Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 34 RJ 253/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 RJ 76/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 31.07.2002 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Zeitpunkt, zu dem die Beklagte frühestens die bisherige Höchstwertfestsetzung des Rechts auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufheben und einen neuen Höchstwert festsetzen durfte, sowie davon abhängig der Wert des Ausgleichsanspruchs streitig, der sich aus dem Rückausgleich der wegen eines Versorgungsausgleichs vorgenommenen Kürzung des Werts des Rechts auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ergibt.
Der im ... 1937 geborene Kläger war mit der am ...1939 geborenen ... verheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Witten vom ...1985 geschieden. Zu Lasten des Klägers wurde für die Ehezeit vom ... bis ... der Versorgungsausgleich durchgeführt.
Mit Bescheid vom 14.03.1994 bewilligte die Beklagte dem Kläger Erwerbsunfähigkeitsrente ab 01.03.1993 in Höhe von 1490,54 DM netto (brutto 1530,79 DM): Dabei berücksichtigte sie einen Abschlag für den Versorgungsausgleich in Höhe von 15,6243 Entgeltpunkten.
Im September 2000 stellte der Kläger einen Antrag nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG): Seine geschiedene Ehefrau sei am ...2000 verstorben. Leistungen aus der für sie bei der LVA Westfalen bestehenden Versicherung und insbesondere Leistungen aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich hat die Verstorbene nicht bezogen.
Daraufhin berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 27.11.2000 die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers ab 01.01.1996 neu. Es ergab sich nun ein Zahlbetrag in Höhe von 2313,22 DM netto. Die beklagte stützte sich dabei auf § 48 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -, gewährte rückwirkend aber nur Leistungen für vier Jahre ab 01.01.1996 und verwies zur Begründung insofern auf § 44 Abs. 4 SGB X. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein: Die Vier-Jahres-Frist sei bei einem Anspruch nach § 4 VAHRG nicht anwendbar. Die Beklagte verblieb jedoch bei ihrer Auffassung (Widerspruchsbescheid vom 23.08.2001).
Hiergegen hat der Kläger am 12.09.2001 Klage erhoben und zur Begründung dargelegt, er sei so zu behandeln, als wenn der Versorgungsausgleich nie stattgefunden hätte. Er sah seine Rechtsauffassung auch durch ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.07.2001 - Az.: B 4 RA 94/00 R - bestätigt.
Die Beklagte hielt das Urteil des Bundessozialgerichts nicht für überzeugend und lehnte weiterhin die Zahlung einer Rente ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs vor dem 01.01.1996 ab.
Mit Urteil vom 31.07.2002 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger über den bisher zuerkannten Ausgleichsanspruch hinaus einen weiteren Betrag unter Berücksichtigung des Zeitraums vom 01.03.1993 bis 31.12.1995 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht unter Hinweis auf das genannte Urteil des 4. Senats des BSG darauf verwiesen, § 4 Abs. 1 VAHRG konkretisiere das verfassungsrechtliche Gebot eines wirtschaftlich vollständigen Rückausgleichs. Der einmalige Ausgleichsanspruch ergebe sich gerade nicht als Summe der in der Vergangenheit wiederkehrend entstandenen und fällig gewordenen Einzelansprüche, sondern sei originär gemäß § 4 Abs. 1 VAHRG mit dem Tod der früheren Ehefrau entstanden und fällig geworden.
Gegen diese ihr am 27.08.2002 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten vom 19.09.2002. Zur Begründung meint die Beklagte, § 4 VAHRG enthalte effektiv keine Regelung darüber, in welcher Weise eine bereits durchgeführte Rentenminderung nachträglich zu beheben sei. Das Bundessozialgericht habe selbst formuliert, dass es sich bei § 4 VAHRG um keine Sondervorschrift zu § 48 SGB X handle. Ermächtigungsgrundlage sei für die erforderliche zukunftsgerichtete Aufhebung der bisherigen Rentenhöchstwertfeststellung allein § 48 Abs. 1 SGB X. Welche verfahrensrechtlichen Grundlagen die Rückgewähr vormals gekürzter Rentenanteile habe, gehe aus den Gründen des Urteils nicht hervor. Da es aber in Fällen der Rückgewähr früher eingebüßter Rententeilbeträge notwendigerweise auch um die Rückgängigmachung der Rechtswirkungen eines bei seinem Erlass fehlerfreien Dauerverwaltungsaktes gehe, sei nicht evident, warum die Regelung aus § 48 SGB X einschließlich der darin enthaltenen Verweisung auf die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X keine Geltung beanspruchen sollte. Die Entscheidung des 4. Senats stelle nach ihrer Auffassung keine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung dar. Es werde daher eine Entscheidung durch einen anderen Senat des BSG angestrebt. Zudem habe der 1. Senat des BSG mit Urteil vom 27.01.1987 - Az.: 1 RA 27/86 - für die rückwirkende Gewährung vorenthaltener Leistungen aufgrund eines sozialgerichtlichen Herstellungsanspruchs entschieden, dass § 44 Abs. 4 SGB X analoge Anwendung finde. Insofern bestehe ein vergleichbarer Interessenkonflikt zwischen dem Bedürfnis des Ausgleichspflichtigen nach umfassendem Ausgleich vorangegangener Verluste und dem Anliegen des Rentenversicherungsträgers, die Befriedigung von Forderungen einzugrenzen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 31.07.2002 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24.07.2001. Es seien keine Gründe ersichtlich, warum von dieser Entscheidung abgewichen werden sollte. Mittlerweile erhält der Kläger aufgrund einer Umwandlung Regelaltersrente ab 01.09.2002.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 01.03.1993 die ungeminderte Rente zu zahlen.
