Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 12 P 284/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 P 11/03
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von häuslicher Pflegehilfe für Wochenend- und Feiertage, an denen der Kläger sich nicht - wie gewöhnlich - in einer vollstationären Pflegeeinrichtung, sondern bei seiner Ehefrau aufhält und dort von ihr sowie von einem ambulanten Pflegedienst gepflegt wird.
Der am 00.00.1953 geborene und bei der Beklagten sozialpflegeversicherte Kläger leidet im Wesentlichen an einem hypoxischen Hirnschaden nach Reanimation mit hirnorganischem Psychosyndrom und spastischer Tetraparese sowie an kompletter Inkontinenz. Seine Ehefrau ist zur Betreuerin bestellt.
In der Zeit vom 00.03.2001 bis zum 00.06.2002 lebte der Kläger in einer voll stationären Pflegeeinrichtung und bezog von der Beklagten vollstationäre Pflege als Sachleistung im Umfang der Pflegestufe III. Seit dem 00.06.2002 ist der Kläger in einer Einrichtung untergebracht, die sich auf Komapatienten sowie Patienten mit einer hypoxischen Hirnschädigung nach Reanimation spezialisiert hat (Pilotprojekt). Der Kläger bezieht von der Beklagten nunmehr vollstationäre Pflege als Sachleistung im Umfang der Pflegestufe III unter Berücksichtigung eines Härtefalls nach § 36 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Der Kläger verbringt einige Wochenenden und Feiertage bei seiner Ehefrau, die ihn dann überwiegend selbst pflegt und daneben einen ambulanten Pflegedienst einschaltet.
Am 05.10.2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten häusliche Pflegehilfe als Sachleistung für die Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes während der bei seiner Ehefrau verbrachten Wochenenden und Feiertage. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11.10.2001 ab: Es bestehe die Möglichkeit, Leistungen der vollstationären Pflege mit ambulanten Pflegeleistungen zu kombinieren, wenn bei grundsätzlicher Fortdauer der voll stationären Pflege (zum Beispiel am Wochenende) häusliche Pflege stattfindet, und zwar auch dann, wenn für die Unterbrechungszeit von der Pflegeeinrichtung ein (gegebenenfalls reduziertes) Heimentgelt berechnet werden könne. In Frage komme eine solche Konstellation aber nur dann, wenn der für den betreffenden Monat an die Pflegeeinrichtung zu zahlende Leistungsbetrag für die vollstationäre Pflege unter dem Höchstwert der dem Pflegebedürftigen entsprechend seiner Pflegestufe zustehenden ambulanten Pflegesachleistung liege. Aus diesem Grunde müsse der Antrag leider abgelehnt werden.
Hiergegen hat der Kläger am 07.11.2001 Widerspruch erhoben: Seine Ehefrau beabsichtige, ihn nicht für immer in einem Pflegeheim zu belassen. Es werde auch von den Ärzten und Therapeuten begrüßt, dass seine Ehefrau ihn an den Wochenenden nach Hause hole. Dies könne seine Ehefrau jedoch nicht ohne die Mithilfe eines ambulanten Pflegedienstes leisten. Das Pflegeheim sei bereit, für die Zeit ein reduziertes Heimentgelt zu berechnen.
Die Beklagte hat einen Auszug aus dem Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege gemäß § 75 SGB XI für Nordrhein-Westfalen beigezogen sowie Bescheinigungen der vollstationären Pflegeeinrichtung über die Zeiten, die der Kläger in den Jahren 2002 und 2001 bei seiner Ehefrau verbracht hat.
