L 12 KA 200/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 32 KA 2676/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 200/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 29/03 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagte wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. Oktober 2001 hinsichtlich des Quartals 1/95 (Az.: S 32 KA 2676/01) aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2001 abgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um die Höhe des vertragsärztli- chen Honorars des Klägers im Quartal 1/95.

Der Kläger ist als Radiologe in N. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und überwiegend strahlentherapeutisch tätig. Mit Honorarbescheid vom 18. Juli 1995 setzte die Beklag- te sein Honorar für das Quartal 1/95 auf DM 412.173,48 fest. Dabei wurden von den im Primärkassenbereich für die EBM-Nrn. 9, 11, 61, 75, 7021, 7022, 7023 angeforderten 3.148.300 Punkten 417.995,4 Punkte zum gestützten Punktwert und 2.730.304,6 Punk- te zum abgesenkten Punktwert vergütet. Hiergegen hat der Kläger durch seine Bevollmächtigten Widerspruch eingelegt und zur Begründung vorgetragen, er sei als Facharzt für Radiologie ausschließlich strahlentherapeutisch auf Überweisung von anderen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Kollegen tätig. Bei den EBM-Nrn. 9, 11, 61, 75, 7021, 7022 und 7023 sei eine Vergütung mit dem abgesenkten Punktwert wegen Überschreitung der Durchschnittshäufigkeit erfolgt. Dabei habe man offenbar die Abrechnungszahlen der Arztgruppe der Radiologen im Quartal 1/91 zur Ermittlung der Durchschnittswerte verwendet. Da der Kläger jedoch ausschließlich strahlentherapeutisch tätig sei, sei ein Vergleich nur mit der Gruppe der Strahlentherapeuten zulässig. Es werde beantragt, alle Leistungen ungekürzt nach dem Punktwert für Leistungen nach Ziffer 2.6.3.5.2 Satz 1a der Anlage 1 B zum Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten zu vergüten. Es liege eine unbillige Härte im Sinne von Ziffer 2.6.3.5.4 Satz 2 erster Spiegelstrich Anlage 1 B HVM vor.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 1996 zurück. Als Facharzt für Radiologie sei der Kläger aus dem Honorarfonds R2 zu vergüten. Hier habe es im Jahr 1995 zwei unterschiedliche Punktwerte gegeben, nämlich einen gestützten Punktwert für die Leistungen bis zur Durch- schnittshäufigkeit des Jahres 1991 und einen abgesenkten Punkt- wert für die über die Durchschnittshäufigkeit hinaus abgerech- neten Leistungen. Die Durchschnittshäufigkeit sei auf der Grundlage der Abrechnungen des Jahres 1991 gesondert je Quartal und je Arztgruppe für jede Leistung des BMÄ errechnet worden. Als Arztgruppe sei nach Ziffer 2.6.3.5.1 der Anlage 1 zum HVM die Gruppe von Ärzten zu verstehen, die mit der gleichen Arztbezeichnung zugelassen seien. Das bedeute, dass der Kläger, der als Radiologe zugelassen sei, auch mit der Arztgruppe der Radiologen zu vergleichen sei. Eine Vergleichsgruppe der Strah- lentherapeuten bzw. strahlentherapeutisch tätigen Ärzte sei nicht gebildet worden. Unter Berücksichtigung der Durch- schnittshäufigkeit im Jahr 1991 habe sich im Quartal 1/95 ein gestützter Punktwert von 8,06 Pfennig und ein abgesenkter Punktwert von 6,95 Pfennig ergeben.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde vom Sozialgericht München (SG) mit Urteil vom 19. Januar 1999 (Az.: S 42 Ka 83/97 und andere) abgewiesen und die dagegen eingelegte Beru- fung am 7. Februar 2001 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayer. Landessozialgericht zurückgenommen.

Mit Schriftsatz vom 19. März 1997 wiesen die Bevollmächtigten des Klägers darauf hin, dass sie in der Begründung ihrer Wider- sprüche ausdrücklich auch einen Härtefallantrag gemäß Anlage 1 B Ziffer 2.6.3.5.4 HVM gestellt hätten. Dazu stehe eine Entscheidung noch aus. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 12. August 1997 ausgeführt, dass in den Quartalen 1 und 2/95 zwar die Bedingung nach Spiegelstrich 3 der Härtefallregelung (Nettoeffekt mehr als 5 %) erfüllt sei. Um zu prüfen, ob auch die weiteren Bedingungen der Härtefallregelung erfüllt seien, werde ein Nachweis über die Höhe der vom Kläger beim Finanzamt geltend gemachten Betriebsausgaben/Praxiskosten des Veranlagungsjahres 1993 benötigt. Nachdem der Kläger einen derartigen Nachweis nicht vorgelegt hatte, lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung eines Härtefalls mit Bescheid vom 27. Dezember 2000 ab. Zwar habe der Nettoeffekt im Quartal 1/95 bei minus 9,28 % gelegen, doch habe der Kläger trotz mehrmaliger Aufforderung nicht nachgewiesen, dass seine Praxiskosten um mindestens 10 % über dem durchschnittlichen Praxiskostensatz seiner Arztgruppe lagen.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger durch seine Bevollmächtig- ten Widerspruch eingelegt und zur Begründung ausführen lassen, im Jahr 1995 habe eine härtefallbegründende besondere Versor- gungssituation im Rahmen der ambulanten strahlentherapeutischen Leistungserbringung vorgelegen. Das werde von der Beklagten auch derzeit noch anerkannt, in dem sie aus Sicherstellungsgründen der Praxis des Klägers unter anderem eine Aussetzung der Fallpunktzahlbegrenzungsregelung nach HVM Anlage 1 Zif- fer 3.6.3 bewillige. 