Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 KG 218/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KG 2/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28. September 1998 und der Bescheid vom 23. November 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.Juli 1997 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Aufhebung der Kindergeldbewilligungen für zwei Kinder im Zeitraum September 1991 bis August 1994 und die Rückforderung eines Gesamtbetrags von 4.960,- DM.
Die im Jahre 1950 geborene Klägerin, eine britische Staatsangehörige, war mit dem britischen Staatsangehörigen Dr.H. verheiratet; beide waren seit langem in W. ansässig und gingen einer Erwerbstätigkeit nach. Aus der Ehe sind die Kinder X. , geboren am 1978, und R. , geboren am 1981, hervorgegangen. Für diese Kinder bewilligte die Beklagte mit Verfügungen vom 27.12.1978 und 23.03.1981 ab dem Geburtsmonat Kindergeld.
Am 29.09.1994 ging bei der Beklagten das Formblatt "Erklärung zu den Einkünften eines über 16 Jahre alten Kindes" ein, unterschrieben von der Klägerin mit der Adresse C. , GB, und von ihrem Ehemann mit der Adresse W ... Auf diesem Formblatt findet sich eine Erklärung mit der Handschrift des Ehemanns der Klägerin, dass beide Kinder ein Internat in England (C. School, K.) besuchten und außerhalb der School-Trimester sich bei ihm im Haushalt befänden. Beigefügt war eine Schulbescheinigung, dass das Kind X. die 10. Klasse besuche und Schulausbildung mit Vollzeitunterricht, voraussichtlich bis Juli 1997, vorliege.
Die Beklagte veranlasste daraufhin die Einstellung des Kindergelds mit September 1994 und sandte dem Kläger Formulare für die Beantragung des Kindergelds in England (KG 51 G, E 402 und E 401) zu.
Am 16.05.1995 ging bei der Beklagten ein Schreiben des Department of Social Security - Child Benefit Centre in Newcastle (englische Kindergeldstelle) ein. Darin wurde mitgeteilt, dass die Arbeitnehmerin (Klägerin) am 01.09.1991 ihre Beschäftigung begonnen habe und der Gesetzgebung des Vereinigten Königreichs unterliege. Das Kindergeld sei fällig am Montag, dem 04.07. 1994, gemäß Art.73 der EG-VO 1408/71. Die Familie der Arbeitnehmerin sei im Vereinten Königreich am 01.09.1991 eingetroffen. Wie verlaute, sei deutsche Kinderbeihilfe bis einschließlich 03.08.1994 gezahlt worden. Für den Zeitraum vom 04.07.1994 bis zum 02.10.1994 werde kein Kindergeld des Vereinigten Königreiches gezahlt.
Nach einem Telefonat zwischen der Beklagten und dem Ehemann der Klägerin, aus dem sich ergab, dass die Tochter seit September 1989, der Sohn seit September 1990 und die Klägerin als Arbeitnehmerin seit 01.09.1991 in England seien, erließ die Beklagte den Aufhebungsbescheid vom 18.07.1995, der zugleich mit einer Anhörung verbunden war. In dem Bescheid wurde die Entscheidung über die Bewilligung des Kindergelds ab August 1995 ganz nach § 48 des Sozialgesetzbuches Teil X (SGB X) aufgehoben, weil die Klägerin zum 01.09.1991 nach England zurückgekehrt sei und ihr Wohnsitz nicht mehr im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes liege (§ 1 Abs.1 Bundeskindergeldgesetz - BKGG -). Eine Anhörung erfolgte zu dem Umstand, dass die Klägerin möglicherweise ohne Anspruch auf Kindergeldleistungen für die Zeit von September 1991 bis Dezember 1991 (monatlich 120,- DM) und von Januar 1992 bis August 1994 (monatlich 140,- DM) insgesamt 4.960,- DM erhalten und sie nach den Aktenunterlagen diese wichtige Änderung in ihren Verhältnisses nicht mitgeteilt habe (§ 60 des Sozialgesetzbuches Teil I-SGB I), außerdem nach den bisher bekannten Umständen hätte erkennen können, dass ihr die Leistungen nicht zugestanden hätten.
Die Klägerin äußerte sich hierzu dahingehend, dass sie und ihr Ehemann seit 1972/73 in der Bundesrepublik gewohnt hätten. Die Kinder seien in W. geboren worden und dort in den Kindergarten gegangen, die Tochter auch zwei Jahre zur Grundschule in V ... Beide Kinder hätten dann eine Schule der britischen Streitkräfte in Düsseldorf besucht, wo sie zuletzt auch als Lehrerin tätig gewesen sei. Seit September 1989 sei X. auf einem Internat in England, und R. seit September 1990 im gleichen Internat, das auf dem halben Weg zwischen Dover und London liege. Die weiterführende (deutsche) Schule in M. sei von W. aus zu weit weg gewesen und habe darüber hinaus nicht ihren Vorstellungen entsprochen. Sie selbst wohne in England in der Nähe ihrer Mutter in Nottingham, etwa 3,5 Autostunden von den Kindern entfernt. Vor der Geburt ihrer Kinder habe sie als Englischlehrerin an einem Gymnasium in A. gearbeitet. Nachdem die Deutschen ihre Karriere im deutschen Schulsystem verhindert hätten, sei sie ab September 1987 als Lehrerin an der britischen Armeeschule in Düsseldorf tätig gewesen, zuletzt auf einer auf ein Jahr begrenzten Vollzeitstelle als Lehrerin, aber mit dem Vertrag einer Typistin. Für ihre Landsleute sei sie eine direkt angeheuerte Kraft, quasi eine Deutsche, gewesen. Seit 1945 sei sie der erste Fall einer am Einsatzort angeheuerten Lehrkraft britischer Nationalität gewesen, sonst habe es nur von England aus "direkt Versandte" mit Verträgen für fünf Jahre gegeben. Eine Karriere in der Armeeschule sei ihr daher von vornherein verbaut gewesen; zudem habe man ihr im Januar 1991 schriftlich mitgeteilt, dass sie zum September 1991 ihre Stelle verlieren werde.
Nach intensiver Diskussion mit ihrem Ehemann habe sie ab September 1991 eine Stelle in der Nähe ihrer Mutter, die zusehends zu dem Zeitpunkt älter und gebrechlicher geworden sei, so dass mit dem Schlimmsten habe gerechnet werden müssen, als Lehrerin angenommen. Ihre damalige Vorstellung sei gewesen, nach einer Berufserfahrung von einem, vielleicht zwei Jahren in England als "UK-based civilian teacher" nach Deutschland zurückzukehren und dort in einer Armeeschule zu lehren. Darum habe sie sich in Deutschland nicht einmal abgemeldet, sie sei nur vorübergehend in England gewesen und habe die Schulferien sowieso in W. verbracht. Sie sei nicht im September 1991 nach England zurückgekehrt, sondern habe sich nur vorübergehend dorthin begeben, um wieder eine Tätigkeit in Deutschland aufnehmen zu können. Wegen der ganzen Belastung und gegenseitig unvereinbarer Wünsche sei schließlich ihre Ehe gescheitert, sie hätte sich von ihrem Ehemann im Mai 1994 getrennt.
Da ihr Mann die ganze Zeit die Kinder zu 90 % unterhalten habe, hielten sie es für logisch und fair, dass Deutschland für das Kindergeld zuständig wäre. Für sie sei es eigentlich so selbstverständlich gewesen, dass sie sich keinerlei Gedanken gemacht hätten. Es habe keinerlei Absicht bestanden, irgend etwas zu erschleichen; sie hätten erst später erfahren, dass das Kindergeld in England das Doppelte von dem betrage, was man in Deutschland bezahle. "Newcastle" habe die Kindergeldzahlung aufgrund einer komplizierten EG-Regelung inzwischen übernommen, könne aber nur maximal sechs Monate vor Antragstellung zurückgehen.
Die Beklagte setzte sich nochmals mit der englischen Kindergeldstelle wegen der Frage in Verbindung, ob wegen der Härte des vorliegenden Falles dort Kindergeld nicht ab 1991 geleistet werden könne, und erhielt zur Antwort, dass nach den Gesetzen des Vereinigten Königreiches für einen Zeitraum, der mehr als sechs Monate vor dem Antragsdatum liege, keine Zahlung möglich sei (Schreiben vom 18.10.1995). Der Antrag der Klägerin sei am 04.01.1995 eingegangen, daher sei für den Zahlungsbeginn der 04.07.1994 angenommen worden.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23.11.1995 hob die Beklagte die Bewilligung des Kindergelds "gemäß § 48 Abs.1 SGB X" für die Zeit von September 1991 bis August 1994 auf, weil nach § 1 Nr.1 BKGG Personen, die weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hätten, kein Anspruch auf Kindergeld zustünde. Die Klägerin habe ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt seit September 1991 in England und erfülle auch keinen der Ausnahmetatbestände des § 1 Nr.2 BKGG; eine Anwendung der Verordnung der Europäischen Gemeinschaften oder eines zwischenstaatlichen Abkommens über Soziale Sicherheit komme nicht in Betracht. Gemäß § 50 Abs.1 SGB X sei der überzahlte Betrag von 4.960,- DM zurückzuzahlen. Auf der Rückseite des Bescheides war u.a. der Text der §§ 48 Abs.1 (mit Nrn.2-4), 50 Abs.1 SGB X und Abs.1 Nr.2 SGB I wiedergegeben.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.1997 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde - ergänzend zum Bescheid vom 23.11.1995 - angeführt, dass gemäß § 48 Abs.1 Nr.4 SGB X ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben sei, soweit der Betroffene unschwer habe erkennen können, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes ganz oder teilweise weggefallen sei. Diese Voraussetzungen seien gegeben, weil die Widerspruchsführerin durch das ihr ausgehändigte Merkblatt über Kindergeld, dessen Erhalt und Kenntnisnahme sie unterschriftlich bestätigt habe, über die Voraussetzungen belehrt worden sei, unter denen Kindergeld gewährt werden könne. Außerdem sei sie ihrer Mitteilungspflicht gemäß § 48 Abs.1 Nr.2 SGB X nicht nachgekommen. Im Kindergeld-Merkblatt sei ausdrücklich auf diese Verpflichtung bei Aufnahme einer Beschäftigung im Ausland und bei Auslandsaufenthalt der Kinder eines ausländischen Staatsangehörigen zur Schuldausbildung hingewiesen worden.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg beantragte die Klägerin, dass ihr unter Aufhebung des Bescheids vom 23.11.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07. 1997 auch Kindergeld ab September 1991 bis August 1994 in Höhe von 4.960,- DM bewilligt werde. Sie begründete dies damit, dass sie im September 1991 zwar ihren Wohnsitz aus beruflichen Gründen nach England verlegt habe, die Kinder aber überwiegend zu mehr als 90 % vom Vater unterhalten worden seien, der seit mehr als 25 Jahren seinen ständigen Wohnsitz in W. habe. Beide Kinder wohnten nicht bei ihrer Mutter in England, sondern besuchten vielmehr ein Internat, wobei es sich um einen vorübergehenden Aufenthalt zu Ausbildungszwecken handele, so dass ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort und Lebensmittelpunkt nach wie vor in W. seien. Wenn das Kindergeld weiterhin an sie und nicht an den die Kinder unterhaltenden Vater gezahlt worden sei, liege dies ausschließlich daran, dass das Geld auch nach der späteren Trennung der Eheleute, die erst 1994 erfolgt sei, nach wie vor auf das alte gemeinsame Konto der Ehegatten geflossen sei. Von ihrem Ehegatten sei lediglich übersehen worden, nach ihrem Umzug nach England einen eigenen Kindergeldantrag zu stellen bzw. den laufenden Antrag abzuändern. Das Kindergeld sei jedoch über all die Jahre bestimmungsgemäß den Kindern zugewandt und für diese ausgegeben worden.
Nach einer Anfrage des Sozialgerichts, ob die Klägerin ab 01.01.1991 aufgrund einer Beschäftigung die dortigen Leistungen für ihre Kinder hätte beziehen können, wenn sie rechtzeitig einen Antrag gestellt hätte, teilte das Child Benefit Center unter dem 30.06.1998 mit, dass die Unterlagen in Zusammenhang mit dem Kindergeldantrag der Klägerin schon vernichtet worden seien; nach der vom Sozialgericht übersandten Kopie der damaligen Auskunft habe es jedoch den Anschein, als ob die Klägerin bei rechtzeitigem Antrag ab September 1991 einen Anspruch auf das britische Kindergeld gehabt hätte. Damals habe man einen Antrag nur sechs Monate rückwirkend ab Eingang bei der Dienststelle stellen können.
