Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 37/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 351/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Juni 2002 aufgehoben, die Klagen gegen die Bescheide der Beklagten vom 18.08.1999 und 18.12.2000 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.10.1999 und 21.02.2001 werden abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am 1987 geborene Kläger ist der Sohn des Versicherten M. V. , der am 10.03.1999 einen Arbeitsunfall erlitten hat und bei einem weiteren Unfall am 17.03.1999 tödlich verunglückt ist.
Am 10.03.1999 fuhr der Versicherte als Fahrer eines Firmenfahr- zeuges auf der A 96 in Fahrtrichtung Lindau bei Kilometer 119.400 auf einen vorausfahrenden Pkw auf, kam von der Fahrbahn ab und prallte nach dem Überqueren der Böschung an einen Baum. Er wurde unmittelbar in das Kreiskrankenhaus L. eingeliefert, wo der Verdacht auf eine Commotio cerebri geäußert wurde. Der Versicherte wurde zur Überwachung stationär aufgenommen und am 11.03.1999 bei insgesamt unauffälligen Verhältnissen entlassen. Am 11.03.1999 stellte er sich bei seinem behandelnden Arzt, dem Internisten Dr.K. vor und erbat eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die ihm für die Zeit bis einschließlich 12.03. 1999 ausgestellt wurde. Der klinische Befund sei unauffällig gewesen. Der Versicherte habe etwas still gewirkt, jedoch sonst keine auffallenden psychischen Reaktionen gezeigt. Psychisch sei er immer unauffällig gewesen. Bei dem Heilpraktiker S. war der Versicherte nach dessen Bericht vom 25.05.1999 am 14. und 16.03.1999 in Behandlung und klagte über Nackenverspannungen und leichten Kopfschmerz. Mit Bericht vom 12.12.1999 gab der Heilpraktiker an, er habe den Versicherten am 14.03.1999 bei einem Eishockeyturnier getroffen und ihm sei aufgefallen, dass er still dagesessen und nur stur geradeaus geblickt habe. Am 15.03.1999 suchte der Internist Dr.K. den Versicherten anlässlich eines Hausbesuches auf. In einem Bericht vom 23.09.1999 führte Dr.K. aus, der Versicherte sei sichtlich unter einer Schocksituation gestanden, welche durch einen Verkehrsunfall, den er vorher erlitten habe, ausgelöst worden sei. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Versicherte auf dem Weg zur Arbeitsstätte völlig unkontrollierte Handlungen durchgeführt habe, da er nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen sei und auch unter Schockeinwirkung gestanden habe.
Die im Firmenfahrzeug befindlichen Arbeitskollegen des Versicherten wurden von der Polizei erst nach dessen Tod einvernommen. Sie gaben dabei übereinstimmend an, sie hätten das Entstehen der Unfallsituation nicht unmittelbar beobachtet, sondern nur eine Unmutsäußerung des Versicherten gehört und dann den Aufprall selbst gesehen. Der Unfallgegner machte gegenüber der Polizei geltend, er könne das Fahrzeug des Versicherten nicht geschnitten haben, wie der Versicherte geltend gemacht hatte, denn beim Wechsel auf die Überholspur habe er genügend Abstand gehabt und sein Fahrzeug weise nur eine leichte Beschädigung an der hinteren rechten Heckschürze auf, was eher darauf hinweise, dass der Versicherte in der Verkehrssituation unaufmerksam gewesen sei. In der Vernehmung durch das Sozialgericht haben zwei der von der Polizei vernommenen Arbeitskollegen angegeben, das andere Fahrzeug habe das Firmenfahrzeug geschnitten und dadurch sei es zur Berührung gekommen.
Nach den Angaben der Mutter des Klägers hat der Heilpraktiker S. den Versicherten wegen seiner offensichtlichen Unruhe behandelt. Dr.K. habe die Wiederaufnahme der Arbeit empfohlen, damit der Versicherte auf andere Gedanken komme. Hierzu hatte Dr.K. in seinem ärztlichen Attest ausgeführt, der Versicherte sei keinesfalls in der Lage gewesen, an den folgenden Tagen seiner beruflichen Tätigkeit als Maurer und Verputzer nachzugehen.
Die Mutter des Klägers gibt ferner an, der Versicherte sei beunruhigt gewesen über im Raum stehende betriebliche Veränderungen, die auch ihren Mann hätten betreffen können und dass der Verkehrsunfall ihm dabei von Nachteil sein könne.