1995 sei im gesamten Planungsbereich nur ein Strahlentherapeut in eigener Praxis zugelassen gewesen, während die sonstigen strahlentherapeutischen Leistungen durch ermächtigte Ärzte erbracht worden seien, die im großen Umfang auch stationär tätig gewesen seien. Desweiteren sei zu berücksichtigen, dass das Vergleichsjahr 1991 insofern verfälschend wirke, als der Kläger erst seit dem 1. Juli 1991 in eigener Praxis niedergelassen sei. In Mittelfranken sei es in der Zeit von 1991 bis 1995 in der Strahlentherapie zu einer Leistungssteigerung von über 50 % gekommen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich um die Behandlung von Krebspatienten handle, bei der die Leistungsmenge nicht vom Behandler beeinflusst werden könne, sondern ausschließlich der medizinischen Indikationen folge. Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2001 zurückgewiesen. Die nach Buchstabe B Zif- fer 2.6.3.5.4 Satz 2 der Anlage 1 zum HVM geforderten Voraus- setzungen seien nicht kumulativ erfüllt. Zwar liege der Nettoeffekt beim Kläger im Quartal 1/95 über 5 %. Er habe aber weder im Antragsverfahren, noch im Widerspruchsverfahren Nachweise dafür vorgelegt, dass seine Praxiskosten um mindestens 10 % über dem durchschnittlichen Praxiskostensatz der Arztgruppe ge- legen hätten. Der Widerspruch habe deshalb mangels Nachprüfbar- keit der Voraussetzungen gemäß Buchstabe B Ziffer 2.6.3.5.4 Satz 2 Spiegelstrich 2 der Anlage 1 zum HVM zurückgewiesen wer- den müssen.

Im anschließenden Klageverfahren wurde von Klägerseite vorge- tragen, die ambulante strahlentherapeutische Leistungserbrin- gung habe sich erst Anfang der 90-iger Jahre aufgrund des me- dizinischen Fortschritts entwickelt. Bis dahin seien die Leis- tungen fast ausschließlich stationär erbracht worden. Der Kläger sei im streitigen Zeitraum im Bereich der Bezirksstelle Mittelfranken der einzige in eigener Praxis niedergelassene Strahlentherapeut gewesen und als Radiologie mit der Schwer- punktbezeichnung Strahlentherapie zugelassen gewesen. Zur Zeit seiner Zulassung habe es den Facharzt für Strahlentherapie noch gar nicht gegeben. Er könne deshalb aufgrund seiner Altqualifi- kation das gesamte Leistungsspektrum des Facharztes für Strah- lentherapie abdecken. Auch wenn diese nicht geteilt werde, werde im Hinblick auf die Rechtsmeinung des 12. Senats des BayLSG die von der Beklagten ge- forderte Einnahmen-/Überschussrechnung nachgereicht. Danach beliefen sich die Betriebseinnahmen im Jahre 1993 auf 1.771.262,21 DM, denen Ausgaben in Höhe von 1.647.297,42 DM gegenüber standen, so dass sich ein steuerlicher Gewinn von ca. 123.000,00 DM ergab. Damit habe der Kostensatz bei fast 93 % gelegen, während er nach der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung herausgegebenen Statistik bei den Radiologen durchschnittlich nur bei 77,3 % liege. Entgegen der eigenen HVM-Regelung in Anlage 1 B Ziffer 2.6.3.5.1 der Beklagten, sei im Abrechnungszeitraum 1995 keine eigene Arztgruppe der Strahlentherapeuten gebildet worden. Ferner fehle ei- ne Unterscheidung zwischen den aufgrund einer Ermächtigung tätig werdenden Chefärzten und den in freier Praxis niedergelassenen Strahlentherapeuten. Das verstoße gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 9. September 1998, Az.: B 6 KA 55/97 R) müsse eine Kassenärztliche Vereinigung die Honorarverteilungsregelung ändern, wenn sich herausstelle, dass der Zweck der Regelung ganz oder teilweise nicht erreicht oder gar ver- fehlt werde, oder wenn die vorgenommene Einteilung in Teilbud- gets dazu führe, dass der Punktwert in einzelnen Bereichen deutlich stärker abfalle als bei dem größten Teil der sonstigen Leistungen, und wenn als Grund dafür keine von den jeweiligen Leistungserbringern selbst verursachte Mengenausweitung erkenn- bar sei. Bei den strahlentherapeutischen Leistungen hänge die Mengenentwicklung von den Krankheitsbildern ab. Die Beklagte greife auf einen zu weit zurückliegenden Bezugszeitraum zurück. Die Einbeziehung ermächtigter Krankenhausärzte bei der Ermitt- lung der Durchschnittshäufigkeit 1991 sei nicht akzeptabel, denn zwei Drittel sämtlicher in Bayern an der vertragsärztli- chen Versorgung teilnehmender Strahlentherapeuten seien nicht in freier Praxis niedergelassen. Sie erbrächten die meisten Leistungen stationär, wodurch sich ihre Durchschnittshäufigkeit signifikant absenke, mit der Folge, dass annähernd drei Viertel aller vom Kläger abgerechneten Leistung zum abgesenkten Punkt- wert vergütet würden. Die Beklagte hätte berücksichtigen müs- sen, dass etwa ab Anfang der 90-iger Jahre die Strahlenthera- pie mehr und mehr ambulant durchgeführt werde. Die Honorarverteilungsregelung entspreche zumindest für in eigener Praxis tätige Strahlentherapeuten nicht den Erfordernissen der Vertei- lungsgerechtigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesso- zialgerichts.

