L 3 U 279/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 279/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 17.04.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Amputation des rechten Unterschenkels als mittelbare Folge des Unfalls des Klägers vom 05.04.1993 und die Gewährung einer höheren Rente als nach einer MdE um 20 v.H. streitig.

Nach dem von der AOK Amberg am 25.04.1994 übermittelten Durchgangsarztbericht des Dr.P. vom 24.05.1993, den der Kläger erstmals am 24.05.1993 aufgesucht hat, hat der Kläger am 05.04.1993 beim Einpacken seiner persönlichen Sachen für eine Fernfahrt nach Russland auf dem Weg zum Führerhaus einen Unfall erlitten, als er mit einem kleinen Kühlschrank stolperte, stürzte und sich am rechten Fuß verletzte. Der Kläger suchte jedoch deswegen zunächst keinen Arzt auf, sondern trat seine vierwöchige Lkw-Fahrt nach Russland an und begab sich erst am 08.05.1993 in die Chirurgische Klinik des Klinikums W. , wo er einen vor ca. vier Wochen erlittenen Unfall angab, worauf er zunächst nur geringe Beschwerden gehabt hätte. Eine offene Verletzung habe nach dem Behandlungsbericht nicht bestanden. Die Röntgenaufnahmen des rechten Mittelfußes ergaben bereits mit Callus überbaute Mittelfußknochenbrüche 2 bis 4 sowie Keilbeinbrüche 2 und 3. Am 07.09.1993 wurde wegen eines massiven Gangräns am linken Fuß bei Diabetes mellitus mit fortgeschrittener Infektion die Amputation des linken Unterschenkels durchgeführt. In der Zeit vom 28.04.1994 bis 26.05.1994 befand sich der Kläger erneut in stationärer Behandlung im Klinikum W. wegen eines diabetischen Gangräns des rechten Fußes mit Osteolysen im gesamten Fußskelett. Am 17.05.1994 erfolgte die Amputation des rechten Unterschenkels.

Nach Einholung von Befundberichten, Stellungnahme des Klinikums W. vom 28.07.1994 und des beratenden Arztes der Beklagten Dr.J. vom 31.08.1994 hat die Beklagte mit Bescheid vom 27.09.1994 als Folgen des Unfalls vom 05.04.1993 "in Fehlstellung verheilte, vorhanden gewesene, geschlossene Brüche des 2. bis 4. Mittelfußknochens und geschlossene Brüche des 2. und 3. Keilbeines rechts" anerkannt und dem Kläger deswegen Dauerrente nach einer MdE um 20 v.H. ab dem 10.08.1993 bewilligt. Keine Unfallfolgen seien unter anderem der Diabetes mellitus einschließlich der dadurch bedingten Mikroangiopathien und Amputationen des linken und rechten Unterschenkels sowie die Notwendigkeit, Prothesen links und rechts zu tragen, sowie die Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.08.1992 (im Zuständigkeitsbereich der LBG). Den dagegen mit Schreiben vom 11.10.1994 erhobenen Widerspruch, mit dem unter anderem die Anerkennung der Amputation des rechten Unterschenkels als weitere Unfallfolge geltend gemacht worden ist - dieser Auffassung widersprach Dr.H. , Klinikum W. , am 14.10.1994 -, hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.1995 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht Regensburg mit dem Ziel der Anerkennung der Amputation des rechten Unterschenkels als weitere Unfallfolge und Gewährung von höherer Rente Klage erhoben.

