Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 3 RJ 25/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 RJ 72/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27. Juni 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab Mai 1999.
Der im ...1953 geborene Kläger hat Ausbildungen zum Dachdecker und Klempner erfolgreich durchlaufen und war bis Oktober 1980 als Dachdecker tätig. Anschließend arbeitete er bei der Deutschen Shell AG (Arbeitgeberin) zunächst als Flugtankwart, später als "Füller Ablieferung" und zuletzt ab Januar 1994 bis zum Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit im Oktober 1998 in voll- kontinuierlicher Schichtarbeit als "Pumper im Pump- und Misch- betrieb". Dabei war er im Wesentlichen mit dem Einlagern, Mischen und Abgeben von Rohölen, Komponenten, Hilfsstoffen und Fertigprodukten für die Produktion und den Verkauf betraut. Aus der betrieblichen Stellenbeschreibung geht hervor, dass diese Tätigkeit eine zweijährige Berufsausbildung zum Betriebsjung- werker mit Abschluss sowie zusätzlich eine 1 bis 1½-jährige Betriebs- und Berufserfahrung erforderte. Die Entlohnung erfol- gte nach Entgeltgruppe 09 des (Haus-)Entgelttarifvertrags der Arbeitgeberin vom 02. Dezember 1997. Die Tätigkeit des Klägers als Pumper im Pump- und Mischbetrieb verrichteten nach Auskunft der Arbeitgeberin vom 22. Juni 1999 "im Allgemeinen" Arbeiter mit einer Ausbildungsdauer von 3 Jahren bzw. 18 Monaten. Heute ist dieser Arbeitsplatz mit einem "Operator" besetzt, für den die Arbeitgeberin nunmehr eine 3½jährige Ausbildung als Chemikant (mit zusätzlicher bis zu 24monatiger Einarbeitung) voraussetzt.
Am 19. Mai 1999 beantragte der Kläger eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und legte ein Attest des niedergelassenen Internisten Dr. H. aus K. vom 11. Mai 1999 vor, wonach er wegen eines hochgradigen Fibromyalgiesyndroms "zumindest befristet erwerbsunfähig" sei. Die Beklagte zog daraufhin einen Kurentlassungsbericht der Rheumaklinik A. vom 06. Mai 1999 bei, wo der Kläger im März 1999 an einem dreiwöchigen stationären Heilverfahren teilgenommen hatte. Die Kurärzte muteten dem Kläger noch leichte Arbeiten ohne Klettern, Stressbelastungen und Schichtdienst auf ei- nem "Büroarbeitsplatz" vollschichtig zu. Anschließend ließ ihn die Beklagte in ihrer Kölner Begutachtungsstelle durch den Urologen und Sozialmediziner Dr. M. untersuchen. Dieser traute dem Kläger in seinem Gutachten vom 24. Juni 1999 noch leichte Arbeiten in wechselnder, jedoch überwiegend sitzender Körperhaltung ohne häufiges Bücken, Heben, Tragen, Klettern, Steigen und besonderen Zeitdruck sowie ohne Einwirkung durch Nässe und Kälte vollschichtig zu.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 01. Juli 1999 ab, gegen den der Kläger am 07. Juli 1999 Widerspruch erhob. Zur Begründung führte er aus, er leide zusätzlich unter Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie des linken Schultergelenks. Eine stufenweise Wiedereingliederung sei im Mai 1999 gescheitert. Aufgrund der tariflichen Einstufung und der qualitativen Anforderungen an seinen letzten Beruf genieße er Berufsschutz als Facharbeiter.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, weil der Kläger noch leichte Arbeiten bei weiteren Einschränkungen vollschichtig verrichten könne. Als angelernter Arbeiter könne er auf die Berufe einer Bürohilfskraft, eines Pförtners an der Nebenpforte und eines Poststellenmitarbeiters in größeren Firmen oder Behörden verwiesen werden. Berufsschutz als Facharbeiter könne er nicht beanspruchen, weil ihn die Arbeitgeberin nach einer Mischlohngruppe für eine Tätigkeit bezahlt habe, für die lediglich eine 2jährige Ausbildung erforderlich gewesen sei.
Dagegen hat der Kläger am 28. Januar 2000 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgte.
Zur Sachaufklärung hat das SG zunächst Befundberichte des niedergelassenen Orthopäden Dr. D. aus K. vom 23. März 2000 und des niedergelassenen Internisten Dr. H. ebenda, vom 11. April 2000 angefordert. Während Dr. H. die Erwerbsfähigkeit "nennenswert" eingeschränkt sah, hielt Dr. D. noch leichte bis mittelschwere Arbeiten für vollschichtig möglich.
Anschließend hat das SG von Amts wegen weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädisch-rheumatologischen Zusatzgutachtens von Dr. B., Arzt für Orthopädie und Rheumatologie am Institut für orthopädische Begutachtung in S., und eines nervenärztlichen Hauptgutachtens des niedergelassenen Neurologen und Psychiaters Dr. B., ebenda. Unter Berücksichtigung des Zusatzgutachtens vom 20. Juni 2000 ist Dr. B. in seinem Gutachten vom 10. August 2000 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger noch leichte bis gelegentliche mittelschwere Arbeiten bei weiteren Einschränkungen vollschichtig verrichten kann. Wegen der weiteren Einzelheiten der Gutachten wird auf Bl. 68 bis 99 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Der Kläger hat hierzu kritische Atteste eines "Dr. H." aus K. vom 27. Januar 2001 und des Internisten Dr. H. vom 07. November 2000 und 23. Januar 2001 überreicht. Damit hat sich der Sachverständige Dr. B. in ergänzenden Stellungnahmen vom 14. Dezember 2000 und 22. Februar 2001 auseinandergesetzt, ohne von seiner bisherigen Leistungsbeurteilung abzuweichen.
Mit Urteil vom 27. Juni 2001 hat das SG die Klage abgewiesen: Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten voll- schichtig verrichten und sei als angelernter Arbeiter auf Tä- tigkeiten der Lohngruppe K 2 des Gehaltsrahmenabkommens für die Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nord- rhein-Westfalen verweisbar. Als Pumper im Pump- und Mischbetrieb genieße er keinen Facharbeiterschutz, weil für diesen Beruf nach Auskunft der Arbeitgeberin nur eine Regelausbildungszeit von 2 Jahren erforderlich gewesen sei.
Nach Zustellung am 18. Juli 2001 hat der Kläger gegen diese Entscheidung am 16. August 2001 Berufung eingelegt und ein Privatgutachten des Allgemeinmediziners, Anästhesiologen und Schmerztherapeuten Dr. F. aus B. vom 11. August 2001 vorgelegt, wonach er nur noch unterhalbschichtig einsetzbar sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27. Juni 2001 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13. Januar 2001 zu verurteilen, ihm Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab 01. Mai 1999 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Einschätzung fest, dass der Kläger als angelernter Arbeiter zu beurteilen sei. Bei der Entgeltgruppe 09 des Haustarifvertrags der Arbeitgeberin handele es sich um eine "Mischlohngruppe", die keine Facharbeitereigenschaft begründe. Hilfsweise benennt sie als Verweisungsberufe die Tätigkeiten eines Kassierers an Selbstbedienungstankstellen, Lagerfacharbeiters, Lager- und Materialverwalters, Werkzeugausgebers sowie einer Bürohilfskraft.