Das SG hat mit Urteil vom 24. Oktober 2001 den Widerspruchs- bescheid vom 8. August 2001 aufgehoben und die Beklagte ver- pflichtet, über den Widerspruch des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Beru- fung wurde nicht zugelassen. Die Klage sei schon deshalb im Sinne einer Zurückverweisung be- gründet, weil in der mündlichen Verhandlung des SG die bisher der Beklagten nicht vorliegende Aufstellung der Betriebsaus- gaben für das Quartal 1993 vorgelegt worden sei. Die Vorlage sei nicht präkludiert. Die Unterlagen müssten von der Beklagten bei der Ermessensausübung berücksichtigt werden. Unabhängig vom Vorliegen der drei Spiegelstriche in der Härtefallregelung des HVM sei die Beklagte verpflichtet, als weiteren Härtefall die besondere individuelle Versorgungssituation bzw. Praxisstruktur des Klägers im Jahre 1995 zu berücksichtigen. Das gebiete unter anderem der Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit, nachdem die Auswirkungen der HVM-Struktur beim Kläger gravierend seien, weil sein Honorar zu einem sechseinhalbmal größeren Umfang mit dem abgesenkten Punktwert vergütet werde. Die im Regelwerk des HVM angelegte Ungerechtigkeit folge aus dem als Referenzzeit- punkt gewählten Jahr 1991 und aus der gewählten Arztgruppe, denn die Strahlentherapeuten seien erst ab 1. Oktober 1993 in die Weiterbildungsordnung aufgenommen worden. Zudem hätte der strukturelle Unterschied zwischen zugelassenen und ermächtigten Strahlentherapeuten berücksichtigt werden müssen. Die Beklagte habe den Kläger mit zwei ermächtigten und nicht mit zugelassenen Ärzten verglichen, was zu einem grob unbilligen Ergebnis führe. Sie müsse daher eine neue Berechnung auf der Grundlage einer modifizierten Arztgruppe der Jahre 1994 und 1995 aus Radiologen für Strahlentherapie, gegebenenfalls bayernweit, vornehmen, und das Honorar entsprechend neu berechnen, auch wenn die Voraussetzungen der drei Spiegelstriche der vorhandenen Härtefallregelung nach Buchstabe B Ziffer 2.6.3.5.4 der Anlage 1 zum HVM nicht vorliegen sollten. Falls die Voraussetzungen der Härtefallregelung vorliegen sollten, müsse die Beklagte gleichwohl eine Berechnung nach den Vorgaben des Gerichts vornehmen, wenn dies günstiger sei als die Anwendung der Härtefallregelung.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil mit Schriftsatz vom 14. De- zember 2001 Berufung eingelegt. Entgegen der Rechtsmittelbelehrung des SG-Urteils liege der Streitwert über 1.000,00 DM. In dem für den Kläger günstigsten Fall, also wenn alle mit dem abgesenkten Punktwert vergüteten Leistungen mit dem vollen (ge- stützten) Punktwert vergütet würden, würde der Kläger im Quar- tal 1/95 30.306,38 DM mehr erhalten. Die somit zulässige Berufung sei auch begründet. Der Kläger könne nicht verlangen, dass die Härtefallregelung anders ge- staltet werde, etwa in Form einer Generalklausel, nach der über einen Härtefall unter Berücksichtigung der Umstände des Einzel- falles nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden werde. Weder Art.3 Abs.1 Grundgesetz (GG) noch der aus Art.12 Abs.1 i.V.m. Art.3 Abs.1 GG hergeleitete Grundsatz der Honorarverteilungs- gerechtigkeit gebiete eine derartige Gestaltung der Härtefallregelung. Das SG gehe bei seiner Entscheidung von unzutreffenden Grundannahmen aus. Die Arztgruppe der Strahlentherapeuten existiere nicht erst seit 1992, sondern bereits seit 1988 (In-Kraft-Treten der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns - WBO - in der Fassung vom 1. Januar 1988, so dass deren Abrechnungen voll in die Durchschnittshäufigkeit der Gruppe der Radiologen für das Jahr 1991 gemäß Ziffer 2.6.3.5.1 HVM-Anlage 1 eingeflossen seien. Dabei seien ermächtigte Ärzte unberücksichtigt geblieben, denn gemäß Satz 5 der Ziffer 2.6.3.5.1 seien bei der Bildung der Durchschnittshäufigkeiten des Jahres 1991 nur zugelassene Ärzte berücksichtigt worden. Bezüglich der Zunahme strahlentherapeutischer Leistungen im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung sei zu berücksichtigen, dass das gesamte Vergütungsvolumen von 1991 bis 1995 ebenfalls gestiegen sei, und zwar trotz Budgetierung um gut 32 %. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (insbesondere BSGE 83/52) sei eine Härteregelung in Form einer Generalklausel nicht erforderlich. Anders als in den vom BSG entschiedenen Fällen habe der HVM als bloße Verteilungsregelung keine Fest- schreibung individueller Abrechnungskontingente vorgesehen. Allenfalls sei es zu einer Punktwertabsenkung in Größenordnungen von maximal 10 % gekommen, und dies auch nur für Leistungen, die im Verhältnis zu 1991 in überdurchschnittlicher Häufigkeit abgerechnet worden seien, wobei zuvor die topfübergreifende Stützungsregelung auf 90 % des R1-Punktwertes gemäß Ziffer 2.6.3.3 der Anlage 1 zum HVM zur Anwendung gekommen sei. Bei der hier im Streit stehenden Härtefallregelung habe die Beklagte als Normgeberin einen weiten Gestaltungsspielraum, der seine Grenze im Willkürverbot und im Verbot ungerechtfertigter Verschiedenbehandlung von Personengruppen finde. Wie sich schon aus der Formulierung "unbillige Härte" ergebe, sei