Der Bevollmächtigte der Klägerin nahm abschließend dahingegehend Stellung, dass es eines Antrags auf das britische Kindergeld nicht bedurft habe, weil der Vater der Kinder in Deutschland kindergeldberechtigt gewesen sei. Es sei gerechtfertigt, diesem - auch wenn er keinen Antrag rechtzeitig gestellt habe - das Kindergeld rückwirkend zu gewähren, weil die Sechs-Monats- Frist, in der das Kindergeld rückwirkend gewährt werden könne, in der Praxis laut Verfahrensanweisung des Bundesamts für Finanzen (Schreiben vom 30.06.1997, St I 4-S 2470 - 15/97) nicht mehr angewendet werde, weil diese Frist nach dem Steuerreformgesetz 1999 sowieso entfallen werde.
Mit Urteil vom 28.09.1998 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zum Streitgegenstand führte es aus, dass dieser lediglich den Zeitraum von September 1991 bis August 1994 betreffe; dies ergebe sich zum einen aus dem Klageantrag in der Klageschrift, den die Kammer als Anfechtungsantrag für den Zeitraum von September 1991 bis August 1994 und nicht als Verpflichtungsantrag gewertet habe, nachdem der Klägerin Kindergeld für den vorbezeichneten Zeitraum bereits bewilligt worden sei; ferner habe die Klägerin in England Leistungen für ihre Kinder dem Grunde nach ab 04.07.1994 mit einer Auszahlung ab 02.10.1994 verwirklichen können.
Hinsichtlich der Zeit von September 1991 bis August 1994 habe die Klägerin keinen Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG wegen fehlenden Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts gehabt. Einen Wohnsitz habe jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen inne habe, die darauf schließen ließen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen werde. Den gewöhnlichen Aufenthalt habe jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile (§ 30 Abs.3 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - SGB I -). Die Regelung weiche in Formulierung und Inhalt erheblich vom Bürgerlichen Recht ab, bei dem ein Wohnsitz an einem Ort begründet werde, an dem der Betreffende sich ständig niederlasse und der Wohnsitz aufgegeben werde, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben werde, sie aufzugeben (§ 7 des Bürgerlichen Gesetzbuches). § 30 Abs.3 SGB I stelle hingegen unter Vernachlässigung des Willenselements auf den äußeren Tatbestand ab (vgl.: "Umstände, die darauf schließen lassen ... oder erkennen lassen"). Für die Feststellung seien alle mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände, die für den nach der Vorschrift zu ziehenden Schluss im Einzelfall aussagekräftig seien, vorausschauend zu betrachten (es folgen Zitate von BSG-Urteilen), und zwar subjektive und objektive, tatsächliche und rechtliche, gegenwärtige und zukünftige. Die Annahme eines Wohnsitzes im Geltungsbereich des BKGG setze zunächst die Innehabung einer Wohnung voraus und damit das Vorhandensein von Räumen, die als ständiges Heim geeignet seien. Das "Innehaben" der Wohnung bedeute ferner, dass der Kindergeldantragsteller die tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt über die Wohnung habe, d.h. die Wohnung müsse jederzeit zur Benutzung zur Verfügung stehen und auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit tatsächlich genutzt werden, so dass auf einen hier bestehenden realen Lebensmittelpunkt geschlossen werden könne. Mehrmalige kurzzeitige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken reichten hierfür nicht aus (BSG vom 30.05.1996 - 10 RKg 20/94).
Alle Umstände sprächen dafür, dass die Klägerin ab September 1991 ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des BKGG verloren habe. Sie habe ab September 1991 eine Arbeitsstelle als Lehrerin aufgenommen, da sie eine berufliche Zukunft in Deutschland - jedenfalls zunächst - für sich nicht gesehen habe. Bereits insoweit ergebe sich aus der arbeitsrechtlichen Verpflichtung, seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber anzubieten, dass die Klägerin sich tatsächlich seit September 1991 nur an Wochenenden oder in ihrem Urlaub in Deutschland habe aufhalten können, so dass der bestehende reale Lebensmittelpunkt nicht mehr W. gewesen sei. Hinzu komme - ebenfalls nach den eigenen Angaben der Klägerin -, dass auch persönliche Gründe wegen des Alters und der zunehmenden Gebrechlichkeit der Mutter für den Umzug ausschlaggebend gewesen seien und damit ein Umstand, der eine ständige Anwesenheit der Klägerin bei ihrer Mutter erforderte. Dies alles sei vor dem Hintergrund geschehen, dass die Klägerin ihre Stelle in Deutschland verloren habe und somit eine berufliche Neuorientierung nötig gewesen sei. Demgegenüber genüge eine vage Rückkehrabsicht "nach einem, vielleicht zwei Jahren entsprechender Berufserfahrung in England" für die Beibehaltung eines Wohnsitzes in Deutschland nicht. Damit ergebe sich, dass bereits wegen der beruflichen Neuorientierung der Lebensmittelpunkt der Klägerin ab September 1991 in England gelegen habe. Die Klägerin habe ihren Wohnsitz, erst recht ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verloren, und dazu auch treffend im Widerspruch geschrieben, sie selbst habe "some part of the time" (einige Zeit) in Deutschland verbracht.
Gemäß § 2 Abs.5 Satz 1 BKGG würden Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hätten, kindergeldrechtlich nicht berücksichtigt. X. sei seit September 1989 auf dem englischen Internat gewesen, R. seit September 1990. Die mit der Internatsunterbringung gegebene räumliche Trennung von den Eltern bedinge allein noch keine Verlegung des Wohnsitzes, und zwar nach der Rechtsprechung des BSG auch bei ausländischen Kindern mit den Ungewissheiten über einen möglichen Abbruch oder eine Verlängerung der Ausbildung, die unschädlich seien, sofern nur ein absehbarer Rückkehrzeitpunkt bestimmt sei. Damit stünden diese den deutschen Kindern, die vorübergehend ein Internat im Ausland besuchten, gleich. Gleichwohl hätten die Kinder der Klägerin ab September 1991 ihren Wohnsitz in Deutschland verloren. Dies liege daran, dass zwar eine räumliche Trennung während einer vorübergehenden Internatsunterbringung von den Eltern allein keine Auflösung der familiären Bindungen bedinge, anders sei es jedoch, wenn sich in den Wohnsitzverhältnissen der Eltern etwas ändere, wie im vorliegenden Falle. Denn mit dem Umzug der Klägerin nach Nottingham sei eine Verschiebung des Schwerpunkts der Lebensverhältnisse der Kinder eingetreten und habe der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen ausschließlich in England gelegen. Hier sei eine deutlich andere Gewichtung eingetreten. Hinzu komme, dass die Internatsunterbringung von der Klägerin ohnehin nicht als nur vorübergehender Zustand dargestellt worden sei. Dies ergäbe sich ergänzend auch aus der Rückschau, weil die Tochter der Klägerin das Internat ausgehend von der Schulbescheinigung vom 08.09.1994 bereits fünf Jahre besucht habe und dies für voraussichtlich weitere drei Jahre tun werde. Gleiches gelte für den Sohn der Klägerin. Damit fehle es an einem absehbaren Rückkehrzeitpunkt der Kinder mit dem Ergebnis, dass sie ihren Wohnsitz verloren hätten.
Zu der rückwirkenden Aufhebung gemäß § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X (rückwirkende Aufhebung wegen Verletzung der Pflicht zur Mitteilung wesentlicher nachteiliger Änderungen der Verhältnisse) führte das Sozialgericht aus, dass der Klägerin habe klar sein müssen, dass sowohl der Besuch des Internats ihrer Kinder in England als auch die Arbeitsaufnahme ab September 1991 in England für den Bezug einer deutschen Familienleistung rechtliche Bedeutung haben könnten. Sie habe sowohl beim Antrag auf Kindergeld im Dezember 1978 versichert, dass sie alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung seien, unverzüglich der Kindergeldkasse mitzuteilen habe. Sie habe das "Merkblatt über Kindergeld" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen. Diese Versicherung habe sie unter dem 22.07.1980 bei der Ausfüllung des Fragebogens zur Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld wiederholt und später noch einmal unter dem 15.07.1981. In dem Merkblatt über Kindergeld werde über alle Fassungen hinweg insbesondere die Pflicht einer Mitteilung eines Auslandsaufenthaltes der Kinder oder des Kindergeldberechtigten stets besonders hervorgehoben. Die Klägerin sei, zusammen mit ihrem Ehemann, in einer eigenen rechtlichen Wertung zu dem Ergebnis gekommen, deutsches Kindergeld müsse weiterbezahlt werden. Es könne jedoch nicht erheblich sein, dass der Leistungsberechtigte sich selbst seine eigene, ggf. fehlerhafte Rechtsauffassung vor dem Hintergrund geänderter tatsächlicher Umstände bilde.
Nach Auffassung der Kammer liege auch keine sogenannte atypische Fallgestaltung vor, die die Beklagte ggf. zur Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens gezwungen hätte. Die Kammer habe jedoch eine solche atypische Fallgestaltung stets nur dann anerkannt, wenn bei Änderung der Berechtigtenbestimmung und rechtzeitiger Antragstellung durch den Ehegatten des Nichtberechtigten dieser selbst einen Anspruch auf Kindergeld gehabt hätte und das dem Nichtberechtigten selbst nicht zustehende Kindergeld auf diesem Wege der Familiengemeinschaft zugeflossen wäre. Eine solche atypische Fallgestaltung erfordere jedoch einen zweifelsfrei festgestellten Kindergeldanspruch des nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten. Insoweit habe die Klägerin zwar mitgeteilt, sie habe sich von ihrem Ehegatten im Mai 1994 getrennt, jedoch sei dieses Datum nicht belegt und könnte auch aufgrund der Beschäftigung der Klägerin ab September 1991 zu einem vorherigen Zeitpunkt liegen. Hinzu komme, dass bei Verlust des Wohnsitzes der Kinder ab September 1991 ein Anspruch des Ehegattens der Klägerin allenfalls über Art.73 EG-VO 1408/71 in Betracht gekommen wäre, nämlich dann, wenn der Ehegatte der Klägerin versicherungspflichtiger Arbeitnehmer in Deutschland mit Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit gewesen wäre, was aus den beigezogenen Unterlagen nicht hervorgehe. Insoweit hätte nämlich über Art.76 der EG-VO 1408/71 ein ggf. bestehender Anspruch des Ehegatten der Klägerin geruht (Vorrang des Beschäftigungsstaates). Nachdem jedoch die Klägerin ab September 1991 in England ebenfalls beschäftigt gewesen sei, könne es zu einem vorrangigen Anspruch des Ehegatten der Klägerin auf deutsches Kindergeld nicht kommen, auch nicht teilweise, weil der Anspruch auf die britischen Leistungen nach Angabe der Klägerin die Leistungen nach dem BKGG überstiegen. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht daraus, dass die Klägerin in Großbritannien keinen Antrag auf Leistungen gestellt habe. Art.76 Abs.2 EG-VO bestimme: "Wird in einem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt, so kann der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaats Abs.1 (Ruhen von Leistungen) anwenden, als ob Leistungen in dem ersten Mitgliedstaat gewährt würden."
Aufgrund der Auskunft der zuständigen britischen Stelle stehe für die Kammer zur vollen Überzeugung fest, dass die Klägerin bei rechtzeitiger Antragstellung britische Leistungen ab September 1991 dem Grunde nach hätte bekommen können; dass eine verbindliche Auskunft der britischen Stelle wegen bereits erfolgter Aktenvernichtung nicht vorliege, gehe zu Lasten der Klägerin.
Mit dem Rechtsmittel der Berufung bringt die Klägerin vor, ihre Kinder hätten ihren Wohnsitz im Inland beim Kindsvater mit Wohnsitznahme der Mutter in England nicht verloren, weil sie nur vorübergehend ein Internat in England besuchten und ihren Lebensmittelpunkt beim Vater in der BRD hätten, der sie nahezu ausschließlich unterhalte. Dort stehe auch ihr Elternhaus, welches noch bis Oktober 1996 im Miteigentum beider Eheleute gestanden habe.