Der Senat hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Zusatzgutachtens der niedergelassenen Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. aus A. und eines orthopädischen Hauptgutachtens des Orthopäden Prof. Dr. St., Chefarzt der Klinik für Orthopädie am Medizinischen Zentrum Kreis A. gGmbH in W ... Unter Berücksichtigung des Zusatzgutachtens vom 20. März 2003 traut Prof. Dr. St. dem Kläger in seinem Hauptgutachten vom 20. März 2003 ebenfalls noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit weiteren Einschränkungen vollschichtig zu. Aus psychiatrischer Sicht "sollte" dem Kläger wegen der längeren "Entwöhnung" vom Ar- beitsleben eine dreimonatige halbschichtige Arbeitszeit zugebilligt werden, damit es "nicht gleich zu Anfang zu Überforderung und Dekompensation" komme. Hinsichtlich der weiteren Details wird auf Bl. 205 bis 255 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Darüber hinaus hat der Senat von dem gelernten Chemikanten, Chemielaboranten und Chemotechniker B. aus St. A., der seit 1976 hauptamtliches Mitglied des Prüfungsausschusses für Chemikanten der IHK Köln ist, ein berufskundliches Sachverständigengutachten vom 11. März bzw. 19. Mai 2003 eingeholt, auf das verwiesen wird (Bl. 329 bis 330 und 356 bis 357 der Gerichtsakte).
Abschließend hat der Senat den Beteiligten aus den Verfahren L 14 RJ 162/93, L 18 J 72/95 und L 3 RJ 64/00 vor dem Landessozi- algericht Nordrhein-Westfalen folgende berufskundliche Unterlagen zum Beruf des Pförtners im Bewachungsgewerbe zugänglich gemacht, auf die jeweils Bezug genommen wird:
- Auskünfte des Bundesverbandes Deutscher Wach- und Sicher- heitsunternehmen e.V. aus Bad Homburg vom 15. Februar 1996 und 16. November 2000 (Bl. 365 bis 366 und 396 der Ge- richtsakte),
- Auskünfte der Fa. Westfälischer Wachschutz aus Marl vom 08. und 16. Februar 1996 (Bl. 382 bis 384 der Gerichts- akte) sowie vom 13. November 2000 (Bl. 400f. der Gerichts- akte), - Auskünfte der Fa. Raab Karcher Sicherheit GmbH in Essen vom 15. März, 09. Juli und 02. August 1996 (Bl. 385 f. und 393 f. der Gerichtsakte), - Auskünfte der Fa. Kötter Security aus Essen vom 06. März und 09. Juli 1996 (Bl. 389 f. und 392 der Gerichtsakte) sowie vom 15. März 2001 (Bl. 395 der Gerichtsakte) und - Auskunft der Fa. Securitas Sicherheitsdienste GmbH & Co. KG in Essen vom 23. Januar 2000 (Bl. 397 der Gerichts- akte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: ...) verwiesen. Beide Akten sowie die Leistungsakte des Arbeitsamtes Köln (Kunden-Nr.: ...) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), weil er keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit hat.
Sein Rentenanspruch richtet sich noch nach §§ 43, 44 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.), weil er auch Zeiten vor diesem Zeitpunkt erfasst. Die ab 01. Januar 2001 geltende Neuregelung durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I, 1827) ist allerdings heranzuziehen, soweit ein Anspruch am 31. Dezember 2000 nicht bestand, aber für die nachfolgende Zeit in Betracht kommt (§ 300 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB VI; BSG, Urteile vom 28. August 2002, Az.: B 5 RJ 12/02 R und B 5 RJ 14/02 R).
Der Kläger ist weiterhin erwerbsfähig, weil er zumindest noch körperlich leichte und geistig einfache Arbeiten bei weiteren Einschränkungen vollschichtig und regelmäßig verrichten kann. Damit ist Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a.F. gesetzlich ausgeschlossen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann der Kläger nämlich noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen vollschichtig verrichten. Auszuschließen sind das Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken und Kriechen, Gerüst-, Leiter-, Akkord-, Fließband- und häufige Überkopfarbeiten, Wechselschichten sowie Arbeiten an laufenden Maschinen und außerhalb geschlossener Räume unter Einwirkung von Kälte, Hitze, Nässe, Zugluft und starken Temperaturschwankungen. Aus psychiatrischer Sicht "sollte" dem Kläger wegen der längeren "Entwöhnung" vom Arbeitsleben eine dreimonatige halbschich- tige Arbeitszeit zugebilligt werden, damit es "nicht gleich zu Anfang zu Überforderung und Dekompensation" kommt. Dieser Vorschlag der Nervenärztin Dr. K. zur stufenweisen Wiedereingliederung nach dem sog. Hamburger Modell ist aber keine zwingende Voraussetzung für die Aufnahme einer beruflichen Tätig- keit. Denn eine stufenweise Wiedereingliederung muss nicht, sondern "sollte" nur - im Sinne einer Empfehlung - idealerweise durchgeführt werden. Deshalb ist dem Kläger der Teilzeitarbeitsmarkt keinesfalls verschlossen. Überdies ist die bloße "Entwöhnung" vom Arbeitsleben keine "Krankheit oder Behinderung", die Erwerbsunfähigkeit auslösen kann.
Die Leistungsbeurteilung beruht im Wesentlichen auf degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule ohne Hinweis auf Instabilität bei guter Beweglichkeit, einer abgeheilten künst- lichen Neubildung (Resektionsarthroplastik) des linken Schultergelenks mit leichter Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke bei sehr guter Muskelversorgung ohne radiologische Zeichen von Degeneration und Fehlstellung sowie auf einem allenfalls mittelgradigen, chronifizierten Somatisierungs- und Schmerzsyndrom bei zwanghaft strukturierter Persönlichkeit mit emotionaler Labilität.
Diese Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Leistungsvermögen des Klägers entnimmt der Senat dem Gesamtergebnis der Ermittlungen und der Beweisaufnahme, insbesondere den Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. B. vom 20. Juni 2000 und seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 14. Dezember 2000 und 22. Februar 2001, des Nervenarztes Dr. B. vom 10. August 2000, der Neurologin und Psychiaterin Dr. K. vom 20. März 2002 sowie des Orthopäden Prof. Dr. S. vom 27. März 2002.
Die Sachverständigen haben die Vorbefunde berücksichtigt, sind den Beschwerden des Klägers sorgfältig nachgegangen und haben ihn klinisch, (doppler-)sonographisch, elektromyographisch, elektroneuro- und -enzephalographisch sowie röntgenologisch untersucht. Die Orthopäden Dr. B. und Prof. Dr. S. haben Funktionsprüfungen der Wirbelsäule und der Extremitäten vorgenommen, den Kläger anatomisch genau inspiziert und vermessen sowie aktuelle Röntgenbilder (der Lendenwirbelsäule, beider Schultergelenke und des Beckens), kernspintomographische Aufnahmen beider Hände, eine Computertomographie der Lendenwirbelsäule und eine Mehrphasenskelettszintigraphie ausgewertet.