es Sinn und Zweck der Regelung, individuelle Härten infolge eines Absinkens des Punktwerts in der Größenordnung des für die hausärztliche Versorgung gezahlten Punktwerts bis zur arztgruppentypischen Durchschnittsleistungsmenge auszugleichen. Damit solle ein Beitrag zum Erhalt von durchschnittlich großen Arztpraxen und damit zur flächendeckenden Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung vor Ort geleistet werden, indem unterdurchschnitt- liche Facharztpraxen angesichts des Punktwertverfalls und im Hinblick auf ihre Fixkosten vertragsärztliche Leistungen noch wirtschaftlich erbringen konnten. Zwar sei hinsichtlich der Quartale 1 und 2/95 von nennenswer- ten Honorarverlusten des Klägers im Sinne des dritten Spiegelstrichs des Satzes 2 der Ziffer 2.6.3.5.4 der Anlage 1 zum HVM auszugehen. Der Kläger habe aber nicht (zumindest nicht recht- zeitig) nachgewiesen, dass seine Praxiskosten mindestens 10 % über den durchschnittlichen Praxiskosten der Arztgruppe lagen. Vielmehr habe er trotz mehrfacher Anforderung eine vom Finanz- amt oder vom Steuerberater bestätigte Einnahmen-/Überschuss- rechnung im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt. Die in der mündlichen Verhandlung der 32. Kammer vorgelegten Unterlagen hätten nicht mehr in die Entscheidungsfindung der Beklagte ein- fließen können. Bei Ermessensentscheidungen beurteile sich die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung nach der im Zeitpunkt der Entscheidung gegebenen Sachlage (BVerwG in NJW 82, 1413). Dass es sich bei Härtefallentscheidungen der vorliegenden Art sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach um Ermessensentscheidungen handle, habe der erkennende Senat bereits mehrfach zu Anlage 4 des HVM und damit zu einem mit der Ziffer 2.6.3.5.4 strukturell vergleichbaren Regelung festgestellt (z.B. Urteil vom 23. Februar 2000 - Az.: L 12 KA 102/98). Es handle sich nicht um eine gebundene Entscheidung in dem Sinne, dass das Ermessen bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen auf null reduziert wäre, denn die Frage der Unbilligkeit hänge nicht allein vom formalen Erfüllen der unter den drei Spiegelstrichen aufgestellten Voraussetzungen ab, sondern im Hinblick auf eine erhebliche Abweichung der Praxisstruktur auch davon, ob und in welchem Maße die individuellen Praxiskosten hierauf zurückzuführen waren und sich in einem für die vertragsärztliche Versorgung noch angemessenen Rahmen bewegten. Im Übrigen sei bei Vorlage der Unterlagen in der mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2001 die vierjährige Ausschlussfrist für die Honorarbescheide betreffend die Quartale 1 und 2/95 vom 18. Juli bzw. 17. Oktober 1995 bereits abgelaufen gewesen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. Oktober 2001 hinsichtlich des Quartals 1/95 aufzuheben und die Klage ge- gen den Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2001 abzu- weisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zwar habe das Bayer. Landessozialgericht mehrfach entschieden, dass es grundsätzlich zulässig sei, dass die Beklagte hinsicht- lich der Grenze des gestützten Punktwerts im Abrechnungszeit- raum 1995 auf die Abrechnungen der entsprechenden Leistungen in den jeweiligen Quartalen 1991 abstelle, um so Verwerfungen durch die Einführung der Budgetierung der Gesamtvergütung im Jahre 1993 zu vermeiden. Kernpunkt des vorliegenden Rechts- streits sei aber der medizinisch bedingte Anstieg der Leis- tungsmenge in der Strahlentherapie. Über einen solchen Sachverhalt habe das Bayer. Landessozialgericht noch nicht entschieden. Durch die von der Beklagten vorgelegte Statistik werde der Leistungsmengenanstieg der ambulanten Strahlentherapie um mehr als 50 % von 1991 bis 1995 belegt. Die Beklagte bestreite nicht, dass dieser Leistungsanstieg rein medizinisch bedingt sei und nicht auf einem "Hamsterradeffekt" beruhe. Soweit dies für eine strukturelle Berücksichtigung im HVM noch nicht ausreiche, müsse es unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verteilungsgerechtigkeit im Rahmen eines Ausnahmetatbestandes aufgrund einer generell-abstrakten Härtefallregelung oder eines Vorstandsbeschlusses berücksichtigt werden.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des SG München mit dem Az.: S 32 KA 2676/01 sowie die Beru- fungsakte mit dem Az.: L 12 KA 200/01 vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren sonsti- gen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs.1 SGG) Berufung ist auch ohne Zulassung durch das SG zulässig, da die in § 144 Abs.1 Nr.2 SGG in der vor dem 2. Januar 2002 geltenden Fassung - also zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung - vorgesehene Beru- fungssumme von 1.000,00 DM überschritten ist. Maßgeblich für den Gegenstandswert ist das Interesse des Klä- gers, welches darin liegt, die mit einem abgesenkten Punktwert vergüteten Leistungen zum vollem bzw. gestützten Punktwert ver- gütet zu erhalten. In diesem Fall ergäbe sich, wie von der Be- klagten in der Berufungsbegründung zutreffend ausgeführt wird, eine Mehrvergütung in Höhe von 30.306,38 DM.