Den Eheleuten könne nicht allein aus der Tatsache, dass versehentlich die Empfangsberechtigung für das Kindergeld nicht von der Klägerin auf den Ehemann umgestellt worden sei, ein Nachteil entstehen. Es liege eine atypische Fallgestaltung vor, welche die Beklagte zur Ausübung pflichtgemäßen Ermessens gezwungen hätte, nachdem von dem Nichtberechtigten (Mutter) eine Leistung zurückgefordert werde, die einem Dritten (Vater) zustehe. Art.73 EG-VO 1408/71 sei einschlägig für einen Kindergeldanspruch des Vaters als Arbeitnehmer der Firma B. AG, Leverkusen, Art.78 EG-VO 1408/71 (gemeint wohl Art.76 Abs.2 EG-VO 1408/71) bewirke ein Ruhen des Anspruchs der Mutter. Unerheblich im Sinne des Art.73 EG-VO 1408/71 sei, dass die Mutter in England ebenfalls einer Beschäftigung nachgegangen sei. Unter "Beschäftigungstaat" sei vielmehr der Staat zu verstehen, in welchem die für den Unterhalt der Kinder zu erzielenden Einkünfte erlangt würden, also der Staat, in dem der Kindsvater wohne. Im Übrigen sei das ihr nicht mehr zustehende Kindergeld dem berechtigten Ehemann im Wege der Familiengemeinschaft (gemeinsames Konto) zugeflossen und bestimmungsgemäß für die Kinder verwendet worden.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerin habe mit Aufenthalt und Arbeitsaufnahme in England dort ihren Lebensmittelpunkt gehabt, unerheblich sei, ob der Kindsvater in Deutschland lebe und möglicherweise einen Kindergeldanspruch gehabt hätte, denn im vorliegenden Falle sei über die Rechtmäßigkeit des Leistungsbezugs der Klägerin zu urteilen. Im Übrigen hätte der Kindsvater gar keinen Anspruch auf Kindergeld gehabt, weil die gemäß Art.76 Abs.1 EG-VO 1408/71 der Klägerin vorrangig zustehenden englischen Familienleistungen der Höhe nach einen gemäß Art.73 EG-VO 1408/71 möglicherweise bestehenden Anspruch des Kindsvaters nach dem BKGG überstiegen und gemäß § 8 Abs.1 Satz 1 Nr.2 BKGG a.F. zur Ablehnung der Auszahlung des Kindergelds an ihn geführt hätten.
Gegen den Wohnsitz der Kinder in England sprächen nicht die vorgebrachten Umstände, nämlich dass die Kinder in der BRD gemeldet seien und der Vater sie unterhalte. Art.73 und 76 EG-VO 1408/71 kämen weder für den Erwerb noch für das Ruhen eines Anspruchs der Klägerin in Frage, weil sie und die Kinder in ein und demselben Mitgliedstaat der EG wohnten.
Der Senat hat den Ehemann der Klägerin beigeladen (Beschluss vom 30.03.1999) und von der Klägerin nähere Angaben gefordert. Diese trägt daraufhin vor, die Ehe sei am 21.05.1996 in England geschieden worden, der Ehemann sei unter anderem im fraglichen Zeitraum von 1991 bis 1994 Arbeitnehmer der Firma B. AG L. mit unbeschränkter Steuerpflicht nach dem Einkommensteuergesetz und mit Sozialversicherungspflicht gewesen. Von September 1991 bis 1994 habe es keine festen regelmäßigen Unterhaltsüberweisungen des Ehemanns für die Kinder gegeben. Vielmehr habe sie, die Klägerin, über das Konto ihres Ehegatten verfügen können und dort alles direkt abgebucht oder abgehoben, was sie als Unterhalt für die Kinder richtig gehalten habe. Der Ehemann habe nach seinen Schätzungen im Jahre 1994 ca. 68.000,- DM für seine Kinder ausgegeben, u.a. für Internatsaufenthalt und Sommerurlaub. Sie selbst sei vom Unterhalt für die Kinder weitestgehend entlastet worden und habe über ein eigenes Einkommen von ca. jährlich 45.000,- DM brutto verfügt. Die steuerlichen Kinderfreibeträge habe der Ehemann geltend gemacht. Zu ihrem Vortrag legt die Klägerin Kopien des Scheidungsurteils und der Einkommensteuerbescheide für sie und ihren Ehemann für die Jahre 1991 bis 1994 vor, weiterhin eine Aufstellung über die bisherige Schulausbildung der Kinder.
Der Beigeladene erklärt, dass er mit den klägerischen Angaben "einverstanden" sei und keine anderen Ansichten zur Sachlage habe.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts vom 28.09.1998 abzuändern (sinngemäß: aufzuheben) und den Bescheid der Beklagten vom 23.11.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.1997 aufzuheben.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechts- züge sowie die zu Beweiszwecken beigezogene Kindergeldakte der Beklagten und zwei Merkblätter für Kindergeld für die Jahre 1980 und 1982 vor.
Zur Ergänzung des Tatbestands, insbesondere hinsichtlich des Vortrags und des Inhalts der von der Klägerin beigebrachten Unterlagen, wird hierauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und in der Hauptsache begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens waren lediglich der Bescheid vom 23.11.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07. 1997. Zu entscheiden war über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Kindergeldbewilligungen (Verwaltungsakte gemäß § 48 SGB X), nicht dagegen, ob und wie lange der Klägerin bei rechtswidrigem und (vom Gericht) aufzuhebenden Aufhebungsbescheid der Beklagten das Kindergeld nach dem BKGG zugestanden hätte; eine zeitlich maximale Begrenzung würde sich dann aus dem nicht streitgegenständlichen Bescheid vom 18.07.1995 (dort: Aufhebung mit Wirkung vom 01.08.1995) ergeben, wobei es der Beklagten frei stünde, bei Inkraftbleiben der Kindergeldbewilligungen aus den Jahren 1978 und 1981 die im Laufe der Zeit eingetretenen anspruchshindernden oder vernichtenden Tatsachen (z.B. Einsetzen der Zahlungen des britischen Kindergelds) selbst zu prüfen und zu verbescheiden.
Gegenstand des Verfahrens war weiterhin ein zweiter Verwaltungsakt der Beklagten, die mit der Aufhebung verbundene Rückforderung des Kindergelds für die Zeit von September 1991 bis August 1994 gemäß § 50 Abs.1 SGB X.
Im Hinblick auf den Streitgegenstand kam der Senat zu der Überzeugung, dass die Klägerin weder nach innerstaatlichem deutschen Recht noch unter Mitberücksichtigung des EG-Rechts einen Kindergeldanspruch nach dem BKGG hatte; die Beklagte hatte grundsätzlich die Möglichkeit, die Kindergeldbewilligungen aus den Jahren 1978 und 1981 gemäß § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X (schuldhafte Verletzung der Mitteilungspflichten) aufzuheben. Sie hat es aber unterlassen, in ihren Bescheiden das vorliegend gebotene Ermessen auszuüben.
Die fehlende materiell-rechtliche Kindergeldberechtigung der Klägerin ergibt sich bereits daraus, dass sie ab September 1991 weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte (§ 1 Abs.1 Nr.1 BKGG) und auch nicht die Ausnahmetatbestände des § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst. a bis d BKGG (u.a. entsandte Arbeitnehmer, Entwicklungshelfer usw.) erfüllte. Insoweit kam es nicht auf die streitige Frage an, ob die Kinder der Klägerin ebenfalls keinen Wohnsitz mehr in der BRD gehabt haben und auch aus diesen Gründen ein Kindergeldanspruch nach dem BKGG nicht mehr zugestanden hätte (§ 2 Abs.5 BKGG a.F.).
Unter Zuhilfenahme von Art.73 EG-VO 1408/71 ließe sich kein Anspruch der Klägerin auf das deutsche Kindergeld begründen. Hieraus würde nur, unterstellt die Kinder hätten ab September 1991 in Deutschland einen Wohnsitz, folgen, dass die Klägerin, die als Arbeitnehmerin den Rechtsvorschriften Großbritanniens unterliegt, für ihre Familienangehörigen, die im Gebiet des anderen Mitgliedstaates (BRD) wohnten, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates hätte, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten. Hieraus ergäbe sich - unterstellt den Wohnsitz der Kinder in der BRD - zunächst ein Anspruch der Klägerin auf das britische Kindergeld, der nach britischem Recht in Verbindung mit den EG-Vorschriften bestünde, wie er bei Wohnsitz der Kinder in Großbritannien allein nach den dortigen innerstaatlichen Vorschriften auch gegeben wäre. Die Folgerungen hieraus sollen zunächst dahingestellt bleiben, weil es zuerst allein um die Frage geht, ob die Klägerin noch einen Anspruch auf Familienleistungen nach dem BKGG haben konnte.
Zur Begründung, dass die Klägerin ab September 1991 keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt mehr in der BRD hatte, und dass die Voraussetzungen einer Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit dem Wortlaut des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X nach erfüllt sind, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die in den Gründen des Urteils vom 28.09.1998 wiedergegebenen Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen, die der Senat zu seiner eigenen Auffassung macht. Nur noch betonend ist hierzu auszuführen, dass der "Vorbehalt" der Klägerin, nur vorübergehend in England tätig zu sein, unbeachtlich ist. Ein zeitlich bestimmter Zeitpunkt der Rückkehr ist nicht objektivierbar, er hing vielmehr von ungewissen Ereignissen ab. Zudem muss gesehen werden, dass sie lediglich ins Auge gefasst hatte, als "UK-based civilian teacher" nach Deutschland zurückzukehren und dort in einer Armee-Schule zu lehren, und zwar unter den Bedingungen wie alle anderen aus England stammenden Lehrkräfte mit Verträgen für fünf Jahre. Dies bedeutet aber, dass sie als in England "stationierte" bzw. beheimatete Lehrerin von England aus nach Deutschland entsandt würde, mithin nach den Vorschriften des SGB IV über Einstrahlung und Ausstrahlung kaum den deutschen Rechtsvorschriften über Sozialversicherung und Kindergeld unterliegen würde.
Davon abgesehen war der Zeitpunkt einer Rückkehr, als sie in England eine Beschäftigung aufgenommen hatte, nicht "absehbar". Die Klägerin war bemüht, ihren Lebensunterhalt selbst durch Erwerbstätigkeit zu bestreiten, und eine gesicherte Prognose, dass eine entsprechende Stelle im Bereich der in Deutschland stationierten britischen Armee überhaupt frei werden und sie diese erhalten würde, konnte nicht getroffen werden. Es fehlen jegliche Anknüpfungspunkte, z.B. ein verbindliches Angebot auf Wiedereinstellung als Lehrkraft binnen einer noch vorhersehbaren Zeit. Die Zukunft der Klägerin lag 1990/91 völlig im Ungewissen. Der Rückkehrwille allein reicht nicht aus, einen Wohnsitz in der BRD beizubehalten, wenn objektive gesicherte Anhaltspunkte für die Verwirklichung in absehbarer Zeit fehlen.
In Bezug auf einen Kindergeldanspruch ohne Bedeutung war, wer die Kinder unterhalten hat und ob die Klägerin und/oder die Kinder in der BRD noch mit Wohnsitz gemeldet waren. Auf den Wohnsitz im melderechtlichen Sinne kam es ebenso wenig an wie auf den im Sinne des Bürgerlichen Rechts, der in erster Linie vom Willen abhängig ist.
Nicht völlig klar für den Senat war, ob die Kinder der Klägerin, die bereits vor September 1991 in England im Internat untergebracht gewesen waren, tatsächlich schon im September 1991 oder erst später ihren Wohnsitz in der BRD verloren haben. Die Angaben über die Wohnmöglichkeiten in der BRD, die Zahl und Dauer der Besuche dort sowie das etwaige (damalige) Berufsziel- unzulässig, aus den Geschehnissen im Laufe der Zeit rückwirkend eine Prognose zu stellen. Eingeräumt werden muss aber, dass vieles für die Ansicht des Sozialgerichts spricht, dass die Kinder der Klägerin, im September 1991 13 und 10 Jahre alt, vom Aufenthaltsort her, der bereits in der BRD aufrecht erhaltenen (schulischen) Bindung an die Heimat und der Ortsnähe zur Mutter nurmehr ihren Wohnsitz in England hatten; hinzu kommt wohl - zu einem unbestimmten Zeitpunkt - die Lockerung der Bindung zwischen den Ehegatten, die bereits 1994 zur Trennung und 1996 zur Scheidung geführt hat.