Der Bescheid der Beklagten vom 27.11.2000 ist nur insofern rechtmäßig, als die Beklagte die Rente wegen Wegfall der Minderung durch Versorgungsausgleich neu berechnet und ab 01.01.2001 die ungeminderte Rente gezahlt hat. Nur insofern kann sich die Beklagte rechtmäßig auf die Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 SGB X stützen. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit u.a. die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB X). Mit dem Tod der früheren Ehefrau des Klägers am 26.08.2000 ist die von § 48 SGB X vorausgesetzte Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen eingetreten. Die verstorbene Ehefrau des Klägers hat keine rentenversicherungsrechtlichen Leistungen erhalten, für deren Gewährung die im Versorgungsausgleich übertragenen Anwartschaften hätten bedeutsam sein können. Der Kläger hatte deswegen Anspruch darauf, dass der Wert seines Rechts auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht mehr aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt wurde. Die wesentliche rechtliche Änderung lag darin, dass der Tod der geschiedenen Ehefrau des Klägers die Rechtsfolgen des § 4 Abs. 1 VHARG auslöste. Mit Rücksicht darauf hätte die Beklagte die bisherige Rentenhöchstwertfeststellung frühestens ab 26.08.2000, unter Beachtung des rentenversicherungsrechtlichen Monatsprinzips jedoch mit Wirkung ab 01.09.2000 aufheben können und müssen.
Nur für diesen Zeitraum ist die rückwirkend dem Kläger gewährte höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ohne Minderung infolge des Versorgungsausgleichs rechtmäßig von der Beklagten auf die Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 SGB X gestützt worden. Für eine darüberhinausgehende rückwirkende Gewährung bietet § 48 Abs. 1 SGB X allerdings keine Rechtsgrundlage, da die wesentliche Änderung erst durch den Tod der geschiedenen Ehefrau des Klägers am 26.08.2000 eintrat und ausschließlich dieser Umstand als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse in Betracht kommt. Vor diesem Zeitpunkt war zum Einen keine Änderung eingetreten, die zur Aufhebung des Verwaltungsaktes eine Grundlage bot, zum Anderen war bis dahin der durchgeführte Versorgungsausgleich rechtmäßig und dementsprechend auch die Festsetzung des Höchstwertes der dem Kläger gewährten Rente mit Recht erfolgt. Dies beachtet die Beklagte nach wie vor nicht hinreichend, da sie für die - hier schon denkgesetzlich ausgeschlossene - rückwirkende Aufhebung ausschließlich § 48 SGB X als maßgebliche Rechtsgrundlage ansieht. Dies ist ausgeschlossen, weil § 48 SGB X frühestens eine Änderung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (hier: Tod der geschiedenen Ehefrau) ermöglicht, hingegen nicht für Zeiten davor. Dies erhellt auch, dass § 48 SGB X von Vorneherein schon als Grundlage für die Rückgewähr früher eingebüßter Rententeilbeträge unter dem Gesichtspunkt der Rückgängigmachung der Rechtswirkungen eines bei seinem Erlass fehlerfreien Dauerverwaltungsaktes ausscheidet. Ist aber § 48 SGB X schon von Vornherein nicht anwendbar, ist ebenso ein Rückgriff auf § 44 Abs. 4 SGB X verwehrt, was schon mangels Lücke die von der Beklagten in Betracht gezogene analoge Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X ausschließt.
