L 14 RA 231/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 13 RA 1510/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 231/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 80/03 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 1. Juni 2001 wird zurückgewiesen. Die Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides vom 29. Mai 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 1997 und des Bescheides vom 30. Juli 1999 sowie auf Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Verbescheidung des Rentenantrags vom März 1997 werden abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Wirksamkeit des Bescheids vom 29.05.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.1997 und des Bescheids vom 30.07.1999 sowie die Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Verbescheidung des Rentenantrags vom 11.03.1997.

Die am 1951 geborene Klägerin war - mit Unterbrechungen - bis zum Jahre 1987 als Buchhalterin beschäftigt. Die Beklagte gewährte ihr, nach Ablehnung eines Rentenantrags wegen Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, mit Bescheiden vom 09.06. und 06.07.1994 eine vom 01.04. 1991 bis 31.05.1997 befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 44 des Sozialgesetzbuches Teil X (SGB X); hierbei wurde angenommen, dass wesentliche Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit der Klägerin auf einem Arbeitsunfall/Wegeunfall beruhten (Versicherungsfall vom 20.11. 1987).

Der Rentengewährung lagen vor allem Gutachten des Orthopäden Dr.B. vom 30.06.1991 (keine wesentlichen Leistungseinschränkungen auf orthopädischem Gebiet), des Internisten Dr.M. vom 17.09.1992 (keine wesentlichen Leistungseinschränkungen auf internistischem Gebiet), des Nervenarztes Dr.R. vom 17.06.1991 (lumbales Schmerzsyndrom mit überwertiger Symptomfixierung) und des Orthopäden Dr.D. vom 13.10.1992 (Lumboischialgie bei Spinalstenose) zugrunde, weiterhin ein von der Klägerin vorgelegter umfassender Arztbrief des Dr.W. vom 02.12.1992. Dr.R. kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin als Buchhalterin und bezüglich allgemeiner Büroarbeiten halb- bis unter vollschichtig arbeiten könne; die "Erwerbsunfähigkeit" solle auf zwei Jahre begrenzt werden, sinnvoll sei eine Nachuntersuchung bzw. die nachträgliche Erhebung bisher noch fehlender Befunde. Dr.D. hielt die Klägerin im bisherigen Beruf und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt halb- bis unter vollschichtig für einsetzbar und eine Nachuntersuchung in einem Jahr für notwendig. Dr.W. beschrieb umfassend und detailliert erhobene Befunde und von ihm festgestellte Gesundheitsstörungen und erörterte den Zusammenhang zwischen Arbeitsunfall und Leistungseinschränkungen der Klägerin.

Mit dem am 11.03.1997 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 20.01.1997 stellte die Klägerin Antrag auf Weitergewährung der Rente und gab an, in der letzten Zeit nicht in ärztlicher Behandlung gewesen zu sein. Die Beklagte forderte die Klägerin zur Beibringung des Befundberichts eines Orthopäden (mit Formblatt auf Kosten der Beklagten) auf und sprach mit Bescheid vom 29.05.1997 aus, dass Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.05.1997 hinaus auf Zeit anerkannt werde, weil es bei der Begutachtung der Erwerbsfähigkeit zu Verzögerungen gekommen sei. Die Rente falle daher mit Ablauf des Monats Juni 1997 weg, ohne dass es eines Entziehungsbescheids bedürfe, für die Rentenberechnung bleibe der Bescheid vom 06.07.1994 maßgebend. Erfolge innerhalb der nächsten 14 Tage keine Einsendung des abverlangten Befundberichts, werde die Rentenzahlung im Juni 1997 eingestellt.

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin unter anderem geltend, sie habe wegen ärztlicher Behandlungen Schwierigkeiten mit der Allgemeinen Ortskrankenkasse, und drei Orthopäden, die sie wegen Erstellung des Befundberichts für die Beklagte gegen ein Entgelt von 45,00 DM aufgesucht habe, hätten damit nichts zu tun haben wollen. Den Befundbericht könne sie trotz ihrer Bemühungen nicht beibringen.

