Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AL 84/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 2/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 212/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.11.2001 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27.12.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2001 verurteilt, dem Kläger eine Arbeitserlaubnis für die Beschäftigung im Bräunungsstudio T, in F, für die Zeit bis zum 30.06.2004 zu erteilen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Arbeitserlaubnis. Der Kläger ist 1974 oder 1975 im Libanon geboren. Im Juli 1986 reiste er in die Bundesrepublik ein. Seine Staatsangehörigkeit ist ungeklärt. Seine Eltern leben weiterhin in Beirut/Libanon. Nach seiner Einreise lebte der Kläger überwiegend im Haushalt seines Bruders T.T.
Ein Asylverfahren blieb in allen Instanzen erfolglos. Ein Abschiebeversuch in den Libanon scheiterte 1996 nach Angaben der Bezirksregierung E vom 04.09.1996, weil der Kläger angeblich Palästinenser sei. Nach anderen Angaben wurde die Einreise nicht gestattet, weil sein "Permit", das drei Jahre Gültigkeit besaß, eine Woche vorher abgelaufen war. Nachdem der Kläger seinerzeit von den libanesischen Behörden an der Einreise gehindert und in die Bundesrepublik zurückgeschickt worden war, ist eine weitere Abschiebung nicht versucht worden. Nach Angaben des Ausländeramtes der Stadt F vom 10.06.2003 (Frau G) hat sich die Libanesische Botschaft - wie stets in vergleichbaren Fällen - nicht kooperativ gezeigt. Deshalb werde eine erneute Abschiebung nur versucht werden, wenn neue Erkenntnisse über den Kläger bzw. ein gültiger Pass gewonnen bzw. aufgefunden würden.
Der Kläger ist mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten: Urteile des Amtsgericht F vom 08.06.1989, vom 19.09.1989, vom 22.08.1990, vom 09.10.1992, vom 03.11.1993, vom 27.07.1994, vom 13.12.1995 überwiegend wegen Diebstahls, in einem Fall wegen gefährlicher Körperverletzung. In allen diesen Fällen wurde eine Jugendstrafe bzw. ein Jugendarrest verhängt. Am 30.01.1996 ist der Kläger vom Amtsgericht L wegen gemeinschaftlichem Diebstahls in besonders schwerem Fall zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und durch Urteil des Landgerichts X vom 05.05.1998 wegen des gleichen Delikts zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Weitere Straftaten sind nicht bekannt. Der Kläger besitzt keine Schulausbildung und hat keinen Beruf erlernt. Er ist im Besitz einer ausländerrechtlichen Duldung, die regelmäßig alle drei Monate verlängert wird. Das Sozialamt der Stadt F gewährt dem Kläger auch weiterhin Leistungen nach dem BSHG.
Am 04.12.2000 beantragte der Kläger die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung für eine Tätigkeit als Monteur im Bräunungsstudio T, für die Zeit vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2002. Der Inhaber des Bräunungsstudios erteilte der Beklagten einen Vermittlungsauftrag. Die Tätigkeit wurde mit "Monteur im Sonnenstudio für mechanische und leichte Elektroarbeiten" angegeben.
Mit Bescheid vom 27.12.2000 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Arbeitserlaubnis ab, weil für die angestrebte Tätigkeit in Nordrhein-Westfalen bereits seit längerem ein überdurchschnittlicher Stellenmangel bestehe und aus diesem Grunde für diesen Beruf keine Arbeitserlaubnis erteilt werden könne. Hiergegen hat der Kläger Widerspruch erhoben und im Wesentlichen vorgetragen, zu seiner Tätigkeit sollten nicht vorrangig Elektroarbeiten gehören. Er solle die Tätigkeiten ausüben, die von den sieben im Studio anwesenden weiblichen Aushilfskräften nicht ausgeübt werden könnten oder wollten. Dazu gehöre im Wesentlichen der Einkauf von Verbrauchsmaterialien, von Ersatzteilen und auch die Durchführung von erforderlichen Arbeiten an den Sonnenbänken, wie das Auswechseln von Leuchtstoffröhren. Der Arbeitgeber wolle lediglich 2.400 DM brutto zahlen. Hierfür könne er eine vollschichtige Arbeitskraft nicht finden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil für die angestrebte Tätigkeit bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stünden.