Die somit zulässige Berufung der Beklagten ist darüber hinaus auch begründet. Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist allein die Frage, ob dem Kläger aufgrund der Härtefallregelung in Buchsta- be B Ziffer 2.6.3.5.4 der Anlage 1 des HVM für alle oder einen Teil seiner Leistungen ein höherer Punktwert zuerkannt werden kann. Darüber hinaus sind die Modalitäten der Honorarverteilung nach Maßgabe der Anlage 1 zum HVM der Beklagten im 1. Quartal 1995 nicht mehr streitig, denn diese waren bereits Gegenstand des Berufungsverfahrens mit dem Az.: L 12 KA 48/99, in dem in der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2001 die Berufung vom Kläger zurückgenommen wurde. Im Übrigen hat der Senat bereits mit Urteilen vom 24. Mai 2000 und 25. Oktober 2000 (Az.: L 12 KA 150/98 und L 12 KA 53/99) entschieden, dass die Hono- rarverteilung im Jahre 1995 und damit auch im Quartal 1/95 nicht zu beanstanden ist. Die gegen das zuletzt genannte Urteil gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundessozialge- richt mit Beschluss vom 16. Mai 2001 (Az.: B 6 KA 16/01 B) zu- rückgewiesen. Insbesondere hat der Senat in diesen Entscheidungen bereits entschieden, dass es nicht sachwidrig ist, dass die Beklagte hinsichtlich der Grenze des gestützten Punktwerts auf die Ab- rechnungswerte der entsprechenden Leistungen in den jeweiligen Quartalen des Jahres 1991 ("Durchschnittshäufigkeit 1991 ") ab- gestellt hat. Dies entspricht vielmehr den gesetzlichen Vorga- ben, denn nach § 85 Abs.3a Satz 2 SGB V in der Fassung des Ge- sundheitsstrukturgesetzes sind auch die Veränderungen der Ge- samtvergütung auf das Vergütungsvolumen im Jahre 1991 zu bezie- hen, in dem es noch keine Budgetierung der Gesamtvergütung gab (vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.17 S.111 f). Weiter hat der Senat bereits entschieden, dass es nicht zu be- anstanden ist, wenn gemäß Ziffer 2.6.3.5.1 Satz 1 und 5 der An- lage 1 zum HVM in der ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung als Vergleichsgruppe die Gruppe der Ärzte herangezogen wird, der der jeweilige Arzt von seiner Gebietsbezeichnung her angehört.

Der Kläger ist als Radiologe und nicht als Arzt für Strahlen- therapie zugelassen. Er hat keinen Anspruch darauf, in Hinblick auf Art.3 Abs.1 GG der Gruppe der Ärzte für Strahlentherapie zugeordnet zu werden, weil er wie diese überwiegend strahlen- therapeutische Leistungen abrechnet, und damit über ein für die Gruppe der Radiologen eher untypisches Leistungsspektrum ver- fügt. Zwar beinhaltet der Gleichheitssatz des Art.3 GG nicht nur das Verbot sachwidriger Differenzierungen, sondern ebenso das Gebot sachgerechter Differenzierung bei Vorliegen wesentli- cher Unterschiede (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. z.B. BVerfGE 98, 365, 385). Zu einer Differenzierung bei un- gleichen Sachverhalten ist der Normgeber allerdings nur ver- pflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrach- tungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf. Dieser Grund- satz hindert die Beklagte nicht daran, bei der Bildung von Arztgruppen gemäß Ziffer 2.6.3.5.1 der Anlage 1 Abschnitt B zum HVM 95 auf die Arztbezeichnung zurückzugreifen, für die der einzelne Arzt zugelassen ist. Insbesondere ist sie nicht ver- pflichtet, auf die konkret abgerechneten Leistungen abzustel- len. Grundsätzlich ist die vertragsärztliche Tätigkeit - wovon auch der Gesetzgeber ausgeht - nach den verschiedenen ärztli- chen Fachgebieten gegliedert, die sich an den landesrechtlichen Vorschriften über die Abgrenzung der einzelnen Fachgebiete orientieren. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn auch die Beklagte bei der Honorarverteilung auf dieses Gliederungsprinzip abstellt und den Kläger entsprechend der von ihm geführten Gebietsbezeichnung der Gruppe der Radiologen zuordnet (vgl. zum Ganzen das Urteil des Senats vom 23. Februar 2000, Az.: L 12 KA 99/98 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Hinzu kommt im vor- liegenden Fall, dass die Beklagte im Jahre 1991 keine eigene Fachgruppe der Strahlentherapeuten bilden konnte, sondern die Strahlentherapeuten mit den Radiologen zusammengefasst hat, weil keine hinreichend große Anzahl von niedergelassenen Strah- lentherapeuten (mindestens zehn) vorhanden war (vgl. dazu An- lage 1 zum HVM Buchstabe B Ziffer 2.6.3.5.1, Satz 8, Spiegel- strich 2). Der Senat verkennt nicht, dass durch die Fixierung des gestützten Punktwerts an der Abrechnungshäufigkeit der Arztgruppe eine gewisse Schematisierung erfolgte, die sich am durchschnittlichen Abrechnungsverhalten einer Arztgruppe orientiert. Dies kann für Ärzte, die wie der Kläger, ein von ihrer Vergleichsgruppe stark abweichendes Leistungsspektrum aufweisen im Einzelfall dazu führen, dass ein Großteil der von ihnen abgerechneten Leistungen - obgleich sie durchaus fachgebietskonform sind - nicht in den Genuss des gestützten Punktwertes kommt. Dies mag bezogen auf die Fachgruppe der Radiologen, die typischerweise überwiegend diagnostisch tätig sind, für den überwiegend strahlentherapeutisch tätigen Kläger durchaus zutreffen. Daraus folgt indessen nicht die Rechtswidrigkeit der von der Beklagten im HVM getroffenen Honorarverteilungsregelung. Entsprechend seinem Charakter als Norm muss der HVM zwangsläufig