Die Beklagte forderte die Klägerin erneut auf, sich in ärztliche Behandlung bei einem Orthopäden zu begeben und von diesem einen Befundbericht beizubringen; hingewiesen wurde nochmals auf die Verpflichtung zur Mitwirkung (§§ 60 bis 62, 65 des Sozialgesetzbuches Teil I - SGB I) sowie die Möglichkeit der Versagung von Leistungen, wenn den Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalt wesentlich erschwert werde. Die Klägerin teilte nochmals mit, dass sie einen Befundbericht von einem Orthopäden ihrer Wahl nicht beibringen könne, und bat die Beklagte, ihr einen Vertrauensarzt zu benennen, den sie aufsuchen könne und wolle.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.1997 zurückgewiesen und damit begründet, dass wegen mangelnder Mitwirkung nicht geprüft werden könne, ob die Voraussetzungen für eine Rentengewährung vorlägen. Nachdem der mit Einschreiben abgesandte Widerspruchsbescheid zweimal in Rücklauf kam, wurde er mit Postzustellungsurkunde zugestellt (Zustellungsversuch und Niederlegung am 06.11.1997, Abholung am 10.11.1997).

Mit Schriftsatz vom 03.12.1997 (Poststempel vom 26.12.1997, Eingang beim Sozialgericht München am 29.12.1997) machte die Klägerin geltend, der Widerspruchsbescheid vom 14.10.1997 sei ungültig, unwirksam und nicht rechtsverbindlich, weil er von den dort genannten drei Personen des Widerspruchsausschusses nicht unterschrieben worden sei. Eine Klage könne damit beim Sozialgericht nicht rechtshängig werden; das Sozialgericht führe einen Scheinrechtsstreit. Sie beantrage "über das Sozialgericht einen rechtsverbindlichen Bescheid".

Einer zweimaligen Vorladung zur Untersuchung und Begutachtung durch einen Gerichtssachverständigen (Dr.M.) kam die Klägerin nicht nach. Sie berief sich unter anderem darauf, dass die Beweisanordnung formal nicht in Ordnung (fehlende Unterschrift) und in einem "Scheinrechtsstreit" ergangen sei, also sie dann die Gutachtenskosten selber tragen müsse; hierauf falle sie aber nicht herein. Der Widerspruchsbescheid sei unwirksam. Sie müsse von Vertragsärzten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf deren Kosten untersucht werden, anschließend sei eine wirksame und rechtsverbindliche Verbescheidung vorzunehmen. Den unwirksamen Widerspruchsbescheid erkenne sie nicht an, sie beantrage daher die "Unterlassungsklage gegen die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf Erteilung eines wirksamen Widerspruchsbescheides". Eine wirksame Klage gegen den Widerspruchsbescheid könne nicht rechtshängig bzw. offiziell anhängig sein (und könne daher auch nicht zurückgenommen werden) und werde nur vom Sozialgericht als Scheinverfahren geführt. Hieran hielt die Klägerin trotz mehrmaliger richterlicher Belehrung und Hinweise fest und weigerte sich, an einer gerichtlichen Sachaufklärung teilzunehmen. Mit Schriftsatz vom 19.05. 1998 betonte sie, es sei Pflicht des Sozialgerichts, die Unwirksamkeit des Widerspruchsbescheides festzustellen und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu verpflichten, ihr unverzüglich einen rechtmäßigen Bescheid zu erteilen. Anlässlich der dann folgenden Vorsprache der Klägerin bei der Beklagten am 15.09.1998 erklärte sich der Versicherungsträger bereit, (auf eigene Kosten) einen Arzt mit der Untersuchung zu beauftragen (Schriftsatz vom 29.09.1998).

Auf Veranlassung des Sozialgerichts, den Klageschriftsatz vom 03.12.1997 entsprechend dem Willen der Klägerin (auch) als Antrag gemäß § 44 SGB X zu werten und verbescheiden, kam die Beklagte mit Bescheid vom 26.04.1999 nach. Sie führte aus, gemäß § 44 SGB X bestehe die Verpflichtung, einen rechtswidrigen Bescheid zurückzunehmen, wenn das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei und deshalb Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Dies sei nur möglich, wenn die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nachkomme. Jene habe sich aber trotz Aufforderung vom 15.01. und 24.02.1999 nicht der Begutachtung bei einem Orthopäden und einem Neurologen unterzogen. Damit sei die Beurteilung von Erwerbsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit nicht möglich. Der Anspruch auf Rente über den 30.06.1997 hinaus werde weiterhin abgelehnt, weil wegen mangelnder Mitwirkung die Voraussetzungen der §§ 43 Abs.2, 44 Abs.2 des Sozialgesetzbuches Teil VI (SGB VI) nicht geprüft werden könnten. Dieser Bescheid werde nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des anhängigen Verfahrens.