Die Sachverständigen Dr. B. und Dr. K. haben mit dem Kläger ein ausführliches Explorationsgespräch geführt. Die Anamnese erstreckte sich dabei auf die Entwicklung, das Ausmaß und die Behandlung der aktuellen Beschwerden und führte über eine biologische Familien- und vegetative Eigenanamnese zur Schilderung des Tagesablaufs und der Lebensgeschichte (Kindheit, früher Tod des Vaters, Verhältnis zur Mutter und den Geschwis- tern, Aufenthalt in einem Kinderheim, Schul-, Lehr- und Bundeswehrzeit, Heirat, Geburt einer Tochter, beruflicher Werdegang, derzeitige Lebensumstände). Die Sachverständige Dr. K. hat den Kläger zudem testpsychologisch mit Hilfe des reduzierten Wechsler Intelligenztests und des Demtect-Tests untersucht. Dabei konnten sich die Sachverständigen ein verlässliches Bild von der Erlebnisweise und den psychischen Abläufen, insbesondere dem Denken und Fühlen des Klägers, verschaffen.
Der Senat hat deshalb keinen Anlass, an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung zu zweifeln. Die Gutachten sind schlüssig, plausibel begründet und in sich widerspruchsfrei. Sie stimmen überdies in wesentlichen Zügen mit dem Kurentlassungsbericht der Rheumaklinik Aachen vom 06. Mai 1999 und dem Verwaltungsgutachten des Urologen und Sozialmediziners Dr. M. vom 24. Juni 1999 überein, die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat. Schließlich traut auch der behandelnde Orthopäde Dr. D. dem Kläger noch leichte bis mittelschwere Arbeiten bei weiteren Einschränkungen vollschichtig zu.
Die Einwände des Internisten Dr. H. sowie des Allgemeinmediziners und Anästhesiologen Dr. F. können das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erschüttern. Dr. H. hält die Erwerbsfä- higkeit seines Patienten zwar für "nennenswert" eingeschränkt und meint, dass der Kläger "wegen hochgradigen Fibromyalgiesyndrom zumindest befristet erwerbsunfähig im Sinne des BGB" sei. Dem hat der Sachverständige Dr. B. aber zu Recht entgegengehalten, dass allein aus der Diagnose eines Fibroymalgiesyndroms keinesfalls automatisch auf eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens oder gar auf die "Erwerbsunfähigkeit" des Erkrankten geschlossen werden kann. Der Privatgutachter Dr. F. macht umfangreiche, allgemeine Ausführungen zur Fibromyalgie, zur chronischen Schmerzkrankheit, zur somatoformen Schmerzstörung und zur Begutachtung, ohne dass deutlich wird, welche Diagnose beim Kläger im Vordergrund steht. Die konkreten Untersuchungsbefunde fallen dagegen sehr kurz aus und stellen keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn gegenüber den Gerichtsgutachten dar. Die Einschätzung von Dr. F., der Kläger könne nur noch unterhalbschichtig arbeiten, lässt sich mit den Befunden und den Leistungsbeurteilungen sämtlicher Gutachter und des behandelnden Orthopäden Dr. D. nicht in Einklang bringen, zumal Prof. Dr. S. die besondere Fitness des Klägers mehrfach hervorhebt.
Der Kläger ist auch nicht berufsunfähig. Denn seine Erwerbsfähigkeit ist nicht auf weniger als die Hälfte einer gesunden Vergleichsperson mit ähnlicher Ausbildung, gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F.). Um seine Berufsunfähigkeit abzuwen- den kann der Kläger auf alle Tätigkeiten verwiesen werden, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm sozial zugemutet werden können; dabei sind Dauer und Umfang der Ausbildung und des bisherigen Berufs ebenso zu berücksichtigen, wie die besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Ausgangspunkt für die Frage einer zumutbaren Verweisung ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs. Um den Verweisungsrahmen zu konkretisieren, hat das Bundessozialgericht (BSG) ein Mehrstufenschema entwickelt, das auch der Senat zugrunde legt, und die Arbeiterberufe - ausgehend von Umfang und Dauer der Ausbildung - in verschiedene Gruppen eingeteilt (BSG, Urteil vom 14. Mai 1996, Az.: 4 RA 60/94, SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Sie sind charakterisiert durch die Leitberufe des Ungelernten, des Angelernten und des Facharbeiters in einem anerkannten Aus- bildungsberuf sowie - basierend auf den besonderen Anforderun- gen der bisherigen Tätigkeit - durch den Beruf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifi- zierten Facharbeiters. In diesem Rahmen kann der Kläger im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf allenfalls auf die nächst niedrigere Berufsgruppe verwiesen werden (BSG, Urteil vom 02.Dezember 1987, Az.: 1 RA 11/86, DAngVers 1988, 126). "Bisheri- ger Beruf" ist in der Regel die Beschäftigung, die der Versicherte zuletzt versicherungspflichtig ausgeübt hat (BSG, Urteil vom 03. Juli 2002, Az.: B 5 RJ 18/01 R).
Legt man diese Kriterien zugrunde, genießt der Kläger als "Pumper im Pump und Mischbetrieb" Berufsschutz als Angelernter im oberen Bereich, nicht jedoch als Facharbeiter.
Versicherte erwerben den Facharbeiterschutz nur dann, wenn sie einen anerkannten Ausbildungsberuf iSd. § 25 BBiG mit mehr als zweijähriger Ausbildung erlernt und zuletzt ausgeübt haben oder einen (nicht erlernten) Ausbildungsberuf tatsächlich vollwertig ausgeübt haben und sich unter gelernten Facharbeitern auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig behaupten können oder in einem Beruf tätig waren, der den anerkannten Ausbildungsberufen tarifvertraglich gleichgestellt ist oder wenn sie im Teilbereich eines Ausbildungsberufs gearbeitet haben, der sich zu einem eigenständigen Berufsbild mit Facharbeiterqualifikation entwickelt hat (BSG, Urteile vom 28. Mai 1991, Az.: 13/5 RJ 4/90 SozR 3-2200 § 1246 Nr. 12 und vom 14. Mai 1991, Az.: 5 RJ 82/ 89, SozR 3-2200 § 1246 Nrn 13; Niesel in: Kasseler Kommentar, Stand: Mai 2002, § 240 Rn. 30). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.
Er hat zwar die anerkannten Ausbildungsberufe des Dachdeckers und Klempners erlernt, aber zuletzt nicht ausgeübt. Den Beruf des Chemikanten, der zu den anerkannten Ausbildungsberufen mit einer Ausbildungsdauer von 42 Monaten gehört (Verordnung über die Berufsausbildung zum Chemikanten vom 27. Februar 2001, BGBl. I S. 350), hat er nicht erlernt.
Nach den überzeugenden Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen B., denen sich der Senat anschließt, hat der Kläger bei der Deutschen Shell AG nur in Teilbereichen des Chemikantenberufs gearbeitet. Deshalb konnte er während seiner Berufstätigkeit auch nicht die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten erwerben, die ihn in die Lage versetzen, sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (also außerhalb seines bisherigen Berufsbereichs) gegenüber gelernten Chemikanten wettbewerbsfähig zu behaupten.