Letztlich spielen diese Fragen aber keine Rolle; es kommt, je nach Wohnsitz der Kinder, eine Reihe von Möglichkeiten in Betracht, wobei bei Lösung etwaiger Anspruchskonkurrenzen § 8 Abs.1 Satz 1 Nr.2 BKGG a.F. (Ausschluss eines Anspruchs des Vaters bei Zahlung des britischen Kindergelds oder auch nur bei einem mangels Antrags nicht verwirklichten Anspruchs der Mutter auf diese Leistung) nicht unbedingt zur Auswirkung kommt. Hingewiesen werden muss insoweit darauf, dass die Qualität des Anspruchs der Klägerin auf Kindergeld zum Teil ungewiss ist. Anspruchsberechtigt in Großbritannien waren damals Personen, die in den letzten 52 Wochen vor der Antragstellung mindestens 26 Wochen in Großbritannien gewohnt haben und deren Steuerpflicht nicht wegen einer Tätigkeit für einen ausländischen Staat oder eine ausländische Organistion entfällt. Der rein innerstaatliche Anspruch (auch bei Wohnsitz der Kinder in England) würde erst sechs Monate nach dem September 1991 beginnen, aber nicht abhängig von der Beschäftigung der Mutter sein; die damalige Familienbeihilfe hat 44,20 Pfund für das erste und 35,75 Pfund für jedes weitere Kind (1994) betragen (umgerechnet und auf volle Beträge gerundet 110,- DM bzw. 89,- DM für 1994).
Daneben könnte - schon ab 01.09.1991 - ein Anspruch der Klägerin auf Kindergeld nur unter Berücksichtigung der EG-Vorschriften bestanden haben, wie anscheinend von der britischen Kindergeldstelle bescheinigt, wobei auch insoweit unklar bleibt, ob hier eine rechtlich unzutreffende Wertung, ggf. bei Annahme eines unzutreffenden Sachverhalts (was hat die Klägerin dort zum Wohnsitz ihrer Kinder und den Unterhaltsleistungen an diese angegeben?) vorliegen könnte. Eine Klärung ist nicht mehr möglich, nachdem die englische Kindergeldstelle ihre Akten vernichtet hat.
Hingewiesen wird auch (in Bezug auf einen möglichen Anspruch von Klägerin und Kindsvater) darauf, dass unterschiedliche Vorschriften (Art. 73, 76, 12 Abs.2 EG-VO 1408/71, Art.7 und 10 EG-VO 574/72) zur Lösung von Anspruchskonkurrenzen zur Anwendung kämen, je nachdem ob die Familienleistung "aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit" vorgesehen oder unabhängig davon war. Die Anwendung innerstaatlicher Ausschlusstatbestände steht ebenso in Frage wie die Anwendung des Art.76 Abs.2 EG-VO 1408/ 71; zu § 8 Abs.1 Satz 1 Nr.2 BKGG a.F. hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 12.06.1986 - 10 RKg 19/84 in SozR 5870 § 8 Nr.12 jedenfalls verneint, dass eine zustehende, aber nicht beantragte und daher nicht bezogene ausländische Leistung das Kindergeld nach dem BKGG ausschließen könne. Art.76 Abs.2 EG-VO 1408/71 sieht im Übrigen vor, dass dann, wenn in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Kinder wohnen, kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt wird, der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaates Abs.1 anwenden kann, als ob Leistungen in dem ersten Mitgliedstaat gewährt würden. Abs.1 betrifft das Ruhen von Familienleistungen im ersten Staat aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, wenn der Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften eines zweiten Mitgliedstaats auf Art.73 und 74 EG-VO 1408/71 beruht; abgesehen von diesen sachlichen Einschränkungen stellt sich hier immerhin noch die Frage, ob das Wort "kann" im deutschen Recht nicht zur Folge hat, dass Ermessen auszuüben ist.
Letztlich steht nach allen Umständen nur fest, dass entweder die Klägerin oder deren Ehemann (u.U. auch beide nach Anteilen) kindergeldberechtigt gewesen wären, und dass die innerstaatlichen Vorschriften Großbritanniens und Deutschlands über einen Ausschluss für Leistungen für die Vergangenheit im Falle eines verspäteten Antrags jedenfalls Anwendung finden würden, wie der Europäische Gerichtshof bereits entschieden hat. Dies bedeutet, dass die Klägerin - wie die englische Kindergeldstelle mitgeteilt hat - keinen Anspruch auf Kindergeld Großbritanniens häte, gleich ob allein nach den innerstaatlichen Vorschriften oder unter Zuhilfenahme der EG-Vorschriften im fraglichen Zeitraum, ebenso wenig deren Ehemann, dessen Anspruch ausgeschlossen wäre gemäß § 9 Abs.2 BKGG a.F., wonach Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats geleistet wird, in dem der Antrag auf Kindergeld beim Arbeitsamt eingegangen ist.
Die erst Jahre später erfolgte Aufhebung der Ausschlussfrist bei verspätetem Antrag in den dem § 9 Abs.2 BKGG a.F. entsprechenden Nachfolgevorschriften des § 5 Abs.2 BKGG (in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung) und § 66 Abs.3 Einkommensteuergesetz (in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung) mit dem Steuerreformgesetz 1999 kommt der Klägerin und deren Ehemann jedenfalls nicht zugute. Die Weisung des Bundesamts für Finanzen im Rundschreiben vom 30.06.1997, die die Klägerin angesprochen hat, betrifft lediglich das Kindergeld nach dem EStG in nicht abgeschlossenen Fällen (eventuelle Nichtvereinbarkeit der Sechs-Monats-Frist für den Antrag mit dem für das Kindergeld ab 01.01.1996 geltenden Jahresprinzip, vgl. BFH vom 24.10.2000 - VI R 66/90) und berührt im Übrigen die Zeit vor dem 01.01.1996 nicht, so dass sich die Frage erübrigt, inwieweit diese Weisung nicht contra legem ist.
In beiden möglichen Fallgestaltungen - Kindergeldanspruch entweder der Klägerin oder des Ehemanns - sieht der Senat die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung der Beklagten. Wäre die Klägerin nach dem Recht Großbritanniens kindergeldberechtigt, würde ihr bei Aufhebung und Rückforderung des nach dem BKGG gezahlten Kindergelds eine andere Sozialleistung (wegen fehlenden Antrags) entgehen. Insoweit liegt ein atypischer Fall vor, wie das BSG entschieden hat, allerdings bisher nur im Bereich innerstaatlicher Leistungen; insoweit kann sich das Ermessen sogar auf Null in dem Sinne reduzieren, dass die Rückforderung auf alle Fälle ausgeschlossen ist (so BSG vom 12.12.1995 - 10 RKg 9/95 in SozR 3-1300 § 48 Nr.42 bei Eintreten von vermehrter Sozialhilfebedürftigkeit, was auch entsprechend bei erstmaligem Eintritt der Sozialhilfebdürftigkeit der Fall wäre).
Der Senat sieht auch einen atypischen Fall bei Leistungen im EG-Bereich. Es muss berücksichtigt werden, dass die EG-Vorschriften rechtserweiternd wirken und das nationale Recht modifizieren sowie alle Sozialleistungen in einem übergeordneten Verbund behandeln und zuordnen. Bei den nunmehr bestehenden überstaatlichen Bezugspunkten erscheint es auch gerechtfertigt, Härten infolge Rückforderung des Kindergelds entsprechend zu berücksichtigen. Der Senat will hier nicht der Ermessensreduzierung auf Null das Wort reden, hält es aber für geboten, dass die Beklagte anläßlich eines ihr bekannt gewesenen Sachverhalts nicht nur aktenintern, sondern in einem Verwaltungsakt Überlegungen anstellt, ob der Verlust des Kindergelds nach dem BKGG bei nicht mehr möglichen "Ersatz" durch eine andere kinderbezogene Leistung die Rückforderung rechtfertigt oder nicht.
Zu welchem Ergebnis die Abwägung im Rahmen des Ermessens führt, mag hier dahinstehen; zwingend wäre es jedenfalls nicht gewesen, die Rückforderung zu unterlassen, es hätte aber eine Abwägung stattfinden müssen. Der Verfahrensmangel (§ 35 Abs.1 Satz 2, § 41 Abs.1 Nr.2 und § 41 Abs.2 SGB X) führt zur Aufhebung des Verwaltungsakts.
Dasselbe gilt, wenn - sei es nach innerstaatlichen Vorschriften allein oder unter Zuhilfenahme von EG-Vorschriften - der Ehemann der Klägerin von 1991 bis 1994 kindergeldberechtigt gewesen sein sollte. Hier wiederum ist in der Rechtsprechung anerkannt - über entsprechende Dienstanweisungen verfügt auch die Beklagte -, dass von der Rückforderung abgesehen werden soll, wenn das Kindergeld vom Nichtberechtigten (das wäre hier die Klägerin) unmittelbar an das Kind oder an den Kindergeldberechtigten weitergeleitet wird. Zumindest sind in solchen Fällen in einem zu erteilenden Bescheid Ermessenserwägungen zu dem von der Verwaltung gefundenen Ergebnis anzustellen.
Vorliegend wurde das Kindergeld laut Akte der Beklagten auf ein Konto des Ehemanns der Klägerin, über das jene Verfügungsmacht hatte, geleistet, wobei nach schlüssigen Angaben beider Eltern die Klägerin alles für den Bedarf der Kinder abgehoben hat. Unabhängig von diesen Beträgen muss jedenfalls davon ausgegangen werden, dass das Kindergeld entweder auf dem Konto des Ehemanns verblieb oder mit dessen Einverständnis für die Kinder verwendet worden ist.
Die notwendigen Ermessensentscheidungen der Beklagten erübrigen sich nicht wegen eines von ihr behaupteten Wissens der Klägerin um die Nichtberechtigung. Diese hat zwar grob fahrlässig ihre Mitteilungspflicht verletzt. Das schuldhafte Verhalten bezieht sich aber darauf, dass sie der Beklagten geänderte Sachverhalte mitzuteilen hatte, auf die die bisherigen Kindergeldbewilligungen gründeten und die unter Umständen auch zum Wegfall des Kindergelds führen könnten, wobei die rechtliche Auswertung der geänderten Tatsachen der Beklagten vorbehalten blieb. Damit ergibt sich aber noch nicht bei Erhalt der streitigen Kindergeldzahlungen ein Wissen um die Nichtberechtigung, d.h. um den Wegfall des materiell-rechtlichen Kindergeldanspruchs. Aus dem Merkblatt der Beklagten ist nicht hinreichend ersichtlich, wie es um den Kindergeldanspruch steht, wenn allein die Kinder wegen auswärtigen Schulbesuchs ein englisches Internat besuchen und wenn dann in zeitlichen Abständen hierzu (nur) ein Elternteil sich ebenfalls ins Ausland begibt. Die rechtliche Würdigung in allen Einzelheiten ist und kann in dem Merkblatt Kindergeld nicht enthalten sein und ist für einen außenstehenden Laien schwierig. Über die Vorschriften des EG-Rechts, die einen Kindergeldanspruch weiterhin bestehen lassen oder begründen können, geben die Merkblätter ohnehin nur vage und damit in Sonderfällen keine oder unrichtige Hinweise. Ein derart grobes Verschulden, das auf den Wegfall des Kindergeldanspruchs nach dem BKGG zum September 1991 bezogen sein müsste, ist nicht erkenntlich, zumal der Erhalt der Merkblätter in der Kindergeldakte unterschriftlich nur im Juli 1980 und Juli 1981 dokumentiert ist und dies mehr als zehn Jahre her ist. Hier kann zwar durchaus noch erwartet werden, dass die Meldepflicht über die Änderung "persönlicher Daten" in Erinnerung bleibt, aber nicht die Kenntnis und die Wertung, dass unter bestimmten konkreten Umständen, wie sie sich ereignet haben, ein Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG nicht mehr besteht.