Hiergegen hat der Kläger am 19.03.2001 Klage erhoben und vorgetragen, der Arbeitgeber habe sich bislang vergeblich darum bemüht, eine Aushilfskraft mit technischem Verständnis im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung zu finden. Nicht nur die Vermittlungen des Arbeitsamtes, sondern auch die persönlichen Bemühungen des Arbeitgebers seien fehlgeschlagen. Er kenne den Inhaber des Sonnenstudios seit ungefähr acht Jahren, sei aber eigentlich nicht mit ihm befreundet. Er sei auch schon mal in dem Sonnenstudio Kunde gewesen. Als man über die Möglichkeit gesprochen habe, dort zu arbeiten, habe der Inhaber ihm gesagt, dies sei kein Problem, wenn er eine Arbeitserlaubnis bekäme.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2001 zu verurteilen, über seinen Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis vom 04.12.2000 für eine Tätigkeit im Bräunungsstudio T, bis zum 31.12.2002 als Hilfarbeiter unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen und im Übrigen darauf hingewiesen, dass sie dem Arbeitgeber zahlreiche Vermittlungsvorschläge unterbreitet habe. Den Vermittlungsauftrag habe der Arbeitgeber am 11.07.2001 zurückgenommen.
Mit Urteil vom 13.11.2001 hat das Sozialgericht Duisburg die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Gegen das ihm am 26.11.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.12.2001 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, das Sozialgericht habe die besonderen Umstände, die in seiner Person bzw. in der Person seines zukünftigen Arbeitsgebers lägen, nicht hinreichend beachtet. Für ihn komme die Härteregelung des § 1 Abs. 2 Arbeitsgenehmigungsverordnung in Betracht. Er habe sich stets bemüht, eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten. Seit 1986 sei sein Lebensmittelpunkt in Deutschland. Die Verweigerung der Arbeiterlaubnis mache ihn sozialhilfebedürftig. Die Möglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, gehöre zu den zentralen Faktoren der Persönlichkeitsentfaltung und sei daher von Artikel 2 Abs.1 Grundgesetz geschützt. Durch die Vorenthaltung dieses Rechts werde ihm angesichts seiner wirtschaftlichen und sozialen Situation ein schwerer und unzumutbarer Nachteil zugefügt. Er sei die ideale Besetzung für die angebotene Stelle. Es sei nicht zu bestreiten, dass er in seiner Jugend wiederholt straffällig geworden sei. Er führe inzwischen aber ein völlig straffreies Leben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.11.2001 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2001 zu verurteilen, ihm eine Arbeitserlaubnis für eine Tätigkeit im Bräungsstudio T, bis zum 30.06.2004 zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Aufenthaltsdauer des Klägers allein könne keine zu berücksichtigende Härte begründen. Besondere Umstände, die in diesem Einzelfall eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten, könne der Kläger für sich nicht in Anspruch nehmen. Schließlich habe der Kläger durch sein eigenes Verhalten eine Abschiebung über Jahre, mindestens seit August 1993, dadurch erheblich behindert, dass er den deutschen Behörden die vorhandenen Personaldokumente nicht ausgehändigt habe und nach seiner Einreise in die Bundesrepublik einen falschen Namen geführt habe. Erst im November 1995 habe man seinen Pass bei einer Durchsuchung sicherstellen können. Allein auf diesen Umstand sei es zurückzuführen, dass der Kläger sich so lange in der Bundesrepublik habe aufhalten können. Dies dürfe aber nicht zu seinen Gunsten gewertet werden. Eine Verbesserung des Aufenthaltstitels lasse das Ausländerrecht in seiner jetzigen Lage nicht zu. Insgesamt seien keine Gründe erkennbar, aus denen der Kläger gegenüber anderen ausländischen Staatsangehörigen bevorzugt werden könnte. Anhaltspunkte für die Feststellung einer Härte gebe es nicht. Es dürfe auch nicht übersehen werden, dass die Aufnahme einer Beschäftigung irgendwann auch zu einer Verbesserung des Aufenthaltstitels führen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten Bezug genommen, der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Ausländerakten der Ausländerbehörde der Stadt F. Diese Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.11.2001 ist zulässig. Bei der gegenüber der Antragstellung im Klageverfahren erfolgten Ausweitung des klägerischen Antrags im Berufungsverfahren auf den 30.06.2004 handelt es sich um keine Klageänderung i. S. d. § 99 Abs. 1 SGG, da der Klageantrag in der Hauptsache lediglich erweitert worden ist. Im Übrigen wäre eine Klageänderung zulässig, weil sich die Beklagte hierauf in der mündlichen Verhandlung eingelassen hat und damit ihre Einwilligung gem. § 99 Abs. 3 SGG anzunehmen ist. Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochten Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und belasten den Kläger.