Der Beruf des Pumpers im Pump- und Mischbetrieb ist den anerkannten Ausbildungsberufen auch nicht tarifvertraglich gleichgestellt. Eine solche tarifvertragliche Gleichstellung durch die Tarifvertragsparteien ist bindend (st. Rspr. des BSG, Urteile vom 14. Mai 1991, Az.: 5 RJ 82/89, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 13 und vom 28. Mai 1991, Az.: 13/5 RJ 69/90, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 14), wenn der maßgebliche Tarifvertrag nach Qualitätsstufen gegliedert ist, den Verweisungsberuf als solchen ausdrücklich aufführt und einer bestimmten Berufsgruppe zuordnet, die vom Leitberuf des Facharbeiters geprägt ist und diese Zuordnung nicht ausnahmsweise auf qualitätsfremden Gründen beruht. Der (Haus-)Entgelttarifvertrag der Arbeitgeberin, der nach Qualitätsstufen gegliedert ist, nennt den Beruf des Pumpers im Pump- und Mischbetrieb ausdrücklich und ordnet ihn der Lohngruppe 09 zu. Diese Berufsgruppe ist jedoch nicht vom Leitberuf des Facharbeiters geprägt. Zwar erfasst sie mit dem "Betriebsschlosser" - wie bereits die Lohngruppe 08 für den "Lagerbereich" - einen Beruf, für den typischerweise eine Ausbildung von 36 Monaten erforderlich ist. Auf der anderen Seite erwähnt die Lohngruppe 09 aber auch typisch angelernte Tätigkeiten wie die des Werkzeugausgebers, Energiewerkers und "Ölschmierers". Die Mehrzahl der Tätigkeiten, die in der Tarifgruppe 09 aufge- führt sind, lässt sich aufgrund der hohen Spezialisierung in der Mineralölbranche weder dem Leitberuf des Facharbeiters noch dem Leitberuf des angelernten Arbeiters eindeutig zuordnen. Eine abstrakte Umschreibung der einzelnen Entgeltgruppen, die Rückschlüsse auf die Qualität der erwähnten Berufe zuließe, fehlt. Die Berufe des Chemikanten und Betriebsjungwerkers wer- den im Tarifvertrag nirgendwo erwähnt, was die Einordnung zusätzlich erschwert. Hinzu kommt, dass typische Facharbeiterberufe wie die des Elektrikers, Turb.-Kompr.-Schlossers, Schlossers Mot-Prüfstand, Feuerwehrschlossers, Hochdruckschweißers oder Mess- und Regelmechanikers in Tarifgruppe 10 eingeordnet sind. Nach Ansicht des Senats ist daher allenfalls die Tarif- gruppe 10 vom Leitberuf des Facharbeiters geprägt.
Schließlich hat sich die Tätigkeit des Pumpers im Pump- und Mischbetrieb nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen B. keinesfalls zu einem eigenständigen Berufsbild mit Facharbeiterqualifikation entwickelt, das sich - etwa in der Form des "Raffineriefacharbeiters" - verselbständigt hat.
Da Pumper im Pump- und Mischbetrieb eine "Spezialtätigkeit" in der Mineralölbranche ausüben, für die nach Angaben der Arbeitgeberin typischerweise eine zweijährige Berufsausbildung als Chemiebetriebsjungwerker mit Abschluss gefordert wird, ist der Kläger als Angelernter im oberen Bereich einzustufen. Diesen Beruf kann er gesundheitsbedingt nicht mehr ausüben, weil Pumper im Pump- und Mischbetrieb auf Leitern und im Schichtdienst arbeiten müssen.
Um seine Berufsunfähigkeit abzuwenden, kann er aber auf andere Ausbildungsberufe mit einer Regelausbildung von bis zu zwei Jahren und auf solche ungelernten Arbeiten zumutbar verwiesen werden, die sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten durch besondere Qualifikationsmerkmale, etwas das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung und die Notwendigkeit be- ruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, deutlich heraus- heben (BSG, Urteil vom 21. Juli 1987, Az.: 4a RJ 39/86, SozR 2200 § 1246 Nr. 143).
Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen kann der Kläger noch als Pförtner im Bewachungsgewerbe beispielsweise an der Nebenpforte bzw. am Lieferanten- und Personaleingang arbeiten. Pförtner regeln den Personen- und ggf. Fahrzeugverkehr an Türen und Toren von Fabriken, Geschäfts- und Bürohäusern. Je nach Betriebsart und -größe prüft der Pförtner die Legitimation von Betriebsangehörigen, meldet Lieferanten und Besucher an, erteilt Auskünfte, verwahrt Schlüssel, bedient Türen und Schranke, wickelt den Telefondienst ab, nimmt Postsendungen entgegen und leitet sie weiter. Im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe ist er für die Sicherheit im Betrieb verantwortlich.
Diese Tätigkeit entspricht dem Restleistungsvermögen des Klägers. Denn es handelt sich dabei um körperlich leichte Arbeit, die in wechselnder Körperhaltung ohne besonderen Zeitdruck zu ebener Erde und in geschlossenen Räumen ohne Temperaturschwankungen, Hitze, Kälte, Nässe, oder Zugluft (Pförtnerloge) verrichtet wird. Die Beschränkung auf den Tagesdienst ist möglich (Auskunft der Fa. Westfälischer Wachschutz vom 16. Februar 1996, LSG NW, Urteil vom 06. Juli 1999, Az.: L 18 RJ 107/98). Obwohl der Kläger zuletzt jahrelang ausschließlich körperlich geprägte Arbeiten verrichtet hat, sind ihm überwachende und kontrollierende Tätigkeiten nicht völlig fremd. Denn zu seinen Aufgaben als Pumper im Pump- und Mischbetrieb hatte er solche Arbeiten im Innendienst zu 24 % der Arbeitszeit zu erledigen, wie aus der Stellenbeschreibung der Arbeitgeberin hervorgeht. Deshalb bestehen - bei "durchschnittlicher Flexibilität" - keine durchgreifenden Bedenken gegen seine Umstellungsfähigkeit.
Die Tätigkeit als Pförtner hebt sich auch durch das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten heraus. Denn nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 3 Abs. 2 der Bewachungsverordnung (BewachV) vom 10. Juli 2003 (BGBl. I, 1378), die für alle Wach- und Sicherheitsunternehmen gilt, setzt die Pförtnertätigkeit eine Unterrichtung bei der Industrie- und Handelskammer mit einer Dauer von 40 Unterrichtsstunden voraus (§ 3 Abs. 1 BewachV). Die Unterrichtung umfasst dabei das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, das Bürgerliche Gesetzbuch, das Straf- und Strafverfahrensrecht, Unfallverhütungsvorschriften, die Grundzüge der Sicherheitstechnik sowie der Umgang mit Menschen (§ 4 Satz 2 i.V.m. Anlage 3 BewachV). Außerdem wird der Pförtner in Erster Hilfe sowie im Brand- und Katastrophenschutz ausgebildet. Anschließend wird er am jeweiligen Einsatzort 2 bis 5 Tage eingearbeitet (Auskunft der Fa. Kötter Security vom 06. März 1996). Derartige einfache Pförtnertätigkeiten sind einem Angelernten im oberen Bereich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 14. Dezember 1995, Az.: 5 RJ 10/95) sozial zumutbar.
Da der Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe Nordrhein-Westfalen (vom 06. April 2001, gültig ab 01. Mai 2001) die beschriebenen einfachen Pförtnertätigkeiten in den Lohngruppen 2.0.11 und 2.0.15 erfasst, besteht keine Gefahr, dass der Arbeitsmarkt für derartige Berufe verschlossen ist. Schließlich werden freie Arbeitsplätze als Pförtner auch nicht vorwiegend an leistungsgeminderte Beschäftigte des eigenen Betriebes vergeben, so dass der Kläger auch reale Chancen auf Vermittlung einer entsprechenden Stelle hätte.
Da der Kläger somit weder erwerbs- noch berufsunfähig ist, kann er erst recht nicht erwerbsgemindert sein. Denn die teilweise bzw. volle Erwerbsminderung gem. § 43 SGB VI n.F. setzt im Vergleich zur Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit eine noch weitergehendere Herabsetzung der zeitlichen beruflichen Belastbarkeit voraus.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab Mai 1999.