Das Sozialgericht hat auf Antrag des Klägers Gutachten des Chirurgen Dr.G. vom 02.08.1999 und 13.03.2000 eingeholt. In seinem Gutachten vom 02.08.1999 kam Dr.G. zu der Auffassung, dass die ausgedehnten Mittelfußfrakturen, die sich der Kläger am 05.04.1993 im Rahmen seines Wegeunfalls zugezogen habe, Ursache für die später erfolgte Amputation seien. Ursache für die Hautnekrose sei der Druck durch einen neuen Schuh auf die unfallbezogene verbliebene Schwellung gewesen. Durch eine Superinfektion der Bagatellverletzung mit betahämolysierenden Streptokokken und Staphylokokkus aurius sei es letztlich zum Verlust des rechten Unterschenkels gekommen. Unfallunabhängig bestand während der Unfallbehandlung ein nicht berücksichtigter, entgleister Diabetes mellitus, sowie eine leichte primäre Varikosis des rechten Beines und vorbestehend bekannt, Kalkeinlagerungen der Arterienwände beidseits im Bereich der Popliteasegmente ohne wesentliche hämodynamische Wirksamkeit (Gutachten Dr.S. , Dr.S.). Der nicht berücksichtigte Diabetes mellitus habe für die Unfallbehandlung und die Infektbeherrschung ungünstige Voraussetzungen geschaffen. Auch ohne diabetische Stoffwechsellage hätte der Infektverlauf zum Verlust des rechten Beines führen können. Die Zusammenhangsvermutung des Klägers - hinsichtlich der Annahme der Ursache für die folgenschwere massive Infektion mit dem gemeinsamen Fußbad beider Füße - sei nicht begründbar. Die Aufzeichnungen über den Behandlungsverlauf des linken Fußes, Entstehungsursache, Befundverlauf seien so dürftig, dass hier die Zusammenhangsfrage lediglich rein spekulativ beurteilt werden könne. Die Vermutung des Klägers, dass über die Überbelastung des linken Fußes durch Minderbelastung - Entlastung des rechten - die Schädigung des linken Fußes verursacht sein könne, sei unwahrscheinlich, eine Fehlbelastung des linken Fußes im Schuh und dadurch ein lokaler Überdruck an der primären Infektionsstelle sei zwar denkbar, jedoch aus den Unterlagen nicht begründbar. Ein gewisser Zusammenhang zwischen Unfallbehandlung des rechten Fußes und sekundärer Behandlung des linken Fußes könne vermutet, jedoch nach Aktenlage in keiner Weise graduell begründet werden. Der Verlust des rechten Unterschenkels sei jedoch Unfallfolge, die hierdurch bedingte MdE wurde ab 10.08.1993 mit 60 v.H. bewertet.

Die Beklagte hat zur Entgegnung ein chirurgisches Gutachten nach Aktenlage des Dr.G. vom 26.10.1999 vorgelegt, in dem dieser - entgegen der Einschätzung des Dr.G. - zu dem Ergebnis gelangte, dass auch die Amputation bzw. der Verlust des rechten Unterschenkels nicht Unfallfolge sei, sondern auf die Vorschäden sowohl im Bereich der Durchblutung als auch der Nerven bei Diabetes mellitus zurückzuführen sei. Allein aufgrund einer Druckstelle im Bereich des 1. Zehenstrahles könne nicht von einer wesentlichen Teilursache am Gesamtschaden ausgegangen werden. Dieser betreffe seines Erachtens den Vorschaden an beiden unteren Extremitäten aufgrund einer Makro- und Mikroangiopathie, die histologisch zumindest auf der rechten Seite nachgewiesen sei. Ohne diesen Vorschaden an beiden Unterschenkeln wäre es zu einem Ausheilen der Druckstelle an der Medialseite des rechten Vorfußes mit Sicherheit gekommen. Auch der Umstand, dass es durch Umknicken zu einer Fraktur an zwei Mittelfußknochen gekommen sei, spreche für eine vorbestehende Osteopathie. Das Verhalten des Verletzten, der trotz des Unfalls eine vierwöchige Lkw-Fahrt nach Russland unternommen und erst nach Rückkehr den D-Arzt aufgesucht habe, spreche für die angeführte Neuropathie. Bei einem ungestörten Schmerzempfinden wäre dieses Verhalten nicht möglich gewesen. Nach allem sprächen mehr Kriterien gegen einen Unfallzusammenhang als dafür. Ausgehend von einer Distorsion des Vorfußes und der Anerkennung der Mittelfußfrakturen, sei die Komplikation mit nachfolgendem schwerstem Infekt und Gangrän auf die Vorschäden, sowohl im Bereich der Durchblutung als auch der Nerven bei Diabetes mellitus, zurückzuführen, von einer richtungsgebenden Verschlimmerung bei zunächst intakten Hautverhältnissen sei nicht auszugehen. Die Vorfußfrakturen am rechten Bein seien vorübergehend mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten.