Mit Bescheid vom 14.08.2002 hat die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen: Nach dem Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Pflegekassen zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des Pflegeversicherungsgesetzes vom 28.10.1996 (im Folgenden: GR) komme bei Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen für die Zeit der Pflege im häuslichen Bereich unter anderem die Gewährung der Pflegesachleistungen für die tatsächlichen Pflegetage in der Familie unter Berücksichtigung des für die häusliche Pflege geltenden Budgets nach § 36 Abs. 3 SGB XI in Betracht. Dies bedeute, dass die Möglichkeit der Gewährung von ambulanten Pflegeleistungen bis zur Höhe des in der entsprechenden Pflegestufe zu gewährenden Sachleistungshöchstbetrages bestehe, wenn während der Abwesenheit aus der vollstationären Einrichtung diese ein vermindertes Heimentgelt in Rechnung stelle und dadurch die Aufwendungen der stationären Pflege den in § 36 Abs. 3 SGB XI vorgesehenen Sachleistungshöchstwert unterschreiten. Nach dem Rahmenvertrag zwischen dem Landesverband der Pflegekassen und den Vereinigungen der Träger der ambulanten und vollstationären Pflegeeinrichtungen für Nordrhein-Westfalen seien bei einer Abwesenheit der Pflegebedürftigen von bis zu drei Tagen die ungekürzte Pflegevergütung und das ungekürzte Entgelt für Unterkunft und Verpflegung zu zahlen. Nach ihren Ermittlungen lägen die von der vollstationären Pflegeeinrichtung in Rechnung gestellten Heimkosten bislang in keinem Monat unter dem in § 36 Abs. 3 SGB XI bestimmten Sachleistungshöchstwert der Pflegestufe III. Daher habe kein weitergehender Anspruch auf Gewährung von Pflegesachleistungen bestanden. Für den Fall, dass das verminderte Heimentgelt künftig den Sachleistungshöchstbetrag nicht überschreiten solle, bestehe grundsätzlich ein Anspruch auf Gewährung von Pflegesachleistungen.
Hiergegen richtet sich die am 29.08.2002 erhobene Klage. Der Kläger bezieht sich zur Klagebegründung auf sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 11.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids 14.08.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm neben Pflege in einer vollstationären Pflegeeinrichtung anteilige häusliche Pflegehilfe bis zum Höchstbetrag der häuslichen Pflegehilfe der maßgebenden Pflegestufe für die Tage zu gewähren, an denen er sich im Haushalt seiner Ehefrau aufhält und dort gepflegt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung nach wie vor für rechtmäßig und verweist auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheids.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative in Verbindung mit Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 11.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.08.2002 und die Verurteilung der Beklagten, ihm neben Pflege in einer vollstationären Pflegeeinrichtung nach § 43 SGB XI häusliche Pflegehilfe nach § 36 SGB XI für die Tage zu gewähren, an denen er sich im Haushalt seiner Ehefrau aufhält und dort auch durch einen ambulanten Pflegedienst gepflegt wird.
Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf häusliche Pflegehilfe neben Pflege in einer vollstationären Pflegeeinrichtung, denn es liegt keine "häusliche Pflege" im Sinne von § 36 SGB XI vor.
Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XI haben Pflegebedürftige bei häuslicher Pflege Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe). Leistungen der häuslichen Pflege sind gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB XI auch zulässig, wenn Pflegebedürftige nicht in ihrem eigenen Haushalt gepflegt werden; sie sind nicht zulässig, wenn Pflegebedürftige in einer stationären Pflegeeinrichtung oder in einer Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI (stationäre Einrichtung der Behindertenhilfe) gepflegt werden.
Der Kläger erhält von der Beklagten vollstationäre Pflege als Sachleistung (§ 43 SGB XI). Bei vollstationärer Pflege sind daneben Leistungen für häusliche Pflege seit dem 01.07.1996 nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB XI schon begrifflich ausgeschlossen, da vollstationäre Pflege erst zulässig ist, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des einzelnen Falles nicht in Betracht kommt (Bundessozialgericht, Urteil vom 29.04.1999, Az.: B 3 P 11/98 R). Der Kläger erhält ausweislich des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 18.04.2001 gerade deshalb vollstationäre Pflege als Sachleistung, weil seine Pflegeperson, die Ehefrau, einzelne Verrichtungen - insbesondere die Transferleistungen - nicht allein übernehmen kann, sondern hierfür die Hilfe von zwei Pflegepersonen notwendig ist. Für eben diese Verrichtungen wird während des Aufenthaltes des Klägers bei seiner Ehefrau ein ambulanter Pflegedienst eingeschaltet.