Am 17.03.1999 nahm der Versicherte seine Arbeit wieder auf und bat entgegen den früheren Verhältnissen einen Arbeitskollegen, das Steuer des Firmenfahrzeugs zu übernehmen. Bei der Fahrt auf der A 96 in Richtung München veranlasste der Versicherte den Fahrer anzuhalten, der das Fahrzeug auf der Standspur in unmittelbarer Nähe einer Notrufsäule bei Kilometer 114.500 zum Stand brachte. Der Versicherte stieg sodann aus, ging um das Heck des Fahrzeugs herum und geriet beim Versuch, die Fahrspur zu überqueren unter ein nachkommendes Fahrzeug. Dessen Fahrer hat bei der Vernehmung als Zeuge unter anderem angegeben, der Versicherte sei losgerannt, dann wie versteinert stehen geblieben, als er das herankommende Auto wahrgenommen habe und habe noch einen Ruck zum Fahrbahnrand hin gemacht. Die im Firmenfahrzeug befindlichen Arbeitskollegen gaben gegenüber der Polizei als Zeugen übereinstimmend an, der Versicherte habe plötzlich gerufen "fahr rechts ran, fahr rechts ran". Der Bruder des Versicherten gab an, er habe von seinem größeren Bruder erfahren, dass der Versicherte diesem gegenüber Tage zuvor geäußert habe, er wolle unbedingt die Bremsspur anschauen. Er nehme an, dass der Versicherte der Meinung gewesen sei, dass dies die gleiche Unfallstelle sei und darum aus dem Auto sei. Vor dem Sozialgericht hat der Zeuge die Aussage verweigert. Der Fahrer des Firmenfahrzeuges hat angegeben, dass der Versicherte plötzlich den Sicherheitsgurt gelöst und die Autotür aufgerissen habe. Der Fahrer habe dann so schnell wie möglich abgebremst und die Warnblinkanlage eingeschaltet. Der Zeuge K. hat angegeben, der Versicherte habe plötzlich "halt, halt" geschrien.
Die Mutter des Klägers ist der Meinung, es dränge sich auf, dass der Versicherte sich entschlossen gehabt habe, die vermeintliche Unfallstelle vom 10.03.1999 in Augenschein zu nehmen. Dass er beim Überqueren der Fahrbahn ein erhebliches Ri- siko eingegangen sei, lasse sich nur damit erklären, dass er durch Nachwirkungen des vorhergehenden Unfalls in seiner Psyche angegriffen gewesen sei und sich in besonderem Maße mit dem Unfallhergang und einem etwaigen Eigenverschulden beschäftigt habe. Hiermit seien auch die von den Zeugen und ihr selbst geschilderte Wesens- und Verhaltensänderung des Versicherten in Einklang zu bringen.
Die Beklagte holte hierzu ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof.Dr.G. vom 13.11.2000 ein. Der Sachverständige diskutierte darin sämtliche bis dahin, insbesondere von der Mutter des Klägers angestellten Erwägungen. Durch die Atteste des Dr.K. und des Heilpraktikers S. sei eine Veränderung des Verhaltens dokumentiert. Die Ursache dieser Veränderung könne aber nicht eindeutig angegeben werden. So sei das Unfallereignis mit Erleiden eines Verkehrsunfalls mit einer Schädelprellung kaum geeignet, schwerwiegende psychische Veränderungen zu bewirken. Eine mehrere Tage anhaltende ausgeprägte psychische Reaktion werde durch eine Schädelprellung, selbst durch eine leichte Gehirnerschütterung und eine möglicherweise begleitende leichte Halswirbelsäulenverletzung nicht schlüssig erklärt. Aus den Unterlagen sei kein Hinweis zu gewinnen, dass beim Versicherten bereits vor dem Unfall am 10.03.1999 besondere psychische Gesundheitsstörungen bestanden hätten. Selbst im Falle von Konflikten am Arbeitsplatz könne nicht auf krankheitswertige psychische Störungen geschlossen werden. Die Verhaltensweise des Versicherten am 17.03.1999 lasse sich rückblickend aus psychiatrischer Sicht nicht eindeutig erklären. Diskutierbar sei unter anderem eine Panikattacke mit ziellosem Verhalten im Rahmen eines Panikzustandes. Hiergegen sprächen die Zeugenaussagen der Mitfahrer, dass der Versicherte einen vorüberfahrenden Pkw vorbei gelassen habe. Über die überraschende Aufforderung zum sofortigen Anhalten hinaus seien den Zeugenangaben auch keine auf eine Panikattacke weisenden Verhaltensweisen zu entnehmen. Gegen krankhafte Störungen der Geistestätigkeit nach leichter Gehirnerschütterung oder Schock im Sinne eines Verwirrtheitszustandes sprächen das Fehlen einer belangvollen Hirnverletzung anlässlich des Unfalls vom 10.03. 1999, das Fehlen stärkergradiger psychopathologischer Auffälligkeiten für die folgenden Tage und ein nicht auffälliges Verhalten am 17.03.1999 bis unmittelbar zur überraschenden Aufforderung an den Fahrer, das Fahrzeug anzuhalten.