Am 13.03.2000 hat Dr.G. auf Veranlassung des SG ergänzend Stellung genommen und den Ausführungen des Dr.G. entgegen gehalten, dass eine Makro- und Mikroangiopathie des rechten Beines zum Unfallzeitpunkt und im primären Verlauf nicht belegt sei. Auch die Schlussfolgerungen des Dr.G. aus der Durchführung der Fahrt des Klägers und dem Verletzungsmuster des betroffenen Fußes seien kein Beweis für eine vorliegende erhebliche Neuropathie. Nach seiner Auffassung stellen, wie bereits im Gutachten vom 02.08.1999 ausgeführt, iatrogene Ursachen - keine zeitgerechte Antibiose, keine zeitgerechte Abstrichentnahme, kein zeitgerechter Verdacht auf das mögliche Vorliegen eines Diabetes mellitus und nach Erkennen keine adäquate Behandlung des Diabetes mellitus - die Ursachen für die Amputation dar, nicht jedoch die primär unfallfolgende Bagatelldruckstelle über dem Metatarsaleköpfchen I. Die im Gutachten des Dr.G. hergeleitete Neuropathie als wesentliche Verlaufsursache sei weder überhaupt, noch insbesondere in ihrem Ausmaß belegt oder belegbar. Die Amputationsreife des rechten Unterschenkels auf eine Bagatellhautläsion hin sei bei sachgerechter Behandlung unter Berücksichtigung eines vorbestehenden Diabetes mellitus eine hochgradig unwahrscheinliche Folge.

Mit Urteil vom 17.04.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die vom Kläger geltend gemachte Amputation des rechten Unterschenkels sei nicht Folge des Arbeitsunfalls vom 05.04.1993 und dessen Folgen. Nach Auffassung des vom SG gehörten Sachverständigen müsse schon der unfallchirurgischen D-Arztbehandlung von Dr.P. ab 10.05.1993 bzw. 24.05.1993 eine wesentliche Bedeutung beigemessen werden. Denn von Dr.P. sei der Kläger zunächst wegen verbleibender Schwellung des rechten Fußes sowie einer Druck- oder Scheuerstelle im Metatarsophalangealgelenksbereich rechts mit Bädern und Nekroseabtragungen sowie nach Abstrich mit einer systemischen Antiobiose behandelt worden. Die folgenschwere Bagatellverletzung an der Innenseite des rechten Mittelfußes mit Hautnekrose sei wegen eines neuen Schuhs und des dadurch bedingten Drucks auf die unfallbezogene verbliebene Schwellung verursacht worden. Der Auffassung, dass der Infektverlauf auch ohne diabetische Stoffwechsellage zum Verlust des rechten Beines hätte führen können, so Dr.G. , vermochte sich das Sozialgericht nicht anzuschließen. Es gab insoweit den Ausführungen des Dr.G. gegenüber denen des Dr.G. den Vorzug. Danach sei es im Hinblick auf die erhobenen Befunde der Überzeugung, dass der unfallfremde Diabetes mellitus den wesentlichen Beitrag nicht nur im naturwissenschaftlichen Sinn, sondern auch nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Theorie der Wesentlichkeit geleistet habe. Die Amputation des rechten Unterschenkels sei nach allem nicht Folge des Unfalls vom 05.04.1993 und somit dem Klageantrag nicht stattzugeben gewesen.

Hiergegen hat der Kläger - unter Wiederholung seines bisherigen Begehrens - Berufung eingelegt: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei davon auszugehen, dass ein wesentlicher Zusammenhang zwischen den Unfallfolgen und der Amputation des rechten Unterschenkels bestehe. Der vom Sozialgericht herangezogene Histologiebefund könne nicht zur Stützung des negativen Ergebnisses dienen. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die kausal auf den Unfall zurückzuführende Infektion zur Diabetesentgleisung geführt habe mit entsprechenden Gewebeveränderungen. Eine Makro- und Mikroangiopathie des rechten Beines zum Unfallzeitpunkt und im primären Verlauf sei nicht belegt. Auch eine diabetesinduzierte wesentliche Neuropathie, wie sie das Gericht annehme, erscheine fraglich. Im Übrigen stützte sich der Kläger auf die Ausführungen des Dr.G. und regte eine weitere Begutachtung von Amts wegen an.

Der Senat hat ein von Prof.Dr.L. , Oberarzt der Medizinischen Klinik Innenstadt der LMU M. , am 06.02.2001 nach Aktenlage erstattetes Gutachten eingeholt. Darin kam er zu der Auffassung, dass bei Vorliegen des Diabetes mellitus mit peripherer Neuropathie ohne wirkliche Hinweise auf eine relevante Durchblutungsstörung der Wegeunfall zur klinischen Manifestation der destruierenden Osteoarthropathie geführt und richtung- gebend verschlimmert habe. Die Manifestation am rechten Fuß und die damit verbundene Mehrbelastung auf dem linken Fuß bei gleichzeitiger sensorischer Neuropathie habe dann zu einer dramatischen beidseitigen Verschlechterung des diabetischen Fußsyndroms mit bekannten Konsequenzen geführt. Somit müsse mindestens die Unterschenkelamputation rechts als Unfallfolge anerkannt werden. Bei Berücksichtigung der Unterschenkelamputation beider Beine sei zusammenfassend von einer MdE von 80 v.H. auszugehen.