Dieser hat einen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis als Hilfskraft im T-Sonnenstudio, bis zum 30.06.2004. Dieser Anspruch gründet auf §§ 285 Abs. 2, 288 Abs. 1 Nr. 2 SGB 3 vom 24.03.1997 (BGBl I 594) in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) vom 17.09.1998 (BGBl I 2899). Die Versagung der Arbeitserlaubnis stellt für den Kläger unter besonderer Berücksichtung des einzelnen Falles eine besondere Härte dar. Die Anwendung dieser Vorschrift schließt die Notwendigkeit der Prüfung der Arbeitsmarktvorbehalte nach § 285 Abs. 1 SGB 3 sowie die Auseinandersetzung mit dem Argument der Beklagten, für die vom Kläger angestrebte Beschäftigung gebe es genügend deutsche bzw. bevorrechtigte Arbeitssuchende, aus.
Der Begriff der besonderen Härte in § 1 Abs. 2 ArGV ist ebenso wie der Begriff der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Auslegung durch die Beklagte von den Gerichten in vollem Umfang nachgeprüft werden kann. Bei der Frage, ob ein Härtefall vorliegt, kommt der Beklagten demgegenüber allerdings weder Ermessen noch ein gerichtsfreier Beurteilungsspielraum zu (BSG SozR 4100 § 19 Nr. 2 und 3). Das Ermessen ist lediglich auf der Rechtsfolgenseite auszuüben. Die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe in § 1 Abs. 2 ArGV ist nicht anders als bei der Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 7 Arbeitserlaubnisverordnung (s. hierzu BSG SozR 4100 § 19 Nr. 16) an dem Zweck der Arbeitserlaubnis auszurichten, der im Wesentlichen darin besteht, aus besonderen sozialen Gründen die Arbeitsaufnahme des Ausländers zu ermöglichen, obwohl dies dem Vorrang der deutschen und der ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer widerspricht. Die für ausländische Arbeitnehmer allgemein gültigen Verhältnisse begründen einen Härtefall daher nicht und besondere Verhältnisse nur, wenn sie stärkeres Gewicht haben als der Vorrang deutscher und gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer. Bei der Interessenabwägung sind vor allem die Grundrechte und die in ihnen zum Ausdruck kommende Wertordnung zu beachten (vgl. Hammbüchen/Arnold/Richter. Das Arbeitserlaubnisrecht, in: Handbuch des Arbeits- und Sozialrechts § 6 E RdNrn. 266-268).
Im vorliegendem Fall ist von einer besonderen Härte auszugehen, weil die besonderen Verhältnisse des Klägers diese Beurteilung rechtfertigen.