Der im ...1953 geborene Kläger hat Ausbildungen zum Dachdecker und Klempner erfolgreich durchlaufen und war bis Oktober 1980 als Dachdecker tätig. Anschließend arbeitete er bei der Deutschen Shell AG (Arbeitgeberin) zunächst als Flugtankwart, später als "Füller Ablieferung" und zuletzt ab Januar 1994 bis zum Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit im Oktober 1998 in voll- kontinuierlicher Schichtarbeit als "Pumper im Pump- und Misch- betrieb". Dabei war er im Wesentlichen mit dem Einlagern, Mischen und Abgeben von Rohölen, Komponenten, Hilfsstoffen und Fertigprodukten für die Produktion und den Verkauf betraut. Aus der betrieblichen Stellenbeschreibung geht hervor, dass diese Tätigkeit eine zweijährige Berufsausbildung zum Betriebsjung- werker mit Abschluss sowie zusätzlich eine 1 bis 1½-jährige Betriebs- und Berufserfahrung erforderte. Die Entlohnung erfol- gte nach Entgeltgruppe 09 des (Haus-)Entgelttarifvertrags der Arbeitgeberin vom 02. Dezember 1997. Die Tätigkeit des Klägers als Pumper im Pump- und Mischbetrieb verrichteten nach Auskunft der Arbeitgeberin vom 22. Juni 1999 "im Allgemeinen" Arbeiter mit einer Ausbildungsdauer von 3 Jahren bzw. 18 Monaten. Heute ist dieser Arbeitsplatz mit einem "Operator" besetzt, für den die Arbeitgeberin nunmehr eine 3½jährige Ausbildung als Chemikant (mit zusätzlicher bis zu 24monatiger Einarbeitung) voraussetzt.
Am 19. Mai 1999 beantragte der Kläger eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und legte ein Attest des niedergelassenen Internisten Dr. H. aus K. vom 11. Mai 1999 vor, wonach er wegen eines hochgradigen Fibromyalgiesyndroms "zumindest befristet erwerbsunfähig" sei. Die Beklagte zog daraufhin einen Kurentlassungsbericht der Rheumaklinik A. vom 06. Mai 1999 bei, wo der Kläger im März 1999 an einem dreiwöchigen stationären Heilverfahren teilgenommen hatte. Die Kurärzte muteten dem Kläger noch leichte Arbeiten ohne Klettern, Stressbelastungen und Schichtdienst auf ei- nem "Büroarbeitsplatz" vollschichtig zu. Anschließend ließ ihn die Beklagte in ihrer Kölner Begutachtungsstelle durch den Urologen und Sozialmediziner Dr. M. untersuchen. Dieser traute dem Kläger in seinem Gutachten vom 24. Juni 1999 noch leichte Arbeiten in wechselnder, jedoch überwiegend sitzender Körperhaltung ohne häufiges Bücken, Heben, Tragen, Klettern, Steigen und besonderen Zeitdruck sowie ohne Einwirkung durch Nässe und Kälte vollschichtig zu.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 01. Juli 1999 ab, gegen den der Kläger am 07. Juli 1999 Widerspruch erhob. Zur Begründung führte er aus, er leide zusätzlich unter Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie des linken Schultergelenks. Eine stufenweise Wiedereingliederung sei im Mai 1999 gescheitert. Aufgrund der tariflichen Einstufung und der qualitativen Anforderungen an seinen letzten Beruf genieße er Berufsschutz als Facharbeiter.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, weil der Kläger noch leichte Arbeiten bei weiteren Einschränkungen vollschichtig verrichten könne. Als angelernter Arbeiter könne er auf die Berufe einer Bürohilfskraft, eines Pförtners an der Nebenpforte und eines Poststellenmitarbeiters in größeren Firmen oder Behörden verwiesen werden. Berufsschutz als Facharbeiter könne er nicht beanspruchen, weil ihn die Arbeitgeberin nach einer Mischlohngruppe für eine Tätigkeit bezahlt habe, für die lediglich eine 2jährige Ausbildung erforderlich gewesen sei.
Dagegen hat der Kläger am 28. Januar 2000 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgte.
Zur Sachaufklärung hat das SG zunächst Befundberichte des niedergelassenen Orthopäden Dr. D. aus K. vom 23. März 2000 und des niedergelassenen Internisten Dr. H. ebenda, vom 11. April 2000 angefordert. Während Dr. H. die Erwerbsfähigkeit "nennenswert" eingeschränkt sah, hielt Dr. D. noch leichte bis mittelschwere Arbeiten für vollschichtig möglich.
Anschließend hat das SG von Amts wegen weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädisch-rheumatologischen Zusatzgutachtens von Dr. B., Arzt für Orthopädie und Rheumatologie am Institut für orthopädische Begutachtung in S., und eines nervenärztlichen Hauptgutachtens des niedergelassenen Neurologen und Psychiaters Dr. B., ebenda. Unter Berücksichtigung des Zusatzgutachtens vom 20. Juni 2000 ist Dr. B. in seinem Gutachten vom 10. August 2000 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger noch leichte bis gelegentliche mittelschwere Arbeiten bei weiteren Einschränkungen vollschichtig verrichten kann. Wegen der weiteren Einzelheiten der Gutachten wird auf Bl. 68 bis 99 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Der Kläger hat hierzu kritische Atteste eines "Dr. H." aus K. vom 27. Januar 2001 und des Internisten Dr. H. vom 07. November 2000 und 23. Januar 2001 überreicht. Damit hat sich der Sachverständige Dr. B. in ergänzenden Stellungnahmen vom 14. Dezember 2000 und 22. Februar 2001 auseinandergesetzt, ohne von seiner bisherigen Leistungsbeurteilung abzuweichen.
Mit Urteil vom 27. Juni 2001 hat das SG die Klage abgewiesen: Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten voll- schichtig verrichten und sei als angelernter Arbeiter auf Tä- tigkeiten der Lohngruppe K 2 des Gehaltsrahmenabkommens für die Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nord- rhein-Westfalen verweisbar. Als Pumper im Pump- und Mischbetrieb genieße er keinen Facharbeiterschutz, weil für diesen Beruf nach Auskunft der Arbeitgeberin nur eine Regelausbildungszeit von 2 Jahren erforderlich gewesen sei.
Nach Zustellung am 18. Juli 2001 hat der Kläger gegen diese Entscheidung am 16. August 2001 Berufung eingelegt und ein Privatgutachten des Allgemeinmediziners, Anästhesiologen und Schmerztherapeuten Dr. F. aus B. vom 11. August 2001 vorgelegt, wonach er nur noch unterhalbschichtig einsetzbar sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27. Juni 2001 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13. Januar 2001 zu verurteilen, ihm Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab 01. Mai 1999 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Einschätzung fest, dass der Kläger als angelernter Arbeiter zu beurteilen sei. Bei der Entgeltgruppe 09 des Haustarifvertrags der Arbeitgeberin handele es sich um eine "Mischlohngruppe", die keine Facharbeitereigenschaft begründe. Hilfsweise benennt sie als Verweisungsberufe die Tätigkeiten eines Kassierers an Selbstbedienungstankstellen, Lagerfacharbeiters, Lager- und Materialverwalters, Werkzeugausgebers sowie einer Bürohilfskraft.