Aus den genannten Gründen musste die Berufung Erfolg haben, worauf die Kostentragungspflicht der Beklagten gemäß § 193 SGG beruht.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Aufhebung der Kindergeldbewilligungen für zwei Kinder im Zeitraum September 1991 bis August 1994 und die Rückforderung eines Gesamtbetrags von 4.960,- DM.
Die im Jahre 1950 geborene Klägerin, eine britische Staatsangehörige, war mit dem britischen Staatsangehörigen Dr.H. verheiratet; beide waren seit langem in W. ansässig und gingen einer Erwerbstätigkeit nach. Aus der Ehe sind die Kinder X. , geboren am 1978, und R. , geboren am 1981, hervorgegangen. Für diese Kinder bewilligte die Beklagte mit Verfügungen vom 27.12.1978 und 23.03.1981 ab dem Geburtsmonat Kindergeld.
Am 29.09.1994 ging bei der Beklagten das Formblatt "Erklärung zu den Einkünften eines über 16 Jahre alten Kindes" ein, unterschrieben von der Klägerin mit der Adresse C. , GB, und von ihrem Ehemann mit der Adresse W ... Auf diesem Formblatt findet sich eine Erklärung mit der Handschrift des Ehemanns der Klägerin, dass beide Kinder ein Internat in England (C. School, K.) besuchten und außerhalb der School-Trimester sich bei ihm im Haushalt befänden. Beigefügt war eine Schulbescheinigung, dass das Kind X. die 10. Klasse besuche und Schulausbildung mit Vollzeitunterricht, voraussichtlich bis Juli 1997, vorliege.
Die Beklagte veranlasste daraufhin die Einstellung des Kindergelds mit September 1994 und sandte dem Kläger Formulare für die Beantragung des Kindergelds in England (KG 51 G, E 402 und E 401) zu.
Am 16.05.1995 ging bei der Beklagten ein Schreiben des Department of Social Security - Child Benefit Centre in Newcastle (englische Kindergeldstelle) ein. Darin wurde mitgeteilt, dass die Arbeitnehmerin (Klägerin) am 01.09.1991 ihre Beschäftigung begonnen habe und der Gesetzgebung des Vereinigten Königreichs unterliege. Das Kindergeld sei fällig am Montag, dem 04.07. 1994, gemäß Art.73 der EG-VO 1408/71. Die Familie der Arbeitnehmerin sei im Vereinten Königreich am 01.09.1991 eingetroffen. Wie verlaute, sei deutsche Kinderbeihilfe bis einschließlich 03.08.1994 gezahlt worden. Für den Zeitraum vom 04.07.1994 bis zum 02.10.1994 werde kein Kindergeld des Vereinigten Königreiches gezahlt.
Nach einem Telefonat zwischen der Beklagten und dem Ehemann der Klägerin, aus dem sich ergab, dass die Tochter seit September 1989, der Sohn seit September 1990 und die Klägerin als Arbeitnehmerin seit 01.09.1991 in England seien, erließ die Beklagte den Aufhebungsbescheid vom 18.07.1995, der zugleich mit einer Anhörung verbunden war. In dem Bescheid wurde die Entscheidung über die Bewilligung des Kindergelds ab August 1995 ganz nach § 48 des Sozialgesetzbuches Teil X (SGB X) aufgehoben, weil die Klägerin zum 01.09.1991 nach England zurückgekehrt sei und ihr Wohnsitz nicht mehr im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes liege (§ 1 Abs.1 Bundeskindergeldgesetz - BKGG -). Eine Anhörung erfolgte zu dem Umstand, dass die Klägerin möglicherweise ohne Anspruch auf Kindergeldleistungen für die Zeit von September 1991 bis Dezember 1991 (monatlich 120,- DM) und von Januar 1992 bis August 1994 (monatlich 140,- DM) insgesamt 4.960,- DM erhalten und sie nach den Aktenunterlagen diese wichtige Änderung in ihren Verhältnisses nicht mitgeteilt habe (§ 60 des Sozialgesetzbuches Teil I-SGB I), außerdem nach den bisher bekannten Umständen hätte erkennen können, dass ihr die Leistungen nicht zugestanden hätten.
Die Klägerin äußerte sich hierzu dahingehend, dass sie und ihr Ehemann seit 1972/73 in der Bundesrepublik gewohnt hätten. Die Kinder seien in W. geboren worden und dort in den Kindergarten gegangen, die Tochter auch zwei Jahre zur Grundschule in V ... Beide Kinder hätten dann eine Schule der britischen Streitkräfte in Düsseldorf besucht, wo sie zuletzt auch als Lehrerin tätig gewesen sei. Seit September 1989 sei X. auf einem Internat in England, und R. seit September 1990 im gleichen Internat, das auf dem halben Weg zwischen Dover und London liege. Die weiterführende (deutsche) Schule in M. sei von W. aus zu weit weg gewesen und habe darüber hinaus nicht ihren Vorstellungen entsprochen. Sie selbst wohne in England in der Nähe ihrer Mutter in Nottingham, etwa 3,5 Autostunden von den Kindern entfernt. Vor der Geburt ihrer Kinder habe sie als Englischlehrerin an einem Gymnasium in A. gearbeitet. Nachdem die Deutschen ihre Karriere im deutschen Schulsystem verhindert hätten, sei sie ab September 1987 als Lehrerin an der britischen Armeeschule in Düsseldorf tätig gewesen, zuletzt auf einer auf ein Jahr begrenzten Vollzeitstelle als Lehrerin, aber mit dem Vertrag einer Typistin. Für ihre Landsleute sei sie eine direkt angeheuerte Kraft, quasi eine Deutsche, gewesen. Seit 1945 sei sie der erste Fall einer am Einsatzort angeheuerten Lehrkraft britischer Nationalität gewesen, sonst habe es nur von England aus "direkt Versandte" mit Verträgen für fünf Jahre gegeben. Eine Karriere in der Armeeschule sei ihr daher von vornherein verbaut gewesen; zudem habe man ihr im Januar 1991 schriftlich mitgeteilt, dass sie zum September 1991 ihre Stelle verlieren werde.
Nach intensiver Diskussion mit ihrem Ehemann habe sie ab September 1991 eine Stelle in der Nähe ihrer Mutter, die zusehends zu dem Zeitpunkt älter und gebrechlicher geworden sei, so dass mit dem Schlimmsten habe gerechnet werden müssen, als Lehrerin angenommen. Ihre damalige Vorstellung sei gewesen, nach einer Berufserfahrung von einem, vielleicht zwei Jahren in England als "UK-based civilian teacher" nach Deutschland zurückzukehren und dort in einer Armeeschule zu lehren. Darum habe sie sich in Deutschland nicht einmal abgemeldet, sie sei nur vorübergehend in England gewesen und habe die Schulferien sowieso in W. verbracht. Sie sei nicht im September 1991 nach England zurückgekehrt, sondern habe sich nur vorübergehend dorthin begeben, um wieder eine Tätigkeit in Deutschland aufnehmen zu können. Wegen der ganzen Belastung und gegenseitig unvereinbarer Wünsche sei schließlich ihre Ehe gescheitert, sie hätte sich von ihrem Ehemann im Mai 1994 getrennt.
Da ihr Mann die ganze Zeit die Kinder zu 90 % unterhalten habe, hielten sie es für logisch und fair, dass Deutschland für das Kindergeld zuständig wäre. Für sie sei es eigentlich so selbstverständlich gewesen, dass sie sich keinerlei Gedanken gemacht hätten. Es habe keinerlei Absicht bestanden, irgend etwas zu erschleichen; sie hätten erst später erfahren, dass das Kindergeld in England das Doppelte von dem betrage, was man in Deutschland bezahle. "Newcastle" habe die Kindergeldzahlung aufgrund einer komplizierten EG-Regelung inzwischen übernommen, könne aber nur maximal sechs Monate vor Antragstellung zurückgehen.
Die Beklagte setzte sich nochmals mit der englischen Kindergeldstelle wegen der Frage in Verbindung, ob wegen der Härte des vorliegenden Falles dort Kindergeld nicht ab 1991 geleistet werden könne, und erhielt zur Antwort, dass nach den Gesetzen des Vereinigten Königreiches für einen Zeitraum, der mehr als sechs Monate vor dem Antragsdatum liege, keine Zahlung möglich sei (Schreiben vom 18.10.1995). Der Antrag der Klägerin sei am 04.01.1995 eingegangen, daher sei für den Zahlungsbeginn der 04.07.1994 angenommen worden.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23.11.1995 hob die Beklagte die Bewilligung des Kindergelds "gemäß § 48 Abs.1 SGB X" für die Zeit von September 1991 bis August 1994 auf, weil nach § 1 Nr.1 BKGG Personen, die weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hätten, kein Anspruch auf Kindergeld zustünde. Die Klägerin habe ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt seit September 1991 in England und erfülle auch keinen der Ausnahmetatbestände des § 1 Nr.2 BKGG; eine Anwendung der Verordnung der Europäischen Gemeinschaften oder eines zwischenstaatlichen Abkommens über Soziale Sicherheit komme nicht in Betracht. Gemäß § 50 Abs.1 SGB X sei der überzahlte Betrag von 4.960,- DM zurückzuzahlen. Auf der Rückseite des Bescheides war u.a. der Text der §§ 48 Abs.1 (mit Nrn.2-4), 50 Abs.1 SGB X und Abs.1 Nr.2 SGB I wiedergegeben.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.1997 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde - ergänzend zum Bescheid vom 23.11.1995 - angeführt, dass gemäß § 48 Abs.1 Nr.4 SGB X ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben sei, soweit der Betroffene unschwer habe erkennen können, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes ganz oder teilweise weggefallen sei. Diese Voraussetzungen seien gegeben, weil die Widerspruchsführerin durch das ihr ausgehändigte Merkblatt über Kindergeld, dessen Erhalt und Kenntnisnahme sie unterschriftlich bestätigt habe, über die Voraussetzungen belehrt worden sei, unter denen Kindergeld gewährt werden könne. Außerdem sei sie ihrer Mitteilungspflicht gemäß § 48 Abs.1 Nr.2 SGB X nicht nachgekommen. Im Kindergeld-Merkblatt sei ausdrücklich auf diese Verpflichtung bei Aufnahme einer Beschäftigung im Ausland und bei Auslandsaufenthalt der Kinder eines ausländischen Staatsangehörigen zur Schuldausbildung hingewiesen worden.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg beantragte die Klägerin, dass ihr unter Aufhebung des Bescheids vom 23.11.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07. 1997 auch Kindergeld ab September 1991 bis August 1994 in Höhe von 4.960,- DM bewilligt werde. Sie begründete dies damit, dass sie im September 1991 zwar ihren Wohnsitz aus beruflichen Gründen nach England verlegt habe, die Kinder aber überwiegend zu mehr als 90 % vom Vater unterhalten worden seien, der seit mehr als 25 Jahren seinen ständigen Wohnsitz in W. habe. Beide Kinder wohnten nicht bei ihrer Mutter in England, sondern besuchten vielmehr ein Internat, wobei es sich um einen vorübergehenden Aufenthalt zu Ausbildungszwecken handele, so dass ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort und Lebensmittelpunkt nach wie vor in W. seien. Wenn das Kindergeld weiterhin an sie und nicht an den die Kinder unterhaltenden Vater gezahlt worden sei, liege dies ausschließlich daran, dass das Geld auch nach der späteren Trennung der Eheleute, die erst 1994 erfolgt sei, nach wie vor auf das alte gemeinsame Konto der Ehegatten geflossen sei. Von ihrem Ehegatten sei lediglich übersehen worden, nach ihrem Umzug nach England einen eigenen Kindergeldantrag zu stellen bzw. den laufenden Antrag abzuändern. Das Kindergeld sei jedoch über all die Jahre bestimmungsgemäß den Kindern zugewandt und für diese ausgegeben worden.
Nach einer Anfrage des Sozialgerichts, ob die Klägerin ab 01.01.1991 aufgrund einer Beschäftigung die dortigen Leistungen für ihre Kinder hätte beziehen können, wenn sie rechtzeitig einen Antrag gestellt hätte, teilte das Child Benefit Center unter dem 30.06.1998 mit, dass die Unterlagen in Zusammenhang mit dem Kindergeldantrag der Klägerin schon vernichtet worden seien; nach der vom Sozialgericht übersandten Kopie der damaligen Auskunft habe es jedoch den Anschein, als ob die Klägerin bei rechtzeitigem Antrag ab September 1991 einen Anspruch auf das britische Kindergeld gehabt hätte. Damals habe man einen Antrag nur sechs Monate rückwirkend ab Eingang bei der Dienststelle stellen können.
