L 18 U 51/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 319/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 51/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 13.12.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob eine Meniskusverletzung am linken Knie des Klägers als Unfallfolge anzuerkennen und zu entschädigen ist.

Der am 1937 geborene Kläger verunfallte am 22.08.1997 beim Versuch, ohne Leiter aus einem ca 1,8 m tiefen Kabelschacht auszusteigen. Er hatte sich nach seinen Angaben mit dem linken Bein in einer Aussparung (Loch in der Wand) abgestützt, war ausgerutscht und in den Kabelschacht zurückgefallen. Dabei hatte er sich das linke Knie verdreht. Er arbeitete nach dem Unfall weiter und suchte erstmals am 22.09.1997 den Unfallarzt Dr.K. auf. Dieser diagnostizierte im Durchgangsarztbericht vom 22.09.1997 eine Distorsion des linken Kniegelenkes bei Verdacht auf Innenmeniskusläsion. Im Nachschaubericht vom 25.09.1997 vermerkte Prof. Dr.K. , der Kläger habe bislang durchgehend gearbeitet und es bestünden erhebliche Bedenken, ob der angegebene Unfall den möglichen Meniskusschaden verursacht habe. Eine am 29.09.1997 durchgeführte Arthroskopie zeigte einen Innenmeniskuslappenriss am Übergang des Pars intermedia / Hinterhorn, der operativ entfernt wurde. Die Histologie des Operationspräparates zeigte, dass das Ereignis vom 22.08.1997 einen vorgeschädigten Meniskus getroffen hatte, aber letztendlich an diesem auch zu frischen Rupturen geführt hatte.

Der Beklagte ließ den Kläger von Prof. Dr.K. begutachten (Gutachten vom 11.03.1998). Dieser meinte, der Unfall habe für ein Jahr zu einer vorübergehenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens geführt und bewertete einen Zustand nach Teilmenisektomie vom 13.12.1997 bis 22.08.1998 mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH, ab 23.08.1998 von 10 vH. Der beratende Arzt der Beklagten, Dr.S. , verneinte in seiner Stellungnahme vom 20.04.1998 Unfallfolgen und ging von unfallfremden Aufbrauchsveränderungen des Innenmeniskus aus. Er begründete dies ua damit, dass bei einer unfallbedingten Meniskusschädigung immer auch Schäden der das Kniegelenk stabilisierenden Bänder vorliegen müssten, was beim Kläger aber nicht der Fall gewesen sei. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe von Anfang an nicht bestanden, da im Hinblick auf die erst nach vier Wochen einsetzende weitere Diagnostik und Therapie noch nicht einmal ein zeitlicher Zusammenhang wahrscheinlich sei.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 17.06.1998 die Gewährung von Heilbehandlungsmaßnahmen und die Anerkennung unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit ab 22.09.1997 ab. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr.S. vom 30.06.1998 vor, der die Auffassung vertrat, dass eine Erstbehandlung im Abstand von vier Wochen zu dem Unfallereignis nicht von vorneherein gegen einen zeitlichen Zusammenhang spreche. Der nach Aktenlage von der Beklagten gehörte Prof. Dr.F. schloss sich in seiner Stellungnahme vom 22.07.1998 der Auffassung des Dr.S. an. Der von der Beklagten des Weiteren mit fachchirurgischem Gutachten vom 06.10.1998 gehörte Dr.D. ging von einer Distorsion des linken Kniegelenkes aufgrund des Unfallereignisses aus und vertrat die Auffassung, dass Unfallfolgen nicht mehr nachweisbar seien. Die Tatsache, dass der Kläger nach dem Ereignis bis Schichtende weitergearbeitet und nach dem Wochenende die Arbeit wieder aufgenommen habe und diese drei Wochen lang durchgeführt habe, spreche gegen eine schwere Bandverletzung oder knöcherne Verletzung des Kniegelenkes. Die Verletzung (Distorsion / Zerrung) sei nur als Gelegenheitsursache zu werten. Eine Distorsion am Kniegelenk sollte in drei bis vier Wochen ausgeheilt sein, so dass wieder Arbeitsfähigkeit vorliege.

Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.1998 zurück.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Bayreuth hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.1998 zur Anerkennung einer Meniskusverletzung links als Unfallfolge sowie zur Gewährung einer Verletztenrente entsprechend dem Gutachten des Dr.K. vom 28.10.1999 zu verurteilen. Das SG hat ein Gutachten des Chirurgen Dr.B. vom 11.05.1999 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, gegen einen Kausalzusammenhang spreche, dass das Ereignis vom 22.08.1997 nicht so schwer gewesen sei, dass es eine sofortige Arbeitseinstellung und Vorstellung beim Arzt erforderlich gemacht habe. Weder bei der Erstuntersuchung am 22.09.1997 noch anlässlich späterer Untersuchungen sei eine Bandinstabilität am linken Knie diagnostiziert worden, die Voraussetzung für eine traumatische Verletzung des Meniskus sei. Schließlich spreche der histologische Befund des Operationspräparates und der arthroskopische Befund gegen eine traumatische Ursache der Innenmeniskusläsion. Eine richtungweisende Verschlimmerung könne nicht angenommen werden. Es bestehe nämlich ein erheblicher Vorschaden in Form von massiven degenerativen Veränderungen. Es liege ein geringfügiges Unfallereignis vor, das zu jedem anderen Zeitpunkt und an jedem anderen Ort hätte eintreten können. Das Unfallereignis sei daher nicht als teilursächliche wesentliche Bedingung, sondern eher als Gelegenheitsursache anzusehen.

Der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Chirurg Dr.K. hat im Gutachten vom 28.10.1999 einen Zusammenhang des Knieschadens mit dem Unfallereignis iS der Verschlimmerung bejaht. Nach der Histologie des Operationspräparates seien Teile des Lappenrisses noch nicht abgedeckelt bzw abgerundet gewesen, so dass das Ereignis zu dieser frischen Ruptur geführt habe. Das Unfallereignis habe zumindest zu einer vorübergehenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens geführt. Die MdE sei vom 13.12.1997 bis 08.07.1998 mit 20 vH und danach bis zum Ende des ersten Unfalljahres mit 10 vH zu bewerten. Danach sei das Geschehen wieder in den schicksalhaften Verlauf eingemündet.

Der Kläger hat - wie schon vor dem SG - zum Beweis dafür, dass er seiner Arbeit drei Wochen lang nur unter erheblichen Schmerzen im Kniebereich habe nachgehen können, die Zeugen B. , A. und B. benannt. Außerdem hat er seine Tochter B. P. als Zeugin dafür benannt, dass er von ihr wegen seiner arbeitsunfallbedingten akuten Knieschmerzen an den Wochenenden mit Salbenverbänden und anderem behandelt worden sei und vor dem Unfallzeitpunkt keinerlei Behandlungsbedarf bestanden habe.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Bayreuth vom 13.12.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17.06.1998 idF des Widerspruchsbescheides vom 20.11.1998 zur Anerkennung einer Meniskusverletzung links als Unfallfolge sowie zur Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 13.12.2001 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Unfallakte der Beklagten, die Archivakte des SG Bayreuth S 10 U 194/96 und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, denn der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen, denn der operativ behandelte Innen- meniskuslappenriss links ist nicht wesentlich ursächlich auf das Unfallereignis vom 22.08.1997 zurückzuführen.

Gemäß § 56 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, Anspruch auf Gewährung von Rente.

Diese Voraussetzung ist im Fall des Klägers nicht erfüllt, da der Unfall keine rentenberechtigende MdE hinterlassen hat. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten des Dr.B. vom 11.05.1999, dem Gutachten des Dr.D. vom 06.10.1998 sowie aus der Stellungnahme des beratenden Arztes der Beklagten Dr.S. vom 20.04.1998. Den Gutachten des Prof. Dr.K. vom 11.03.1998 und des Dr.K. gemäß § 109 SGG vom 28.10.1999 vermag der Senat nicht zu folgen.

Ein Arbeitsunfall liegt nur dann vor, wenn der Versicherte durch ein von außen einwirkendes Ereignis plötzlich, örtlich und zeitlich bestimmbar, längstens während einer Arbeitsschicht, einen Körperschaden erlitten hat (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 12.Auflage, Bd 3 § 8 Rdnr 9 mwN). Der ursächliche Zusammenhang zwischen einem Ereignis, das von außen auf den Körper des Versicherten eingewirkt hat und einer Gesundheitsstörung besteht nur dann, wenn das Ereignis wesentlich zu deren Eintritt mitgewirkt hat. Im Falle der kausalen Konkurrenz einer äußeren Einwirkung mit einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage ist dies zwar auch noch dann der Fall, wenn beide Umstände in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig bzw in etwa gleichem Maße wesentlich sind, der Krankheitsanlage keine überragende und damit rechtlich allein wesentliche Bedeutung zukommt (vgl Brackmann, aaO Rdnr 314 ff). Ist die Krankheitsanlage jedoch so stark ausgeprägt oder so leicht ansprechbar, dass es zur "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedarf, sondern wäre die Gesundheitsstörung nach menschlichem Ermessen auch bei jedem anderen alltäglich vorkommenden ähnlich gelagerten Ereignis außerhalb der versicherten Tätigkeit oder sogar ohne besonderen Anlass etwa zu derselben Zeit zum Ausbruch gekommen, so bildet das Unfallereignis nur eine rechtlich unbeachtliche Gelegenheitsursache des durch eine Krankheitsanlage vorgezeichneten Körperschadens, bei der es an dem notwendigen Zusammenhang fehlt. Dabei ist es rechtlich auch ohne Bedeutung, ob die äußere Einwirkung nur geringfügig oder erheblich war (Brackmann, 11.Auflage, S 488 s ff; Bundessozialgericht -BSG- SozR 2200 § 589 Nr 10; BSG HVBG-INFO 1999, 1099-1107 und HVBG-INFO 2001, 1713-1720). Denn der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung dient nicht dazu, bei betrieblichen Tätigkeiten nur augenscheinlich werdende Gesundheitsstörungen zu entschädigen (BSG SozR 2200 § 548 Nr 51).

