L 19 RJ 633/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 336/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 633/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 20.09.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Rentenleistungen wegen Berufsunfähigkeit (BU) zustehen.

Der am 1961 geborene Kläger hat von 1976 bis 1980 den Beruf eines Gas-/Wasserinstallateurs erlernt und diesen mit Unterbrechungen bis 1994 ausgeübt. Wegen der Folgen eines Sportunfalls 1993 (Kreuzbandabriss, rechtes Knie) beantragte er am 26.10.1998 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Orthopädin Dr.B. und der Neurologe und Psychologe Prof.Dr.Dr.N. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten gelangten in den Gutachten vom 23. und 22.12.1998 übereinstimmend zu der Beurteilung, dem Kläger seien mit Einschränkungen noch leichte und mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zumutbar. Im Hinblick auf diese Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.1999 und Widerspruchsbescheid vom 21.05.1999 Rentenleistungen ab. Der erlernte Beruf könne zwar nicht mehr ausgeübt werden, der Kläger könne jedoch unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten eine zumutbare Verweisungstätigkeit als Registrator, Poststellenmitarbeiter und Lagerverwalter vollschichtig verrichten.

Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat zunächst eine Auskunft des letzten Arbeitgebers des Klägers (vom 24.08.1992 bis 30.06.1994 B-Monteur) und Befundberichte des Orthopäden Dr.K. und des Allgemeinmediziners B. zum Verfahren beigezogen. Der Orthopäde Dr.H. hat für das SG das Gutachten vom 15.05.2001 erstellt, in dem er eine vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers für mittelschwere Tätigkeiten angenommen hat. Seit 01.08.2001 übt der Kläger eine geringfügige Tätigkeit aus.

Mit Urteil vom 20.09.2001 hat das SG die auf Rente wegen BU gerichtete Klage abgewiesen. Es hat Berufsschutz des Klägers als Facharbeiter angenommen und festgestellt, dass der Kläger seine zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit als Gas- und Wasserinstallateur nicht mehr verrichten könne. Als zumutbare Verweisungstätigkeit hat es die Tätigkeit eines Hausmeisters/Hausverwalters aufgezeigt. Diese Tätigkeit sei dem Kläger subjektiv und objektiv zumutbar. Auch die Tätigkeit eines Registraturmitarbeiters sei dem Kläger zuzumuten. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Rente wegen BU seien damit nicht gegeben.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung macht der Kläger in erster Linie Beschwerden auf dem orthopädischen Gebiet geltend. Er sei nur noch in der Lage, leichte Tätigkeiten zu verrichten, gelegentlich mittelschwere. Insbesondere sei er nicht in der Lage, die vom SG genannten Verweisungstätigkeiten eines Hausmeisters/Hausverwalters und eines Registraturmitarbeiters zu verrichten. Auf letztere könne er nicht verwiesen werden, da sie nach den Kriterien des BAT X der sozialen Zumutbarkeit nicht entspreche.

Der Senat zog einen Befundbericht des Orthopäden Dr.N. (letzte Behandlung 15.02.2000) und des Allgemeinmediziners B. (letzte Behandlung 28.03.2002) zum Verfahren bei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 20.09.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 05.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.1999 zu verurteilen, den Leistungsfall der Berufsunfähigkeit ab 26.10.1998 anzuerkennen und ab 01.11.1998 die entsprechenden gesetzlichen Leistungen zu zahlen. Hilfsweise beantragt er, zur Frage der Verweisbarkeit ein berufskundliches Gutachten einzuholen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags verweist die Beklagte auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Gründe in der erstinstanziellen Urteilsbegründung.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Unterlagen der Beklagten und die vom Senat beigezogenen Leistungsunterlagen des Arbeitsamtes Kitzingen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft; sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).

Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil zu Recht festgestellt, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rentenleistungen wegen Berufsunfähigkeit nicht zusteht. Nach § 43 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (aF) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen BU, wenn sie 1. berufsunfähig sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der BU 3 Jahre Pflicht beiträge geleistet und 3. vor Eintritt der BU die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Zwar sind im Fall des Klägers die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Denn nach dem aktenkundigen Versicherungsverlauf sind sowohl die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren (§ 50 Abs 1 Nr 2 SGB VI) als auch die erforderliche Beitragsdichte (§ 43 Abs 1 Nr 2 SGB VI) gegeben.