Der Bevollmächtigte der Klägerin nahm abschließend dahingegehend Stellung, dass es eines Antrags auf das britische Kindergeld nicht bedurft habe, weil der Vater der Kinder in Deutschland kindergeldberechtigt gewesen sei. Es sei gerechtfertigt, diesem - auch wenn er keinen Antrag rechtzeitig gestellt habe - das Kindergeld rückwirkend zu gewähren, weil die Sechs-Monats- Frist, in der das Kindergeld rückwirkend gewährt werden könne, in der Praxis laut Verfahrensanweisung des Bundesamts für Finanzen (Schreiben vom 30.06.1997, St I 4-S 2470 - 15/97) nicht mehr angewendet werde, weil diese Frist nach dem Steuerreformgesetz 1999 sowieso entfallen werde.
Mit Urteil vom 28.09.1998 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zum Streitgegenstand führte es aus, dass dieser lediglich den Zeitraum von September 1991 bis August 1994 betreffe; dies ergebe sich zum einen aus dem Klageantrag in der Klageschrift, den die Kammer als Anfechtungsantrag für den Zeitraum von September 1991 bis August 1994 und nicht als Verpflichtungsantrag gewertet habe, nachdem der Klägerin Kindergeld für den vorbezeichneten Zeitraum bereits bewilligt worden sei; ferner habe die Klägerin in England Leistungen für ihre Kinder dem Grunde nach ab 04.07.1994 mit einer Auszahlung ab 02.10.1994 verwirklichen können.
Hinsichtlich der Zeit von September 1991 bis August 1994 habe die Klägerin keinen Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG wegen fehlenden Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts gehabt. Einen Wohnsitz habe jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen inne habe, die darauf schließen ließen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen werde. Den gewöhnlichen Aufenthalt habe jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile (§ 30 Abs.3 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - SGB I -). Die Regelung weiche in Formulierung und Inhalt erheblich vom Bürgerlichen Recht ab, bei dem ein Wohnsitz an einem Ort begründet werde, an dem der Betreffende sich ständig niederlasse und der Wohnsitz aufgegeben werde, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben werde, sie aufzugeben (§ 7 des Bürgerlichen Gesetzbuches). § 30 Abs.3 SGB I stelle hingegen unter Vernachlässigung des Willenselements auf den äußeren Tatbestand ab (vgl.: "Umstände, die darauf schließen lassen ... oder erkennen lassen"). Für die Feststellung seien alle mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände, die für den nach der Vorschrift zu ziehenden Schluss im Einzelfall aussagekräftig seien, vorausschauend zu betrachten (es folgen Zitate von BSG-Urteilen), und zwar subjektive und objektive, tatsächliche und rechtliche, gegenwärtige und zukünftige. Die Annahme eines Wohnsitzes im Geltungsbereich des BKGG setze zunächst die Innehabung einer Wohnung voraus und damit das Vorhandensein von Räumen, die als ständiges Heim geeignet seien. Das "Innehaben" der Wohnung bedeute ferner, dass der Kindergeldantragsteller die tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt über die Wohnung habe, d.h. die Wohnung müsse jederzeit zur Benutzung zur Verfügung stehen und auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit tatsächlich genutzt werden, so dass auf einen hier bestehenden realen Lebensmittelpunkt geschlossen werden könne. Mehrmalige kurzzeitige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken reichten hierfür nicht aus (BSG vom 30.05.1996 - 10 RKg 20/94).
Alle Umstände sprächen dafür, dass die Klägerin ab September 1991 ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des BKGG verloren habe. Sie habe ab September 1991 eine Arbeitsstelle als Lehrerin aufgenommen, da sie eine berufliche Zukunft in Deutschland - jedenfalls zunächst - für sich nicht gesehen habe. Bereits insoweit ergebe sich aus der arbeitsrechtlichen Verpflichtung, seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber anzubieten, dass die Klägerin sich tatsächlich seit September 1991 nur an Wochenenden oder in ihrem Urlaub in Deutschland habe aufhalten können, so dass der bestehende reale Lebensmittelpunkt nicht mehr W. gewesen sei. Hinzu komme - ebenfalls nach den eigenen Angaben der Klägerin -, dass auch persönliche Gründe wegen des Alters und der zunehmenden Gebrechlichkeit der Mutter für den Umzug ausschlaggebend gewesen seien und damit ein Umstand, der eine ständige Anwesenheit der Klägerin bei ihrer Mutter erforderte. Dies alles sei vor dem Hintergrund geschehen, dass die Klägerin ihre Stelle in Deutschland verloren habe und somit eine berufliche Neuorientierung nötig gewesen sei. Demgegenüber genüge eine vage Rückkehrabsicht "nach einem, vielleicht zwei Jahren entsprechender Berufserfahrung in England" für die Beibehaltung eines Wohnsitzes in Deutschland nicht. Damit ergebe sich, dass bereits wegen der beruflichen Neuorientierung der Lebensmittelpunkt der Klägerin ab September 1991 in England gelegen habe. Die Klägerin habe ihren Wohnsitz, erst recht ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verloren, und dazu auch treffend im Widerspruch geschrieben, sie selbst habe "some part of the time" (einige Zeit) in Deutschland verbracht.
Gemäß § 2 Abs.5 Satz 1 BKGG würden Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hätten, kindergeldrechtlich nicht berücksichtigt. X. sei seit September 1989 auf dem englischen Internat gewesen, R. seit September 1990. Die mit der Internatsunterbringung gegebene räumliche Trennung von den Eltern bedinge allein noch keine Verlegung des Wohnsitzes, und zwar nach der Rechtsprechung des BSG auch bei ausländischen Kindern mit den Ungewissheiten über einen möglichen Abbruch oder eine Verlängerung der Ausbildung, die unschädlich seien, sofern nur ein absehbarer Rückkehrzeitpunkt bestimmt sei. Damit stünden diese den deutschen Kindern, die vorübergehend ein Internat im Ausland besuchten, gleich. Gleichwohl hätten die Kinder der Klägerin ab September 1991 ihren Wohnsitz in Deutschland verloren. Dies liege daran, dass zwar eine räumliche Trennung während einer vorübergehenden Internatsunterbringung von den Eltern allein keine Auflösung der familiären Bindungen bedinge, anders sei es jedoch, wenn sich in den Wohnsitzverhältnissen der Eltern etwas ändere, wie im vorliegenden Falle. Denn mit dem Umzug der Klägerin nach Nottingham sei eine Verschiebung des Schwerpunkts der Lebensverhältnisse der Kinder eingetreten und habe der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen ausschließlich in England gelegen. Hier sei eine deutlich andere Gewichtung eingetreten. Hinzu komme, dass die Internatsunterbringung von der Klägerin ohnehin nicht als nur vorübergehender Zustand dargestellt worden sei. Dies ergäbe sich ergänzend auch aus der Rückschau, weil die Tochter der Klägerin das Internat ausgehend von der Schulbescheinigung vom 08.09.1994 bereits fünf Jahre besucht habe und dies für voraussichtlich weitere drei Jahre tun werde. Gleiches gelte für den Sohn der Klägerin. Damit fehle es an einem absehbaren Rückkehrzeitpunkt der Kinder mit dem Ergebnis, dass sie ihren Wohnsitz verloren hätten.
Zu der rückwirkenden Aufhebung gemäß § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X (rückwirkende Aufhebung wegen Verletzung der Pflicht zur Mitteilung wesentlicher nachteiliger Änderungen der Verhältnisse) führte das Sozialgericht aus, dass der Klägerin habe klar sein müssen, dass sowohl der Besuch des Internats ihrer Kinder in England als auch die Arbeitsaufnahme ab September 1991 in England für den Bezug einer deutschen Familienleistung rechtliche Bedeutung haben könnten. Sie habe sowohl beim Antrag auf Kindergeld im Dezember 1978 versichert, dass sie alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung seien, unverzüglich der Kindergeldkasse mitzuteilen habe. Sie habe das "Merkblatt über Kindergeld" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen. Diese Versicherung habe sie unter dem 22.07.1980 bei der Ausfüllung des Fragebogens zur Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld wiederholt und später noch einmal unter dem 15.07.1981. In dem Merkblatt über Kindergeld werde über alle Fassungen hinweg insbesondere die Pflicht einer Mitteilung eines Auslandsaufenthaltes der Kinder oder des Kindergeldberechtigten stets besonders hervorgehoben. Die Klägerin sei, zusammen mit ihrem Ehemann, in einer eigenen rechtlichen Wertung zu dem Ergebnis gekommen, deutsches Kindergeld müsse weiterbezahlt werden. Es könne jedoch nicht erheblich sein, dass der Leistungsberechtigte sich selbst seine eigene, ggf. fehlerhafte Rechtsauffassung vor dem Hintergrund geänderter tatsächlicher Umstände bilde.
Nach Auffassung der Kammer liege auch keine sogenannte atypische Fallgestaltung vor, die die Beklagte ggf. zur Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens gezwungen hätte. Die Kammer habe jedoch eine solche atypische Fallgestaltung stets nur dann anerkannt, wenn bei Änderung der Berechtigtenbestimmung und rechtzeitiger Antragstellung durch den Ehegatten des Nichtberechtigten dieser selbst einen Anspruch auf Kindergeld gehabt hätte und das dem Nichtberechtigten selbst nicht zustehende Kindergeld auf diesem Wege der Familiengemeinschaft zugeflossen wäre. Eine solche atypische Fallgestaltung erfordere jedoch einen zweifelsfrei festgestellten Kindergeldanspruch des nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten. Insoweit habe die Klägerin zwar mitgeteilt, sie habe sich von ihrem Ehegatten im Mai 1994 getrennt, jedoch sei dieses Datum nicht belegt und könnte auch aufgrund der Beschäftigung der Klägerin ab September 1991 zu einem vorherigen Zeitpunkt liegen. Hinzu komme, dass bei Verlust des Wohnsitzes der Kinder ab September 1991 ein Anspruch des Ehegattens der Klägerin allenfalls über Art.73 EG-VO 1408/71 in Betracht gekommen wäre, nämlich dann, wenn der Ehegatte der Klägerin versicherungspflichtiger Arbeitnehmer in Deutschland mit Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit gewesen wäre, was aus den beigezogenen Unterlagen nicht hervorgehe. Insoweit hätte nämlich über Art.76 der EG-VO 1408/71 ein ggf. bestehender Anspruch des Ehegatten der Klägerin geruht (Vorrang des Beschäftigungsstaates). Nachdem jedoch die Klägerin ab September 1991 in England ebenfalls beschäftigt gewesen sei, könne es zu einem vorrangigen Anspruch des Ehegatten der Klägerin auf deutsches Kindergeld nicht kommen, auch nicht teilweise, weil der Anspruch auf die britischen Leistungen nach Angabe der Klägerin die Leistungen nach dem BKGG überstiegen. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht daraus, dass die Klägerin in Großbritannien keinen Antrag auf Leistungen gestellt habe. Art.76 Abs.2 EG-VO bestimme: "Wird in einem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt, so kann der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaats Abs.1 (Ruhen von Leistungen) anwenden, als ob Leistungen in dem ersten Mitgliedstaat gewährt würden."
Aufgrund der Auskunft der zuständigen britischen Stelle stehe für die Kammer zur vollen Überzeugung fest, dass die Klägerin bei rechtzeitiger Antragstellung britische Leistungen ab September 1991 dem Grunde nach hätte bekommen können; dass eine verbindliche Auskunft der britischen Stelle wegen bereits erfolgter Aktenvernichtung nicht vorliege, gehe zu Lasten der Klägerin.
Mit dem Rechtsmittel der Berufung bringt die Klägerin vor, ihre Kinder hätten ihren Wohnsitz im Inland beim Kindsvater mit Wohnsitznahme der Mutter in England nicht verloren, weil sie nur vorübergehend ein Internat in England besuchten und ihren Lebensmittelpunkt beim Vater in der BRD hätten, der sie nahezu ausschließlich unterhalte. Dort stehe auch ihr Elternhaus, welches noch bis Oktober 1996 im Miteigentum beider Eheleute gestanden habe.