Der Anspruch des Klägers auf ungeminderte Zahlung seiner Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.03.1993 beruht dementsprechend auch nicht auf § 48 SGB X sondern ausschließlich auf § 4 Abs. 1 VAHRG. Der Senat folgt ohne Einschränkungen auch insoweit der von der Beklagten nicht akzeptierten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24.07.2001 - Az.: B 4 RA 94/00 R -, die der Senat für überzeugend und zutreffend hält. § 4 VAHRG begründet nicht nur ein Recht auf Aufhebung der bisherigen Wertfestsetzung sondern darüberhinaus auch die Pflicht des Rentenversicherungsträgers, jetzt den Verlust auszugleichen, den der Versorgungsausgleichsverpflichtete infolge des rechtmäßig durchgeführten Versorgungsausgleichs erlitten hat. Dieser Ausgleichsanspruch ist eine einmalige Leistung. Es geht, wie schon das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, nicht um in der Vergangenheit entstandene und fällig gewordene Einzelansprüche, deren anteilige Nichterfüllung durch eine Änderung im Sinne des § 48 SGB X rückgängig gemacht werden müsste. Vielmehr dient § 4 Abs. 1 VAHRG in Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 28.02.1980, BVerfGE 53, 257) der Vermeidung verfassungswidriger Härten im Versorgungsausgleich mit der Verpflichtung, den Ausgleichsverpflichteten so zu stellen, als sei eine Rentenkürzung wegen des Versorgungsausgleichs in der Vergangenheit vorgenommen worden. Auf diese einmalige Leistung ist § 48 SGB X aus den dargelegten Gründen nicht anwendbar und auch nicht von Bedeutung. Dementsprechend ist die Beklagte zu Recht vom Sozialgericht verurteilt worden, einen Ausgleichsbetrag zu zahlen, der auch den von der Beklagten nicht berücksichtigten Zeitraum vom 01.03.1993 bis 31.12.1995 für die Höchstwertfestsetzung des Rechts auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit berücksichtigt.
Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, die Revision zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen. Die Rechtssache hat vor dem Hintergrund der Entscheidung des 4. Senat des Bundessozialgerichts vom 24.07.2001 keine grundsätzliche Bedeutung mehr. Auch weichen weder der 4. Senat des Bundessozialgerichts noch der erkennende Senat von einer anderen Entscheidung des Bundessozialgerichts ab.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Zeitpunkt, zu dem die Beklagte frühestens die bisherige Höchstwertfestsetzung des Rechts auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufheben und einen neuen Höchstwert festsetzen durfte, sowie davon abhängig der Wert des Ausgleichsanspruchs streitig, der sich aus dem Rückausgleich der wegen eines Versorgungsausgleichs vorgenommenen Kürzung des Werts des Rechts auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ergibt.
Der im ... 1937 geborene Kläger war mit der am ...1939 geborenen ... verheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Witten vom ...1985 geschieden. Zu Lasten des Klägers wurde für die Ehezeit vom ... bis ... der Versorgungsausgleich durchgeführt.
Mit Bescheid vom 14.03.1994 bewilligte die Beklagte dem Kläger Erwerbsunfähigkeitsrente ab 01.03.1993 in Höhe von 1490,54 DM netto (brutto 1530,79 DM): Dabei berücksichtigte sie einen Abschlag für den Versorgungsausgleich in Höhe von 15,6243 Entgeltpunkten.
Im September 2000 stellte der Kläger einen Antrag nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG): Seine geschiedene Ehefrau sei am ...2000 verstorben. Leistungen aus der für sie bei der LVA Westfalen bestehenden Versicherung und insbesondere Leistungen aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich hat die Verstorbene nicht bezogen.
Daraufhin berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 27.11.2000 die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers ab 01.01.1996 neu. Es ergab sich nun ein Zahlbetrag in Höhe von 2313,22 DM netto. Die beklagte stützte sich dabei auf § 48 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -, gewährte rückwirkend aber nur Leistungen für vier Jahre ab 01.01.1996 und verwies zur Begründung insofern auf § 44 Abs. 4 SGB X. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein: Die Vier-Jahres-Frist sei bei einem Anspruch nach § 4 VAHRG nicht anwendbar. Die Beklagte verblieb jedoch bei ihrer Auffassung (Widerspruchsbescheid vom 23.08.2001).
Hiergegen hat der Kläger am 12.09.2001 Klage erhoben und zur Begründung dargelegt, er sei so zu behandeln, als wenn der Versorgungsausgleich nie stattgefunden hätte. Er sah seine Rechtsauffassung auch durch ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.07.2001 - Az.: B 4 RA 94/00 R - bestätigt.