Auf Rüge der Klägerin, der Bescheid vom 26.04.1999 sei an E. L. ergangen, nicht an sie mit dem richtigen Namen E. L. , teilte die Widerspruchsstelle der Beklagten mit (Schreiben vom 15.07.1999), der Bescheid vom 26.04.1999 sei unwirksam, so dass ein neuer Bescheid erteilt werde. Unter dem 30.07.1999 erging ein ersetzender Bescheid an Frau E. L. , inhaltlich gleich dem Bescheid vom 26.04.1999.

Die Klägerin sah den Bescheid vom 30.07.1999 ebenfalls als unwirksam an ("Bescheid-Entwurf"). Bei der Unterschrift "im Auftrag" werde ein Name "T." verschmiert für eine unbekannte Person verwendet. Sie bestand auf dem Begehren, die Beklagte müsse über ihren Weitergewährungsantrag durch einen ordnungsgemäßen und wirksamen/rechtmäßigen Bescheid entscheiden.

Mit Urteil vom 01.06.2001 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Klage gegen den Bescheid vom 29.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.10.1997 sei unzulässig, weil die Klagefrist versäumt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren sei. Die Klage gegen den Bescheid vom 30.07.1999 sei - auch ohne erneutes Vorverfahren - zulässig, weil dieser Bescheid gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei, aber unbegründet. Eine leistungsrechtlich erhebliche Einschränkung des Erwerbsvermögens der Klägerin habe nicht geklärt werden können. Die vorhandenen ärztlichen Unterlagen stammten aus dem Jahre 1992 und seien für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit, auch im Wege eines Aktenlagegutachtens, nicht brauchbar. Der medizinische Sachverhalt lasse sich nicht klären; die Folgen der Beweislosigkeit habe die Klägerin zu tragen.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung ("Beschwerde") wendet sich die Klägerin hiergegen und beantragt die "Aufhebung der widerrechtlichen Entscheidung" und ein "echtes, richtiges, rechtmäßiges und eindeutig rechtswirksames Urteil in ihrer Rentensache gegen die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte". Das ihr zugestellte Urteil entspreche nicht den Verfahrensvorschriften ("Blanko-Urteilsentwurf" ohne Unterschrift). Außerdem sei offenbar der Postweg zu lange gewesen, nachdem das Urteil vom 01.06.2001 datiere und ihr am 07.11.2001 zugegangen sei.

Auf Aufforderung des Senats hat die Klägerin weder die behandelnden Ärzte mitgeteilt noch sich mit der Beiziehung ärztlicher Unterlagen einverstanden erklärt, vielmehr kategorisch erklärt, sie dulde das rechtsunwirksame Urteil des Sozialgerichts nicht und halte daran fest, dass über ihre Berufungsanträge ("Beschwerdeanträge") ordnungs- und pflichtgemäß entschieden werde. Außerdem bemängelte sie Formalien der an sie vom Senat gerichteten Schreiben.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß), das Urteil des Sozialgerichts vom 01.06.2001 aufzuheben, die Nichtigkeit des Bescheids vom 29.05.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.1997 und des Bescheides vom 30.07.1999 festzustellen sowie die Beklagte zu verurteilen, den Rentenantrag vom März 1997 erneut zu verbescheiden.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge, die zu Beweiszwecken beigezogene Versichertenakte der Beklagten und die erledigte Kindergeld-Streitsache L 14 KG 8/00 NZB vor. Hierauf wird, insbesondere hinsichtlich des Vortrags der Klägerin im Renten- und Gerichtsverfahren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 f., 151 SGG), in der Hauptsache aber nicht begründet.