Den Eheleuten könne nicht allein aus der Tatsache, dass versehentlich die Empfangsberechtigung für das Kindergeld nicht von der Klägerin auf den Ehemann umgestellt worden sei, ein Nachteil entstehen. Es liege eine atypische Fallgestaltung vor, welche die Beklagte zur Ausübung pflichtgemäßen Ermessens gezwungen hätte, nachdem von dem Nichtberechtigten (Mutter) eine Leistung zurückgefordert werde, die einem Dritten (Vater) zustehe. Art.73 EG-VO 1408/71 sei einschlägig für einen Kindergeldanspruch des Vaters als Arbeitnehmer der Firma B. AG, Leverkusen, Art.78 EG-VO 1408/71 (gemeint wohl Art.76 Abs.2 EG-VO 1408/71) bewirke ein Ruhen des Anspruchs der Mutter. Unerheblich im Sinne des Art.73 EG-VO 1408/71 sei, dass die Mutter in England ebenfalls einer Beschäftigung nachgegangen sei. Unter "Beschäftigungstaat" sei vielmehr der Staat zu verstehen, in welchem die für den Unterhalt der Kinder zu erzielenden Einkünfte erlangt würden, also der Staat, in dem der Kindsvater wohne. Im Übrigen sei das ihr nicht mehr zustehende Kindergeld dem berechtigten Ehemann im Wege der Familiengemeinschaft (gemeinsames Konto) zugeflossen und bestimmungsgemäß für die Kinder verwendet worden.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerin habe mit Aufenthalt und Arbeitsaufnahme in England dort ihren Lebensmittelpunkt gehabt, unerheblich sei, ob der Kindsvater in Deutschland lebe und möglicherweise einen Kindergeldanspruch gehabt hätte, denn im vorliegenden Falle sei über die Rechtmäßigkeit des Leistungsbezugs der Klägerin zu urteilen. Im Übrigen hätte der Kindsvater gar keinen Anspruch auf Kindergeld gehabt, weil die gemäß Art.76 Abs.1 EG-VO 1408/71 der Klägerin vorrangig zustehenden englischen Familienleistungen der Höhe nach einen gemäß Art.73 EG-VO 1408/71 möglicherweise bestehenden Anspruch des Kindsvaters nach dem BKGG überstiegen und gemäß § 8 Abs.1 Satz 1 Nr.2 BKGG a.F. zur Ablehnung der Auszahlung des Kindergelds an ihn geführt hätten.
Gegen den Wohnsitz der Kinder in England sprächen nicht die vorgebrachten Umstände, nämlich dass die Kinder in der BRD gemeldet seien und der Vater sie unterhalte. Art.73 und 76 EG-VO 1408/71 kämen weder für den Erwerb noch für das Ruhen eines Anspruchs der Klägerin in Frage, weil sie und die Kinder in ein und demselben Mitgliedstaat der EG wohnten.
Der Senat hat den Ehemann der Klägerin beigeladen (Beschluss vom 30.03.1999) und von der Klägerin nähere Angaben gefordert. Diese trägt daraufhin vor, die Ehe sei am 21.05.1996 in England geschieden worden, der Ehemann sei unter anderem im fraglichen Zeitraum von 1991 bis 1994 Arbeitnehmer der Firma B. AG L. mit unbeschränkter Steuerpflicht nach dem Einkommensteuergesetz und mit Sozialversicherungspflicht gewesen. Von September 1991 bis 1994 habe es keine festen regelmäßigen Unterhaltsüberweisungen des Ehemanns für die Kinder gegeben. Vielmehr habe sie, die Klägerin, über das Konto ihres Ehegatten verfügen können und dort alles direkt abgebucht oder abgehoben, was sie als Unterhalt für die Kinder richtig gehalten habe. Der Ehemann habe nach seinen Schätzungen im Jahre 1994 ca. 68.000,- DM für seine Kinder ausgegeben, u.a. für Internatsaufenthalt und Sommerurlaub. Sie selbst sei vom Unterhalt für die Kinder weitestgehend entlastet worden und habe über ein eigenes Einkommen von ca. jährlich 45.000,- DM brutto verfügt. Die steuerlichen Kinderfreibeträge habe der Ehemann geltend gemacht. Zu ihrem Vortrag legt die Klägerin Kopien des Scheidungsurteils und der Einkommensteuerbescheide für sie und ihren Ehemann für die Jahre 1991 bis 1994 vor, weiterhin eine Aufstellung über die bisherige Schulausbildung der Kinder.
Der Beigeladene erklärt, dass er mit den klägerischen Angaben "einverstanden" sei und keine anderen Ansichten zur Sachlage habe.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts vom 28.09.1998 abzuändern (sinngemäß: aufzuheben) und den Bescheid der Beklagten vom 23.11.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.1997 aufzuheben.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechts- züge sowie die zu Beweiszwecken beigezogene Kindergeldakte der Beklagten und zwei Merkblätter für Kindergeld für die Jahre 1980 und 1982 vor.
Zur Ergänzung des Tatbestands, insbesondere hinsichtlich des Vortrags und des Inhalts der von der Klägerin beigebrachten Unterlagen, wird hierauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und in der Hauptsache begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens waren lediglich der Bescheid vom 23.11.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07. 1997. Zu entscheiden war über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Kindergeldbewilligungen (Verwaltungsakte gemäß § 48 SGB X), nicht dagegen, ob und wie lange der Klägerin bei rechtswidrigem und (vom Gericht) aufzuhebenden Aufhebungsbescheid der Beklagten das Kindergeld nach dem BKGG zugestanden hätte; eine zeitlich maximale Begrenzung würde sich dann aus dem nicht streitgegenständlichen Bescheid vom 18.07.1995 (dort: Aufhebung mit Wirkung vom 01.08.1995) ergeben, wobei es der Beklagten frei stünde, bei Inkraftbleiben der Kindergeldbewilligungen aus den Jahren 1978 und 1981 die im Laufe der Zeit eingetretenen anspruchshindernden oder vernichtenden Tatsachen (z.B. Einsetzen der Zahlungen des britischen Kindergelds) selbst zu prüfen und zu verbescheiden.
Gegenstand des Verfahrens war weiterhin ein zweiter Verwaltungsakt der Beklagten, die mit der Aufhebung verbundene Rückforderung des Kindergelds für die Zeit von September 1991 bis August 1994 gemäß § 50 Abs.1 SGB X.
Im Hinblick auf den Streitgegenstand kam der Senat zu der Überzeugung, dass die Klägerin weder nach innerstaatlichem deutschen Recht noch unter Mitberücksichtigung des EG-Rechts einen Kindergeldanspruch nach dem BKGG hatte; die Beklagte hatte grundsätzlich die Möglichkeit, die Kindergeldbewilligungen aus den Jahren 1978 und 1981 gemäß § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X (schuldhafte Verletzung der Mitteilungspflichten) aufzuheben. Sie hat es aber unterlassen, in ihren Bescheiden das vorliegend gebotene Ermessen auszuüben.
Die fehlende materiell-rechtliche Kindergeldberechtigung der Klägerin ergibt sich bereits daraus, dass sie ab September 1991 weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte (§ 1 Abs.1 Nr.1 BKGG) und auch nicht die Ausnahmetatbestände des § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst. a bis d BKGG (u.a. entsandte Arbeitnehmer, Entwicklungshelfer usw.) erfüllte. Insoweit kam es nicht auf die streitige Frage an, ob die Kinder der Klägerin ebenfalls keinen Wohnsitz mehr in der BRD gehabt haben und auch aus diesen Gründen ein Kindergeldanspruch nach dem BKGG nicht mehr zugestanden hätte (§ 2 Abs.5 BKGG a.F.).
Unter Zuhilfenahme von Art.73 EG-VO 1408/71 ließe sich kein Anspruch der Klägerin auf das deutsche Kindergeld begründen. Hieraus würde nur, unterstellt die Kinder hätten ab September 1991 in Deutschland einen Wohnsitz, folgen, dass die Klägerin, die als Arbeitnehmerin den Rechtsvorschriften Großbritanniens unterliegt, für ihre Familienangehörigen, die im Gebiet des anderen Mitgliedstaates (BRD) wohnten, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates hätte, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten. Hieraus ergäbe sich - unterstellt den Wohnsitz der Kinder in der BRD - zunächst ein Anspruch der Klägerin auf das britische Kindergeld, der nach britischem Recht in Verbindung mit den EG-Vorschriften bestünde, wie er bei Wohnsitz der Kinder in Großbritannien allein nach den dortigen innerstaatlichen Vorschriften auch gegeben wäre. Die Folgerungen hieraus sollen zunächst dahingestellt bleiben, weil es zuerst allein um die Frage geht, ob die Klägerin noch einen Anspruch auf Familienleistungen nach dem BKGG haben konnte.
Zur Begründung, dass die Klägerin ab September 1991 keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt mehr in der BRD hatte, und dass die Voraussetzungen einer Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit dem Wortlaut des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X nach erfüllt sind, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die in den Gründen des Urteils vom 28.09.1998 wiedergegebenen Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen, die der Senat zu seiner eigenen Auffassung macht. Nur noch betonend ist hierzu auszuführen, dass der "Vorbehalt" der Klägerin, nur vorübergehend in England tätig zu sein, unbeachtlich ist. Ein zeitlich bestimmter Zeitpunkt der Rückkehr ist nicht objektivierbar, er hing vielmehr von ungewissen Ereignissen ab. Zudem muss gesehen werden, dass sie lediglich ins Auge gefasst hatte, als "UK-based civilian teacher" nach Deutschland zurückzukehren und dort in einer Armee-Schule zu lehren, und zwar unter den Bedingungen wie alle anderen aus England stammenden Lehrkräfte mit Verträgen für fünf Jahre. Dies bedeutet aber, dass sie als in England "stationierte" bzw. beheimatete Lehrerin von England aus nach Deutschland entsandt würde, mithin nach den Vorschriften des SGB IV über Einstrahlung und Ausstrahlung kaum den deutschen Rechtsvorschriften über Sozialversicherung und Kindergeld unterliegen würde.
Davon abgesehen war der Zeitpunkt einer Rückkehr, als sie in England eine Beschäftigung aufgenommen hatte, nicht "absehbar". Die Klägerin war bemüht, ihren Lebensunterhalt selbst durch Erwerbstätigkeit zu bestreiten, und eine gesicherte Prognose, dass eine entsprechende Stelle im Bereich der in Deutschland stationierten britischen Armee überhaupt frei werden und sie diese erhalten würde, konnte nicht getroffen werden. Es fehlen jegliche Anknüpfungspunkte, z.B. ein verbindliches Angebot auf Wiedereinstellung als Lehrkraft binnen einer noch vorhersehbaren Zeit. Die Zukunft der Klägerin lag 1990/91 völlig im Ungewissen. Der Rückkehrwille allein reicht nicht aus, einen Wohnsitz in der BRD beizubehalten, wenn objektive gesicherte Anhaltspunkte für die Verwirklichung in absehbarer Zeit fehlen.
In Bezug auf einen Kindergeldanspruch ohne Bedeutung war, wer die Kinder unterhalten hat und ob die Klägerin und/oder die Kinder in der BRD noch mit Wohnsitz gemeldet waren. Auf den Wohnsitz im melderechtlichen Sinne kam es ebenso wenig an wie auf den im Sinne des Bürgerlichen Rechts, der in erster Linie vom Willen abhängig ist.
Nicht völlig klar für den Senat war, ob die Kinder der Klägerin, die bereits vor September 1991 in England im Internat untergebracht gewesen waren, tatsächlich schon im September 1991 oder erst später ihren Wohnsitz in der BRD verloren haben. Die Angaben über die Wohnmöglichkeiten in der BRD, die Zahl und Dauer der Besuche dort sowie das etwaige (damalige) Berufsziel- unzulässig, aus den Geschehnissen im Laufe der Zeit rückwirkend eine Prognose zu stellen. Eingeräumt werden muss aber, dass vieles für die Ansicht des Sozialgerichts spricht, dass die Kinder der Klägerin, im September 1991 13 und 10 Jahre alt, vom Aufenthaltsort her, der bereits in der BRD aufrecht erhaltenen (schulischen) Bindung an die Heimat und der Ortsnähe zur Mutter nurmehr ihren Wohnsitz in England hatten; hinzu kommt wohl - zu einem unbestimmten Zeitpunkt - die Lockerung der Bindung zwischen den Ehegatten, die bereits 1994 zur Trennung und 1996 zur Scheidung geführt hat.
