L 5 RJ 361/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 14 RJ 751/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 361/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 2. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Gewährung von Altersrente. Der am 1928 geborene Kläger ist zumindest seit 01.03.1993 algerischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Algerien. Er hat in Deutschland von November 1958 bis Oktober 1961 und von Februar 1962 bis Januar 1963 Versicherungsbeiträge zur LVA Oberbayern entrichtet. Laut Formblatt E 202 des französischen Rentenversicherungsträgers vom 08.04.1993 hat der Kläger dort 1972 drei Trimester an Versicherungszeiten zurückgelegt. Mit Bescheid vom 18.10.1993 lehnte die Beklagte den Erstantrag auf Altersrente mangels Erfüllung der Wartezeit von 60 Kalendermonaten ab. Eine Zusammenrechnung mit französischen Zeiten komme nicht in Frage, da die EWG-Verordnung nicht anwendbar sei. Daraufhin beantragte der Kläger am 26.04.1994 Beitragserstattung, die ihm am 14.08.1996 bewilligt wurde. Nach Erhalt des Erstattungsbetrags ging am 15.10.1996 ein Schreiben des Klägers ein, worin er die Erstattung ablehnte, erneut Altersrente beantragte und sich gleichzeitig bereit erklärte, den erstatteten Betrag zurückzuzahlen. Die Beklagte verwarf den Widerspruch gegen den Erstattungsbescheid mangels konkreter Beschwer am 27.04.2000 als unzulässig und lehnte den Altersrentenantrag mit Schreiben vom 10.05.2000 ab, da das bisherige Versicherungsverhältnis mit der Beitragserstattung aufgelöst worden sei. Den Widerspruch begründete der Kläger damit, gegen die Bewilligung der Beitragserstattung sei eine Klage anhängig. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.03.2001 hat der Kläger am 18.04.2001 Klage mit dem Antrag erhoben, ihm Regelaltersrente zuzuerkennen. Diese ist am 02.05.2002 mit der Begründung abgewiesen worden, zwar sei die Beitragserstattung nicht bestandskräftig, der Kläger habe aber lediglich 48 Monate an Versicherungszeiten zurückgelegt. Da er algerischer Staatsangehöriger sei, sei die EWG-Verordnung nicht einschlägig. Eine freiwillige Beitragsleistung sei nicht zulässig. Die Klage gegen den Beitragserstattungsbescheid vom 14.08.1996 (S 14 RJ 1392/00) ist am 15.05.2002 vom Sozialgericht München abgewiesen worden. Der Gerichtsbescheid ist am 13.06.2002 zugestellt worden.

Gegen den am 13.06.2002 zugestellten Gerichtsbescheid vom 02.05.2002 hat der Kläger am 08.07.2002 Berufung eingelegt. Während der Arbeitszeit in Deutschland sei er französicher Staatsangehöriger gewesen und auch soziale Gründe sprächen für einen Rentenanspruch. Im Februar 1961 sei er trotz fortbestehender Krankheit, die bis heute andauere, aus dem deutschen Krankenhaus entlassen worden. Die Beklagte hat auf Anfrage mitgeteilt, bei Auslandsaufenthalt werde Versicherten das Recht zur freiwilligen Versicherung nicht unabhängig von der aktuellen Staatsangehörigkeit zugestanden. Nach Aufklärung des Klägers, dass trotz Anwendung von EWG-Recht die notwendige Wartezeit von 60 Kalendermonaten nicht erreicht werde, weil in Frankreich lediglich neun Monate nachgewiesen seien, hat der Kläger am 12.03.2002 geschrieben, er habe in Frankreich vier Jahre an Beitragszeiten zurückgelegt. Der Aufforderung zur Vorlage von Beweisen ist der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht nachgekommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 02.05.2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2001 zu verurteilen, ab 01.10.1996 Altersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 02.05.2002 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts München sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 02.05.2002 ist ebenso wenig zu beanstanden, wie der Bescheid der Beklagten vom 10.05. 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2001. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Altersrente. Als Anspruchsgrundlage kommt lediglich § 35 SGB VI in Betracht. Eine Rentengewährung aus sozialen Gründen sieht das deutsche Recht nur für Erwerbsunfähige mit Wohnsitz im Inland vor (§ 16 GSiG).