Neben dem Wortlaut des Gesetzes sprechen auch die Gesetzessystematik und die Gesetzesbegründung dagegen, dass vollstationäre Pflege und häusliche Pflege miteinander kombiniert werden können:
Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative SGB XI ruht der Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege für die Dauer des stationären Aufenthaltes in einer Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI (vollstationäre Einrichtung der Behindertenhilfe). Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber den zeitgleichen Bezug sowohl von Leistungen für häusliche Pflege als auch von Leistungen für die Pflege in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe (doppelten Leistungsbezug) ausschließen. Es hätte nahe gelegen, dass der Gesetzgeber hier auch eine Ruhensregelung im Verhältnis von häuslicher Pflege und Pflege in einer vollstationären Pflegeeinrichtung trifft. Dass er dies nicht getan hat, ist nur damit zu erklären, dass er von vornherein davon ausging, ein ergänzendes Nebeneinander von häuslicher Pflege und Pflege in einer vollstationären Pflegeeinrichtung seien nicht möglich, weil beide Pflegeformen sich gegenseitig ausschließen.
In der Gesetzesbegründung zu Artikel 1 und 2 des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes vom 14. Juni 1996 (Bundesgesetzblatt I Seite 830) wird lediglich darauf hingewiesen, die Regelung des § 34 SGB XI schließe es nicht aus, dass Pflege bedürftige eine stationäre Einrichtung der Behindertenhilfe täglich von zu Hause aufsuchen oder dass pflegebedürftige Behinderte regelmäßig nur an Werktagen internatsmäßig untergebracht seien, sich am Wochenende und/oder in den Ferien zu Hause aufhielten und in dieser Zeit Pflegeleistungen benötigten (Bundestagsdrucksache 13/3696 zu Nr. 11 (§ 34) zu Buchstabe b aa; abgedruckt bei Hauck/Wilde, SGB XI, M 011). Auch hieraus ist zu schließen, dass während der Unterbringung in einer vollstationären Pflegeeinrichtung kein Anspruch auf häusliche Pflege besteht, auch nicht für Abwesenheitstage (Soziale Pflegeversicherung, Lehr- und Praxiskommentar, § 43 a Randnummer 22).
Ein Anspruch des Klägers auf häusliche Pflegehilfe ergibt sich auch nicht aus Ziffer 4 zu § 43 GR. Hier heißt es:
"Kombination von ambulanten und stationären Leistungen Es besteht die Möglichkeit, Leistungen der vollstationären Pflege mit ambulanten Pflegeleistungen zu kombinieren und unter Berücksichtigung des für die häusliche Pflege geltenden Budgets unter analoger Anwendung des § 38 SGB XI in Anspruch zu nehmen. Dies dürfte allerdings nur relativ selten vorkommen, wenn die Aufwendungen der stationären Pflege die in § 36 Abs. 3 und 4 SGB XI vorgesehenen Sachleistungshöchstwerte unterschreiten."
Das GR ist kein Gesetz, sondern es enthält lediglich Verwaltungsvorschriften, die im Außenverhältnis - gegenüber Personen außerhalb der Verwaltung - keine unmittelbare Bindungswirkung entfalten. Es konnte offen bleiben, ob die Beklagte die Regelung der Ziffer 4 zu § 43 GR im Interesse der Gleichbehandlung dennoch anzuwenden hat (Selbstbindung der Verwaltung). Die Beklagte ist, worauf sie im Widerspruchsbescheid vom 14.08.2002 ausdrücklich hingewiesen hat, bereit, dem Kläger anteilige häusliche Pflegehilfe bis zum Höchstbetrag des § 36 Abs. 3 SGB XI zu gewähren. Der Kläger schöpft jedoch seit Beginn der vollstationären Pflege monatlich den Höchstbetrag der häuslichen Pflegehilfe aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von häuslicher Pflegehilfe für Wochenend- und Feiertage, an denen der Kläger sich nicht - wie gewöhnlich - in einer vollstationären Pflegeeinrichtung, sondern bei seiner Ehefrau aufhält und dort von ihr sowie von einem ambulanten Pflegedienst gepflegt wird.