Die Beklagte hat hierzu entgegnet, dass das Gutachten des Prof. Dr.L. nicht geeignet sei, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Amputation des rechten Unterschenkels und dem Unfall vom 05.04.1993 zu begründen: Denn das Gutachten erkläre insbesondere nicht schlüssig, aus welchen Gründen bei einer unfallbedingten Amputation des rechten Unterschenkels der linke Unterschenkel bereits vorher habe amputiert werden müssen. Zudem setze sich das Gutachten in keiner Weise mit dem überzeugenden Gutachten des Dr.G. auseinander. Die Beklagte verwies auf den histologischen Untersuchungsbefund - Bericht Dr.H. vom 14.10.1994 -, wonach kein Zweifel an der Gefäßveränderung durch die Zuckerkrankheit bestehe. Desweiteren sei die Beurteilung der MdE mit 80 v.H. nicht nachvollziehbar.

Der Senat hat des Weiteren von Amts wegen ein angiologisch-internistisches Gutachten von Prof.Dr.H. vom 03.06.2002 eingeholt, das dieser nach Aktenlage erstattet hat. Dieser Sachverständige vertrat die Auffassung, dass in Zusammenschau der verschiedenen Argumente mehr Kriterien gegen einen Unfallzusammenhang sprächen als für den Unfallzusammenhang. Er stimmte den Ausführungen des Dr.G. zu, maßgeblich gegen den Zusammenhang spreche das diabetische Fußsyndrom - als unfallunabhängige Ursache -. Entscheidend sei, dass eine offene Fraktur nicht vorgelegen habe. Zwar sei an die Möglichkeit einer Hautverletzung, bedingt durch die Fußdeformierung bei schlecht sitzendem Schuhwerk, zu denken. Nachdem aber eindeutig in dem Bericht des Kreiskrankenhauses W. , der auf die ambulante Erstvorstellung am 08.05.1993 Bezug nimmt, niedergelegt sei, dass eine offene Verletzung nicht bestanden habe, müssen somit andere Ursachen für die Entwicklung der Gangrän am rechten Unterschenkel wahrscheinlich sein. Auch ein vierwöchiger Zeitraum vom Unfalltag bis zur Erstvorstellung beim Arzt bleibe unklar. Dass eine ausgeprägte Neigung zu einer diabetischen Gangrän und Entzündungen im allgemeinen beim Kläger vorliege, sei insbesondere durch den Verlauf der Bagatellverletzung am linken Bein nachzuvollziehen, ebenso wie durch die dokumentierte Bursitis präpatellaris. Die Argumentation der Vorgutachter Prof.Dr.L. und Dr.G. erscheine nicht schlüssig, dies gelte insbesondere hinsichtlich des Letztgenannten, soweit dieser ausführe, dass die Unterschenkelamputation als Folge einer Verkettung unglücklicher Umstände in der Unfallbehandlung Unfallfolge sei. Zwar sei durch die geschlossene Fraktur eine Weichteilschwellung nicht ausgeschlossen, hiergegen spreche jedoch, dass nach den Befunden die knöcherne Läsion bereits in Heilung begriffen war, wie die Callusbildung anzeige. Er sehe deshalb die Ursache der Hautnekrose mehr im Zusammenhang mit der vielleicht nicht optimalen Behandlung. Die Unfallfolgen - Vorfußfrakturen am rechten Bein - seien in Übereinstimmung mit der fachchirurgischen Bewertung mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 17.04.2000 und Abänderung des Bescheides vom 27.09.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.1995 zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer Amputation des rechten Unterschenkels als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 05.04.1993 höhere Verletztenrente als nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil zutreffend sei.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Sozialgericht hat mit Recht die Klage abgewiesen. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung einer Amputation des rechten Unterschenkels als weitere Folge seines Arbeitsunfalles vom 05.04.1993 und dementsprechend höherer Verletztenrente als der bislang nach einer MdE um 20 v.H. von der Beklagten gewährten Rente, weil die vorgenannte Amputation nicht mit Wahrscheinlichkeit als - mittelbare - Folge des vorgenannten Unfalls vom 05.04.1993 angesehen werden kann.