Letztlich spielen diese Fragen aber keine Rolle; es kommt, je nach Wohnsitz der Kinder, eine Reihe von Möglichkeiten in Betracht, wobei bei Lösung etwaiger Anspruchskonkurrenzen § 8 Abs.1 Satz 1 Nr.2 BKGG a.F. (Ausschluss eines Anspruchs des Vaters bei Zahlung des britischen Kindergelds oder auch nur bei einem mangels Antrags nicht verwirklichten Anspruchs der Mutter auf diese Leistung) nicht unbedingt zur Auswirkung kommt. Hingewiesen werden muss insoweit darauf, dass die Qualität des Anspruchs der Klägerin auf Kindergeld zum Teil ungewiss ist. Anspruchsberechtigt in Großbritannien waren damals Personen, die in den letzten 52 Wochen vor der Antragstellung mindestens 26 Wochen in Großbritannien gewohnt haben und deren Steuerpflicht nicht wegen einer Tätigkeit für einen ausländischen Staat oder eine ausländische Organistion entfällt. Der rein innerstaatliche Anspruch (auch bei Wohnsitz der Kinder in England) würde erst sechs Monate nach dem September 1991 beginnen, aber nicht abhängig von der Beschäftigung der Mutter sein; die damalige Familienbeihilfe hat 44,20 Pfund für das erste und 35,75 Pfund für jedes weitere Kind (1994) betragen (umgerechnet und auf volle Beträge gerundet 110,- DM bzw. 89,- DM für 1994).
Daneben könnte - schon ab 01.09.1991 - ein Anspruch der Klägerin auf Kindergeld nur unter Berücksichtigung der EG-Vorschriften bestanden haben, wie anscheinend von der britischen Kindergeldstelle bescheinigt, wobei auch insoweit unklar bleibt, ob hier eine rechtlich unzutreffende Wertung, ggf. bei Annahme eines unzutreffenden Sachverhalts (was hat die Klägerin dort zum Wohnsitz ihrer Kinder und den Unterhaltsleistungen an diese angegeben?) vorliegen könnte. Eine Klärung ist nicht mehr möglich, nachdem die englische Kindergeldstelle ihre Akten vernichtet hat.
Hingewiesen wird auch (in Bezug auf einen möglichen Anspruch von Klägerin und Kindsvater) darauf, dass unterschiedliche Vorschriften (Art. 73, 76, 12 Abs.2 EG-VO 1408/71, Art.7 und 10 EG-VO 574/72) zur Lösung von Anspruchskonkurrenzen zur Anwendung kämen, je nachdem ob die Familienleistung "aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit" vorgesehen oder unabhängig davon war. Die Anwendung innerstaatlicher Ausschlusstatbestände steht ebenso in Frage wie die Anwendung des Art.76 Abs.2 EG-VO 1408/ 71; zu § 8 Abs.1 Satz 1 Nr.2 BKGG a.F. hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 12.06.1986 - 10 RKg 19/84 in SozR 5870 § 8 Nr.12 jedenfalls verneint, dass eine zustehende, aber nicht beantragte und daher nicht bezogene ausländische Leistung das Kindergeld nach dem BKGG ausschließen könne. Art.76 Abs.2 EG-VO 1408/71 sieht im Übrigen vor, dass dann, wenn in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Kinder wohnen, kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt wird, der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaates Abs.1 anwenden kann, als ob Leistungen in dem ersten Mitgliedstaat gewährt würden. Abs.1 betrifft das Ruhen von Familienleistungen im ersten Staat aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit, wenn der Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften eines zweiten Mitgliedstaats auf Art.73 und 74 EG-VO 1408/71 beruht; abgesehen von diesen sachlichen Einschränkungen stellt sich hier immerhin noch die Frage, ob das Wort "kann" im deutschen Recht nicht zur Folge hat, dass Ermessen auszuüben ist.
Letztlich steht nach allen Umständen nur fest, dass entweder die Klägerin oder deren Ehemann (u.U. auch beide nach Anteilen) kindergeldberechtigt gewesen wären, und dass die innerstaatlichen Vorschriften Großbritanniens und Deutschlands über einen Ausschluss für Leistungen für die Vergangenheit im Falle eines verspäteten Antrags jedenfalls Anwendung finden würden, wie der Europäische Gerichtshof bereits entschieden hat. Dies bedeutet, dass die Klägerin - wie die englische Kindergeldstelle mitgeteilt hat - keinen Anspruch auf Kindergeld Großbritanniens häte, gleich ob allein nach den innerstaatlichen Vorschriften oder unter Zuhilfenahme der EG-Vorschriften im fraglichen Zeitraum, ebenso wenig deren Ehemann, dessen Anspruch ausgeschlossen wäre gemäß § 9 Abs.2 BKGG a.F., wonach Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats geleistet wird, in dem der Antrag auf Kindergeld beim Arbeitsamt eingegangen ist.
Die erst Jahre später erfolgte Aufhebung der Ausschlussfrist bei verspätetem Antrag in den dem § 9 Abs.2 BKGG a.F. entsprechenden Nachfolgevorschriften des § 5 Abs.2 BKGG (in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung) und § 66 Abs.3 Einkommensteuergesetz (in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung) mit dem Steuerreformgesetz 1999 kommt der Klägerin und deren Ehemann jedenfalls nicht zugute. Die Weisung des Bundesamts für Finanzen im Rundschreiben vom 30.06.1997, die die Klägerin angesprochen hat, betrifft lediglich das Kindergeld nach dem EStG in nicht abgeschlossenen Fällen (eventuelle Nichtvereinbarkeit der Sechs-Monats-Frist für den Antrag mit dem für das Kindergeld ab 01.01.1996 geltenden Jahresprinzip, vgl. BFH vom 24.10.2000 - VI R 66/90) und berührt im Übrigen die Zeit vor dem 01.01.1996 nicht, so dass sich die Frage erübrigt, inwieweit diese Weisung nicht contra legem ist.
In beiden möglichen Fallgestaltungen - Kindergeldanspruch entweder der Klägerin oder des Ehemanns - sieht der Senat die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung der Beklagten. Wäre die Klägerin nach dem Recht Großbritanniens kindergeldberechtigt, würde ihr bei Aufhebung und Rückforderung des nach dem BKGG gezahlten Kindergelds eine andere Sozialleistung (wegen fehlenden Antrags) entgehen. Insoweit liegt ein atypischer Fall vor, wie das BSG entschieden hat, allerdings bisher nur im Bereich innerstaatlicher Leistungen; insoweit kann sich das Ermessen sogar auf Null in dem Sinne reduzieren, dass die Rückforderung auf alle Fälle ausgeschlossen ist (so BSG vom 12.12.1995 - 10 RKg 9/95 in SozR 3-1300 § 48 Nr.42 bei Eintreten von vermehrter Sozialhilfebedürftigkeit, was auch entsprechend bei erstmaligem Eintritt der Sozialhilfebdürftigkeit der Fall wäre).
Der Senat sieht auch einen atypischen Fall bei Leistungen im EG-Bereich. Es muss berücksichtigt werden, dass die EG-Vorschriften rechtserweiternd wirken und das nationale Recht modifizieren sowie alle Sozialleistungen in einem übergeordneten Verbund behandeln und zuordnen. Bei den nunmehr bestehenden überstaatlichen Bezugspunkten erscheint es auch gerechtfertigt, Härten infolge Rückforderung des Kindergelds entsprechend zu berücksichtigen. Der Senat will hier nicht der Ermessensreduzierung auf Null das Wort reden, hält es aber für geboten, dass die Beklagte anläßlich eines ihr bekannt gewesenen Sachverhalts nicht nur aktenintern, sondern in einem Verwaltungsakt Überlegungen anstellt, ob der Verlust des Kindergelds nach dem BKGG bei nicht mehr möglichen "Ersatz" durch eine andere kinderbezogene Leistung die Rückforderung rechtfertigt oder nicht.
Zu welchem Ergebnis die Abwägung im Rahmen des Ermessens führt, mag hier dahinstehen; zwingend wäre es jedenfalls nicht gewesen, die Rückforderung zu unterlassen, es hätte aber eine Abwägung stattfinden müssen. Der Verfahrensmangel (§ 35 Abs.1 Satz 2, § 41 Abs.1 Nr.2 und § 41 Abs.2 SGB X) führt zur Aufhebung des Verwaltungsakts.
Dasselbe gilt, wenn - sei es nach innerstaatlichen Vorschriften allein oder unter Zuhilfenahme von EG-Vorschriften - der Ehemann der Klägerin von 1991 bis 1994 kindergeldberechtigt gewesen sein sollte. Hier wiederum ist in der Rechtsprechung anerkannt - über entsprechende Dienstanweisungen verfügt auch die Beklagte -, dass von der Rückforderung abgesehen werden soll, wenn das Kindergeld vom Nichtberechtigten (das wäre hier die Klägerin) unmittelbar an das Kind oder an den Kindergeldberechtigten weitergeleitet wird. Zumindest sind in solchen Fällen in einem zu erteilenden Bescheid Ermessenserwägungen zu dem von der Verwaltung gefundenen Ergebnis anzustellen.
Vorliegend wurde das Kindergeld laut Akte der Beklagten auf ein Konto des Ehemanns der Klägerin, über das jene Verfügungsmacht hatte, geleistet, wobei nach schlüssigen Angaben beider Eltern die Klägerin alles für den Bedarf der Kinder abgehoben hat. Unabhängig von diesen Beträgen muss jedenfalls davon ausgegangen werden, dass das Kindergeld entweder auf dem Konto des Ehemanns verblieb oder mit dessen Einverständnis für die Kinder verwendet worden ist.
Die notwendigen Ermessensentscheidungen der Beklagten erübrigen sich nicht wegen eines von ihr behaupteten Wissens der Klägerin um die Nichtberechtigung. Diese hat zwar grob fahrlässig ihre Mitteilungspflicht verletzt. Das schuldhafte Verhalten bezieht sich aber darauf, dass sie der Beklagten geänderte Sachverhalte mitzuteilen hatte, auf die die bisherigen Kindergeldbewilligungen gründeten und die unter Umständen auch zum Wegfall des Kindergelds führen könnten, wobei die rechtliche Auswertung der geänderten Tatsachen der Beklagten vorbehalten blieb. Damit ergibt sich aber noch nicht bei Erhalt der streitigen Kindergeldzahlungen ein Wissen um die Nichtberechtigung, d.h. um den Wegfall des materiell-rechtlichen Kindergeldanspruchs. Aus dem Merkblatt der Beklagten ist nicht hinreichend ersichtlich, wie es um den Kindergeldanspruch steht, wenn allein die Kinder wegen auswärtigen Schulbesuchs ein englisches Internat besuchen und wenn dann in zeitlichen Abständen hierzu (nur) ein Elternteil sich ebenfalls ins Ausland begibt. Die rechtliche Würdigung in allen Einzelheiten ist und kann in dem Merkblatt Kindergeld nicht enthalten sein und ist für einen außenstehenden Laien schwierig. Über die Vorschriften des EG-Rechts, die einen Kindergeldanspruch weiterhin bestehen lassen oder begründen können, geben die Merkblätter ohnehin nur vage und damit in Sonderfällen keine oder unrichtige Hinweise. Ein derart grobes Verschulden, das auf den Wegfall des Kindergeldanspruchs nach dem BKGG zum September 1991 bezogen sein müsste, ist nicht erkenntlich, zumal der Erhalt der Merkblätter in der Kindergeldakte unterschriftlich nur im Juli 1980 und Juli 1981 dokumentiert ist und dies mehr als zehn Jahre her ist. Hier kann zwar durchaus noch erwartet werden, dass die Meldepflicht über die Änderung "persönlicher Daten" in Erinnerung bleibt, aber nicht die Kenntnis und die Wertung, dass unter bestimmten konkreten Umständen, wie sie sich ereignet haben, ein Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG nicht mehr besteht.
Aus den genannten Gründen musste die Berufung Erfolg haben, worauf die Kostentragungspflicht der Beklagten gemäß § 193 SGG beruht.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
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