S 5 AL 172/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AL 172/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.03.2002 bis zum 23.05.2002 und über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Der Kläger war zuletzt vom 00.01.2001 bis zum 00.02.2002 als Trockenbauer beschäftigt bei einer Firma, die ihren Sitz in der Nähe von C hat. Der Kläger selbst wohnte in C, war aber zuletzt in T beschäftigt, weil er Montagetätigkeiten verrichtete. Das Arbeitsverhältnis endete durch eine Eigenkündigung des Klägers vom 00.02.2002.

Am 04.03.2002 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt E arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er wohnte mittlerweile in E bei seiner Lebensgefährtin und gab gegenüber dem Arbeitsamt an als Grund für die Eigenkündigung den Umzug von C nach E aus familiären Gründen zwecks Gründung einer Familie. Auf Nachfrage der Beklagten, ob bereits das Aufgebot bestellt sei, teilte der Kläger mit, dass ein fester Heiratstermin noch nicht feststehe.

Ebenfalls am 04.03.2002 sprach der Kläger beim Sozialamt der Stadt E vor. Über diese Vorsprache wurde ein Aktenvermerk mit folgendem Inhalt erstellt:

"Der SH-Anspruch der Lebensgemeinschaft F/G wurde heute überschlägig berechnet. Die v.g. verfügen über ein übersteigendes EK von ca. 270,00 Euro. Danach besteht kein Anspruch. Dem Kunden wurde das Ergebnis vorgerechnet und mündlich mitgeteilt."

Mit Bescheid vom 07.05.2002 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen in der Zeit vom 01.03.2002 bis zum 23.05.2002 fest. Ferner teilte sie mit, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld in dieser Zeit ruhe und durch die Sperrzeit um 90 Tage gemindert werde. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger habe durch seine Kündigung sein Beschäftigungsverhältnis selbst aufgegeben. Er hätte voraussehen müssen, dass er dadurch arbeitslos werde. Sein Verhalten habe er damit begründet, dass er eine Familie gründen wolle. Diese Gründe könnten jedoch bei Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft den Eintritt einer Sperrzeit nicht abwenden.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 17.05.2002 - Eingang bei der Beklagten am 21.05.2002 - Widerspruch ein. Er machte geltend, auf Grund seiner Montagetätigkeit habe er sich nicht früher um einen Arbeitsplatz bemühen können. Der Arbeitgeber habe ihn nicht freigestellt. Außerdem verstehe er nicht, warum der Punkt "Familiengründung" nicht anerkannt werde. Das Sozialamt zahle ihm keine Leistung, weil er in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe. Vom Arbeitsamt werde das nicht berücksichtigt. Es könne doch nicht sein, dass jeder Sozialversicherungsträger das Zusammenleben anders beurteile und so auslege, wie es für ihn am günstigsten sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie führte zur Begründung wiederum aus, es sei kein wichtiger Grund für die Eigenkündigung des Klägers anzuerkennen. Insbesondere sei es dem Kläger zuzumuten gewesen, das Arbeitsverhältnis so lange fortzusetzen, bis er nahtlos ein neues Arbeitsverhältnis hätte eingehen können.

Am 18.07.2002 hat der Kläger dagegen Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt er vor, dass er seine Lebenspartnerin schon seit längerer Zeit kenne, allerdings erst seit vier Monaten intensiver mit ihr zusammen sei. Seit vier Monaten hätten er und seine Lebenspartnerin sich gegenseitig besucht, in der Regel an den Wochenenden. Dass sie noch nicht verheiratet seien, liege daran, dass seine Lebenspartnerin selbst noch verheiratet sei. Sie lebe in Scheidung, d.h. von ihrem Ehemann getrennt. Das Scheidungsverfahren sei aber noch nicht abgeschlossen. Bis zum November 2001 habe seine Lebenspartnerin mit ihrem Ehemann in der ehelichen Wohnung gelebt. Dann sei sie ausgezogen und zwar zunächst zu ihrer Mutter. Im März 2002 sei dann die gemeinsam Wohnung bezogen worden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 07.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Arbeitslosengeld bereits ab dem 04.03.2002 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, dass vorliegend auch keine besondere Härte anzuerkennen sei, insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt, dass dem Kläger keine Sozialhilfe bewilligt wurde mit der Begründung, er lebe in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Der Umstand eines "ausschließenden Sozialhilfeanspruchs" stelle einerseits keine zwangsläufige Auswirkung der Sperrzeit dar, andererseits sei dieses Ereignis nach dem Eintritt des sperrzeitbegründenden Ereignisses eingetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, Kundennummer 000 A 000000. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 07.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2002 nicht in seinen Rechten verletzt im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn dieser Bescheid ist rechtmäßig. Es besteht kein Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 04.03.2002 bis zum 23.05.2002. Zu Recht hat die Beklagte angenommen, dass in der Zeit vom 01.03. bis 23.05.2002 eine Sperrzeit eingetreten ist, die zum Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld führt und den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld um 90 Leistungstage mindert.

Rechtsgrundlage ist vorliegend noch § 144 Abs 1 Nr 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung, denn das die Sperrzeit begründende Ereignis ist vor dem 31.12.2002 eingetreten (vgl § 434g Abs 2 SGB III).

Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der anwendbaren Fassung tritt eine 12-wöchige Sperrzeit ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch die Arbeitslosigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe).