Der am 00.00.1953 geborene und bei der Beklagten sozialpflegeversicherte Kläger leidet im Wesentlichen an einem hypoxischen Hirnschaden nach Reanimation mit hirnorganischem Psychosyndrom und spastischer Tetraparese sowie an kompletter Inkontinenz. Seine Ehefrau ist zur Betreuerin bestellt.
In der Zeit vom 00.03.2001 bis zum 00.06.2002 lebte der Kläger in einer voll stationären Pflegeeinrichtung und bezog von der Beklagten vollstationäre Pflege als Sachleistung im Umfang der Pflegestufe III. Seit dem 00.06.2002 ist der Kläger in einer Einrichtung untergebracht, die sich auf Komapatienten sowie Patienten mit einer hypoxischen Hirnschädigung nach Reanimation spezialisiert hat (Pilotprojekt). Der Kläger bezieht von der Beklagten nunmehr vollstationäre Pflege als Sachleistung im Umfang der Pflegestufe III unter Berücksichtigung eines Härtefalls nach § 36 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Der Kläger verbringt einige Wochenenden und Feiertage bei seiner Ehefrau, die ihn dann überwiegend selbst pflegt und daneben einen ambulanten Pflegedienst einschaltet.
Am 05.10.2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten häusliche Pflegehilfe als Sachleistung für die Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes während der bei seiner Ehefrau verbrachten Wochenenden und Feiertage. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11.10.2001 ab: Es bestehe die Möglichkeit, Leistungen der vollstationären Pflege mit ambulanten Pflegeleistungen zu kombinieren, wenn bei grundsätzlicher Fortdauer der voll stationären Pflege (zum Beispiel am Wochenende) häusliche Pflege stattfindet, und zwar auch dann, wenn für die Unterbrechungszeit von der Pflegeeinrichtung ein (gegebenenfalls reduziertes) Heimentgelt berechnet werden könne. In Frage komme eine solche Konstellation aber nur dann, wenn der für den betreffenden Monat an die Pflegeeinrichtung zu zahlende Leistungsbetrag für die vollstationäre Pflege unter dem Höchstwert der dem Pflegebedürftigen entsprechend seiner Pflegestufe zustehenden ambulanten Pflegesachleistung liege. Aus diesem Grunde müsse der Antrag leider abgelehnt werden.
Hiergegen hat der Kläger am 07.11.2001 Widerspruch erhoben: Seine Ehefrau beabsichtige, ihn nicht für immer in einem Pflegeheim zu belassen. Es werde auch von den Ärzten und Therapeuten begrüßt, dass seine Ehefrau ihn an den Wochenenden nach Hause hole. Dies könne seine Ehefrau jedoch nicht ohne die Mithilfe eines ambulanten Pflegedienstes leisten. Das Pflegeheim sei bereit, für die Zeit ein reduziertes Heimentgelt zu berechnen.
Die Beklagte hat einen Auszug aus dem Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege gemäß § 75 SGB XI für Nordrhein-Westfalen beigezogen sowie Bescheinigungen der vollstationären Pflegeeinrichtung über die Zeiten, die der Kläger in den Jahren 2002 und 2001 bei seiner Ehefrau verbracht hat.