Mit Bescheid vom 18.08.1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil es sich bei dem Unfall am 17.03.1999 nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.1999 als unbegründet zurück.
Die gleiche Entscheidung traf die Beklagte mit Bescheid vom 18.12.2000 unter dem Gesichtspunkt, dass der Unfall vom 17.03. 1999 nicht Folge des Unfalls vom 10.03.1999 sei. Den anschließenden Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21.02. 2001 als unbegründet zurück.
Auf die hiergegen gerichteten Klagen hat das Sozialgericht alle Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Unfall vom 17.03.1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen hieraus zu gewähren. Bei dem Unfall am 10.03. 1999 habe es sich ohne Zweifel um einen Arbeitsunfall gehandelt. Dieser Unfall und seine möglichen Folgen für das Arbeitsverhältnis ließen sich nicht isolieren von der Anfang des Jahres 1999 gegebenen Situation im Unternehmen. Der Verstorbene habe wohl auch um seine Stellung im Betrieb gefürchtet, auch wenn objektiv nicht nachgewiesen sei, dass diese tatsächlich bedroht gewesen sei. In dieser Situation sei es für das Gericht nachvollziehbar, dass er sich die Unfallstelle nochmals habe anschauen wollen und deshalb an jenem 17.03.1999 die Autobahn aus diesem Grund überquert habe. Ein anderes Motiv sei nicht erkennbar. Der Verstorbene habe im Bedarfsfall nachweisen wollen, dass er seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht verletzt habe und zum anderen, dass nicht das Firmenfahrzeug, sondern der Unfallgegner den Schaden verursacht habe. Er habe also auch die Interessen des Arbeitgebers wahrgenommen. Der Versicherungsschutz sei auch nicht dadurch unterbrochen, dass es verboten sei, die Autobahn zu überqueren. Der Versicherte sei nicht völlig kopflos auf die Fahrbahn gerannt, sondern habe sich lediglich bezüglich der Geschwindigkeit des herannahenden Pkw geirrt.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Juni 2002 aufzuheben und die Klage gegen die angefochtenen Bescheide abzuweisen.
Sie ist der Meinung, es sei nicht hinreichend bewiesen, aus welchen Motiven der Versicherte die Autobahn überqueren wollte. Auch wenn dies zur Besichtigung der vermeintlichen Unfallstelle geschehen wäre, handle es sich um eine eigenwirtschaftliche, nicht den Interessen des Arbeitgebers dienende Tätigkeit. Darüber hinaus sei eine solche Verhaltensweise grob vernunftwidrig und nicht mehr vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem ersten und dem zweiten Unfall sei medizinisch nicht nachgewiesen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er stützt sich auf die Begründung des angefochtenen Urteils.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Augsburg in den vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist auch begründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Hinterbliebenenleistungen.
Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen besteht nach § 63 Abs.1 SGB VII, wenn der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. In Betracht kommt im vorliegenden Fall ein Arbeitsunfall, also nach § 8 Abs.1 SGB VII ein Unfall, den ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleidet. Dazu ist in der Regel erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versichterten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der so genannte innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden. Es muss also sicher feststehen, dass im Unfallzeit eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde. Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Fage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Maßgebend ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr.41 m.w.N.).
Kommen, wie im vorliegenden Fall, zwei Ereignisse als wesentliche Ursache für den Tod des Versicherten in Frage, nämlich der Arbeitsunfall vom 10.03.1999 und der unmittelbar zum Tod führende Unfall vom 17.03.1999, müssen beide Sachverhalte geprüft werden. Eine mittelbare Folge des ersten Unfalls kann zwar zugleich den Tatbestand eines neuen Versicherungsfalles begründen, die Ursächlichkeit des früheren Unfalles geht jedoch vor, so dass eine Entschädigung als dessen mittelbare Folge vorzunehmen ist (vgl. Ricke Kasseler Kommentar § 11 SGB VII Rdnr.5 m.w.N.).
Für die Annahme, dass der Arbeitsunfall vom 10.03.1999 wesentliche Bedingung für den Eintritt des Todes am 17.03.1999 gewesen ist, bedarf es des Nachweises der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den Ursachenzusammenhang. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht dann, wenn deutlich überwiegende Gründe für die Annahme der Tatsache sprechen (BSGE 61, 127; 45, 285). Mit Ausnahme des Ursachenzusammenhanges bedürfen alle rechts- erheblichen Tatsachen des vollen Beweises. Zu diesen beweis- bedürftigen Tatsachen gehören auch die Unfallfolgen, insbesondere, soweit sie ihrerseits Voraussetzungen des als unfallbedingt geltend gemachten Todes sind. Zum einen bedarf es also des Nachweises der auf den Unfall vom 10.03.1999 zurückzuführenden Gesundheitsstörungen, zum anderen der Begründung der Ursächlichkeit dieser Gesundheitsstörungen für jene Verhaltensweise, die am 17.03.1999 zum Tode des Versicherten geführt hat. Die aus dem Unfall vom 10.03.1999 resultierenden Gesundheitsschädigungen müssen dabei wenigstens wesentliche Mitursache gewesen sein.
Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof.Dr.G. ergibt, lassen sich aus neurologischer und psychiatrischer Sicht keine ausreichend verlässlichen Erklärungen für das Verhalten des Versicherten am 17.03.1999 gewinnen. Die nach dem Unfall vom 10.03.1999 gesicherten Gesundheitsstörungen sind nicht geeignet, einen Ursachenzusammenhang mit dem Verhalten des Versicherten am 17.03.1999 zu begründen. Eine nochmalige oder weitergehende medizinische Sachverhaltsaufklärung ist nicht veranlasst. Es fehlen für die Ermittlung eines neurologisch-psychiatrischen Gesundheitsbildes für die Zeit vor und nach dem 10.03.1999 jegliche medizinischen Befunde oder sonstige Anknüpfungsmöglichkeiten. Dies gilt insbesondere für den aktuellen psychischen Zustand des Versicherten zum Zeitpunkt des tödlichen Unfalls.
Der Unfall vom 17.03.1999 selbst war kein Arbeitsunfall. Maßgeblich für die Beurteilung ist insoweit grundsätzlich die Handlungstendenz des Versicherten bei der zum Unfall führenden Betätigung (vgl. Ricke KassKomm § 8 SGB VII Rdnr.10). Es gibt jedoch im vorliegenden Fall keine Handlungstendenz, die als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als bewiesen anzusehen wäre, wie dies für die Annahme eines Arbeitsunfalles erforderlich ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme muss als offen angesehen werden, aus welchen Gründen der Versicherte das Firmenfahrzeug verlassen hat und auf die Fahrbahn gelaufen ist. Weder hat sich der Versicherte zu seinem Motiv geäußert, noch liegen sonst Umstände vor, mit denen der nötige Beweis geführt werden könnte. Dies gilt auch für die Annahme, der Versicherte habe auf der Gegenfahrbahn die Spuren des Unfalls vom 10.03. 1999 sehen wollen. Weder ist der frühere Unfall auf der selben Höhe geschehen, noch ist den von den Zeugen wiedergegebenen Äußerungen des Versicherten zu entnehmen, er sei irrig dieser Meinung gewesen. Darüber hinaus hätte ein anderes Verhalten sehr viel näher gelegen, wenn den Versicherten die Verhältnisse an der früheren Unfallstelle übermäßig beschäftigt hätten, so dass er sie in Augenschein nehmen wollte. Ein solcher Augenschein wäre beispielsweise von dem zu Fuß aufzusuchenden Rand der betreffenden Fahrbahn oder - wenngleich verbotswidrig und nicht risikolos - von der Standspur aus. Aber auch bei diesen Erwägungen ist nicht recht ersichtlich, welche Erkenntnis sich mit dem Blick auf die Fahrbahn hätten ergeben können. Im Ergebnis ist es unter dem Gesichtspunkt eines einigermaßen folgerichtigen Verhaltens nicht nachvollziehbar, was den Versicherten bewogen hat, die Fahrbahn zu betreten. Das Aufsuchen der Gegenfahrbahn auf der vermeintlichen früheren Unfallstelle mag dem außenstehenden Betrachter als Motiv dem Bedürfnis nach Nachvollziehbarkeit noch am nächsten kommen. Der notwendige Beweis für die Handlungstendenz kann damit jedoch nicht geführt werden.
Selbst mit der Annahme einer entsprechenden Handlungstendenz des Versicherten könnte jedoch der Versicherungsschutz nicht begründet werden. Es ist nämlich nicht ersichtlich, welchen inneren Zusammenhang ein solches Verhalten des Versicherten mit seiner dem Versicherungsschutz unterstehenden betrieblichen Tätigkeit gehabt hätte. Eine entsprechende Weisung des Arbeitgebers hatte der Versicherte nicht. Er konnte auch nicht mit guten Gründen die Vorstellung haben, es diene seiner versicher- ten beruflichen Tätigkeit oder sonstigen, sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebenden objektiven Interessen des Arbeitgebers, wenn er die frühere Unfallstelle in Augenschein nahm. Schon gar nicht konnte dies für das Überqueren der Fahrbahn gelten. Sofern dem Versicherten an Feststellungen gelegen war, die einer Gefährdung seines Arbeitsplatzes entgegen wirken sollten, würde es sich um Maßnahmen zur Erhaltung des Arbeitsplatzes handeln, die nicht in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, sondern eigenwirtschaftlicher Natur sind.