Der Senat stimmt der Beklagten im Grunde zu, dass allein dem langjährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland im vorliegenden Fall nicht ausschlaggebende Bedeutung zukommen kann, weil der Kläger diesen durch sein Handeln - Einreise unter falschem Namen und Nichtvorlage seines Passes - jedenfalls zum Teil selbst verursacht hat. Allerdings darf in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese Umstände spätestens seit November 1995, d. h. seit fast acht Jahren, entfallen sind und nach einer in Teilen der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (BSGE 65, 126, 133), eine besondere Härte angenommen werden kann, wenn mindestens acht Jahre Aufenthalt nach Vollendung des 15. Lebensjahres abgelaufen sind und u. a. feststeht, dass der Kläger das Inland nicht verlassen muss. Eine Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen kann aber dahinstehen, weil sich die besondere Härte im vorliegenden Fall auch aus anderen Umständen ergibt. Unabhängig von dem inzwischen 17-jährigen Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland darf nicht außer Acht gelassen werden, dass er auch in absehbarer Zukunft keine gegenwärtig realistische Möglichkeit besitzt, in den Libanon zurückzukehren. Dies ergibt sich aus den Darlegungen des Ausländeramtes der Stadt F, nach denen die Libanesische Botschaft in vergleichbaren Fällen bisher niemals kooperationsbereit war und eine erneute Abschiebung des Klägers nicht angedacht wird. Dies sei, so das Ausländeramt, erst möglich, wenn weitere Dokumente über den Kläger aufgefunden würden. Dass hiervon nach aller Erfahrung aber nicht auszugehen ist, zeigt der Zeitablauf seit dem Auffinden des Passes im Jahre 1995. Es ist unerfindlich, welche Unterlagen über den Kläger noch aufgefunden werden könnten, nachdem sein Pass seit acht Jahren vorliegt. Der Senat muss nach alledem davon ausgehen, dass der Kläger die Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen muss. In diesem Zusammenhang sollte auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger seit vielen Jahren Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nimmt, obwohl er seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft verdienen könnte. Folgte man der Auffassung der Beklagten, bedeutete dies, dass dem Kläger niemals erlaubt werden könnte, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Dies widerspricht aber dem Schutz der Menschenwürde aus Artikel 1 Grundgesetz (s. hierzu auch LSG Berlin vom 17.08.2001, Die Sozialgerichtsbarkeit 2001, 679). Hinzu kommt, dass der Kläger in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland weitgehend integriert ist. Er spricht einwandfrei Deutsch und lebt hier seit einigen Jahren vollständig akzeptiert. Seine mehrfachen Straftaten sind dagegen größtenteils jugendbedingt. Der Kläger ist allein 1996 und 1998 wegen Diebstahls nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt worden, wobei die letzte Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Seit vielen Jahren ist der Kläger nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten, so dass von einer sozialen Integration ausgegangen werden kann.
Diese durch den langjährigen Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland, vor allem aber die Unmöglichkeit, in den Libanon zurückzukehren, d. h. die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, sowie durch seine soziale Integration in die Gesellschaft der Bunderepublik hervorgerufenen Umstände stellen besondere Verhältnisse des vorliegendes Falles dar, die eine besondere Härte rechtfertigen.
Dass der Senat die Beklagte zur Erteilung einer Arbeitserlaubnis verurteilt hat und nicht lediglich zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, ist darin begründet, dass das Ermessen der Beklagten aus § 1 Abs. 2 Nr. 1 ArGV im vorliegenden Fall auf Null reduziert ist. Von den der Beklagten grundsätzlich eröffneten Handlungsmöglichkeiten sind nämlich alle, bis auf die im Tenor erwähnte, ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig (s. allgemein hierzu BVerwGE 69,90; 78,40; 94,35). Dabei ist sich der Senat des Ausnahmecharakters der Ermessensschrumpfung bewusst (s. hierzu BVerwGE 80,233). Der Senat hält aber eine andere Entscheidung als die, dem Kläger zumindest eine zeitlich begrenzte Arbeitserlaubnis im vorgezeichneten Sinne zu erteilen, aus den oben dargelegten Gründen für ermessensfehlerhaft. Die vom Senat ausgesprochene Beschränkung der Arbeitserlaubnis auf die Zeit bis zum 30.06.2004, d. h. in zeitlicher Hinsicht, sowie auf den vom Kläger gewünschten Arbeitgeber bzw. die bestimmte Tätigkeit, d. h. in sektoraler Hinsicht, stellt einen geringeren Eingriff in die Zuständigkeit der Beklagten dar als eine zeitlich umfangreichere oder eine ohne Beschränkung auf einen Betrieb ausgesprochene Arbeitserlaubnis und damit den auf jeden Fall von der Beklagten ansonsten im Ermessenswege zu gewährenden Umfang einer Arbeitserlaubnis.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetzt (SGG).
