Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
20
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 20 VG 266/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin wegen der durch einen Zusammenstoß mit unbekannten Radfahrern am 00.00.1999 erlittenen Verletzungen Versorgungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zustehen.
Die Klägerin ging am Abend des 00.00.1999 mit ihrem Hund auf dem L Weg in T spazieren. Sie begegnete einer Gruppe von fünf Radfahrern. Der an vorderster Stelle fahrende Mountainbiker machte auf ihrer Höhe einen Schlenker und traf sie mit dem Lenkrad an der rechten Seite in Höhe der Rippen. Die Klägerin fiel zu Boden, wobei ihre Beine auf die Fahrbahn ragten. Zumindest einer der darauffolgenden Radfahrer fuhr ihr über das linke Bein. Die Radfahrer entfernten sich vom Unfallort, ohne sich um die Klägerin zu kümmern.
Am 17.07.2001 beantragte die Klägerin Versorgung nach dem OEG. Der Beklagte zog die Akte aus dem Schwerbehindertenverfahren und die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft bei. Mit Bescheid vom 20.09.2001 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab, da nicht von einem vorsätzlichen Angriff der Radfahrer auszugehen sei.
In dem hiergegen eingelegten Widerspruch trug die Klägerin vor, dass die Radfahrer sie absichtlich überfahren hätten. Sie sei zudem nicht nur von einem, sondern von allen Radfahrern überfahren worden. Weder das Anfahren des ersten Radfahrers noch das Überfahren der folgenden sei notwendig bzw. unausweichlich gewesen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 02.07.2002 zurück, da ein vorsätzlicher rechtswidriger Angriff weiterhin nicht nachgewiesen sei.
Mit der am 17.07.2002 erhobenen Klage vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Den Radfahrern sei Vorsatz zu unterstellen, da bei einer etwa 4,5 m breiten Fahrbahn, auf der zum Tatzeitpunkt kein Verkehr herrschte, ein Ausweichen möglich sein müsse, ohne die auf dem daneben liegenden 1,5 m breiten Grünstreifen befindliche Klägerin zu überfahren. Selbst wenn der erste Radfahrer ein Ausweichmanöver durchgeführt habe, sei jedenfalls den nachfolgenden Vorsatz zu unterstellen. Auch das Verhalten der Täter nach dem Unfall spreche dafür, dass es sich um eine absichtliche Tat gehandelt habe. Keiner der Täter habe sich auch nur umgedreht oder ansatz- weise um die verletzte Klägerin gekümmert.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 20.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2002 aufzuheben und den Beklagten zu der Feststellung zu verurteilen, dass die Klägerin durch das Ereignis am 00.00.1999 Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs geworden ist und ihr Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz i. V. m. dem BVG in Höhe einer MdE von mindestens 25 v. H. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Beklagte hat den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung zu Recht abgelehnt. Es läßt sich nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Klägerin Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs geworden ist.
Gemäß § 1 Abs. 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung, wer infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Diese anspruchsbegründenden Tatsachen müssen ohne vernünftige Zweifel bzw. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (ständige Rechsprechung des Bundessozialgerichts, z. B. BSG Urteil vom 22.06.1988, 9/9a RVg 3/87 m. w. N.). Dies gilt auch für den erforderlichen Vorsatz des tätlichen Angriffs; eine fahrlässige Schädigung genügt nicht (außer beim Fehlgehen eines gezielten Angriffs oder bei einem gemeingefährlichen Verbrechen i. S. des § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG). Der Staat tritt mit dieser sozialen Entschädigung nur dann ein, wenn seine Ordnungskräfte es nicht vermocht haben, bestimmte grobe Rechtsbrüche zu verhindern, nicht aber im gesamten Bereich strafbaren Fehlverhaltens und erst Recht nicht im gesamten Unfallbereich (vgl. BSG Urteil vom 22.06.1988 a.a.O.).
Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass ein solcher Beweis nicht erbracht ist. Zum einen ist der tatsächliche Ablauf des Geschehens weiterhin unklar, zum anderen ist es nicht als wahrscheinlich anzusehen, dass die Klägerin vorsätzlich angefahren bzw. überfahren wurde.