Die Annahme einer versichterten Tätigkeit kann auch nicht auf § 8 Abs.2 Nr.1 SGB VII gestützt werden, wonach sich der Versicherungsschutz auch auf das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs zum Ort der Tätigkeit erstreckt.
Abweichend von dem Grundsatz, dass für die Beurteilung des Versicherungsschutzes die zum Unfall selbst führende Handlung heranzuziehen ist, kann sich der Versicherungsschutz dabei zwar auch auf kurzfristige und unwesentliche Unterbrechungen der versicherten Tätigkeiten erstrecken, wie dies hier für das kurzzeitige Verlassen des Firmenfahrzeuges auf der Strecke zwischen dem Firmensitz und der Arbeitsstelle in Betracht kommt (vgl. Ricke KassKomm § 8 SGB VII Rdnr.42 m.w.N.). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Unfall Folge einer aus persönlichen Motiven selbst geschaffenen Gefahrenlage ist (vgl. Ricke a.a.O. Rdn.99 m.w.N.). Mangels Nachweises eines betriebbezogenen Motives des Versicherten für das Betreten der Autobahn muss von einem von der versicherten Tätigkeit nicht mehr umfassten Motiv ausgegangen werden. Dann wäre der Versicherungsschutz ausgeschlossen, weil es sich um ein in hohem Grade leichtfertiges Verhalten gehandelt hat, bei dem der Versicherte mit einer Schädigung rechnen musste (vgl. BSGE 43, 15). Beim Überqueren einer befahrenen Autobahn als Fußgänger muss dies immer angenommen werden, auch wenn der Versicherte gegebenenfals der Meinung war, die Gefahr sei nicht sonderlich groß oder er könne sie vermeiden. Gerade letztere Vorstellungen müssten als grob unvernünftig angesehen werden.
Die Berufung der Beklagten führt deshalb zum Erfolg.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger im Ergebnis nicht obsiegt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am 1987 geborene Kläger ist der Sohn des Versicherten M. V. , der am 10.03.1999 einen Arbeitsunfall erlitten hat und bei einem weiteren Unfall am 17.03.1999 tödlich verunglückt ist.
Am 10.03.1999 fuhr der Versicherte als Fahrer eines Firmenfahr- zeuges auf der A 96 in Fahrtrichtung Lindau bei Kilometer 119.400 auf einen vorausfahrenden Pkw auf, kam von der Fahrbahn ab und prallte nach dem Überqueren der Böschung an einen Baum. Er wurde unmittelbar in das Kreiskrankenhaus L. eingeliefert, wo der Verdacht auf eine Commotio cerebri geäußert wurde. Der Versicherte wurde zur Überwachung stationär aufgenommen und am 11.03.1999 bei insgesamt unauffälligen Verhältnissen entlassen. Am 11.03.1999 stellte er sich bei seinem behandelnden Arzt, dem Internisten Dr.K. vor und erbat eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die ihm für die Zeit bis einschließlich 12.03. 1999 ausgestellt wurde. Der klinische Befund sei unauffällig gewesen. Der Versicherte habe etwas still gewirkt, jedoch sonst keine auffallenden psychischen Reaktionen gezeigt. Psychisch sei er immer unauffällig gewesen. Bei dem Heilpraktiker S. war der Versicherte nach dessen Bericht vom 25.05.1999 am 14. und 16.03.1999 in Behandlung und klagte über Nackenverspannungen und leichten Kopfschmerz. Mit Bericht vom 12.12.1999 gab der Heilpraktiker an, er habe den Versicherten am 14.03.1999 bei einem Eishockeyturnier getroffen und ihm sei aufgefallen, dass er still dagesessen und nur stur geradeaus geblickt habe. Am 15.03.1999 suchte der Internist Dr.K. den Versicherten anlässlich eines Hausbesuches auf. In einem Bericht vom 23.09.1999 führte Dr.K. aus, der Versicherte sei sichtlich unter einer Schocksituation gestanden, welche durch einen Verkehrsunfall, den er vorher erlitten habe, ausgelöst worden sei. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Versicherte auf dem Weg zur Arbeitsstätte völlig unkontrollierte Handlungen durchgeführt habe, da er nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen sei und auch unter Schockeinwirkung gestanden habe.