Die Beklagte hielt das Urteil des Bundessozialgerichts nicht für überzeugend und lehnte weiterhin die Zahlung einer Rente ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs vor dem 01.01.1996 ab.
Mit Urteil vom 31.07.2002 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger über den bisher zuerkannten Ausgleichsanspruch hinaus einen weiteren Betrag unter Berücksichtigung des Zeitraums vom 01.03.1993 bis 31.12.1995 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht unter Hinweis auf das genannte Urteil des 4. Senats des BSG darauf verwiesen, § 4 Abs. 1 VAHRG konkretisiere das verfassungsrechtliche Gebot eines wirtschaftlich vollständigen Rückausgleichs. Der einmalige Ausgleichsanspruch ergebe sich gerade nicht als Summe der in der Vergangenheit wiederkehrend entstandenen und fällig gewordenen Einzelansprüche, sondern sei originär gemäß § 4 Abs. 1 VAHRG mit dem Tod der früheren Ehefrau entstanden und fällig geworden.
Gegen diese ihr am 27.08.2002 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten vom 19.09.2002. Zur Begründung meint die Beklagte, § 4 VAHRG enthalte effektiv keine Regelung darüber, in welcher Weise eine bereits durchgeführte Rentenminderung nachträglich zu beheben sei. Das Bundessozialgericht habe selbst formuliert, dass es sich bei § 4 VAHRG um keine Sondervorschrift zu § 48 SGB X handle. Ermächtigungsgrundlage sei für die erforderliche zukunftsgerichtete Aufhebung der bisherigen Rentenhöchstwertfeststellung allein § 48 Abs. 1 SGB X. Welche verfahrensrechtlichen Grundlagen die Rückgewähr vormals gekürzter Rentenanteile habe, gehe aus den Gründen des Urteils nicht hervor. Da es aber in Fällen der Rückgewähr früher eingebüßter Rententeilbeträge notwendigerweise auch um die Rückgängigmachung der Rechtswirkungen eines bei seinem Erlass fehlerfreien Dauerverwaltungsaktes gehe, sei nicht evident, warum die Regelung aus § 48 SGB X einschließlich der darin enthaltenen Verweisung auf die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X keine Geltung beanspruchen sollte. Die Entscheidung des 4. Senats stelle nach ihrer Auffassung keine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung dar. Es werde daher eine Entscheidung durch einen anderen Senat des BSG angestrebt. Zudem habe der 1. Senat des BSG mit Urteil vom 27.01.1987 - Az.: 1 RA 27/86 - für die rückwirkende Gewährung vorenthaltener Leistungen aufgrund eines sozialgerichtlichen Herstellungsanspruchs entschieden, dass § 44 Abs. 4 SGB X analoge Anwendung finde. Insofern bestehe ein vergleichbarer Interessenkonflikt zwischen dem Bedürfnis des Ausgleichspflichtigen nach umfassendem Ausgleich vorangegangener Verluste und dem Anliegen des Rentenversicherungsträgers, die Befriedigung von Forderungen einzugrenzen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 31.07.2002 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24.07.2001. Es seien keine Gründe ersichtlich, warum von dieser Entscheidung abgewichen werden sollte. Mittlerweile erhält der Kläger aufgrund einer Umwandlung Regelaltersrente ab 01.09.2002.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 01.03.1993 die ungeminderte Rente zu zahlen.
Der Bescheid der Beklagten vom 27.11.2000 ist nur insofern rechtmäßig, als die Beklagte die Rente wegen Wegfall der Minderung durch Versorgungsausgleich neu berechnet und ab 01.01.2001 die ungeminderte Rente gezahlt hat. Nur insofern kann sich die Beklagte rechtmäßig auf die Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 SGB X stützen. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit u.a. die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB X). Mit dem Tod der früheren Ehefrau des Klägers am 26.08.2000 ist die von § 48 SGB X vorausgesetzte Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen eingetreten. Die verstorbene Ehefrau des Klägers hat keine rentenversicherungsrechtlichen Leistungen erhalten, für deren Gewährung die im Versorgungsausgleich übertragenen Anwartschaften hätten bedeutsam sein können. Der Kläger hatte deswegen Anspruch darauf, dass der Wert seines Rechts auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht mehr aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt wurde. Die wesentliche rechtliche Änderung lag darin, dass der Tod der geschiedenen Ehefrau des Klägers die Rechtsfolgen des § 4 Abs. 1 VHARG auslöste. Mit Rücksicht darauf hätte die Beklagte die bisherige Rentenhöchstwertfeststellung frühestens ab 26.08.2000, unter Beachtung des rentenversicherungsrechtlichen Monatsprinzips jedoch mit Wirkung ab 01.09.2000 aufheben können und müssen.