Der Senat hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Zusatzgutachtens der niedergelassenen Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. aus A. und eines orthopädischen Hauptgutachtens des Orthopäden Prof. Dr. St., Chefarzt der Klinik für Orthopädie am Medizinischen Zentrum Kreis A. gGmbH in W ... Unter Berücksichtigung des Zusatzgutachtens vom 20. März 2003 traut Prof. Dr. St. dem Kläger in seinem Hauptgutachten vom 20. März 2003 ebenfalls noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit weiteren Einschränkungen vollschichtig zu. Aus psychiatrischer Sicht "sollte" dem Kläger wegen der längeren "Entwöhnung" vom Ar- beitsleben eine dreimonatige halbschichtige Arbeitszeit zugebilligt werden, damit es "nicht gleich zu Anfang zu Überforderung und Dekompensation" komme. Hinsichtlich der weiteren Details wird auf Bl. 205 bis 255 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Darüber hinaus hat der Senat von dem gelernten Chemikanten, Chemielaboranten und Chemotechniker B. aus St. A., der seit 1976 hauptamtliches Mitglied des Prüfungsausschusses für Chemikanten der IHK Köln ist, ein berufskundliches Sachverständigengutachten vom 11. März bzw. 19. Mai 2003 eingeholt, auf das verwiesen wird (Bl. 329 bis 330 und 356 bis 357 der Gerichtsakte).
Abschließend hat der Senat den Beteiligten aus den Verfahren L 14 RJ 162/93, L 18 J 72/95 und L 3 RJ 64/00 vor dem Landessozi- algericht Nordrhein-Westfalen folgende berufskundliche Unterlagen zum Beruf des Pförtners im Bewachungsgewerbe zugänglich gemacht, auf die jeweils Bezug genommen wird:
- Auskünfte des Bundesverbandes Deutscher Wach- und Sicher- heitsunternehmen e.V. aus Bad Homburg vom 15. Februar 1996 und 16. November 2000 (Bl. 365 bis 366 und 396 der Ge- richtsakte),
- Auskünfte der Fa. Westfälischer Wachschutz aus Marl vom 08. und 16. Februar 1996 (Bl. 382 bis 384 der Gerichts- akte) sowie vom 13. November 2000 (Bl. 400f. der Gerichts- akte), - Auskünfte der Fa. Raab Karcher Sicherheit GmbH in Essen vom 15. März, 09. Juli und 02. August 1996 (Bl. 385 f. und 393 f. der Gerichtsakte), - Auskünfte der Fa. Kötter Security aus Essen vom 06. März und 09. Juli 1996 (Bl. 389 f. und 392 der Gerichtsakte) sowie vom 15. März 2001 (Bl. 395 der Gerichtsakte) und - Auskunft der Fa. Securitas Sicherheitsdienste GmbH & Co. KG in Essen vom 23. Januar 2000 (Bl. 397 der Gerichts- akte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: ...) verwiesen. Beide Akten sowie die Leistungsakte des Arbeitsamtes Köln (Kunden-Nr.: ...) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), weil er keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit hat.
Sein Rentenanspruch richtet sich noch nach §§ 43, 44 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.), weil er auch Zeiten vor diesem Zeitpunkt erfasst. Die ab 01. Januar 2001 geltende Neuregelung durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I, 1827) ist allerdings heranzuziehen, soweit ein Anspruch am 31. Dezember 2000 nicht bestand, aber für die nachfolgende Zeit in Betracht kommt (§ 300 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB VI; BSG, Urteile vom 28. August 2002, Az.: B 5 RJ 12/02 R und B 5 RJ 14/02 R).
Der Kläger ist weiterhin erwerbsfähig, weil er zumindest noch körperlich leichte und geistig einfache Arbeiten bei weiteren Einschränkungen vollschichtig und regelmäßig verrichten kann. Damit ist Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a.F. gesetzlich ausgeschlossen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann der Kläger nämlich noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen vollschichtig verrichten. Auszuschließen sind das Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken und Kriechen, Gerüst-, Leiter-, Akkord-, Fließband- und häufige Überkopfarbeiten, Wechselschichten sowie Arbeiten an laufenden Maschinen und außerhalb geschlossener Räume unter Einwirkung von Kälte, Hitze, Nässe, Zugluft und starken Temperaturschwankungen. Aus psychiatrischer Sicht "sollte" dem Kläger wegen der längeren "Entwöhnung" vom Arbeitsleben eine dreimonatige halbschich- tige Arbeitszeit zugebilligt werden, damit es "nicht gleich zu Anfang zu Überforderung und Dekompensation" kommt. Dieser Vorschlag der Nervenärztin Dr. K. zur stufenweisen Wiedereingliederung nach dem sog. Hamburger Modell ist aber keine zwingende Voraussetzung für die Aufnahme einer beruflichen Tätig- keit. Denn eine stufenweise Wiedereingliederung muss nicht, sondern "sollte" nur - im Sinne einer Empfehlung - idealerweise durchgeführt werden. Deshalb ist dem Kläger der Teilzeitarbeitsmarkt keinesfalls verschlossen. Überdies ist die bloße "Entwöhnung" vom Arbeitsleben keine "Krankheit oder Behinderung", die Erwerbsunfähigkeit auslösen kann.
Die Leistungsbeurteilung beruht im Wesentlichen auf degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule ohne Hinweis auf Instabilität bei guter Beweglichkeit, einer abgeheilten künst- lichen Neubildung (Resektionsarthroplastik) des linken Schultergelenks mit leichter Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke bei sehr guter Muskelversorgung ohne radiologische Zeichen von Degeneration und Fehlstellung sowie auf einem allenfalls mittelgradigen, chronifizierten Somatisierungs- und Schmerzsyndrom bei zwanghaft strukturierter Persönlichkeit mit emotionaler Labilität.
Diese Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Leistungsvermögen des Klägers entnimmt der Senat dem Gesamtergebnis der Ermittlungen und der Beweisaufnahme, insbesondere den Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. B. vom 20. Juni 2000 und seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 14. Dezember 2000 und 22. Februar 2001, des Nervenarztes Dr. B. vom 10. August 2000, der Neurologin und Psychiaterin Dr. K. vom 20. März 2002 sowie des Orthopäden Prof. Dr. S. vom 27. März 2002.
Die Sachverständigen haben die Vorbefunde berücksichtigt, sind den Beschwerden des Klägers sorgfältig nachgegangen und haben ihn klinisch, (doppler-)sonographisch, elektromyographisch, elektroneuro- und -enzephalographisch sowie röntgenologisch untersucht. Die Orthopäden Dr. B. und Prof. Dr. S. haben Funktionsprüfungen der Wirbelsäule und der Extremitäten vorgenommen, den Kläger anatomisch genau inspiziert und vermessen sowie aktuelle Röntgenbilder (der Lendenwirbelsäule, beider Schultergelenke und des Beckens), kernspintomographische Aufnahmen beider Hände, eine Computertomographie der Lendenwirbelsäule und eine Mehrphasenskelettszintigraphie ausgewertet.
Die Sachverständigen Dr. B. und Dr. K. haben mit dem Kläger ein ausführliches Explorationsgespräch geführt. Die Anamnese erstreckte sich dabei auf die Entwicklung, das Ausmaß und die Behandlung der aktuellen Beschwerden und führte über eine biologische Familien- und vegetative Eigenanamnese zur Schilderung des Tagesablaufs und der Lebensgeschichte (Kindheit, früher Tod des Vaters, Verhältnis zur Mutter und den Geschwis- tern, Aufenthalt in einem Kinderheim, Schul-, Lehr- und Bundeswehrzeit, Heirat, Geburt einer Tochter, beruflicher Werdegang, derzeitige Lebensumstände). Die Sachverständige Dr. K. hat den Kläger zudem testpsychologisch mit Hilfe des reduzierten Wechsler Intelligenztests und des Demtect-Tests untersucht. Dabei konnten sich die Sachverständigen ein verlässliches Bild von der Erlebnisweise und den psychischen Abläufen, insbesondere dem Denken und Fühlen des Klägers, verschaffen.