Anlass die Revision zuzulassen, hat der Senat nicht gesehen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und das Urteil nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht, § 160 Abs. 2 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Arbeitserlaubnis. Der Kläger ist 1974 oder 1975 im Libanon geboren. Im Juli 1986 reiste er in die Bundesrepublik ein. Seine Staatsangehörigkeit ist ungeklärt. Seine Eltern leben weiterhin in Beirut/Libanon. Nach seiner Einreise lebte der Kläger überwiegend im Haushalt seines Bruders T.T.
Ein Asylverfahren blieb in allen Instanzen erfolglos. Ein Abschiebeversuch in den Libanon scheiterte 1996 nach Angaben der Bezirksregierung E vom 04.09.1996, weil der Kläger angeblich Palästinenser sei. Nach anderen Angaben wurde die Einreise nicht gestattet, weil sein "Permit", das drei Jahre Gültigkeit besaß, eine Woche vorher abgelaufen war. Nachdem der Kläger seinerzeit von den libanesischen Behörden an der Einreise gehindert und in die Bundesrepublik zurückgeschickt worden war, ist eine weitere Abschiebung nicht versucht worden. Nach Angaben des Ausländeramtes der Stadt F vom 10.06.2003 (Frau G) hat sich die Libanesische Botschaft - wie stets in vergleichbaren Fällen - nicht kooperativ gezeigt. Deshalb werde eine erneute Abschiebung nur versucht werden, wenn neue Erkenntnisse über den Kläger bzw. ein gültiger Pass gewonnen bzw. aufgefunden würden.
Der Kläger ist mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten: Urteile des Amtsgericht F vom 08.06.1989, vom 19.09.1989, vom 22.08.1990, vom 09.10.1992, vom 03.11.1993, vom 27.07.1994, vom 13.12.1995 überwiegend wegen Diebstahls, in einem Fall wegen gefährlicher Körperverletzung. In allen diesen Fällen wurde eine Jugendstrafe bzw. ein Jugendarrest verhängt. Am 30.01.1996 ist der Kläger vom Amtsgericht L wegen gemeinschaftlichem Diebstahls in besonders schwerem Fall zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und durch Urteil des Landgerichts X vom 05.05.1998 wegen des gleichen Delikts zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Weitere Straftaten sind nicht bekannt. Der Kläger besitzt keine Schulausbildung und hat keinen Beruf erlernt. Er ist im Besitz einer ausländerrechtlichen Duldung, die regelmäßig alle drei Monate verlängert wird. Das Sozialamt der Stadt F gewährt dem Kläger auch weiterhin Leistungen nach dem BSHG.
Am 04.12.2000 beantragte der Kläger die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung für eine Tätigkeit als Monteur im Bräunungsstudio T, für die Zeit vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2002. Der Inhaber des Bräunungsstudios erteilte der Beklagten einen Vermittlungsauftrag. Die Tätigkeit wurde mit "Monteur im Sonnenstudio für mechanische und leichte Elektroarbeiten" angegeben.
Mit Bescheid vom 27.12.2000 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Arbeitserlaubnis ab, weil für die angestrebte Tätigkeit in Nordrhein-Westfalen bereits seit längerem ein überdurchschnittlicher Stellenmangel bestehe und aus diesem Grunde für diesen Beruf keine Arbeitserlaubnis erteilt werden könne. Hiergegen hat der Kläger Widerspruch erhoben und im Wesentlichen vorgetragen, zu seiner Tätigkeit sollten nicht vorrangig Elektroarbeiten gehören. Er solle die Tätigkeiten ausüben, die von den sieben im Studio anwesenden weiblichen Aushilfskräften nicht ausgeübt werden könnten oder wollten. Dazu gehöre im Wesentlichen der Einkauf von Verbrauchsmaterialien, von Ersatzteilen und auch die Durchführung von erforderlichen Arbeiten an den Sonnenbänken, wie das Auswechseln von Leuchtstoffröhren. Der Arbeitgeber wolle lediglich 2.400 DM brutto zahlen. Hierfür könne er eine vollschichtige Arbeitskraft nicht finden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil für die angestrebte Tätigkeit bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stünden.