Gemäß § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Unstreitig hat der 1928 geborene Kläger das 65. Lebensjahr vollendet. Es kann dahinstehen, ob der Erstattungsbescheid vom 14.08.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2000 nach Erlass des Gerichtsbescheids vom 15.05.2002 bestandskräftig ist, nachdem der Kläger dagegen keine Berufung erhoben hat. Jedenfalls hat er auch unter Berücksichtigung des Versichertenstatus, den er mittels Beschäftigung zwischen 1958 und 1963 erworben hat, die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Regelaltersrente ist die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs.1 Ziffer 1 SGB VI). Auf die allgemeine Wartezeit werden Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet (§ 51 Abs.1 SGB VI). An Beitragszeiten hat der Kläger 1958 zwei Monate, 1959 12 Monate, 1960 12 Monate, 1961 zehn Monate, 1962 elf Monate und 1963 einen Monat, also insgesamt 48 Kalendermonate zurückgelegt. Damit erreicht er die notwendige Anzahl von 60 Kalendermonaten nicht. Die angebliche Zeit der Arbeitsunfähigkeit Anfang 1961 ist für den Versicherungsverlauf unbeachtlich, weil diese Monate mit Beiträgen belegt sind und deren angebliche Fortdauer bis heute durch die spätere Beitragsleistungen widerlegt ist.

Zwar hat der Kläger auch französische Versicherungsbeiträge bestätigt erhalten, die gemäß Artikel 2 in Verbindung mit Artikel 3 der EWG-Verordnung 1408/71 anrechenbar sind. Während der Zurücklegung der Versicherungszeiten in Deutschland war der Kläger bis zur staatlichen Unabhängigkeit Algeriens am 01.07.1962 französischer Staatsangehöriger, also Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der EWG. Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 04.02.1988 (in SozR 6050 Art.2 Nr.11) im Anschluss an die Entscheidung des EuGH vom 12.10.1978 (in SozR 6050 Art.2 Nr.4) ausgeführt hat, ist für die Feststellung des Anspruchs auf Leistungen nach der EWG-Verordnung 1408/71 maßgebend, ob der Wanderarbeitnehmer während der Zurücklegung der Versicherungszeiten Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaats der EWG gewesen ist. Ein späterer Staatsangehörigkeitswechsel schließt - unabhängig von dem hierfür maßgeblichen Grund - den Anspruch nicht aus. Allerdings hat der Kläger in Frankreich lediglich drei Trimester = &190; Jahre = neun Monate zurückgelegt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger tatsächlich während dieser Zeit 1972 französicher Staatsangehöriger war. Zusammen mit den 48 Kalendermonaten in Deutschland errechnet sich nämlich eine Summe von nur 57 Kalendermonaten. Auch damit erfüllt der Kläger also die allgemeine Wartezeit nicht.

Falls der Kläger für seine Behauptung weiterer Versicherungszeiten in Frankreich als französischer Staatsbürger Beweis erbringen kann, wird die Beklagte nicht umhin können, eine erneute Überprüfung des Rentenanspruchs vorzunehmen. Voraussetzung eines positiven Bescheides wäre allerdings, dass sich die Unrichtigkeit des E 202 vom 08.04.1993 erweist und dies auch vom französischen Rentenversicherungsträger bestätigt wird.

Der Kläger ist nicht berechtigt, die fehlenden drei Monate mittels freiwilliger Beitragsleistung zu erwerben. Berechtigt zur freiwilligen Versicherung sind gemäß § 7 Abs.1 Satz 1 SGB VI alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland haben. Auf ihre Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (§ 3 Nr.2 SGB IV). Wer jedoch seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, ist nur dann zur freiwilligen Versicherung berechtigt, wenn er Deutscher im Sinne des Artikel 116 Abs.1 Grundgesetz ist (§ 2 Abs.1a SGB IV in Verbindung mit § 7 Abs.1 Satz 2 SGB VI). Als Nichtdeutscher mit Wohnsitz im Ausland wäre der Kläger nur dann zur freiwilligen Versicherung berechtigt, wenn sich dies aus der EWG-Verordnung oder einem Sozialversicherungsabkommen ergäbe. Selbst Staatsangehörige der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind nach den Regelungen der EWG-Verordnung 1408/71 bei Aufenthalt in einem Staat außerhalb der EU nur dann zur freiwilligen Versicherung berechtigt, wenn sie eine Vorversicherung von 60 Monaten in der deutschen Rentenversicherung haben und nicht in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union pflicht- oder freiwillig versichert sind (Anhang 6 Abschnitt C Nr.4 der EWG-Verordnung 1408/71). Anders als bei Leistungsansprüchen stellt die EWG-Verordnung im Rahmen der Versicherungsberechtigung ausschließlich auf den aktuellen Status ab. Nachdem der Kläger derzeit außerhalb eines Mitgliedsstaates der EU wohnt, hat er ungeachtet der Frage, ob er als Staatsangehöriger eines der Mitgliedsstaaten der EU zu gelten hat, kein Recht auf freiwillige Versicherung. Zudem gesteht die Beklagte das Recht der freiwilligen Versicherung bei Auslandsaufenthalt nicht unabhängig von der aktuellen Staatsangehörigkeit zu.

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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