Insbesondere erhält der am 11.07.1999 erstellte Verkehrsunfallbericht abweichende Angaben zu dem später im Rahmen des OEG- Verfahrens von der Klägerin geschilderten Tathergang. In dem Unfallbericht ist vermerkt, dass der erste Radfahrer, kurz bevor er die Klägerin erreichte, ein Lenkmanöver nach rechts durchführte. Die Klägerin vermute, dass er Bodenunebenheiten bzw. Glasscherben umfahren wollte. Hierbei sei dieser so weit nach rechts geraten, dass er die Klägerin im Hüftbereich streifte und umstieß. Der nachfolgende Radfahrer sei ihr daraufhin über ihr linkes Bein gefahren. Hierbei sei sie im Knöchel-Wadenbereich verletzt worden. Die übrigen drei Radfahrer hätten die auf dem Boden liegende Klägerin ohne Kollision passiert.
Die Klägerin konnte in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, von wie vielen Radfahrern sie überfahren worden sei und ob diese nur über ein Bein oder über beide Beine gefahren seien, keine exakte Erklärung abgeben. Damit bleibt bereits der tatsächliche Tathergang ungewiss. Dies verwundert umso mehr, als sie in der Widerspruchs- und Klagebegründung angegeben hat, von allen nachfolgenden Radfahrern überrollt worden zu sein. Dies revidierte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung insoweit, dass es mindestens zwei Radfahrer gewesen sein müssten. Das schließe sie daraus, dass sie Verletzungen am Knöchel und am Knie erlitten habe. Allerdings wurde bei der Untersuchung im St. N-Krankenhaus T am 13.07.1999 lediglich eine Prellung am linken Unterschenkel mit Hautabschürfungen festgestellt. Eine Röntgenaufnahme des linken Unterschenkels mit Kniegelenk ergab eine beginnende Retropatellararthrose bei ansonsten unauffälligem Skelett- und Gelenkbefund. Auch in den weiteren im Rahmen der Operation am linken Knie erstellten ärztlichen Berichten werden lediglich degenerative Veränderungen beschrieben, was gegen die Ursächlichkeit der Verletzung des Knies durch den Unfall spricht. Bereits in einem Bericht des St. N-Krankenhauses vom 17.12.1996 wird von einer massiven Retropatellararthrose mit Knorpelschäden am linken Knie berichtet.
Zudem ist der Nachweis vorsätzlichen Handelns nicht erbracht. Gerade bei Unfällen im Straßenverkehr ist es grundsätzlich schwierig, eine feindselige Willensrichtung des Täters nachzuweisen. Dies umso mehr, wenn die Täter nicht ermittelt werden können. Allerdings rechtfertigt die Schwierigkeit, die feindselige Haltung eines unbekannten Täters nachzuweisen, keine Beweiserleichterung im OEG-Verfahren. Auch der strafrechtliche Grundsatz "im Zweifel zugunsten des Angeklagten" rechtfertigt keine Beweiserleichterung zugunsten des Geschädigten im Entschädigungsverfahren nach dem Gewaltopferentschädigungsgesetz, wenn unklar geblieben ist, ob er das Opfer einer Gewalttat oder einer Fahrlässigkeit geworden ist. (vgl. BSG-Urteil vom 22.06.1988 - 9/9a RVg 3/87 -; BSG Beschluss vom 22.06.1988 - 9/9a BVg 4/87-).