Nach der in der Unfallmedizin herrschenden Lehre (dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6.Auflage, S 638 ff) ist bei Beurteilung derartiger Zusammenhangsfragen der wesentliche Ursachenzusammenhang zu verneinen, wenn ein nachweislich degenerierter Meniskus bei gewöhnlichen Bewegungen zerreißt. Wirkt aber auf einen derart vorgeschädigten Meniskus - wie hier - ein geeigneter Unfallmechanismus (zu geeigneten Unfallverläufen vgl Schönberger u.a. S 643, 644) ein und führt dies zum Zerreißen des Gewebes, so gibt es mit dem Vorschaden und der Unfalleinwirkung zwei Schadensursachen, die in ihrer Bedeutung für die Entstehung des Schadens nach vorgenannten Maßstäben abzuwägen sind.

Das Kniegelenk des Klägers war schon vor dem Unfall deutlich krankhaft verändert. Die Histologie des Operationspräparates ergab herdförmig deutlich degenerative Veränderungen eines aufgerissenen Faserknorpels. Alle gehörten Sachverständigen und der beratende Arzt der Beklagten gehen daher in für den Senat nachvollziehbarer Weise von einem degenerativ vorgeschädigten Meniskus aus. Die Rissbildung wäre dennoch als Unfallfolge erklärbar, wenn vorgelagerte Kniestrukturen gleichzeitig geschädigt worden wären. Dies war vorliegend aber nicht der Fall. Der ohne Begleitverletzung am Kapselbandapparat aufgetretene Meniskusschaden weist auf ein degenerativ entstandenes Gewebsleiden hin, denn einen isolierten Meniskusriss ohne verletzungsspezifische Veränderung an anderen Strukturen gibt es nicht (aaO S 651 mwN).

Soweit der vom Beklagten gehörte Prof. Dr.K. und der vom SG gemäß § 109 SGG gehörte Dr.K. eine vorübergehende Verschlechterung eines vorbestehenden Leidens annehmen und dies mit der möglicherweise frischen Risskomponente des Innenmeniskuslappens begründen, vermag der Senat dem ebenfalls nicht zu folgen. Denn nicht die Degeneration als solche ist durch den Unfall verschlimmert worden, vielmehr ist ein Riss in einem vorher degenerativ veränderten Meniskus erfolgt (vgl aaO S 658). Dem Unfallereignis kommt aber nur dann für den Eintritt der Gesundheitsstörung die alleinige oder überragende Bedeutung zu, wenn der Unfall geeignet ist, auch einen gesunden Meniskus zu zerreißen (aaO). Davon kann vorliegend nicht die Rede sein, da jegliche Begleitverletzungen fehlten.

Der Senat sieht daher den zur Meniskusschädigung führenden Bewegungsvorgang als nicht wesentliche Teilursache für den Knieschaden an. Die beim Kläger vorliegenden degenerativen Veränderungen im Kniegelenk stellen die rechtlich allein wesentliche Ursache für die Schädigung des rechten Kniegelenkes dar. Die Schädigung hätte sich auch ohne den Unfall zu ungefähr der gleichen Zeit und in annäherend gleicher Art und Weise ereignen können. Somit ist der Unfall zwar infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten, es kann aber nur eine Distorsion des Kniegelenkes als Arbeitsunfall anerkannt werden. Die Innenmeniskusverletzung ist nicht Folge des Unfalles. Leistungen aufgrund des Unfalles können ab dem 22.09.1997 nicht mehr gewährt werden.

Bei dieser Sach- und Rechtslage bedurfte es der Einvernahme der angebotenen Zeugen nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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