Beim Kläger liegt aber BU im Sinne des Gesetzes nicht vor. Nach § 43 Abs 2 aF SGB VI ist berufsunfähig ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Nach den überzeugenden Ausführungen des vom SG gehörten Orthopäden Dr.H. im Gutachten vom 15.05.2001 ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers im Wesentlichen durch folgende orthopädische Gesundheitsstörungen eingeschränkt: 1. Belastungseinschränkung des rechten Kniegelenkes mit gerin ger Bandinstabilität. 2. Abnutzungserscheinungen an beiden Kniescheibenrückflächen, rechts mehr als links. 3. Rezidivierendes HWS- und LWS-Syndrom bei altersüblichen de generativen Veränderungen. 4. Wirbelsäulenfehlstatik, Verschleißerscheinungen in der Brustwirbelsäule nach abgelaufenen sog. osteochondralen Auf brauchstörungen. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen kann der Kläger, worüber zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, seine bisherige versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit nicht mehr verrichten. Denn den schweren körperlichen Tätigkeiten im Beruf des Gas- und Wasserinstallateurs ist der Kläger im Hinblick auf die bei ihm bestehenden orthopädischen Erkrankungen nicht mehr gewachsen. Damit ist aber beim Kläger noch nicht der Leistungsfall der BU eingetreten.

Denn der Umstand, dass ein Versicherter seinen zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr verrichten kann, zieht nicht ohne weiteres die Annahme des Leistungsfalles der BU nach sich. Vielmehr ist nun anhand der Kriterien des § 43 Abs 2 SGB VI zu ermitteln, ob der Versicherte noch zumutbar auf andere Tätigkeiten verwiesen werden kann. Dabei umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs 2 Satz 2 aF SGB VI).

Mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen, wie es Dr.H. im Gutachten vom 15.05.2001 festgestellt hat, muss sich der Kläger auf andere (gesundheitlich und sozial zumutbare) Tätigkeiten verweisen lassen, die - entsprechend dem Mehrstufenschema des BSG - qualifizierten Anlerntätigkeiten vergleichbar sind und dementsprechend tariflich entlohnt werden. Als solche Verweisungstätigkeit kommt insbesondere der Einsatz als Hausmeister in Betracht. Auf solche Tätigkeiten ist ein Facharbeiter auch nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 21.02.1995 - 8 RKn 4/93 -) verweisbar. Der Kläger ist dafür nämlich aufgrund seiner handwerklichen Vorbildung und Berufspraxis fachlich geeignet. Für die Tätigkeit eines Hausmeisters gibt es zwar keine allgemein gültige Aufgabenbeschreibung, da Aufgabenspektrum und die Arbeitsanforderungen in hohem Maße vom jeweiligen Arbeitgeber abhängig sind (zB öffentlicher Dienst, Industrieunternehmen, Wohnungswirtschaft usw). Generell ist aber davon auszugehen, dass das Aufgabengebiet eines Hausmeister Wartungsarbeiten, kleinere Schönheitsreparaturen sowie Reinigungs- und Pflegearbeiten umfasst. Das Tragen schwererer Lasten über 10 kg fällt in der Regel nicht an. Zwar erfordert die Hausmeistertätigkeit zeitweise auch Arbeiten, die nur im Stehen ausgeführt werden können bzw die im Gehen zu verrichten sind. Der Kläger ist jedoch trotz seiner orthopädischen Erkrankungen gesundheitlich in der Lage, Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen zu verrichten. Das berufstypische Einsatzgebiet des Hausmeisters zeichnet sich gerade dadurch aus, dass zahlreiche unterschiedliche Aufgaben anfallen, die weitgehend seiner eigenverantwortlichen Zeiteinteilung unterliegen und deshalb in der Regel auch ohne besonderen Zeitdruck verrichtet werden können. Arbeiten in Zwangshaltungen fallen nicht oder allenfalls kurzzeitig an, wenn man unter diesem Aspekt folgende Aufgabenbereiche eines Hausmeisters in Betracht zieht: Regelmäßiges Kontrollieren von Gebäuden, Außenanlagen, technischen Einrichtungen/Anlagen (Heizungs-, Klima-, Fernmelde- und Alarmanlagen) auf Funktionstüchtigkeit bzw Ordnungsmäßigkeit; Erledigen oder Veranlassen von Reparaturen; Überwachen und Sicherstellung von Versorgung mit Heizöl, Gas, Strom und ähnlichem; Führen der Aufsicht über Reinigung, Instandhaltung und Instandsetzung der Gebäude, Bearbeiten von Mieterbeschwerden (Einhaltung der Hausordnung); Aufzeichnen von Arbeits- und Materialkosten oder Anfertigen von Berichten für Eigentümer/Verwalter. Bei diesen Tätigkeiten kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass häufiges Besteigen von Leitern und Gerüsten erforderlich ist. Möglicherweise hat der Hausmeister zB beim Auswechseln von Leuchtmitteln eine Hausleiter zu besteigen; dies fällt aber nur gelegentlich an und ist dem Kläger unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen Dr.H. erhobenen Befunde ohne weiteres möglich. Soweit ausnahmsweise schwerere Gegenstände wie Möbelstücke bewegt werden müssen, stehen einmal Hilfsgeräte zur Verfügung, die auf Rollen laufen und mit denen Möbelstücke gehoben und transportiert werden können. Im Übrigen ist Dr.H. zu der Beurteilung gelangt, der Kläger könne bis unter 8 Stunden auch schwere körperliche Tätigkeiten verrichten, lediglich nicht vollschichtig. Selbst das Schneeräumen ist keine schwere (und meist auch keine mittelschwere) Arbeit mehr, da hierbei häufig motorisierte Räumgeräte zum Einsatz kommen, die von einem integrierten Fahrersitz aus gesteuert werden.