Zwar ist es richtig, dass das Gesetz gerade auch die Oper entschädigen will, bei denen ein Täter nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass das Gesetz in allen Fällen einer unbekannten Täterschaft Anwendung findet. Vielmehr bleibt der Anwendungsbereich auf Vorsatztaten beschränkt. Der Vorsatz muss sich dann, mangels eindeutiger Beweise, aus sonstigen Indizien schließen lassen, insbesondere einem erkennbaren Motiv. Gerade ein Motiv für ein vorsätzliches Verhalten der unbekannten Radfahrer ist nicht zu erkennen. Vielmehr erscheint es wahrscheinlich, dass der Unfall aus Unachtsamkeit und damit fahrlässig erfolgte. Der in dem Unfallbericht geschilderte Vorgang, dass der erste Radfahrer vermutlich einer Bodenunebenheit, Glasscherben oder ähnlichem ausweichen wollte und der nachfolgende Radfahrer nicht mehr ausweichen konnte, erscheint lebensnah. Dass der erste Radfahrer kurz vor dem Zusammenstoß schneller geworden sein soll und sich etwa drei bis vier Fahrradlängen von dem darauffolgenden Fahrradfahrer entfernt hatte, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragen.
Die Klägerin gibt an, dass der Unfallbericht von der Polizei falsch aufgenommen worden sei. Sie habe den erstellten Bericht nicht gelesen oder unterschrieben. An Einzelheiten des Gesprächs könne sie sich nicht erinnern, da sie noch völlig unter Schock und unter Schmerzmitteln gestanden habe. Auch wenn der Unfallbericht nicht von der Klägerin unterschrieben wurde und auch keine wortgetreue Mitteilung der Angaben der Klägerin enthält, spricht doch eine gewisse Vermutung für die Richtigkeit der einen Tag nach dem Vorfall erstellten Anzeige. Aber auch, wenn von der Unrichtigkeit dieses Berichts ausgegangen wird, sieht die Kammer es nicht als erwiesen an, dass die Radfahrer vorsätzlich handelten. Die Tatsache, dass ein Ausweichen nach links statt nach rechts in Richtung der Klägerin möglich gewesen sein könnte, lässt nicht den Schluss zu, dass die Klägerin absichtlich angefahren wurde, da die Radfahrer instinktiv mit Gegenverkehr gerechnet haben können. Ebenso kann aus der nachfolgenden Unfallflucht nicht geschlossen werden, dass der vorangegangene Unfall selbst mit Vorsatz erfolgte. Das wirkt sich nach den Regeln der Beweislast zu Lasten der Klägerin aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin wegen der durch einen Zusammenstoß mit unbekannten Radfahrern am 00.00.1999 erlittenen Verletzungen Versorgungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zustehen.
Die Klägerin ging am Abend des 00.00.1999 mit ihrem Hund auf dem L Weg in T spazieren. Sie begegnete einer Gruppe von fünf Radfahrern. Der an vorderster Stelle fahrende Mountainbiker machte auf ihrer Höhe einen Schlenker und traf sie mit dem Lenkrad an der rechten Seite in Höhe der Rippen. Die Klägerin fiel zu Boden, wobei ihre Beine auf die Fahrbahn ragten. Zumindest einer der darauffolgenden Radfahrer fuhr ihr über das linke Bein. Die Radfahrer entfernten sich vom Unfallort, ohne sich um die Klägerin zu kümmern.
Am 17.07.2001 beantragte die Klägerin Versorgung nach dem OEG. Der Beklagte zog die Akte aus dem Schwerbehindertenverfahren und die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft bei. Mit Bescheid vom 20.09.2001 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab, da nicht von einem vorsätzlichen Angriff der Radfahrer auszugehen sei.
In dem hiergegen eingelegten Widerspruch trug die Klägerin vor, dass die Radfahrer sie absichtlich überfahren hätten. Sie sei zudem nicht nur von einem, sondern von allen Radfahrern überfahren worden. Weder das Anfahren des ersten Radfahrers noch das Überfahren der folgenden sei notwendig bzw. unausweichlich gewesen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 02.07.2002 zurück, da ein vorsätzlicher rechtswidriger Angriff weiterhin nicht nachgewiesen sei.