Der Senat hat deshalb keinen Anlass, an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung zu zweifeln. Die Gutachten sind schlüssig, plausibel begründet und in sich widerspruchsfrei. Sie stimmen überdies in wesentlichen Zügen mit dem Kurentlassungsbericht der Rheumaklinik Aachen vom 06. Mai 1999 und dem Verwaltungsgutachten des Urologen und Sozialmediziners Dr. M. vom 24. Juni 1999 überein, die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat. Schließlich traut auch der behandelnde Orthopäde Dr. D. dem Kläger noch leichte bis mittelschwere Arbeiten bei weiteren Einschränkungen vollschichtig zu.
Die Einwände des Internisten Dr. H. sowie des Allgemeinmediziners und Anästhesiologen Dr. F. können das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erschüttern. Dr. H. hält die Erwerbsfä- higkeit seines Patienten zwar für "nennenswert" eingeschränkt und meint, dass der Kläger "wegen hochgradigen Fibromyalgiesyndrom zumindest befristet erwerbsunfähig im Sinne des BGB" sei. Dem hat der Sachverständige Dr. B. aber zu Recht entgegengehalten, dass allein aus der Diagnose eines Fibroymalgiesyndroms keinesfalls automatisch auf eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens oder gar auf die "Erwerbsunfähigkeit" des Erkrankten geschlossen werden kann. Der Privatgutachter Dr. F. macht umfangreiche, allgemeine Ausführungen zur Fibromyalgie, zur chronischen Schmerzkrankheit, zur somatoformen Schmerzstörung und zur Begutachtung, ohne dass deutlich wird, welche Diagnose beim Kläger im Vordergrund steht. Die konkreten Untersuchungsbefunde fallen dagegen sehr kurz aus und stellen keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn gegenüber den Gerichtsgutachten dar. Die Einschätzung von Dr. F., der Kläger könne nur noch unterhalbschichtig arbeiten, lässt sich mit den Befunden und den Leistungsbeurteilungen sämtlicher Gutachter und des behandelnden Orthopäden Dr. D. nicht in Einklang bringen, zumal Prof. Dr. S. die besondere Fitness des Klägers mehrfach hervorhebt.
Der Kläger ist auch nicht berufsunfähig. Denn seine Erwerbsfähigkeit ist nicht auf weniger als die Hälfte einer gesunden Vergleichsperson mit ähnlicher Ausbildung, gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F.). Um seine Berufsunfähigkeit abzuwen- den kann der Kläger auf alle Tätigkeiten verwiesen werden, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm sozial zugemutet werden können; dabei sind Dauer und Umfang der Ausbildung und des bisherigen Berufs ebenso zu berücksichtigen, wie die besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Ausgangspunkt für die Frage einer zumutbaren Verweisung ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs. Um den Verweisungsrahmen zu konkretisieren, hat das Bundessozialgericht (BSG) ein Mehrstufenschema entwickelt, das auch der Senat zugrunde legt, und die Arbeiterberufe - ausgehend von Umfang und Dauer der Ausbildung - in verschiedene Gruppen eingeteilt (BSG, Urteil vom 14. Mai 1996, Az.: 4 RA 60/94, SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Sie sind charakterisiert durch die Leitberufe des Ungelernten, des Angelernten und des Facharbeiters in einem anerkannten Aus- bildungsberuf sowie - basierend auf den besonderen Anforderun- gen der bisherigen Tätigkeit - durch den Beruf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifi- zierten Facharbeiters. In diesem Rahmen kann der Kläger im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf allenfalls auf die nächst niedrigere Berufsgruppe verwiesen werden (BSG, Urteil vom 02.Dezember 1987, Az.: 1 RA 11/86, DAngVers 1988, 126). "Bisheri- ger Beruf" ist in der Regel die Beschäftigung, die der Versicherte zuletzt versicherungspflichtig ausgeübt hat (BSG, Urteil vom 03. Juli 2002, Az.: B 5 RJ 18/01 R).
Legt man diese Kriterien zugrunde, genießt der Kläger als "Pumper im Pump und Mischbetrieb" Berufsschutz als Angelernter im oberen Bereich, nicht jedoch als Facharbeiter.
Versicherte erwerben den Facharbeiterschutz nur dann, wenn sie einen anerkannten Ausbildungsberuf iSd. § 25 BBiG mit mehr als zweijähriger Ausbildung erlernt und zuletzt ausgeübt haben oder einen (nicht erlernten) Ausbildungsberuf tatsächlich vollwertig ausgeübt haben und sich unter gelernten Facharbeitern auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig behaupten können oder in einem Beruf tätig waren, der den anerkannten Ausbildungsberufen tarifvertraglich gleichgestellt ist oder wenn sie im Teilbereich eines Ausbildungsberufs gearbeitet haben, der sich zu einem eigenständigen Berufsbild mit Facharbeiterqualifikation entwickelt hat (BSG, Urteile vom 28. Mai 1991, Az.: 13/5 RJ 4/90 SozR 3-2200 § 1246 Nr. 12 und vom 14. Mai 1991, Az.: 5 RJ 82/ 89, SozR 3-2200 § 1246 Nrn 13; Niesel in: Kasseler Kommentar, Stand: Mai 2002, § 240 Rn. 30). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.
Er hat zwar die anerkannten Ausbildungsberufe des Dachdeckers und Klempners erlernt, aber zuletzt nicht ausgeübt. Den Beruf des Chemikanten, der zu den anerkannten Ausbildungsberufen mit einer Ausbildungsdauer von 42 Monaten gehört (Verordnung über die Berufsausbildung zum Chemikanten vom 27. Februar 2001, BGBl. I S. 350), hat er nicht erlernt.
Nach den überzeugenden Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen B., denen sich der Senat anschließt, hat der Kläger bei der Deutschen Shell AG nur in Teilbereichen des Chemikantenberufs gearbeitet. Deshalb konnte er während seiner Berufstätigkeit auch nicht die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten erwerben, die ihn in die Lage versetzen, sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (also außerhalb seines bisherigen Berufsbereichs) gegenüber gelernten Chemikanten wettbewerbsfähig zu behaupten.