1. Vorweg ist festzustellen, dass das Urteil des Sozialgerichts vom 01.06.2001 nicht unwirksam bzw. nichtig ist und nur ein Scheinurteil darstellt. Wesentliche Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der mündlichen Verhandlung am 01.06.2001 und bei der Urteilsabfassung und -zustellung sind nicht ersichtlich. Wenn die Klägerin in erster Instanz gerügt hat, dass die Ladung zum Termin am 01.06.2001 nicht ordnungsgemäß gewesen sei, so ist dies unzutreffend. Die Klägerin nahm daran Anstoß, dass die Terminsmitteilung vom 29.03.2001 "auf Anordnung des Vorsitzenden" von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben und der Name des Vorsitzenden hier nicht bekanntgegeben worden sei. Der Senat vermag aber keine Gesetzesnorm zu erkennen, die dort eine Unterschrift des Richters vorschreibt. Die Ausführung der Ladung kann der Richter dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 4 SGG) überlassen (BSG vom 30.10.1991 - 8 RKn 14/90 in SozR 3-5750 Art.2 § 62 Nr.5); dies gehört zum traditionellen Tätigkeitsbereich der Geschäftsstelle (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, Rdzn.2 und 3 zu § 4). Hinreichend ist es, dass der anordnende Richter nach internem Betrieb feststellbar ist. Für die Prozessbeteiligten ist die Kenntnis genügend, dass der (jeweilige) Vorsitzende Richter der konkret benannten Kammer die Ladung veranlasst hat; damit ist dem Bestimmtheitsgebot hinreichend Rechnung getragen.

In der Terminsmitteilung an die Klägerin musste auch nicht die Adresse der Beklagten angegeben werden. Der Betreff "Rechtsstreit E. L ... gegen die BfA Berlin" dient zusammen mit dem ebenfalls angeführten Aktenzeichen S 13 RA 1510/97 nur als Hinweis für die Klägerin, um welche Streitsache es sich handelt. Damit ist der konkrete Rechtsstreit, für den Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt ist, eindeutig festgelegt.

Die Rüge, dass die Adresse der Beklagten im Urteil vom 01.06. 2001 unrichtig mit "Ruhrstraße 2, 10704 Berlin" wiedergegeben sei und die Postleitzahl 10709 laute, 10704 hingegen die Nummer des Postfaches der Beklagten sei, ist unzutreffend, weil 10704 die richtige Postleitzahl ist; der Vortrag der Klägerin ist im Übrigen auch unbehelflich, weil die Beklagte aufgrund der Angaben über Straße und Ort eindeutig bestimmt ist.

Warum - nach Vortrag der Klägerin - auf Seite 1 des Urteils (Rubrum) noch ein Datum fehlen sollte und dort anzubringen wäre, ist dem Senat nicht nachvollziehbar. Auf dieser Seite befindet sich das Datum 01.06.2001, wann das Urteil verkündet worden ist, auf Seite 10 das Datum 05.11.2001, wann die für die Klägerin bestimmte Ausfertigung erstellt worden ist. Zur Post gegeben wurde das Urteil mit Einschreiben vom 06.11.2001, was der Klägerin ebenfalls klar und deutlich ersichtlich war (siehe die von ihr bei Gericht vorgelegte Kopie des Einschreibens), zugegangen am 07.11.2001. Damit sind alle - sowohl für die Ausfertigung als auch für die Zustellung - wesentlichen Daten fixiert. Der Senat vermag hier nicht zu ersehen, welche Verfahrensvorschrift verletzt sein sollte und was die Klägerin konkret mit "Datum fehlt" und "längerer Postweg?" rügen will. Sollte sie auf höchstrichterliche Urteile Bezug nehmen, dass Urteile, die nicht binnen fünf Monaten nach der mündlichen Verhandlung abgesetzt werden, als Urteile ohne Entscheidungsgründe zu behandeln sind und an einem wesentlichen Verfahrensmangel leiden (absoluter Revisionsgrund), so ist festzustellen, dass vorliegend ein derartiger Mangel nicht besteht. Laut Blatt 132 der Sozialgerichtsakte ging das vom Vorsitzenden Richter gefertigte Urteil bei der Schreibkanzlei des Sozialgerichts am 31.10.2001 ein, ist also noch innerhalb der Fünfmonatsfrist, gerechnet ab Verkündung des Urteils am 01.06.2001, abgesetzt worden.