Mit Bescheid vom 14.08.2002 hat die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen: Nach dem Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Pflegekassen zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des Pflegeversicherungsgesetzes vom 28.10.1996 (im Folgenden: GR) komme bei Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen für die Zeit der Pflege im häuslichen Bereich unter anderem die Gewährung der Pflegesachleistungen für die tatsächlichen Pflegetage in der Familie unter Berücksichtigung des für die häusliche Pflege geltenden Budgets nach § 36 Abs. 3 SGB XI in Betracht. Dies bedeute, dass die Möglichkeit der Gewährung von ambulanten Pflegeleistungen bis zur Höhe des in der entsprechenden Pflegestufe zu gewährenden Sachleistungshöchstbetrages bestehe, wenn während der Abwesenheit aus der vollstationären Einrichtung diese ein vermindertes Heimentgelt in Rechnung stelle und dadurch die Aufwendungen der stationären Pflege den in § 36 Abs. 3 SGB XI vorgesehenen Sachleistungshöchstwert unterschreiten. Nach dem Rahmenvertrag zwischen dem Landesverband der Pflegekassen und den Vereinigungen der Träger der ambulanten und vollstationären Pflegeeinrichtungen für Nordrhein-Westfalen seien bei einer Abwesenheit der Pflegebedürftigen von bis zu drei Tagen die ungekürzte Pflegevergütung und das ungekürzte Entgelt für Unterkunft und Verpflegung zu zahlen. Nach ihren Ermittlungen lägen die von der vollstationären Pflegeeinrichtung in Rechnung gestellten Heimkosten bislang in keinem Monat unter dem in § 36 Abs. 3 SGB XI bestimmten Sachleistungshöchstwert der Pflegestufe III. Daher habe kein weitergehender Anspruch auf Gewährung von Pflegesachleistungen bestanden. Für den Fall, dass das verminderte Heimentgelt künftig den Sachleistungshöchstbetrag nicht überschreiten solle, bestehe grundsätzlich ein Anspruch auf Gewährung von Pflegesachleistungen.
Hiergegen richtet sich die am 29.08.2002 erhobene Klage. Der Kläger bezieht sich zur Klagebegründung auf sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 11.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids 14.08.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm neben Pflege in einer vollstationären Pflegeeinrichtung anteilige häusliche Pflegehilfe bis zum Höchstbetrag der häuslichen Pflegehilfe der maßgebenden Pflegestufe für die Tage zu gewähren, an denen er sich im Haushalt seiner Ehefrau aufhält und dort gepflegt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung nach wie vor für rechtmäßig und verweist auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheids.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative in Verbindung mit Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 11.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.08.2002 und die Verurteilung der Beklagten, ihm neben Pflege in einer vollstationären Pflegeeinrichtung nach § 43 SGB XI häusliche Pflegehilfe nach § 36 SGB XI für die Tage zu gewähren, an denen er sich im Haushalt seiner Ehefrau aufhält und dort auch durch einen ambulanten Pflegedienst gepflegt wird.
Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf häusliche Pflegehilfe neben Pflege in einer vollstationären Pflegeeinrichtung, denn es liegt keine "häusliche Pflege" im Sinne von § 36 SGB XI vor.
Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XI haben Pflegebedürftige bei häuslicher Pflege Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe). Leistungen der häuslichen Pflege sind gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB XI auch zulässig, wenn Pflegebedürftige nicht in ihrem eigenen Haushalt gepflegt werden; sie sind nicht zulässig, wenn Pflegebedürftige in einer stationären Pflegeeinrichtung oder in einer Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI (stationäre Einrichtung der Behindertenhilfe) gepflegt werden.
Der Kläger erhält von der Beklagten vollstationäre Pflege als Sachleistung (§ 43 SGB XI). Bei vollstationärer Pflege sind daneben Leistungen für häusliche Pflege seit dem 01.07.1996 nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB XI schon begrifflich ausgeschlossen, da vollstationäre Pflege erst zulässig ist, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des einzelnen Falles nicht in Betracht kommt (Bundessozialgericht, Urteil vom 29.04.1999, Az.: B 3 P 11/98 R). Der Kläger erhält ausweislich des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 18.04.2001 gerade deshalb vollstationäre Pflege als Sachleistung, weil seine Pflegeperson, die Ehefrau, einzelne Verrichtungen - insbesondere die Transferleistungen - nicht allein übernehmen kann, sondern hierfür die Hilfe von zwei Pflegepersonen notwendig ist. Für eben diese Verrichtungen wird während des Aufenthaltes des Klägers bei seiner Ehefrau ein ambulanter Pflegedienst eingeschaltet.