Mit der am 17.07.2002 erhobenen Klage vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Den Radfahrern sei Vorsatz zu unterstellen, da bei einer etwa 4,5 m breiten Fahrbahn, auf der zum Tatzeitpunkt kein Verkehr herrschte, ein Ausweichen möglich sein müsse, ohne die auf dem daneben liegenden 1,5 m breiten Grünstreifen befindliche Klägerin zu überfahren. Selbst wenn der erste Radfahrer ein Ausweichmanöver durchgeführt habe, sei jedenfalls den nachfolgenden Vorsatz zu unterstellen. Auch das Verhalten der Täter nach dem Unfall spreche dafür, dass es sich um eine absichtliche Tat gehandelt habe. Keiner der Täter habe sich auch nur umgedreht oder ansatz- weise um die verletzte Klägerin gekümmert.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 20.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2002 aufzuheben und den Beklagten zu der Feststellung zu verurteilen, dass die Klägerin durch das Ereignis am 00.00.1999 Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs geworden ist und ihr Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz i. V. m. dem BVG in Höhe einer MdE von mindestens 25 v. H. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Beklagte hat den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung zu Recht abgelehnt. Es läßt sich nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Klägerin Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs geworden ist.
Gemäß § 1 Abs. 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung, wer infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Diese anspruchsbegründenden Tatsachen müssen ohne vernünftige Zweifel bzw. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (ständige Rechsprechung des Bundessozialgerichts, z. B. BSG Urteil vom 22.06.1988, 9/9a RVg 3/87 m. w. N.). Dies gilt auch für den erforderlichen Vorsatz des tätlichen Angriffs; eine fahrlässige Schädigung genügt nicht (außer beim Fehlgehen eines gezielten Angriffs oder bei einem gemeingefährlichen Verbrechen i. S. des § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG). Der Staat tritt mit dieser sozialen Entschädigung nur dann ein, wenn seine Ordnungskräfte es nicht vermocht haben, bestimmte grobe Rechtsbrüche zu verhindern, nicht aber im gesamten Bereich strafbaren Fehlverhaltens und erst Recht nicht im gesamten Unfallbereich (vgl. BSG Urteil vom 22.06.1988 a.a.O.).
Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass ein solcher Beweis nicht erbracht ist. Zum einen ist der tatsächliche Ablauf des Geschehens weiterhin unklar, zum anderen ist es nicht als wahrscheinlich anzusehen, dass die Klägerin vorsätzlich angefahren bzw. überfahren wurde.
Insbesondere erhält der am 11.07.1999 erstellte Verkehrsunfallbericht abweichende Angaben zu dem später im Rahmen des OEG- Verfahrens von der Klägerin geschilderten Tathergang. In dem Unfallbericht ist vermerkt, dass der erste Radfahrer, kurz bevor er die Klägerin erreichte, ein Lenkmanöver nach rechts durchführte. Die Klägerin vermute, dass er Bodenunebenheiten bzw. Glasscherben umfahren wollte. Hierbei sei dieser so weit nach rechts geraten, dass er die Klägerin im Hüftbereich streifte und umstieß. Der nachfolgende Radfahrer sei ihr daraufhin über ihr linkes Bein gefahren. Hierbei sei sie im Knöchel-Wadenbereich verletzt worden. Die übrigen drei Radfahrer hätten die auf dem Boden liegende Klägerin ohne Kollision passiert.
Die Klägerin konnte in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, von wie vielen Radfahrern sie überfahren worden sei und ob diese nur über ein Bein oder über beide Beine gefahren seien, keine exakte Erklärung abgeben. Damit bleibt bereits der tatsächliche Tathergang ungewiss. Dies verwundert umso mehr, als sie in der Widerspruchs- und Klagebegründung angegeben hat, von allen nachfolgenden Radfahrern überrollt worden zu sein. Dies revidierte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung insoweit, dass es mindestens zwei Radfahrer gewesen sein müssten. Das schließe sie daraus, dass sie Verletzungen am Knöchel und am Knie erlitten habe. Allerdings wurde bei der Untersuchung im St. N-Krankenhaus T am 13.07.1999 lediglich eine Prellung am linken Unterschenkel mit Hautabschürfungen festgestellt. Eine Röntgenaufnahme des linken Unterschenkels mit Kniegelenk ergab eine beginnende Retropatellararthrose bei ansonsten unauffälligem Skelett- und Gelenkbefund. Auch in den weiteren im Rahmen der Operation am linken Knie erstellten ärztlichen Berichten werden lediglich degenerative Veränderungen beschrieben, was gegen die Ursächlichkeit der Verletzung des Knies durch den Unfall spricht. Bereits in einem Bericht des St. N-Krankenhauses vom 17.12.1996 wird von einer massiven Retropatellararthrose mit Knorpelschäden am linken Knie berichtet.