Die im Firmenfahrzeug befindlichen Arbeitskollegen des Versicherten wurden von der Polizei erst nach dessen Tod einvernommen. Sie gaben dabei übereinstimmend an, sie hätten das Entstehen der Unfallsituation nicht unmittelbar beobachtet, sondern nur eine Unmutsäußerung des Versicherten gehört und dann den Aufprall selbst gesehen. Der Unfallgegner machte gegenüber der Polizei geltend, er könne das Fahrzeug des Versicherten nicht geschnitten haben, wie der Versicherte geltend gemacht hatte, denn beim Wechsel auf die Überholspur habe er genügend Abstand gehabt und sein Fahrzeug weise nur eine leichte Beschädigung an der hinteren rechten Heckschürze auf, was eher darauf hinweise, dass der Versicherte in der Verkehrssituation unaufmerksam gewesen sei. In der Vernehmung durch das Sozialgericht haben zwei der von der Polizei vernommenen Arbeitskollegen angegeben, das andere Fahrzeug habe das Firmenfahrzeug geschnitten und dadurch sei es zur Berührung gekommen.
Nach den Angaben der Mutter des Klägers hat der Heilpraktiker S. den Versicherten wegen seiner offensichtlichen Unruhe behandelt. Dr.K. habe die Wiederaufnahme der Arbeit empfohlen, damit der Versicherte auf andere Gedanken komme. Hierzu hatte Dr.K. in seinem ärztlichen Attest ausgeführt, der Versicherte sei keinesfalls in der Lage gewesen, an den folgenden Tagen seiner beruflichen Tätigkeit als Maurer und Verputzer nachzugehen.
Die Mutter des Klägers gibt ferner an, der Versicherte sei beunruhigt gewesen über im Raum stehende betriebliche Veränderungen, die auch ihren Mann hätten betreffen können und dass der Verkehrsunfall ihm dabei von Nachteil sein könne.
Am 17.03.1999 nahm der Versicherte seine Arbeit wieder auf und bat entgegen den früheren Verhältnissen einen Arbeitskollegen, das Steuer des Firmenfahrzeugs zu übernehmen. Bei der Fahrt auf der A 96 in Richtung München veranlasste der Versicherte den Fahrer anzuhalten, der das Fahrzeug auf der Standspur in unmittelbarer Nähe einer Notrufsäule bei Kilometer 114.500 zum Stand brachte. Der Versicherte stieg sodann aus, ging um das Heck des Fahrzeugs herum und geriet beim Versuch, die Fahrspur zu überqueren unter ein nachkommendes Fahrzeug. Dessen Fahrer hat bei der Vernehmung als Zeuge unter anderem angegeben, der Versicherte sei losgerannt, dann wie versteinert stehen geblieben, als er das herankommende Auto wahrgenommen habe und habe noch einen Ruck zum Fahrbahnrand hin gemacht. Die im Firmenfahrzeug befindlichen Arbeitskollegen gaben gegenüber der Polizei als Zeugen übereinstimmend an, der Versicherte habe plötzlich gerufen "fahr rechts ran, fahr rechts ran". Der Bruder des Versicherten gab an, er habe von seinem größeren Bruder erfahren, dass der Versicherte diesem gegenüber Tage zuvor geäußert habe, er wolle unbedingt die Bremsspur anschauen. Er nehme an, dass der Versicherte der Meinung gewesen sei, dass dies die gleiche Unfallstelle sei und darum aus dem Auto sei. Vor dem Sozialgericht hat der Zeuge die Aussage verweigert. Der Fahrer des Firmenfahrzeuges hat angegeben, dass der Versicherte plötzlich den Sicherheitsgurt gelöst und die Autotür aufgerissen habe. Der Fahrer habe dann so schnell wie möglich abgebremst und die Warnblinkanlage eingeschaltet. Der Zeuge K. hat angegeben, der Versicherte habe plötzlich "halt, halt" geschrien.
Die Mutter des Klägers ist der Meinung, es dränge sich auf, dass der Versicherte sich entschlossen gehabt habe, die vermeintliche Unfallstelle vom 10.03.1999 in Augenschein zu nehmen. Dass er beim Überqueren der Fahrbahn ein erhebliches Ri- siko eingegangen sei, lasse sich nur damit erklären, dass er durch Nachwirkungen des vorhergehenden Unfalls in seiner Psyche angegriffen gewesen sei und sich in besonderem Maße mit dem Unfallhergang und einem etwaigen Eigenverschulden beschäftigt habe. Hiermit seien auch die von den Zeugen und ihr selbst geschilderte Wesens- und Verhaltensänderung des Versicherten in Einklang zu bringen.