Dieser Tatbestand ist hier erfüllt. Der Kläger beendete sein Arbeitsverhältnis durch eine Eigenkündigung vom 00.02.2002 zum 00.02.2002. Dadurch hat er seine Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, denn zu diesem Zeitpunkt bestand keine konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz.

Ein wichtiger Grund für das Verhalten des Klägers, der dem Eintritt eine Sperrzeit entgegenstehen könnte, ist nicht anzuerkennen. Ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 SGB III vorliegt, ist unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden: Die Versichertengemeinschaft soll sich gegen Risikofälle wehren, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft. Eine Sperrzeit tritt deshalb dann ein, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Insoweit muss der wichtige Grund nicht nur die Auflösung des Arbeitsverhältnisses überhaupt, sondern auch den konkreten Zeitpunkt der Auflösung decken (vgl. BSG SozR 3-4100, § 119 Nr. 14, 15, 16; zuletzt BSG vom 06.02.2003, Az B 7 AL 72/01 R).

Vorliegend hat der Kläger sein Arbeitsverhältnis deshalb gekündigt, weil er von C nach E gezogen ist, um in E erstmals mit seiner neuen Lebenspartnerin in einer gemeinsamen Wohnung zusammenzuleben. Das Bundessozialgericht hat in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung zwar grundsätzlich anerkannt, dass der Umzug zum Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft als wichtiger Grund angesehen werden kann (vgl. Urteile des BSG vom 17.10.2002, Az B 7 AL 96/00 R und B 7 AL 136/01 R). Dies setzt jedoch stets voraus, dass bei Lösung des Arbeitsverhältnisses eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bereits bestanden hat. Ob eine solche Lebensgemeinschaft vorliegt ist wegen der tatsächlichen Offenheit und Weite des Begriffs anhand strenger Anforderungen an die Ernsthaftigkeit einer solchen Lebensgemeinschaft zu stellen. Eheähnlich ist eine Verbindung zweier Partner unterschiedlichen Geschlechts nur dann, wenn sie auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner in den Not- und Wechselfällen des Lebens begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Diese strengen Anforderungen sind in der Regel dann noch nicht erfüllt, wenn die nichteheliche Gemeinschaft - wie im vorliegenden Fall - zuvor noch nicht bestanden hat, sondern durch den Ortswechsel erst begründet wird (ausführlich dazu BSG, Urteil vom 17.10.2002, Az B 7 AL 96/00 R, S. 8 ff.).

Daneben ist hier zusätzlich von Bedeutung, dass die Lebensgefährtin des Klägers zum Zeitpunkt seiner Arbeitsaufgabe noch verheiratet gewesen ist. Selbst wenn sie sich bereits von ihrem Ehemann getrennt hatte, ist es nach Auffassung der Kammer wegen der rechtlich noch bestehenden Ehe von vornherein ausgeschlossen, dass die strengen Anforderungen erfüllt sind, die das BSG an eine eheähnliche Lebensgemeinschaft stellt. Denn die bestehende Ehe ist als "weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art" anzusehen, die aber grundsätzlich neben einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht zugelassen sein darf.

Da somit ein wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe bereits aus den vorgenannten Gründen nicht vorliegt, kann offen bleiben, ob der Kläger vor seiner Eigenkündigung - wie vom BSG in der zitierten Rechtsprechung ebenfalls gefordert - ausreichende und zumutbare Anstrengungen unternommen hat, seine Arbeitslosigkeit wegen des Umzugs zu vermeiden.

Die Sperrzeit war auch nicht auf sechs Wochen herabzusetzen. Im Hinblick auf die für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen bedeutet die 12-wöchige Sperrzeit keine besondere Härte im Sinne des § 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung. Insbesondere der Umstand, dass dem Kläger während der Dauer der Sperrzeit vom Sozialamt der Stadt E Sozialhilfe nicht gewährt worden ist - offensichtlich vor dem Hintergrund, dass das Sozialamt von einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ausgegangen ist - vermag keine besondere Härte zu begründen. Zunächst ist mit der Beklagten darauf hinzuweisen, dass mit dem Eintritt einer Sperrzeit immer wirtschaftliche Auswirkungen verbunden sind, so dass diese für sich genommen nicht als "besondere" Umstände angesehen werden können. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Versagung der Sozialhilfe ihren Grund gerade darin hatte, dass der Kläger nun mit seiner neuen Lebensgefährtin zusammen lebt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Versagung der Sozialhilfe unter Anrechnung des Einkommens der Lebensgefährtin des Klägers, nicht zutreffend gewesen sein dürfte. Eine Anrechung wäre nur bei Anwendung des § 122 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zulässig gewesen, der allerdings voraussetzt, dass eine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliegt. Dies kann aber, wie oben bereits dargelegt, nicht angenommen werden, denn die Voraussetzungen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft sind im Sozialhilferecht keine anderen als im Arbeitsförderungsrecht (vgl. BSG Urteil vom 17.10.2002, Az B 7 AL 96/00 R, Seite 13 ff.). Die Versagung der Sozialhilfe erfolgte deshalb nicht zwangsläufig. Der Anspruch hätte vom Kläger erfolg reich weiterverfolgt werden können.

Während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (§ 144 Abs. 2 SGB III). Die Minderung der Anspruchsdauer ergibt sich aus § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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