Zudem ist der Nachweis vorsätzlichen Handelns nicht erbracht. Gerade bei Unfällen im Straßenverkehr ist es grundsätzlich schwierig, eine feindselige Willensrichtung des Täters nachzuweisen. Dies umso mehr, wenn die Täter nicht ermittelt werden können. Allerdings rechtfertigt die Schwierigkeit, die feindselige Haltung eines unbekannten Täters nachzuweisen, keine Beweiserleichterung im OEG-Verfahren. Auch der strafrechtliche Grundsatz "im Zweifel zugunsten des Angeklagten" rechtfertigt keine Beweiserleichterung zugunsten des Geschädigten im Entschädigungsverfahren nach dem Gewaltopferentschädigungsgesetz, wenn unklar geblieben ist, ob er das Opfer einer Gewalttat oder einer Fahrlässigkeit geworden ist. (vgl. BSG-Urteil vom 22.06.1988 - 9/9a RVg 3/87 -; BSG Beschluss vom 22.06.1988 - 9/9a BVg 4/87-).
Zwar ist es richtig, dass das Gesetz gerade auch die Oper entschädigen will, bei denen ein Täter nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass das Gesetz in allen Fällen einer unbekannten Täterschaft Anwendung findet. Vielmehr bleibt der Anwendungsbereich auf Vorsatztaten beschränkt. Der Vorsatz muss sich dann, mangels eindeutiger Beweise, aus sonstigen Indizien schließen lassen, insbesondere einem erkennbaren Motiv. Gerade ein Motiv für ein vorsätzliches Verhalten der unbekannten Radfahrer ist nicht zu erkennen. Vielmehr erscheint es wahrscheinlich, dass der Unfall aus Unachtsamkeit und damit fahrlässig erfolgte. Der in dem Unfallbericht geschilderte Vorgang, dass der erste Radfahrer vermutlich einer Bodenunebenheit, Glasscherben oder ähnlichem ausweichen wollte und der nachfolgende Radfahrer nicht mehr ausweichen konnte, erscheint lebensnah. Dass der erste Radfahrer kurz vor dem Zusammenstoß schneller geworden sein soll und sich etwa drei bis vier Fahrradlängen von dem darauffolgenden Fahrradfahrer entfernt hatte, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragen.
Die Klägerin gibt an, dass der Unfallbericht von der Polizei falsch aufgenommen worden sei. Sie habe den erstellten Bericht nicht gelesen oder unterschrieben. An Einzelheiten des Gesprächs könne sie sich nicht erinnern, da sie noch völlig unter Schock und unter Schmerzmitteln gestanden habe. Auch wenn der Unfallbericht nicht von der Klägerin unterschrieben wurde und auch keine wortgetreue Mitteilung der Angaben der Klägerin enthält, spricht doch eine gewisse Vermutung für die Richtigkeit der einen Tag nach dem Vorfall erstellten Anzeige. Aber auch, wenn von der Unrichtigkeit dieses Berichts ausgegangen wird, sieht die Kammer es nicht als erwiesen an, dass die Radfahrer vorsätzlich handelten. Die Tatsache, dass ein Ausweichen nach links statt nach rechts in Richtung der Klägerin möglich gewesen sein könnte, lässt nicht den Schluss zu, dass die Klägerin absichtlich angefahren wurde, da die Radfahrer instinktiv mit Gegenverkehr gerechnet haben können. Ebenso kann aus der nachfolgenden Unfallflucht nicht geschlossen werden, dass der vorangegangene Unfall selbst mit Vorsatz erfolgte. Das wirkt sich nach den Regeln der Beweislast zu Lasten der Klägerin aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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