Hiergegen hat der Kläger am 19.03.2001 Klage erhoben und vorgetragen, der Arbeitgeber habe sich bislang vergeblich darum bemüht, eine Aushilfskraft mit technischem Verständnis im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung zu finden. Nicht nur die Vermittlungen des Arbeitsamtes, sondern auch die persönlichen Bemühungen des Arbeitgebers seien fehlgeschlagen. Er kenne den Inhaber des Sonnenstudios seit ungefähr acht Jahren, sei aber eigentlich nicht mit ihm befreundet. Er sei auch schon mal in dem Sonnenstudio Kunde gewesen. Als man über die Möglichkeit gesprochen habe, dort zu arbeiten, habe der Inhaber ihm gesagt, dies sei kein Problem, wenn er eine Arbeitserlaubnis bekäme.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2001 zu verurteilen, über seinen Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis vom 04.12.2000 für eine Tätigkeit im Bräunungsstudio T, bis zum 31.12.2002 als Hilfarbeiter unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen und im Übrigen darauf hingewiesen, dass sie dem Arbeitgeber zahlreiche Vermittlungsvorschläge unterbreitet habe. Den Vermittlungsauftrag habe der Arbeitgeber am 11.07.2001 zurückgenommen.
Mit Urteil vom 13.11.2001 hat das Sozialgericht Duisburg die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Gegen das ihm am 26.11.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.12.2001 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, das Sozialgericht habe die besonderen Umstände, die in seiner Person bzw. in der Person seines zukünftigen Arbeitsgebers lägen, nicht hinreichend beachtet. Für ihn komme die Härteregelung des § 1 Abs. 2 Arbeitsgenehmigungsverordnung in Betracht. Er habe sich stets bemüht, eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten. Seit 1986 sei sein Lebensmittelpunkt in Deutschland. Die Verweigerung der Arbeiterlaubnis mache ihn sozialhilfebedürftig. Die Möglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, gehöre zu den zentralen Faktoren der Persönlichkeitsentfaltung und sei daher von Artikel 2 Abs.1 Grundgesetz geschützt. Durch die Vorenthaltung dieses Rechts werde ihm angesichts seiner wirtschaftlichen und sozialen Situation ein schwerer und unzumutbarer Nachteil zugefügt. Er sei die ideale Besetzung für die angebotene Stelle. Es sei nicht zu bestreiten, dass er in seiner Jugend wiederholt straffällig geworden sei. Er führe inzwischen aber ein völlig straffreies Leben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.11.2001 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2001 zu verurteilen, ihm eine Arbeitserlaubnis für eine Tätigkeit im Bräungsstudio T, bis zum 30.06.2004 zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Aufenthaltsdauer des Klägers allein könne keine zu berücksichtigende Härte begründen. Besondere Umstände, die in diesem Einzelfall eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten, könne der Kläger für sich nicht in Anspruch nehmen. Schließlich habe der Kläger durch sein eigenes Verhalten eine Abschiebung über Jahre, mindestens seit August 1993, dadurch erheblich behindert, dass er den deutschen Behörden die vorhandenen Personaldokumente nicht ausgehändigt habe und nach seiner Einreise in die Bundesrepublik einen falschen Namen geführt habe. Erst im November 1995 habe man seinen Pass bei einer Durchsuchung sicherstellen können. Allein auf diesen Umstand sei es zurückzuführen, dass der Kläger sich so lange in der Bundesrepublik habe aufhalten können. Dies dürfe aber nicht zu seinen Gunsten gewertet werden. Eine Verbesserung des Aufenthaltstitels lasse das Ausländerrecht in seiner jetzigen Lage nicht zu. Insgesamt seien keine Gründe erkennbar, aus denen der Kläger gegenüber anderen ausländischen Staatsangehörigen bevorzugt werden könnte. Anhaltspunkte für die Feststellung einer Härte gebe es nicht. Es dürfe auch nicht übersehen werden, dass die Aufnahme einer Beschäftigung irgendwann auch zu einer Verbesserung des Aufenthaltstitels führen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten Bezug genommen, der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Ausländerakten der Ausländerbehörde der Stadt F. Diese Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.11.2001 ist zulässig. Bei der gegenüber der Antragstellung im Klageverfahren erfolgten Ausweitung des klägerischen Antrags im Berufungsverfahren auf den 30.06.2004 handelt es sich um keine Klageänderung i. S. d. § 99 Abs. 1 SGG, da der Klageantrag in der Hauptsache lediglich erweitert worden ist. Im Übrigen wäre eine Klageänderung zulässig, weil sich die Beklagte hierauf in der mündlichen Verhandlung eingelassen hat und damit ihre Einwilligung gem. § 99 Abs. 3 SGG anzunehmen ist. Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochten Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und belasten den Kläger.