Ein wesentlicher Verfahrensfehler wird auch nicht darin gesehen, dass die für die Klägerin bestimmte Urteilsausfertigung auf Seite 10 nach Rechtsmittelbelehrung keine Unterschrift des Berufsrichters aufweist, sondern lediglich den maschinengeschriebenen Namen "H." und daneben den vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle handschriftlich unterschriebenen Ausfertigungsvermerk vom 05.11.2001. Hier soll nach Ansicht der Klägerin (Vorname und Dienstbezeichnung fehlt; keine Angaben, ob männlich oder weiblich; die Identität dieser persönlich verantwortlichen Person sei nicht feststellbar) Wesentliches fehlen.

Zunächst stellt der Senat hierzu fest, dass auf Blatt 1 des Urteils die "13. Kammer" und "Richter am Sozialgericht H. als Vorsitzenden" angeführt sind, so dass - abgesehen von dem Hinweis auf einen Mann und nicht eine Frau sowie auf die Dienstbezeichnung - die Person des Richters eindeutig und unverwechselbar bestimmbar ist und feststeht. Im Übrigen gilt Folgendes: Das Urteil ist vom Vorsitzenden zu unterschreiben (§ 134 Satz 1 SGG), was auch geschehen ist. Weder notwendig noch üblich sind Vorname und Dienstbezeichnung (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, Rdz.2a zu § 134). Das vom Richter unterschriebene Urteilsexemplar, das auch Urschrift genannt wird, wurde als Bl.122 f. in der Klageakte abgeheftet. Nicht vom Vorsitzenden zu unterschreiben waren die Urteilsexemplare, die die Klageparteien erhalten (so genannte Urteilsausfertigungen). Die Ausfertigungen des Urteils sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben (§ 137 SGG), was auch - wie die von der Klägerin eingesandte Kopie beweist - geschehen ist. Die Ausfertigung (mit Unterschrift des Urkundsbeamten) stellt die Abschrift einer öffentlichen Urkunde in gesetzlicher Form da, die im Rechtsverkehr die Urschrift ersetzt. Damit wird nicht nur die inhaltliche Indentität mit der "Urschrift" beurkundet, sondern auch, dass der im Rubrum genannte Richter - hier "Richter am Sozialgericht H. als Vorsitzender" - das Urteil am Schluss bei dem maschinengeschriebenen Wort "H." handschriftlich unterschrieben hat.

Wesentliche Verfahrensfehler, auf denen das Urteil des Sozialgerichts beruhen kann, sind nicht gegeben. Es erübrigen sich daher weitere Ausführungen dazu, dass auch bei Unterstellung von Fehlern diese in der Regel nicht zur Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit des Urteils führen würden, ebenso wenig zur (ersatzlosen) Aufhebung eines wirksamen, aber verfahrensfehlerhaft zustande gekommenen Urteils, wenn der Urteilsspruch ("Tenor") - hier die Klageabweisung - zutreffend ist. Letzterenfalls kommt es auch nicht darauf an, ob die Begründung, d.h. Tatbestand und Entscheidungsgründe, richtig sind. Der Senat ist Tatsachen- und Rechtsinstanz und entscheidet selbständig, ob und mit welcher Begründung der Urteilsspruch aufzuheben, abzuändern oder (im Ergebnis) zu bestätigen ist.

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. 2.1. Hinsichtlich des Bescheids vom 29.05.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.1997 war die Klagefrist für eine auf Verurteilung der Beklagten zur Rentengewährung gerichteten Anfechtungs- und Leistungsklage versäumt und wäre eine derartige Klage unzulässig gewesen. Auch die Klägerin hat erkannt, dass insoweit eine Klage unzulässig ist, und dies in einem ihrer Schriftsätze ausdrücklich erwähnt, ebenso, dass sie eine verfristete und deswegen unzulässige Klage nicht führen wolle.

