A. bzw. im GPU-Gefängnis in E. oder im KZ S. gekommen ist, erschließen sich aus den Verwaltungs- oder Gerichtsakten nicht. Der Kläger gibt im Zusammenhang mit den erlittenen Gesundheitsstörungen an, dass von ihm ein Geständnis habe erpresst werden sollen. Weiter ist allerdings darauf hinzuweisen, dass eine Internierung deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger dann nicht nach dem BVG angenommen werden kann, wenn sie auf erheblicher nationalsozialistischer Betätigung oder auf einer strafbaren Handlung beruht hat, die nach den im Bundesgebiet geltenden Strafgesetzen ein Verbrechen oder Vergehen ist und zur Verurteilung zu einer erheblichen Freiheitsstrafe geführt hätte (vgl. Verwaltungsvorschrift zu § 1 Nr. 6 BVG). Jedenfalls fehlt es bezüglich der hier geltend gemachten Gesundheitsstörung des Kläger "chronische Bronchitis" sowohl nach § 4 Abs. 5 Satz 1 HHG als auch nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG am notwendigen ursächlichen Zusammenhang mit Einwirkungen während der Internierung des Klägers.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 HHG beziehungsweise § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung (so genannte haftungsausfüllende Kausalität) die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Diese Wahrscheinlichkeit ist dann gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr beziehungsweise gewichtigere Tatsachen für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang sprechen. Lediglich die Möglichkeit eines Zusammenhangs oder ein zeitlicher Zusammenhang genügt allerdings nicht (vgl. insoweit Fehl in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht - Kommentar, 7. Auflage, zu § 1 BVG Rdnr. 64, 65 m. w. N.). Nach der auch im Versorgungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung ist im Übrigen zu beachten, dass nicht jeder Umstand, der irgendwie zum Erfolg beigetragen hat, rechtlich beachtlich ist, sondern nur die Bedingungen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg diesen wesentlich herbeigeführt haben (Fehl, a. a. O., zu § 1 BVG Rdnr. 67 m. w. N.). Haben mehrere Umstände zum Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich nur dann nebeneinanderstehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Kommt einem der Umstände gegenüber dem anderen eine überragende Bedeutung zu, ist dieser Umstand allein Ursache im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (Verwaltungsvorschrift zu § 1 BVG).

Nach dem während des Berufungsverfahrens eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. S. stellen die Haftzeiten von 1946 bis 1950 wahrscheinlich keine wesentliche Ursache für die chronische Lungenerkrankung des Klägers dar. Eine chronisch-obstruktive Bronchitis kann nicht nur durch Umstände, wie sie dem Kläger während der Haftzeiten widerfahren sind und die der Senat durchaus für glaubhaft erachtet, verursacht werden, sondern auch durch exogene und durch endogene Faktoren. Wesentliche ätiologische Faktoren sind - wie Dr. S. dargelegt hat - das Inhalationsrauchen, berufliche Inhalationsschadstoffe, Luftverunreinigung und Infekte. Der Sachverständige ist aufgrund des beim Kläger gemessenen CO-Hb-Werts von einem Nichtraucher ausgegangen, was ihm auch der Kläger - nach dem Gutachten des Dr. S. - so erklärt hat. Indessen trifft dies nicht zu. In den Gesundheitsakten über den Kläger, die vom Gesundheitsamt Beeskow/Landkreis Oder-Spree beigezogen worden sind, findet sich u.a. unter dem 05. Februar 1985 der Eintrag "Rauchen zw. 21 + 52 Lebensjahr Zigaretten". In denselben Akten ist unter dem 19. Oktober 1984 u.a. vermerkt "Rauchverbot". Insoweit schließt der Senat eine Verursachung durch das langjährige Rauchen des Klägers nicht von vornherein aus.