Dies hat das Sozialgericht - gestützt vor allem auf die überzeugenden Darlegungen des von der Beklagten in das Klageverfahren eingebrachten Gutachtens des Dr.G. , das vom SG im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden konnte - eingehend und zutreffend dargelegt und des Weiteren nachvollziehbar ausgeführt, weshalb auf die gegenteilige Auffassung des Dr.G. letztlich der geltend gemachte Anspruch nicht gestützt werden kann. Dieser Auffassung schließt sich der Senat - bestärkt durch das zuletzt von ihm eingeholte Gutachten des Prof.Dr.H. - an und nimmt zur weiteren Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils gemäß § 153 Abs.2 SGG ergänzend Bezug.

Der Senat ist zusammenfassend - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowohl durch das SG wie auch durch ihn selbst - zu der Auffassung gelangt, dass unter Abwägung sämtlicher Kriterien, die für wie auch gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechen, der ursächliche Zusammenhang im Grad der in der gesetzlichen Unfallversicherung notwendigen Wahrscheinlichkeit zwischen dem Unfall des Klägers vom 05.04.1993 - dessen Folgen - und der am 17.05.1994 erfolgten Amputation des rechten Unterschenkels nicht angenommen werden kann. Im vorliegenden Fall handelt es sich weder um eine traumatische Amputation, noch um eine solche im Rahmen der Behandlung von Unfallfolgen (sekundäre Amputation), im Gefolge der Notwendigkeit einer Behandlung, die zum Beispiel durch nicht beherrschbare örtliche oder allgemein wirkende Infektionen notwendig geworden ist. Die Anerkennung der vorgenannten Amputation unter dem Gesichtspunkt "mittelbare Unfallfolge" ist im Ergebnis nicht begründbar. Mittelbare Unfallfolgen sind unter anderem Krankheitserscheinungen, die ohne weiteres Unfallereignis, zum Beispiel anlässlich ärztlicher Behandlung der unmittelbaren Unfallschäden, Auswirkungen eines aus Anlass des Unfallschadens gegebenen Medikamentes, Eingriff zur Feststellung von Ursache, Art, Umfang und Ausmaß der Schädigungsfolgen, fehlerhafte diagnostische Maßnahmen einschließlich der zugrunde liegenden Indikationsstellung oder fehlerhaften Behandlung (vgl. hierzu Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, S.89 m.w.N.) wesentlich mitverursacht wurden. Um solche mittelbare Unfallfolgen handelt es sich jedoch hinsichtlich der hier streitigen Amputation am rechten Unterschenkel nicht. Wie Dr.G. und Prof.Dr.H. nämlich überzeugend dargelegt haben, kommt dem bestehenden Vorschaden (Diabetes, Makro- und Mikroangiopathie des rechten Beines zum Unfallzeitpunkt) die überragende Bedeutung für den foudrojanten Verlauf, mit der zuletzt notwendigen Amputation des rechten Unterschenkels zu; demgegenüber kommt den anerkannten Unfallfolgen - hier den Schädigungen im Bereich des Vorfußes - nicht wenigstens die Bedeutung einer zumindest wesentlichen Teilursache zu. Ob das Unfallereignis die Entstehung des Körperschadens im Sinne der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre mitverursacht hat, richtet sich in den Fällen, in denen das Unfallereignis in kausaler Konkurrenz mit einer beim Kläger vorhandenen Krankheitsanlage den Körperschaden herbeigeführt hat, danach, ob das Unfallereignis von hervorragender Bedeutung für das Entstehen des Körperschadens war oder die Krankheitsanlage. Der Kläger hat bei seinem Arbeitsunfall am 04.05.1993 einen geschlossenen Mittelfußknochenbruch 2 bis 4 und einen Keilbeinbruch 2 und 3 des rechten Fußes erlitten, dies ist unter den Beteiligten unstreitig und es ist unter Berücksichtigung der nachfolgend erhobenen Befunde auch davon auszugehen, dass diese unmittelbaren Unfallfolgen, abgesehen von der Plattfußbildung, relativ gut ausgeheilt sind. Bei den späteren Behandlungen des Klägers durch den Chirurgen Dr.P. handelte es sich nicht um eine Behandlung der vorgenannten Unfallfolgen. Nachdem der Kläger am 09.08.1993 durch Dr.P. "wegen einer ausgedehnten Infektion des linken Fußes mit Nekrosenbildungen der Zehen 1 bis 3, unfallunabhängig auf dem Boden der diabetogenen Mikroangiopathie" in das Klinikum W. eingewiesen worden war, erfolgte dort am 07.09.1993 wegen eines massiven Gangräns des linken Fußes bei Diabetes mellitus mit fortgeschrittener Infektion die Unterschenkelamputation links. Gerade dieser Umstand - Amputation des linken, vom Unfall nicht betroffenen Unterschenkels - spricht gravierend gegen den Zusammenhang der Amputation des rechten Unterschenkels, die anlässlich einer weiteren stationären Behandlung in der Zeit vom 28.04.1994 bis 26.05.1994 am 17.05.1994 vorgenommen worden ist. Mit dem Unfall vom 05.04.1993 - dessen Folgen bzw. dessen Behandlung - besteht nach allem hier kein ursächlicher Zusammenhang im Sinne der in der Unfallversicherung maßgeblichen Kausalitätstheorie. Die Frage, ob der hier - möglicherweise unglücklich verlaufenen - ärztlichen Behandlung eine wesentliche Bedeutung für die nachfolgend notwendig gewordene streitgegenständliche Amputation zugemessen werden kann (z.B. wegen nicht rechtzeitiger Erkennung des Diabetes mellitus bzw. entsprechender Behandlung usw.) kann dabei letztlich dahingestellt bleiben, weil diese nicht in Zusammenhang mit der Behandlung von Unfallfolgen steht. Eine - allenfalls mögliche - fehlerhafte Behandlung von Gesundheitsstörungen, die nicht Unfallfolgen sind bzw. sich aus der Sicht des behandelnden Arztes nicht wenigstens irrtümlich als Unfallfolgen darstellen, kann nicht zur Anerkennung von mittelbaren Unfallfolgen führen, sondern wäre allenfalls im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses nach Zivilrecht entscheidungserheblich. Wie Prof.Dr.H. ausgeführt hat, ist zudem - unterstellt, es sei durch Druck von neuen Schuhen auf die Innenseite des rechten Mittelfußes zu einer Schwellung gekommen, was nicht ersichtlich und somit auch nicht erwiesen ist - nicht erklärbar, wieso erst nach vier Wochen eine offene Hautläsion aufgetreten sein könnte, wenn doch die knöcherne Läsion bereits in Heilung begriffen war, was die Callusbildung zeigte. Die Ursache der Hautnekrose ist somit nach allem nicht als Folge der unfallbedingten knöchernen Verletzung anzusehen, sondern - wie auch Prof.Dr.H. und der vom Sozialgericht gehörte Dr.G. meinen - in Zusammenhang mit der nicht optimalen ärztlichen Behandlung zu sehen, die als Verkettung unglücklicher Umstände, insbesondere durch den Diabetes mellitus und die damit verbundenen Durchlbutungsstörungen und Heilungserschwernisse dann letztlich zu dem unglücklichen Verlauf geführt hat.