Es liegt eine (nicht fristgebundene) Feststellungsklage (§ 55 SGG), verbunden mit einer Verpflichtungsklage (§ 54 Abs.1 Satz 1, Fall 2 SGG - Verurteilung zum Erlass eines abgelehn- ten oder unterlassenen Verwaltungsakts) vor. Die Klägerin will, dies ergibt die Auslegung aller ihrer Schriftsätze, kein Gestaltungsurteil (Abänderung oder Aufhebung eines existenten Verwaltungsakts), sondern vielmehr die gerichtliche Feststellung, dass ein unwirksamer oder nichtiger Verwaltungsakt vorliegt bzw. dass ein Verwaltungsakt, eine rechtliche Einzelfallregelung, nicht besteht ("nicht verbindlich").

Neben dieser Feststellungsklage liegt das Begehren vor, die Beklagte zur Verbescheidung eines Rentenantrags zu verurteilen. Dies hat die Klägerin mehrmals ausdrücklich ausgeführt und in zweiter Instanz nochmals klargestellt; auf diesen Willen weisen auch ihre Absicht und ihr Verhalten, dass das Sozialgericht selbst keine Beweisaufnahme (Gutachten) durchführen und "Feststellungen" zur Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit treffen solle, mithin nicht sich mit der Prüfung (und Entscheidung) über die materiell-rechtlichen Rentenvoraussetzungen zu befassen habe.

Sie wünschte vielmehr, dass die Beklagte zu einer Tätigkeit, zu dem Erlass eines ("wirksamen") Bescheids verpflichtet werden solle. Wenn die Klägerin dies auch als Untätigkeitsklage mit dem Ziele, die Beklagte zu einer Tätigkeit zu veranlassen, bezeichnet, so ergibt die Auslegung (§ 123 SGG) ihres Begehrens eine beabsichtigte Verpflichtungsklage. Eine Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) wäre von vornherein offensichtlich unzulässig, weil die Beklagte ja durch Erteilung von Bescheid und Widerspruchsbescheid tätig geworden ist. Auf die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit/Nichtigkeit der erteilten Verwaltungsakte, d.h. die Bewertung der Bescheide im Hinblick auf Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit, kommt es bei der Frage der Unterlassung nicht an.

Die Feststellungsklage ist - unter der vorliegenden Behauptung, dass ein unwirksamer bzw. nichtiger Verwaltungsakt vorliege, zwar zulässig. Sie ist aber unbegründet, weil der streitbefangene Widerspruchsbescheid wirksam und rechtmäßig ist. Der von der Klägerin geltend gemachte Mangel, die fehlende (handschriftliche) Unterschrift der Mitglieder des Widerspruchsausschusses, liegt nicht vor.

Ein schriftlicher Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen, was vorliegend mit eindeutiger Angabe auf den Widerspruchsbescheid erfüllt ist, und muss ferner die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten (§ 33 Abs.3 SGB X); letzteres ist mit maschinengeschriebener Wiedergabe der drei Namen der an der Widerspruchsentscheidung Beteiligten erfüllt (Meyer-Ladewig, SGG, Rdz.7 zu § 85: Kenntlichmachung der beteiligten Mitglieder des Widerspruchsausschusses). Gemäß § 85 Abs.2 Nr.2 SGG erlässt den Widerspruchsbescheid die von der Vertreterversammlung bestimmte Stelle. Abgesehen davon gilt die allgemeine Vorschrift des § 33 Abs.3 SGB X weiter, nachdem insoweit im SGG keine besonderen Vorschriften hierzu enthalten sind (Meyer-Ladewig, SGG, Rdz.6 zu § 85 SGG). Der Widerspruchsbescheid ist im Übrigen in dem in der Versichertenakte abgehefteten Exemplar von allen drei Mitgliedern des Widerspruchsausschusses handschriftlich unterschrieben (vgl. hierzu BSG SozR 1500 § 85 Nr.5), so dass gesichert ist, dass der Widerspruchsbescheid nicht lediglich einen "Entwurf" darstellt, d.h. ohne Wissen und Wollen bzw. entgegen dem Willen der Ausschussmitglieder den Behördenbereich verlassen hat.

Bei Wirksamkeit des Widerspruchsbescheides (und damit der Unbegründetheit der Feststellungsklage) wären die Voraussetzungen einer damit verbundenen Verpflichtungsklage (Verpflichtung zur Erteilung eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts) schon begrifflich nicht erfüllt. Die Verpflichtungsklage ist als unzulässig anzusehen, im Übrigen auch deswegen, weil hiermit die Fristbindung der für den vorliegenden Fall vorgesehenen Anfechtungsklage bzw. Anfechtungs- und Leistungsklage umgangen würde.