Der Senat ist mit dem Sachverständigen Dr. S. davon überzeugt, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang der chronisch-obstruktive Bronchitis – anders als bei den anerkannten Schädigungsfolgen – nicht wahrscheinlich ist. Hierfür fehlt es an Brückensymptomen. Aussagekräftige Röntgenbefunde insbesondere für die Zeit von 1950 bis 1970 sind nicht zu ermitteln gewesen. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit lässt sich auch nicht durch die Angaben des Klägers und die Zeugenaussagen feststellen. Der Aussage der Zeugin Schulz ist zu entnehmen, dass sie im Wesentlichen Kenntnisse über den Gesundheitszustand des Klägers für die Zeit von 1951 bis 1953 gehabt hat. In dieser Zeit war ihr in Erinnerung, dass der Kläger viel hustete und krank gewesen ist. Nach 1993 ist der Kontakt zu der Familie abgebrochen, über den die Zeugin S. Kenntnisse über den Gesundheitszustand des Klägers hätte weiter erlangen können. Eine Brückensymptomatik lässt sich damit nicht mit Wahrscheinlichkeit herleiten, denn hierfür wären medizinische Daten erforderlich gewesen, wie auch Dr. S. zutreffend hinweist. Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Aussagen der Eheleute L ... Die Darstellung der Zeugin L., sie habe selbst als Neunjährige, weil ihr Vater selbst unter Herzasthma litt, feststellen können, dass der Kläger an Atemnot gelitten und z.B. beim Autofahren hörbar geschnauft habe, führt nicht zur Bejahung der Wahrscheinlichkeit. Denn hierfür können auch andere Ursachen (z.B. das langjährige Rauchen) eine Rolle gespielt haben. Die Zeugin L. kannte den Kläger selbst auch erst seit 1953. Mithin fehlen Angaben für Jahre nach Entlassung aus der letzten Haft im KZ S. (1950). Etwas anderes ist der Aussage des Zeugen L. nicht zu entnehmen, der den Kläger erst seit ca. 1960 kannte. Auch insoweit ist hier eine Lücke von der Haftentlassung bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Beobachtungen von Erkrankungen des Klägers festzustellen. Hinzu kommt, dass die Zeugen L. zwar Arztbesuche des Klägers erwähnten, in den für die Zeit ab 1957 vorliegenden Versicherungsausweisen aber lediglich erstmals 1964 eine akute Bronchitis (vom 20. bis 28. Oktober 1964) und dann erst 1967 wieder vermerkt ist.

Dr. S. hat für den Senat nachvollziehbar weiter überzeugend dargelegt, dass die während der Haft erlittene Pleuropneumonie zu einer Verschwielung der Lungen geführt hat, die allein jedoch nicht ursächlich für die ausgeprägte Lungenfunktionsstörung ist. Denn die aktuell durchgeführte nuklearmedizinische Untersuchung hat eine homogene Durchblutungsverteilung gezeigt. Brustfellentzündungen mit folgenden Verwachsungen (Pleuraschwiele) könnten zwar grundsätzlich zu Funktionsstörungen im Bereich der Lunge führen. Das Ausmaß der röntgenologisch-manifesten Verschwielung ist aber beim Kläger relativ gering und die nuklearmedizinische Untersuchung hat keine sichere funktionelle Verschlechterung der betroffenen rechten Seite darlegen können. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der während der Haft erlittenen Lungenentzündung und Rückenfellentzündung mit der vorliegenden ausgeprägten chronisch-obstruktiven Bronchitis ist deswegen nicht wahrscheinlich.

Zu diesem Ergebnis ist auch schon der Gutachter Prof. Dr. S. gelangt. Für den Senat ebenfalls nachvollziehbar, kann ein zeitlicher Zusammenhang mit den Inhaftierungen und der 1984 dokumentierten Bronchitis, also 34 Jahre nach der Haft nicht hergestellt werden, weil es als höchst unwahrscheinlich anzusehen ist, dass die beim Kläger vorhandene leicht bis mittelgradige chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit Lungenblähung 34 Jahre später nach dem schädigenden Ereignis (Inhaftierungen) erst ausgelöst worden sei.

Der Senat folgt dem Gutachten des Dr. C. nicht, weil Dr. S. zutreffend darauf hinweist, dass Dr. C. für seine Annahme einer schädigungsbedingten chronisch-obstruktiven Bronchitis keine Gründe, sondern nur Behauptungen angeführt hat. Prof. Dr. T. als Neurologe und Psychiater führt zwar auf Seite 18 seines Gutachtens aus, dass die Atembeschwerden mit einer MdE von 50 v. H. direkt auf das schädigende Ereignis zurückzuführen seien. Letztendlich stützt er aber seine Auffassung (nur) auf die Angaben des Klägers selbst, obwohl auch er anhand der medizinischen Unterlagen über den Kläger schon zutreffend festgestellt hatte, dass bei früheren Begutachtungen aus den 70er Jahren die jetzt im Vordergrund stehende Ventilationsstörung der Lungen gutachterlich keine Rolle gespielt hat. Dieser Feststellung misst Prof. Dr. T. nicht die erforderlich Bedeutung bei, weil sie zur Verneinung des ursächlichen Zusammenhangs führt. Im Übrigen führt auch dieser Arzt die Angabe des Klägers auf, dass er (Kläger) gehäuft (erst) seit Ende der 70er Jahre an Bronchitis gelitten habe. Dass dies im Zusammenhang mit einer Lkw-Fahrertätigkeit gestanden habe, ändert nichts an der fehlenden Brückensymptomatik. Zudem war Dr. C. und Prof. Dr. T. nicht bekannt, dass der Kläger langjähriger Raucher gewesen war. Dass für eine chronische Bronchitis ein wesentlicher ätiologischer Faktor das Inhalationsrauchen sein kann, hat bereits der Sachverständige Dr. S. beschrieben.