Dieser hat einen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis als Hilfskraft im T-Sonnenstudio, bis zum 30.06.2004. Dieser Anspruch gründet auf §§ 285 Abs. 2, 288 Abs. 1 Nr. 2 SGB 3 vom 24.03.1997 (BGBl I 594) in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) vom 17.09.1998 (BGBl I 2899). Die Versagung der Arbeitserlaubnis stellt für den Kläger unter besonderer Berücksichtung des einzelnen Falles eine besondere Härte dar. Die Anwendung dieser Vorschrift schließt die Notwendigkeit der Prüfung der Arbeitsmarktvorbehalte nach § 285 Abs. 1 SGB 3 sowie die Auseinandersetzung mit dem Argument der Beklagten, für die vom Kläger angestrebte Beschäftigung gebe es genügend deutsche bzw. bevorrechtigte Arbeitssuchende, aus.
Der Begriff der besonderen Härte in § 1 Abs. 2 ArGV ist ebenso wie der Begriff der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Auslegung durch die Beklagte von den Gerichten in vollem Umfang nachgeprüft werden kann. Bei der Frage, ob ein Härtefall vorliegt, kommt der Beklagten demgegenüber allerdings weder Ermessen noch ein gerichtsfreier Beurteilungsspielraum zu (BSG SozR 4100 § 19 Nr. 2 und 3). Das Ermessen ist lediglich auf der Rechtsfolgenseite auszuüben. Die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe in § 1 Abs. 2 ArGV ist nicht anders als bei der Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 7 Arbeitserlaubnisverordnung (s. hierzu BSG SozR 4100 § 19 Nr. 16) an dem Zweck der Arbeitserlaubnis auszurichten, der im Wesentlichen darin besteht, aus besonderen sozialen Gründen die Arbeitsaufnahme des Ausländers zu ermöglichen, obwohl dies dem Vorrang der deutschen und der ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer widerspricht. Die für ausländische Arbeitnehmer allgemein gültigen Verhältnisse begründen einen Härtefall daher nicht und besondere Verhältnisse nur, wenn sie stärkeres Gewicht haben als der Vorrang deutscher und gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer. Bei der Interessenabwägung sind vor allem die Grundrechte und die in ihnen zum Ausdruck kommende Wertordnung zu beachten (vgl. Hammbüchen/Arnold/Richter. Das Arbeitserlaubnisrecht, in: Handbuch des Arbeits- und Sozialrechts § 6 E RdNrn. 266-268).
Im vorliegendem Fall ist von einer besonderen Härte auszugehen, weil die besonderen Verhältnisse des Klägers diese Beurteilung rechtfertigen.