Soweit das Gutachten von Prof.Dr.L. zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, vermochte der Senat diesem nicht zu folgen, weil es in sich nicht schlüssig ist. Dies gilt schon vorrangig für die Schlussfolgerung, dass wegen einer Unterschenkelamputation beider Beine eine MdE von 80 v.H. anzunehmen sei. Dabei übersieht er, dass für die Anerkennung der Amputation beider Beine als Unfallfolge überhaupt keine Grundlage gegeben ist, weil das linke Bein, unzweifelhaft unfallunabhängig amputiert werden musste. Dies stellt selbst der Kläger nicht in Abrede. Zudem setzt sich Prof.Dr.L. auch in keiner Weise mit den Argumenten des Dr.G. auseinander und stützt seine Auffassung vorwiegend auf das Argument, dass von mehreren Stellen die Situation und die Krankheitsidentität nicht erkannt, nicht richtig eingeschätzt und nicht fachgerecht behandelt worden sei. Aber selbst wenn man unterstellte, dass dieser Vorwurf sachlich begründet sei, würde es aus den oben dargelegten Erwägungen zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis führen können.

Der Senat ist daher nach allem zu der Auffassung gelangt, dass es bei der bisherigen Anerkennung von Unfallfolgen und deren MdE-Bewertung - MdE um 20 v.H. - verbleiben muss.

Nach allem konnte daher die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben, sie ist unbegründet und daher zurückzuweisen gewesen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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