gewisse Schematisierungen enthalten, die im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit zu unerwünschten Ergebnissen führen können. Das kann aber auch im Hinblick auf das Gebot der differenzierten Behandlungsweise bei unterschiedlichen Tatbeständen (Art.3 Abs.1 GG) hingenommen werden, wenn, wie im vorliegenden Fall, ein einzelfallbezogenes Korrektiv eingebaut wird. Diese Funktion hat vorliegend die Härtefallregelung der Anla- ge 1 zum HVM B Ziffer 2.6.3.5.4. Nach dieser Bestimmung liegt eine unbillige Härte vor, wenn - die Praxisstruktur des Arztes (Art und Umfang der Leistung) bei den aus dem Honorarfonds R2 zu vergütenden Leistungen erheblich von seiner Arztgruppe abweicht, - der Arzt nachweist, dass seine Praxiskosten um mindestens 10 % über dem durchschnittlichen Praxiskostensatz seiner Arztgruppe liegen und - das aus dem Honorarfonds R2 zu leistende Honorar des Arztes bei Anwendung der Regelungen nach Ziffer 2.6.3.5.1 mit Zif- fer 2.6.3.5.3 um mehr als 5 % niedriger als bei Zugrundelegen des rechnerischen Punktwerts nach Ziffer 2.6.3.2 ausfällt. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Die Berufung der Beklagten ist nicht schon deswegen begründet, weil der Kläger die von ihr mehrfach angeforderte Gewinn- und Verlustrechnung erst in der mündlichen Verhandlung des SG vor- gelegt hat. Insoweit findet eine Präklusion nicht statt. Maßgeblich ist bei der Verpflichtungs- und Leistungsklage, auch wenn sie mit einer Anfechtungsklage verbunden ist, für die Ent- scheidung der Sachstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. dazu die Nachweise bei Meyer-Ladewig, SGG- Kommentar, 7. Auflage, § 54 Rdnr.34). Zwar wird die Auffassung vertreten, dass bei Ermessensentscheidungen auf den Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung abzustellen sei (Meyer-Ladewig a.a.O., Rdnr.33a), doch sind insbesondere in der sozialgericht- lichen Rechtsprechung auch Gesichtspunkte der Prozessökonomie zu berücksichtigen (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O., Rdnr.33a und b). Letztlich kann die Frage im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, denn auch bei Berücksichtigung der im Termin übergebe- ne Gewinn- und Verlustrechnung des Steuerberaters für das Jahr 1993 ist dem Kläger der Nachweis, dass seine Praxiskosten um mindestens 10 % über dem durchschnittlichen Praxiskostensatz seiner Arztgruppen liegen, nicht gelungen. Dieser liegt bei den Radiologen nach den Erhebungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1992 bis 1994 bei 77,3 %. Zwar ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 1993 ein Praxiskostensatz von 93 % (Betriebseinnahmen: 1.771.267,21 DM, Betriebsausgaben: 1.647.297,82 DM). Die dort ausgewiesenen Betriebsausgaben enthalten aber eine Position "Abschreibungen" (Abschreibung Sachanlagen: 230.864,34 DM; AfA Praxiswert: 587.175,00 DM; Sonderabschreibung: 30.168,00 DM; AfA GwG: 12.755,94 DM), die mit einem Betrag von insgesamt 860.963,28 DM mehr als die Hälfte der Betriebsausgaben aus- machen. Die Abschreibungen stellen aber keine tatsächliche finanzielle Belastung des Klägers im streitigen Quartal 1/95 und auch während der gesamten Geltungsdauer des streitgegenständlichen Honorarverteilungsmaßstabes im Jahre 1995 dar. Vielmehr hat der Kläger den der Abschreibung im Wesentlichen zugrunde liegenden Praxiskauf von seinem Vorgänger zum Kaufpreis von zwei Millionen DM mittels zweier Darlehen finanziert (valutiert über 1.500.000,00 DM bzw. 500.000,00 DM), die er erst nach einer Laufzeit von zwölf Jahren, also am 30. Mai 2003, aus Leistungen einer Lebensversicherung zurückzahlen muss. Daher können diese Abschreibungen bei der Ermittlung der Praxiskosten im Sinne des zweiten Spiegelstrichs der Ziffer 2.6.3.5.4 des Buchstaben B der Anlage 1 zum HVM zur Begründung einer unbilligen Härte nicht berücksichtigt werden. Die tatsächliche Belastung liegt vielmehr lediglich in der Zahlung der Beiträge für die Lebensversicherung. Bereinigt man die Praxiskosten des Klägers um die Abschreibungen, verringert sich der Praxiskostenanteil vom 93 % auf 44,39 % und liegt damit weit unterhalb des durchschnittlichen Praxiskostensatzes der Vergleichsgruppe in Höhe von 78,0 % (Erhebungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland für 1994). Der Praxiskostensatz des Klägers liegt demnach nicht mindestens 10 % über dem durchschnittlichen Kostensatz der Arztgruppe. Damit ist eine der drei Voraussetzungen für die Annahme einer unbilligen Härte im Sinne der Ziffer 2.6.3.5.4 des Buchstaben B der Anlage 1 zum HVM nicht erfüllt, so dass schon aus diesem Grunde das Vorliegen einer unbilligen Härte zu verneinen ist. Dabei ist nicht schädlich, dass die Beklagte die erst im Verhandlungstermin des SG vorgelegte Gewinn- und Verlustrechnung nicht selbst überprüft hat, denn der auf der Tatbestandsseite verwendete Begriff der "unbilligen Härte" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nach ständiger Rechtsprechung des Senats der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. zuletzt Urteil vom 6. März 2002, Az.: L 12 KA 96/00 m.w.N.). Auf die Nichtberücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung des SG vorgelegten Unterlagen kann mithin die Verurteilung der Beklagten zur neuerlichen Entscheidung nicht gestützt werden.