Nach § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung – VfG-KOV (in der Fassung der Bekanntmachung vom 06. Mai 1976 - BGBl. I Seite 1169) sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen Falles glaubhaft erscheinen. Die Vorschrift bezieht sich auf alle mit Entstehung, Art und Folgen der Schädigung zusammenhängenden Tatsachen. Sie kann erst angewendet werden, wenn alle anderen Möglichkeiten, dem Sachverhalt aufzuklären, erschöpft sind und zu keinem ausreichenden Ergebnis geführt haben. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12. Dezember 1995 - 9 RV 14/95 - in BSGE 77, 153) gewinnt § 15 VfG-KOV Bedeutung, insbesondere in den Fällen, in denen Antragsteller eine gegenwärtige Gesundheitsstörung auf Jahrzehnte zurückliegende Kriegsereignisse zurückführen und es auf Brückensymptome ankommt. Hierauf kann aber eine Entscheidung zugunsten des Klägers nicht gestützt werden. Die über den Kläger vorliegenden medizinischen Dokumentationen lassen nicht den Schluss zu, dass er jedenfalls nach den in den vom Kläger überreichten Sozialversicherungsausweisen ab 1957 bis jedenfalls Oktober 1984 wesentlich an der Lunge erkrankt gewesen ist. Der versorgungsärztliche Dienst der Beklagten hat die vorliegenden Sozialversicherungsausweise des Klägers ausgewertet. Beginnend mit einem Eintrag im Dezember 1957 war der Kläger dort wegen eines Muskelrheumatismus in Behandlung. Mit Ausnahme der Monate Oktober 1964 und Januar 1967, in denen jeweils eine akute Bronchitis mit Arbeitsunfähigkeit vom 20. bis 28. Oktober 1964 und 26. bis 29. Januar 1967 behandelt worden ist, litt der Kläger nicht an einer akuten Bronchitis. Auch ist auf die Einträge in den Akten des Gesundheitsamtes Beeskow/Landkreis Oder-Spree zu verweisen, worin unter dem 19. Oktober 1984 eine chronische Bronchitis vermerkt worden ist. Wie bereits dargelegt - ist die Lungenerkrankung 34 Jahre später nach der Inhaftierung nicht dadurch wahrscheinlich zurückzuführen.

Schließlich ergibt sich auch nichts anderes aus der Vielzahl der über den Kläger beigezogenen anderen medizinischen Dokumentationen. Nach 1976 wird im Wesentlichen der Gesundheitszustand des Klägers durch den Arbeitsunfall im November 1976 bestimmt. In ärztlichen Gutachten vom Februar 1986 sind zu Krankheiten, Kuren, Behandlungen keine Gesundheitsstörungen der Lunge angegeben worden. Wenn anderes beim Kläger der Fall gewesen wäre, wie er im Verfahren durchgehend erklärt hat, kann sich der Senat nicht erklären, warum er derartige ihn beherrschende Gesundheitsstörungen nicht bei früheren ärztlichen Gutachten angegeben hat. Auch anlässlich des ärztlichen Gutachtens im Juli 1993 bei Dr. S. hat er (nur) seit ca. 20 Jahren eine internistische Betreuung wegen Bluthochdrucks und Herzrhythmusstörungen angegeben. Kurzatmigkeit und Atemnot träten bei Belastungen auf. Von einer Lungenerkrankung hat der Kläger nichts erwähnt.

Bei dieser Sache lässt sich anhand der 1957 begonnenen Dokumentation der Heilbehandlungen in den Sozialversicherungsausweisen des Klägers eine Brückensymptomatik nicht mit Wahrscheinlichkeit herleiten. Der Anwendung von § 15 VfG-KOV steht gerade entgegen, dass der Sachverhalt vorliegend dokumentiert ist, aber zu einem anderen, für den Kläger ungünstigen - Ergebnis führt.

Anspruchsvoraussetzungen für eine sog. Kann-Versorgung sind zu verneinen. Dies folgt aus § 1 Abs. 3 BVG bzw. aus § 4 Abs. 5 Satz 2 HHG, die diesbezüglich wortgleich sind. Vorliegend kann auch hier offen bleiben, welche der beiden Tatbestände gegeben ist. Dass die Voraussetzungen nicht vorliegen, hat schon das Sozialgericht zutreffend wiedergegeben, weswegen, um Wiederholungen zu vermeiden, hierauf verwiesen wird.

Nach alledem bleibt die Berufung ohne Erfolg.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision ist nicht zuzulassen gewesen, weil die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorgelegen haben.
Rechtskraft
Aus
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