Nur für diesen Zeitraum ist die rückwirkend dem Kläger gewährte höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ohne Minderung infolge des Versorgungsausgleichs rechtmäßig von der Beklagten auf die Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 SGB X gestützt worden. Für eine darüberhinausgehende rückwirkende Gewährung bietet § 48 Abs. 1 SGB X allerdings keine Rechtsgrundlage, da die wesentliche Änderung erst durch den Tod der geschiedenen Ehefrau des Klägers am 26.08.2000 eintrat und ausschließlich dieser Umstand als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse in Betracht kommt. Vor diesem Zeitpunkt war zum Einen keine Änderung eingetreten, die zur Aufhebung des Verwaltungsaktes eine Grundlage bot, zum Anderen war bis dahin der durchgeführte Versorgungsausgleich rechtmäßig und dementsprechend auch die Festsetzung des Höchstwertes der dem Kläger gewährten Rente mit Recht erfolgt. Dies beachtet die Beklagte nach wie vor nicht hinreichend, da sie für die - hier schon denkgesetzlich ausgeschlossene - rückwirkende Aufhebung ausschließlich § 48 SGB X als maßgebliche Rechtsgrundlage ansieht. Dies ist ausgeschlossen, weil § 48 SGB X frühestens eine Änderung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (hier: Tod der geschiedenen Ehefrau) ermöglicht, hingegen nicht für Zeiten davor. Dies erhellt auch, dass § 48 SGB X von Vorneherein schon als Grundlage für die Rückgewähr früher eingebüßter Rententeilbeträge unter dem Gesichtspunkt der Rückgängigmachung der Rechtswirkungen eines bei seinem Erlass fehlerfreien Dauerverwaltungsaktes ausscheidet. Ist aber § 48 SGB X schon von Vornherein nicht anwendbar, ist ebenso ein Rückgriff auf § 44 Abs. 4 SGB X verwehrt, was schon mangels Lücke die von der Beklagten in Betracht gezogene analoge Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X ausschließt.
Der Anspruch des Klägers auf ungeminderte Zahlung seiner Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.03.1993 beruht dementsprechend auch nicht auf § 48 SGB X sondern ausschließlich auf § 4 Abs. 1 VAHRG. Der Senat folgt ohne Einschränkungen auch insoweit der von der Beklagten nicht akzeptierten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24.07.2001 - Az.: B 4 RA 94/00 R -, die der Senat für überzeugend und zutreffend hält. § 4 VAHRG begründet nicht nur ein Recht auf Aufhebung der bisherigen Wertfestsetzung sondern darüberhinaus auch die Pflicht des Rentenversicherungsträgers, jetzt den Verlust auszugleichen, den der Versorgungsausgleichsverpflichtete infolge des rechtmäßig durchgeführten Versorgungsausgleichs erlitten hat. Dieser Ausgleichsanspruch ist eine einmalige Leistung. Es geht, wie schon das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, nicht um in der Vergangenheit entstandene und fällig gewordene Einzelansprüche, deren anteilige Nichterfüllung durch eine Änderung im Sinne des § 48 SGB X rückgängig gemacht werden müsste. Vielmehr dient § 4 Abs. 1 VAHRG in Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 28.02.1980, BVerfGE 53, 257) der Vermeidung verfassungswidriger Härten im Versorgungsausgleich mit der Verpflichtung, den Ausgleichsverpflichteten so zu stellen, als sei eine Rentenkürzung wegen des Versorgungsausgleichs in der Vergangenheit vorgenommen worden. Auf diese einmalige Leistung ist § 48 SGB X aus den dargelegten Gründen nicht anwendbar und auch nicht von Bedeutung. Dementsprechend ist die Beklagte zu Recht vom Sozialgericht verurteilt worden, einen Ausgleichsbetrag zu zahlen, der auch den von der Beklagten nicht berücksichtigten Zeitraum vom 01.03.1993 bis 31.12.1995 für die Höchstwertfestsetzung des Rechts auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit berücksichtigt.
Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, die Revision zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen. Die Rechtssache hat vor dem Hintergrund der Entscheidung des 4. Senat des Bundessozialgerichts vom 24.07.2001 keine grundsätzliche Bedeutung mehr. Auch weichen weder der 4. Senat des Bundessozialgerichts noch der erkennende Senat von einer anderen Entscheidung des Bundessozialgerichts ab.
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