Die Beklagte war entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch nicht verpflichtet, über die in der existierenden Härte- fallregelung enthaltenden Kriterien der unbilligen Härte hinaus als weiteren Grund für eine Härtefallregelung die besondere in- dividuelle Versorgungssituation bzw. Praxisstruktur des Klägers im Rahmen einer Generalklausel zu berücksichtigen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das SG bei seiner Entscheidung von zwei unzutreffenden Annahmen ausgeht. Zum einen existiert die Arztgruppe der Strahlentherapeuten nicht erst seit 1993, son- dern bereits seit In-Kraft-Treten der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 1. Januar 1988. Die von den Strahlenthe- rapeuten im Bezugsjahr 1991 erbrachten Leistungen sind in die Abrechnungshäufigkeiten der Gruppe der Radiologen miteingeflos- sen, weil die Beklagte mangels einer ausreichenden Anzahl von niedergelassenen Strahlentherapeuten (weniger als zehn, vgl. hierzu Anlage 1 Buchstabe B Ziffer 2.6.3.5.1 Satz 8, zweiter Spiegelstrich) keine eigene Fachgruppe der Strahlentherapeuten gebildet, sondern diese mit den Ärzten für radiologische Diagnostik zusammengefasst hat. Zum anderen blieben entgegen der Annahme des SG die ermächtigten Ärzte unberücksichtigt (vgl. HVM Anlage 1 Buchstabe B Ziffer 2.6.3.5.1 Satz 5). Entgegen der Auffassung des SG ergibt sich die Verpflichtung zur Schaffung einer über die konkrete Härtefallregelung hinaus gehenden allgemein gehaltenen Härtefallregelung nicht aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG SozR 3-2500, § 85 Nr.28, S.210 f und Nr.27, S.197 f; Urteil vom 28. April 1999, Az.: B 6 KA 63/98 R, SGb 1999, 403). Die genannten Ent- scheidungen des BSG betreffen Honorarverteilungsmaßstäbe von Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, mit denen der durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl.I, S.2266) eingeführten Budgetierung der Gesamtvergütung (§ 85 Abs.3a SGB V) bei der Honorarverteilung durch Einführung einer am bisherigen Umsatz der einzelnen Praxis orientierten Bemessungsgrenze Rechnung getragen wurde. Diese Regelungen, die zudem vom BSG grundsätzlich gebilligt wurden, standen einer Entwicklung kleiner Praxen, insbesondere von Anfängerpraxen im Wege. Vergleichbare Regelungen enthält der hier streitgegenständliche HVM der Beklagten für das Jahr 1995 nicht. Der HVM 1995 sah in Anage 1 Abschnitt B eine Aufteilung der zu verteilenden Gesamtvergütung in verschiedene Honorarfonds vor (Ambulantes Operieren, Prävention, Polikliniken, Fremdärzte und Übrige Leistungen). Dabei war der Honorarfonds "Übrige Leis- tungen" (Ziffer 1.6) seinerseits unterteilt in einen Honorar- fonds R 1 für Hausärzte und einen Honorarfonds R 2 für Fach- ärzte (Ziffer 1.6.2). Lag der rechnerische Punktwert für den Honorarfonds R 2 unter dem des Honorarfonds R 1, wurde im fachärztlichen Bereich jede Leistung gemäß HVM Anlage 1 Buchstabe B Ziffer 2.6.3.5.2 Satz 1 Buchstabe a mit einem "gestützten Punktwert" für die abgerechneten Leistungen bis zur Grenze der Durchschnittshäufigkeit 1991 sowie gemäß Ziffer 2.6.3.5.2 Buchstabe B mit einem "abgesenktem Punktwert" für die darüber hinausgehenden Leistungen vergütet. Dabei kam es aber allenfalls zu Punktwertabsenkungen in der Größenordnung von maximal 10 % für die bezogen auf das Jahr 1991 überdurchschnittlich häufig abgerechneten Leistungen (vgl. Ziffer 2.6.3.5.3 Satz 2), wobei zuvor die topfübergreifende Stützungsregelung auf 90 % des R1-Punktwertes gemäß Ziffer 2.6.3.3 in der Anlage 1 zum Zuge kam. Diese Regelung ist in ihrer Wirkungsweise mit den vom BSG entschiedenen Fällen, bei denen es um die Festschreibung von Praxisbudgets unter Anknüpfung an Umsätze der einzelnen Praxis in der Vergangenheit ging, nicht vergleichbar.