Neben dem Wortlaut des Gesetzes sprechen auch die Gesetzessystematik und die Gesetzesbegründung dagegen, dass vollstationäre Pflege und häusliche Pflege miteinander kombiniert werden können:
Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative SGB XI ruht der Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege für die Dauer des stationären Aufenthaltes in einer Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI (vollstationäre Einrichtung der Behindertenhilfe). Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber den zeitgleichen Bezug sowohl von Leistungen für häusliche Pflege als auch von Leistungen für die Pflege in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe (doppelten Leistungsbezug) ausschließen. Es hätte nahe gelegen, dass der Gesetzgeber hier auch eine Ruhensregelung im Verhältnis von häuslicher Pflege und Pflege in einer vollstationären Pflegeeinrichtung trifft. Dass er dies nicht getan hat, ist nur damit zu erklären, dass er von vornherein davon ausging, ein ergänzendes Nebeneinander von häuslicher Pflege und Pflege in einer vollstationären Pflegeeinrichtung seien nicht möglich, weil beide Pflegeformen sich gegenseitig ausschließen.
In der Gesetzesbegründung zu Artikel 1 und 2 des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes vom 14. Juni 1996 (Bundesgesetzblatt I Seite 830) wird lediglich darauf hingewiesen, die Regelung des § 34 SGB XI schließe es nicht aus, dass Pflege bedürftige eine stationäre Einrichtung der Behindertenhilfe täglich von zu Hause aufsuchen oder dass pflegebedürftige Behinderte regelmäßig nur an Werktagen internatsmäßig untergebracht seien, sich am Wochenende und/oder in den Ferien zu Hause aufhielten und in dieser Zeit Pflegeleistungen benötigten (Bundestagsdrucksache 13/3696 zu Nr. 11 (§ 34) zu Buchstabe b aa; abgedruckt bei Hauck/Wilde, SGB XI, M 011). Auch hieraus ist zu schließen, dass während der Unterbringung in einer vollstationären Pflegeeinrichtung kein Anspruch auf häusliche Pflege besteht, auch nicht für Abwesenheitstage (Soziale Pflegeversicherung, Lehr- und Praxiskommentar, § 43 a Randnummer 22).
Ein Anspruch des Klägers auf häusliche Pflegehilfe ergibt sich auch nicht aus Ziffer 4 zu § 43 GR. Hier heißt es:
"Kombination von ambulanten und stationären Leistungen Es besteht die Möglichkeit, Leistungen der vollstationären Pflege mit ambulanten Pflegeleistungen zu kombinieren und unter Berücksichtigung des für die häusliche Pflege geltenden Budgets unter analoger Anwendung des § 38 SGB XI in Anspruch zu nehmen. Dies dürfte allerdings nur relativ selten vorkommen, wenn die Aufwendungen der stationären Pflege die in § 36 Abs. 3 und 4 SGB XI vorgesehenen Sachleistungshöchstwerte unterschreiten."
Das GR ist kein Gesetz, sondern es enthält lediglich Verwaltungsvorschriften, die im Außenverhältnis - gegenüber Personen außerhalb der Verwaltung - keine unmittelbare Bindungswirkung entfalten. Es konnte offen bleiben, ob die Beklagte die Regelung der Ziffer 4 zu § 43 GR im Interesse der Gleichbehandlung dennoch anzuwenden hat (Selbstbindung der Verwaltung). Die Beklagte ist, worauf sie im Widerspruchsbescheid vom 14.08.2002 ausdrücklich hingewiesen hat, bereit, dem Kläger anteilige häusliche Pflegehilfe bis zum Höchstbetrag des § 36 Abs. 3 SGB XI zu gewähren. Der Kläger schöpft jedoch seit Beginn der vollstationären Pflege monatlich den Höchstbetrag der häuslichen Pflegehilfe aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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