2.2. Hinsichtlich des weiteren Bescheids vom 30.07.1999 gilt das oben Ausgeführte entsprechend. Auch insoweit hat die Klägerin "Unwirksamkeit" geltend gemacht und sich auf ihre Klage- und Berufungsanträge bezogen; gerügt worden ist eine nicht ordnungsgemäße ("verwischte") Unterschrift des Sachbearbeiters. Festzuhalten ist hier, dass der Namensstempel "T." sowohl auf dem von der Klägerin dem Senat in Kopie übersandten Verwaltungsakt als auch auf dem Aktenexemplar der Beklagten gut lesbar ist, und im Übrigen der Bescheid noch handschriftlich mit einem individualisierten Namenszug versehen ist, somit keine "formalen" Mängel aufweist.

3. Die Klagen waren daher abzuweisen. Nachdem die Unwirksamkeit/Nichtigkeit von Verwaltungsakten neben der primär hier vorgesehenen Feststellungsklage auch mit Anfechtungsklage angefochten werden kann, hat der Senat den Wortlaut des Tenors des erstinstanzlichen Urteils belassen und eine Ergänzung hinsichtlich der Abweisung der Feststellungs- und Verpflichtungsklage vorgesehen.

Zur Auswirkung kam angesichts der Lage des Streitfalls nicht mehr, dass das Verwaltungsverfahren der Beklagten (Forderung eines Befundberichts nach vorheriger Untersuchung der Klägerin durch einen Orthopäden) bedenklich gewesen ist und der Bescheid vom 29.05.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10. 1997 an dem Mangel leidet, dass nicht klar ersichtlich ist, ob die Ablehnung eines Rentenantrags wegen Nichterfüllung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale (Nichtfeststellbarkeit der Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit - Ablehnungsbescheid) oder eine Versagung von Sozialleistungen wegen mangelnder Mitwirkung gemäß § 67 SGB I erfolgt ist.

An die Klägerin ergeht der Hinweis, dass sie durch unzweckmäßige Prozessführung und objektiv nicht begründbare Abwehr der vom Sozialgericht und der Beklagten vorgesehenen ärztlichen Untersuchungen die Durchsetzung eines denkbaren Rentenanspruchs unmöglich gemacht hat und darüber hinaus die Gefahr besteht, dass sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine künftige Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung nicht mehr erfüllt, wenn sich - bedingt durch ihr Verhalten - die medizinischen Voraussetzungen nicht oder zu einem Zeitpunkt nach Ablauf von zwei Jahren nach dem letzten Rentenbezug feststellen lassen. Die Klägerin möge sich zur Aufrechterhaltung ihres Anwartschaftsrechts unverzüglich nach Erhalt dieses Urteils gegenüber der Beklagten zu einer ärztlichen Untersuchung bereit erklären und dann die von dieser vorgesehenen Untersuchungstermine auch wahrnehmen, da ansonsten eine Rentengewährung erst wieder mit Vollendung des 65. Lebensjahres möglich erscheint. Alleine mit ihren "formalen" Einwänden wird sich ein Rentenanspruch wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit bzw. voller oder teilweise Erwerbsminderung nie erreichen lassen, weil die früher bewilligte Rente kraft Gesetzes mit Ablauf der vorgesehenen Frist (31.05.1997, verlängert bis 31.06.1997) weggefallen ist und von früheren Beurteilungen und Wertungen völlig unabhängige Neufeststellungen erforderlich sind, ob die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch vorliegen.

Die eingelegte Berufung war zurückzuweisen und die erhobenen Klagen waren abzuweisen, beides mit der Kostenfolge aus § 193 SGG. Eine Entscheidung des Senats konnte ergehen, weil die Klägerin ordnungsgemäß geladen (Terminsmitteilung) worden ist und sie die Ladung auch mehr als zwei Wochen vor dem Termin erhalten hat. Eine "formal" mangelhafte oder unwirksame Ladung, wie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 07.02.2003 gerügt hatte, lag nicht vor. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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