Die Entlohnung erfolgt in der Privatwirtschaft regelmäßig in Lohngruppen für angelernte Arbeitnehmer (zB Tarifbeispiel Nr V zu Lohngruppe IV des Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in den bayer. Betrieben des Groß- und Außenhandels vom 01.04.2000 - vgl BSG, Urteil vom 23.04.1980 in SozR 2200 Nr 61 zu § 1246 RVO), im öffentlichen Dienst als Facharbeiter (siehe Tarifbeispiel Nr 6.11 zu Lohngruppe IV des ab 05.05.1998 gültigen Lohngruppenverzeichnisses des Manteltarifvertrages für Arbeiter der Länder - MTL -). Im beruflichen Einsatzbereich eines Hausmeisters kann der Kläger somit die Stellung und tarifliche Entlohnung eines Facharbeiters oder zumindest die eines qualifiziert angelernten Arbeiters erreichen und damit mehr als die Hälfte des Verdienstes einer gesunden Vergleichsperson erzielen (gelernter Gas-/Wasserinstallateur). Diese Tätigkeit ist dem Kläger subjektiv und objektiv zumutbar. Er ist deshalb nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs 2 aF SGB VI und hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen BU. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Zurückzuweisen war auch der Antrag des Klägers, zur Frage der Verweisbarkeit ein berufskundliches Gutachten einzuholen. Denn der Senat hält den Sachverhalt diesbezüglich für hinreichend aufgeklärt. Zum einen steht das zu beurteilende Restleistungsvermögen des Klägers für mittelschwere Tätigkeiten aufgrund der Ausführungen des vom SG gehörten Sachverständigen Dr.H. fest. Insoweit kann der Kläger nicht damit gehört werden, dass er nur körperlich leichte Tätigkeiten verrichten kann. Denn aus den vom Senat beigezogenen Befundberichten des Orthopäden Dr.N. und des Allgemeinmediziners B. ergibt sich insoweit im Vergleich zu den Feststellungen der Beklagten und des SG in medizinischer Hinsicht keine Änderung. Der Kläger ist danach vielmehr orthopädisch bei Dr.N. nicht mehr in Behandlung seit Februar 2000. Der Hausarzt B. hat mitgeteilt, dass sich im Vergleich zu dem früheren Befundbericht keine Änderung in den Befunden des Klägers ergeben hat. Zum anderen war die Tätigkeitsbeschreibung eines Hausmeisters bereits Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens. Aus diesen Gründen bedurfte es der Einholung einer weiteren berufskundlichen Auskunft durch das LAA Bayern nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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