Der Senat stimmt der Beklagten im Grunde zu, dass allein dem langjährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland im vorliegenden Fall nicht ausschlaggebende Bedeutung zukommen kann, weil der Kläger diesen durch sein Handeln - Einreise unter falschem Namen und Nichtvorlage seines Passes - jedenfalls zum Teil selbst verursacht hat. Allerdings darf in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese Umstände spätestens seit November 1995, d. h. seit fast acht Jahren, entfallen sind und nach einer in Teilen der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (BSGE 65, 126, 133), eine besondere Härte angenommen werden kann, wenn mindestens acht Jahre Aufenthalt nach Vollendung des 15. Lebensjahres abgelaufen sind und u. a. feststeht, dass der Kläger das Inland nicht verlassen muss. Eine Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen kann aber dahinstehen, weil sich die besondere Härte im vorliegenden Fall auch aus anderen Umständen ergibt. Unabhängig von dem inzwischen 17-jährigen Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland darf nicht außer Acht gelassen werden, dass er auch in absehbarer Zukunft keine gegenwärtig realistische Möglichkeit besitzt, in den Libanon zurückzukehren. Dies ergibt sich aus den Darlegungen des Ausländeramtes der Stadt F, nach denen die Libanesische Botschaft in vergleichbaren Fällen bisher niemals kooperationsbereit war und eine erneute Abschiebung des Klägers nicht angedacht wird. Dies sei, so das Ausländeramt, erst möglich, wenn weitere Dokumente über den Kläger aufgefunden würden. Dass hiervon nach aller Erfahrung aber nicht auszugehen ist, zeigt der Zeitablauf seit dem Auffinden des Passes im Jahre 1995. Es ist unerfindlich, welche Unterlagen über den Kläger noch aufgefunden werden könnten, nachdem sein Pass seit acht Jahren vorliegt. Der Senat muss nach alledem davon ausgehen, dass der Kläger die Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen muss. In diesem Zusammenhang sollte auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger seit vielen Jahren Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nimmt, obwohl er seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft verdienen könnte. Folgte man der Auffassung der Beklagten, bedeutete dies, dass dem Kläger niemals erlaubt werden könnte, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Dies widerspricht aber dem Schutz der Menschenwürde aus Artikel 1 Grundgesetz (s. hierzu auch LSG Berlin vom 17.08.2001, Die Sozialgerichtsbarkeit 2001, 679). Hinzu kommt, dass der Kläger in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland weitgehend integriert ist. Er spricht einwandfrei Deutsch und lebt hier seit einigen Jahren vollständig akzeptiert. Seine mehrfachen Straftaten sind dagegen größtenteils jugendbedingt. Der Kläger ist allein 1996 und 1998 wegen Diebstahls nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt worden, wobei die letzte Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Seit vielen Jahren ist der Kläger nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten, so dass von einer sozialen Integration ausgegangen werden kann.
Diese durch den langjährigen Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland, vor allem aber die Unmöglichkeit, in den Libanon zurückzukehren, d. h. die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, sowie durch seine soziale Integration in die Gesellschaft der Bunderepublik hervorgerufenen Umstände stellen besondere Verhältnisse des vorliegendes Falles dar, die eine besondere Härte rechtfertigen.
Dass der Senat die Beklagte zur Erteilung einer Arbeitserlaubnis verurteilt hat und nicht lediglich zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, ist darin begründet, dass das Ermessen der Beklagten aus § 1 Abs. 2 Nr. 1 ArGV im vorliegenden Fall auf Null reduziert ist. Von den der Beklagten grundsätzlich eröffneten Handlungsmöglichkeiten sind nämlich alle, bis auf die im Tenor erwähnte, ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig (s. allgemein hierzu BVerwGE 69,90; 78,40; 94,35). Dabei ist sich der Senat des Ausnahmecharakters der Ermessensschrumpfung bewusst (s. hierzu BVerwGE 80,233). Der Senat hält aber eine andere Entscheidung als die, dem Kläger zumindest eine zeitlich begrenzte Arbeitserlaubnis im vorgezeichneten Sinne zu erteilen, aus den oben dargelegten Gründen für ermessensfehlerhaft. Die vom Senat ausgesprochene Beschränkung der Arbeitserlaubnis auf die Zeit bis zum 30.06.2004, d. h. in zeitlicher Hinsicht, sowie auf den vom Kläger gewünschten Arbeitgeber bzw. die bestimmte Tätigkeit, d. h. in sektoraler Hinsicht, stellt einen geringeren Eingriff in die Zuständigkeit der Beklagten dar als eine zeitlich umfangreichere oder eine ohne Beschränkung auf einen Betrieb ausgesprochene Arbeitserlaubnis und damit den auf jeden Fall von der Beklagten ansonsten im Ermessenswege zu gewährenden Umfang einer Arbeitserlaubnis.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetzt (SGG).
Anlass die Revision zuzulassen, hat der Senat nicht gesehen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und das Urteil nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht, § 160 Abs. 2 SGG.
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