Der Beruf des Pumpers im Pump- und Mischbetrieb ist den anerkannten Ausbildungsberufen auch nicht tarifvertraglich gleichgestellt. Eine solche tarifvertragliche Gleichstellung durch die Tarifvertragsparteien ist bindend (st. Rspr. des BSG, Urteile vom 14. Mai 1991, Az.: 5 RJ 82/89, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 13 und vom 28. Mai 1991, Az.: 13/5 RJ 69/90, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 14), wenn der maßgebliche Tarifvertrag nach Qualitätsstufen gegliedert ist, den Verweisungsberuf als solchen ausdrücklich aufführt und einer bestimmten Berufsgruppe zuordnet, die vom Leitberuf des Facharbeiters geprägt ist und diese Zuordnung nicht ausnahmsweise auf qualitätsfremden Gründen beruht. Der (Haus-)Entgelttarifvertrag der Arbeitgeberin, der nach Qualitätsstufen gegliedert ist, nennt den Beruf des Pumpers im Pump- und Mischbetrieb ausdrücklich und ordnet ihn der Lohngruppe 09 zu. Diese Berufsgruppe ist jedoch nicht vom Leitberuf des Facharbeiters geprägt. Zwar erfasst sie mit dem "Betriebsschlosser" - wie bereits die Lohngruppe 08 für den "Lagerbereich" - einen Beruf, für den typischerweise eine Ausbildung von 36 Monaten erforderlich ist. Auf der anderen Seite erwähnt die Lohngruppe 09 aber auch typisch angelernte Tätigkeiten wie die des Werkzeugausgebers, Energiewerkers und "Ölschmierers". Die Mehrzahl der Tätigkeiten, die in der Tarifgruppe 09 aufge- führt sind, lässt sich aufgrund der hohen Spezialisierung in der Mineralölbranche weder dem Leitberuf des Facharbeiters noch dem Leitberuf des angelernten Arbeiters eindeutig zuordnen. Eine abstrakte Umschreibung der einzelnen Entgeltgruppen, die Rückschlüsse auf die Qualität der erwähnten Berufe zuließe, fehlt. Die Berufe des Chemikanten und Betriebsjungwerkers wer- den im Tarifvertrag nirgendwo erwähnt, was die Einordnung zusätzlich erschwert. Hinzu kommt, dass typische Facharbeiterberufe wie die des Elektrikers, Turb.-Kompr.-Schlossers, Schlossers Mot-Prüfstand, Feuerwehrschlossers, Hochdruckschweißers oder Mess- und Regelmechanikers in Tarifgruppe 10 eingeordnet sind. Nach Ansicht des Senats ist daher allenfalls die Tarif- gruppe 10 vom Leitberuf des Facharbeiters geprägt.
Schließlich hat sich die Tätigkeit des Pumpers im Pump- und Mischbetrieb nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen B. keinesfalls zu einem eigenständigen Berufsbild mit Facharbeiterqualifikation entwickelt, das sich - etwa in der Form des "Raffineriefacharbeiters" - verselbständigt hat.
Da Pumper im Pump- und Mischbetrieb eine "Spezialtätigkeit" in der Mineralölbranche ausüben, für die nach Angaben der Arbeitgeberin typischerweise eine zweijährige Berufsausbildung als Chemiebetriebsjungwerker mit Abschluss gefordert wird, ist der Kläger als Angelernter im oberen Bereich einzustufen. Diesen Beruf kann er gesundheitsbedingt nicht mehr ausüben, weil Pumper im Pump- und Mischbetrieb auf Leitern und im Schichtdienst arbeiten müssen.
Um seine Berufsunfähigkeit abzuwenden, kann er aber auf andere Ausbildungsberufe mit einer Regelausbildung von bis zu zwei Jahren und auf solche ungelernten Arbeiten zumutbar verwiesen werden, die sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten durch besondere Qualifikationsmerkmale, etwas das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung und die Notwendigkeit be- ruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, deutlich heraus- heben (BSG, Urteil vom 21. Juli 1987, Az.: 4a RJ 39/86, SozR 2200 § 1246 Nr. 143).
Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen kann der Kläger noch als Pförtner im Bewachungsgewerbe beispielsweise an der Nebenpforte bzw. am Lieferanten- und Personaleingang arbeiten. Pförtner regeln den Personen- und ggf. Fahrzeugverkehr an Türen und Toren von Fabriken, Geschäfts- und Bürohäusern. Je nach Betriebsart und -größe prüft der Pförtner die Legitimation von Betriebsangehörigen, meldet Lieferanten und Besucher an, erteilt Auskünfte, verwahrt Schlüssel, bedient Türen und Schranke, wickelt den Telefondienst ab, nimmt Postsendungen entgegen und leitet sie weiter. Im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe ist er für die Sicherheit im Betrieb verantwortlich.
Diese Tätigkeit entspricht dem Restleistungsvermögen des Klägers. Denn es handelt sich dabei um körperlich leichte Arbeit, die in wechselnder Körperhaltung ohne besonderen Zeitdruck zu ebener Erde und in geschlossenen Räumen ohne Temperaturschwankungen, Hitze, Kälte, Nässe, oder Zugluft (Pförtnerloge) verrichtet wird. Die Beschränkung auf den Tagesdienst ist möglich (Auskunft der Fa. Westfälischer Wachschutz vom 16. Februar 1996, LSG NW, Urteil vom 06. Juli 1999, Az.: L 18 RJ 107/98). Obwohl der Kläger zuletzt jahrelang ausschließlich körperlich geprägte Arbeiten verrichtet hat, sind ihm überwachende und kontrollierende Tätigkeiten nicht völlig fremd. Denn zu seinen Aufgaben als Pumper im Pump- und Mischbetrieb hatte er solche Arbeiten im Innendienst zu 24 % der Arbeitszeit zu erledigen, wie aus der Stellenbeschreibung der Arbeitgeberin hervorgeht. Deshalb bestehen - bei "durchschnittlicher Flexibilität" - keine durchgreifenden Bedenken gegen seine Umstellungsfähigkeit.
Die Tätigkeit als Pförtner hebt sich auch durch das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten heraus. Denn nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 3 Abs. 2 der Bewachungsverordnung (BewachV) vom 10. Juli 2003 (BGBl. I, 1378), die für alle Wach- und Sicherheitsunternehmen gilt, setzt die Pförtnertätigkeit eine Unterrichtung bei der Industrie- und Handelskammer mit einer Dauer von 40 Unterrichtsstunden voraus (§ 3 Abs. 1 BewachV). Die Unterrichtung umfasst dabei das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, das Bürgerliche Gesetzbuch, das Straf- und Strafverfahrensrecht, Unfallverhütungsvorschriften, die Grundzüge der Sicherheitstechnik sowie der Umgang mit Menschen (§ 4 Satz 2 i.V.m. Anlage 3 BewachV). Außerdem wird der Pförtner in Erster Hilfe sowie im Brand- und Katastrophenschutz ausgebildet. Anschließend wird er am jeweiligen Einsatzort 2 bis 5 Tage eingearbeitet (Auskunft der Fa. Kötter Security vom 06. März 1996). Derartige einfache Pförtnertätigkeiten sind einem Angelernten im oberen Bereich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 14. Dezember 1995, Az.: 5 RJ 10/95) sozial zumutbar.
Da der Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe Nordrhein-Westfalen (vom 06. April 2001, gültig ab 01. Mai 2001) die beschriebenen einfachen Pförtnertätigkeiten in den Lohngruppen 2.0.11 und 2.0.15 erfasst, besteht keine Gefahr, dass der Arbeitsmarkt für derartige Berufe verschlossen ist. Schließlich werden freie Arbeitsplätze als Pförtner auch nicht vorwiegend an leistungsgeminderte Beschäftigte des eigenen Betriebes vergeben, so dass der Kläger auch reale Chancen auf Vermittlung einer entsprechenden Stelle hätte.
Da der Kläger somit weder erwerbs- noch berufsunfähig ist, kann er erst recht nicht erwerbsgemindert sein. Denn die teilweise bzw. volle Erwerbsminderung gem. § 43 SGB VI n.F. setzt im Vergleich zur Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit eine noch weitergehendere Herabsetzung der zeitlichen beruflichen Belastbarkeit voraus.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).
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