Die Härtefallregelung in Anlage 1 zum HVM im Jahre 1995 ist auch nicht unter Verstoß gegen höherrangiges Recht zu eng ge- fasst. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungs- gerichts (vgl. zuletzt BVerfGE 99, 367, 388), der sich das BSG weitgehend auch im Rahmen der Überprüfung von Honorarvertei- lungsregelungen angeschlossen hat, ist es grundsätzlich Sache des Normgebers (beim HVM die Vertreterversammlung der KV), die- jenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft. Aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art.3 Abs.1 GG er- geben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungs- merkmal unterschiedliche Grenzen für die weitgehende Gestal- tungsfreiheit des Normgebers, die vom Willkürverbot zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Die Abstufung der Anforderungen folgt aus Wortlaut und Sinn des Art.3 Abs.1 GG sowie aus dem Zusammenhang mit anderen Verfas- sungsnormen. Da der Gleichheitssatz in erster Linie eine unge- rechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personengruppen verhin- dern soll, unterliegt der Normgeber bei einer Ungleichbehand- Diese ist umso enger, je mehr sich personenbezogene Merkmale den in Art.3 Abs.3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt. Die engere Bindung gilt auch dann, wenn die Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird. Überdies sind dem Normgeber umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Un- gleichbehandlung von Personen und Sachverhalten auf die Aus- übung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswir- ken kann. Der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Ge- staltungsspielraums entspricht eine abgestufte Kontrolldichte der Gerichte. Kommt als Maßstab nur das Willkürverbot in Be- tracht, so kann ein Verstoß gegen Art.3 Abs.1 GG erst festge- stellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evi- dent ist. Dagegen ist bei Regelungen, die Personengruppen ver- schieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrech- ten nachteilig auswirken, im Einzelnen zu prüfen, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen recht- fertigen können. Im vorliegenden Fall handelt es sich lediglich um sachverhalts- bezogene Unterscheidungen (abweichendes Leistungsspektrum, überdurchschnittliche Praxiskosten, Nettoeffekt der Regelung über 5 %), bei deren Regelung der Normgeber grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum hat. Andererseits ist im Hinblick auf die berufsregelnde Tendenz von Honorarverteilungsregelungen nicht nur das Willkürverbot, sondern auch das Verbot einer un- gerechtfertigten Verschiedenbehandlung unter Personengruppen zu bedenken. Es kommt mithin darauf an, ob für die Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Rechtsfolge (unterschiedliche Vergütung der Leis- tungen) rechtfertigen können. Wie sich aus der Formulierung "unbillige Härte im Einzelfall" ergibt, ist es Sinn und Zweck der Regelung, individuelle Härten auszugleichen, die dadurch entstehen, dass in den vier Quarta- len des Jahres 1995 im fachärztlichen Bereich jede Leistung ge- mäß Anlage 1 zum HVM B Ziffer 2.6.3.5.2 Satz 1 Buchstabe a mit einem "gestützten Punktwert" für die abgerechneten Leistungen nur bis zur Grenze der Durchschnittshäufigkeit 1991, die dar- über hinausgehende Leistungen dagegen mit einem "abgesenktem Punktwert" gemäß Ziffer 2.6.3.5.2 Buchstabe b vergütet werden. Die Härtefallregelung soll dem Erhalt von (unter-) durch- schnittlichen Arztpraxen und damit der flächendeckenden Sicher- stellung der vertragsärztlichen Versorgung trotz allgemeiner Leistungsmengensteigerung bei gedeckelter Gesamtvergütung die- nen, indem (unter-) durchschnittliche Facharztpraxen angesichts des Punktwertverfalls und der bestehenden Fixkosten vertrags- ärztliche Leistungen noch wirtschaftlich erbringen können.

Um dieses Ziel durch Abstützung des Punktwerts zu erreichen, ist es bei begrenzter Gesamtvergütung nicht zu vermeiden, dass die Leistungsmenge begrenzt wird oder der Punktwert bei anderen Leistungen abgesenkt wird. Nicht zu beanstanden ist deshalb, wenn die Beklagte abweichend von der grundsätzlichen Regelung, wonach gegenüber 1991 erhöhte Leistungsmengen geringer vergütet werden, generell und pauschalierend nur dann eine Ausnahme macht, wenn ein überdurchschnittlicher Praxiskostensatz um mindestens 10 % gegeben ist. Wer - wie der Kläger - darunter liegt, wird nicht sachwidrig und unangemessen benachteiligt. Die Härtefallregelung der Anlage 1 B Ziffer 2.6.3.5.4 enthält eine Berufsausübungsregelung, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls (Sicherstellung der Versorgung) gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in jeder Hinsicht entspricht. Das dazu gewählte Mittel (Vergütung mit dem ge- schützten Punktwert) ist zu Erreichung des angestrebten Zwecks (Ausgleich von individuellen Härten) geeignet und erforderlich. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe ist auch für dieje- nigen, die durch diese Regelung nicht begünstigt werden, die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt.

Aus der von der Beklagte im Termin vor dem SG vorgelegten Ent- wicklung der Punkteanforderung in den Quartalen 1/91 bis 3/95 der drei strahlentherapeutisch tätigen Ärzte im Planungsbereich N. geht hervor, dass es beim Kläger in diesem Zeitraum zu einem sehr starken Anstieg der Punkteanforderung gekommen ist, mit der Folge, dass ein Großteil der Punkte mit dem abgesenkten Punktwert vergütet wurde. Bedenkt man jedoch, dass der Diffe- renzbetrag zwischen dem gestützten Punktwert (8,06 Pfennig) und dem abgesenkten Punktwert (6,95 Pfennig) im Quartal 1/95 nur 1,11 Pfennig betrug, ist ersichtlich, dass ein Härtefall von der Beklagten zu Recht nicht angenommen wurde.

Unzutreffend ist die Argumentation der Berufungsführerin, dass der Honorarbescheid für das Quartal 1/95 rechtskräftig geworden sei, so dass kein Raum mehr für eine Anwendung der Härtefallre- gelung sei, denn der Kläger hatte zugleich mit dem Widerspruch, also noch vor Bestandskraft des Bescheides bereits den Härte- fallantrag gestellt. Auch kann sich die Beklagte nicht auf den Zeitablauf im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 17. März 2001, Az.: B 6 KA 2/01 R, berufen, denn im vorliegenden Fall geht es nicht um eine sachlich-rechnerische Berichtigung der Abrechnung 1/95 des Klägers, sondern um eine Entscheidung über einen noch offenen Härtefallantrag. Insoweit ist die Honorarfestsetzung für das Quartal 1/95 noch nicht abgeschlossen.

Zusammenfassend gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Be- klagte zu Recht das Vorliegen eines Härtefalls im Fall des Klä- gers abgelehnt hat. Das angefochtene Urteil des SG, mit dem die Beklagte zur Neuverbescheidung verurteilt wurde, hat keinen Bestand.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs.1, Abs.4 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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