Die Beklagte holte hierzu ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof.Dr.G. vom 13.11.2000 ein. Der Sachverständige diskutierte darin sämtliche bis dahin, insbesondere von der Mutter des Klägers angestellten Erwägungen. Durch die Atteste des Dr.K. und des Heilpraktikers S. sei eine Veränderung des Verhaltens dokumentiert. Die Ursache dieser Veränderung könne aber nicht eindeutig angegeben werden. So sei das Unfallereignis mit Erleiden eines Verkehrsunfalls mit einer Schädelprellung kaum geeignet, schwerwiegende psychische Veränderungen zu bewirken. Eine mehrere Tage anhaltende ausgeprägte psychische Reaktion werde durch eine Schädelprellung, selbst durch eine leichte Gehirnerschütterung und eine möglicherweise begleitende leichte Halswirbelsäulenverletzung nicht schlüssig erklärt. Aus den Unterlagen sei kein Hinweis zu gewinnen, dass beim Versicherten bereits vor dem Unfall am 10.03.1999 besondere psychische Gesundheitsstörungen bestanden hätten. Selbst im Falle von Konflikten am Arbeitsplatz könne nicht auf krankheitswertige psychische Störungen geschlossen werden. Die Verhaltensweise des Versicherten am 17.03.1999 lasse sich rückblickend aus psychiatrischer Sicht nicht eindeutig erklären. Diskutierbar sei unter anderem eine Panikattacke mit ziellosem Verhalten im Rahmen eines Panikzustandes. Hiergegen sprächen die Zeugenaussagen der Mitfahrer, dass der Versicherte einen vorüberfahrenden Pkw vorbei gelassen habe. Über die überraschende Aufforderung zum sofortigen Anhalten hinaus seien den Zeugenangaben auch keine auf eine Panikattacke weisenden Verhaltensweisen zu entnehmen. Gegen krankhafte Störungen der Geistestätigkeit nach leichter Gehirnerschütterung oder Schock im Sinne eines Verwirrtheitszustandes sprächen das Fehlen einer belangvollen Hirnverletzung anlässlich des Unfalls vom 10.03. 1999, das Fehlen stärkergradiger psychopathologischer Auffälligkeiten für die folgenden Tage und ein nicht auffälliges Verhalten am 17.03.1999 bis unmittelbar zur überraschenden Aufforderung an den Fahrer, das Fahrzeug anzuhalten.
Mit Bescheid vom 18.08.1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil es sich bei dem Unfall am 17.03.1999 nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.1999 als unbegründet zurück.
Die gleiche Entscheidung traf die Beklagte mit Bescheid vom 18.12.2000 unter dem Gesichtspunkt, dass der Unfall vom 17.03. 1999 nicht Folge des Unfalls vom 10.03.1999 sei. Den anschließenden Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21.02. 2001 als unbegründet zurück.
Auf die hiergegen gerichteten Klagen hat das Sozialgericht alle Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Unfall vom 17.03.1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen hieraus zu gewähren. Bei dem Unfall am 10.03. 1999 habe es sich ohne Zweifel um einen Arbeitsunfall gehandelt. Dieser Unfall und seine möglichen Folgen für das Arbeitsverhältnis ließen sich nicht isolieren von der Anfang des Jahres 1999 gegebenen Situation im Unternehmen. Der Verstorbene habe wohl auch um seine Stellung im Betrieb gefürchtet, auch wenn objektiv nicht nachgewiesen sei, dass diese tatsächlich bedroht gewesen sei. In dieser Situation sei es für das Gericht nachvollziehbar, dass er sich die Unfallstelle nochmals habe anschauen wollen und deshalb an jenem 17.03.1999 die Autobahn aus diesem Grund überquert habe. Ein anderes Motiv sei nicht erkennbar. Der Verstorbene habe im Bedarfsfall nachweisen wollen, dass er seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht verletzt habe und zum anderen, dass nicht das Firmenfahrzeug, sondern der Unfallgegner den Schaden verursacht habe. Er habe also auch die Interessen des Arbeitgebers wahrgenommen. Der Versicherungsschutz sei auch nicht dadurch unterbrochen, dass es verboten sei, die Autobahn zu überqueren. Der Versicherte sei nicht völlig kopflos auf die Fahrbahn gerannt, sondern habe sich lediglich bezüglich der Geschwindigkeit des herannahenden Pkw geirrt.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Juni 2002 aufzuheben und die Klage gegen die angefochtenen Bescheide abzuweisen.
Sie ist der Meinung, es sei nicht hinreichend bewiesen, aus welchen Motiven der Versicherte die Autobahn überqueren wollte. Auch wenn dies zur Besichtigung der vermeintlichen Unfallstelle geschehen wäre, handle es sich um eine eigenwirtschaftliche, nicht den Interessen des Arbeitgebers dienende Tätigkeit. Darüber hinaus sei eine solche Verhaltensweise grob vernunftwidrig und nicht mehr vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem ersten und dem zweiten Unfall sei medizinisch nicht nachgewiesen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er stützt sich auf die Begründung des angefochtenen Urteils.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Augsburg in den vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist auch begründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Hinterbliebenenleistungen.
Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen besteht nach § 63 Abs.1 SGB VII, wenn der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. In Betracht kommt im vorliegenden Fall ein Arbeitsunfall, also nach § 8 Abs.1 SGB VII ein Unfall, den ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleidet. Dazu ist in der Regel erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versichterten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der so genannte innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden. Es muss also sicher feststehen, dass im Unfallzeit eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde. Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Fage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Maßgebend ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr.41 m.w.N.).
Kommen, wie im vorliegenden Fall, zwei Ereignisse als wesentliche Ursache für den Tod des Versicherten in Frage, nämlich der Arbeitsunfall vom 10.03.1999 und der unmittelbar zum Tod führende Unfall vom 17.03.1999, müssen beide Sachverhalte geprüft werden. Eine mittelbare Folge des ersten Unfalls kann zwar zugleich den Tatbestand eines neuen Versicherungsfalles begründen, die Ursächlichkeit des früheren Unfalles geht jedoch vor, so dass eine Entschädigung als dessen mittelbare Folge vorzunehmen ist (vgl. Ricke Kasseler Kommentar § 11 SGB VII Rdnr.5 m.w.N.).
Für die Annahme, dass der Arbeitsunfall vom 10.03.1999 wesentliche Bedingung für den Eintritt des Todes am 17.03.1999 gewesen ist, bedarf es des Nachweises der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den Ursachenzusammenhang. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht dann, wenn deutlich überwiegende Gründe für die Annahme der Tatsache sprechen (BSGE 61, 127; 45, 285). Mit Ausnahme des Ursachenzusammenhanges bedürfen alle rechts- erheblichen Tatsachen des vollen Beweises. Zu diesen beweis- bedürftigen Tatsachen gehören auch die Unfallfolgen, insbesondere, soweit sie ihrerseits Voraussetzungen des als unfallbedingt geltend gemachten Todes sind. Zum einen bedarf es also des Nachweises der auf den Unfall vom 10.03.1999 zurückzuführenden Gesundheitsstörungen, zum anderen der Begründung der Ursächlichkeit dieser Gesundheitsstörungen für jene Verhaltensweise, die am 17.03.1999 zum Tode des Versicherten geführt hat. Die aus dem Unfall vom 10.03.1999 resultierenden Gesundheitsschädigungen müssen dabei wenigstens wesentliche Mitursache gewesen sein.
Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof.Dr.G. ergibt, lassen sich aus neurologischer und psychiatrischer Sicht keine ausreichend verlässlichen Erklärungen für das Verhalten des Versicherten am 17.03.1999 gewinnen. Die nach dem Unfall vom 10.03.1999 gesicherten Gesundheitsstörungen sind nicht geeignet, einen Ursachenzusammenhang mit dem Verhalten des Versicherten am 17.03.1999 zu begründen. Eine nochmalige oder weitergehende medizinische Sachverhaltsaufklärung ist nicht veranlasst. Es fehlen für die Ermittlung eines neurologisch-psychiatrischen Gesundheitsbildes für die Zeit vor und nach dem 10.03.1999 jegliche medizinischen Befunde oder sonstige Anknüpfungsmöglichkeiten. Dies gilt insbesondere für den aktuellen psychischen Zustand des Versicherten zum Zeitpunkt des tödlichen Unfalls.
Der Unfall vom 17.03.1999 selbst war kein Arbeitsunfall. Maßgeblich für die Beurteilung ist insoweit grundsätzlich die Handlungstendenz des Versicherten bei der zum Unfall führenden Betätigung (vgl. Ricke KassKomm § 8 SGB VII Rdnr.10). Es gibt jedoch im vorliegenden Fall keine Handlungstendenz, die als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als bewiesen anzusehen wäre, wie dies für die Annahme eines Arbeitsunfalles erforderlich ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme muss als offen angesehen werden, aus welchen Gründen der Versicherte das Firmenfahrzeug verlassen hat und auf die Fahrbahn gelaufen ist. Weder hat sich der Versicherte zu seinem Motiv geäußert, noch liegen sonst Umstände vor, mit denen der nötige Beweis geführt werden könnte. Dies gilt auch für die Annahme, der Versicherte habe auf der Gegenfahrbahn die Spuren des Unfalls vom 10.03. 1999 sehen wollen. Weder ist der frühere Unfall auf der selben Höhe geschehen, noch ist den von den Zeugen wiedergegebenen Äußerungen des Versicherten zu entnehmen, er sei irrig dieser Meinung gewesen. Darüber hinaus hätte ein anderes Verhalten sehr viel näher gelegen, wenn den Versicherten die Verhältnisse an der früheren Unfallstelle übermäßig beschäftigt hätten, so dass er sie in Augenschein nehmen wollte. Ein solcher Augenschein wäre beispielsweise von dem zu Fuß aufzusuchenden Rand der betreffenden Fahrbahn oder - wenngleich verbotswidrig und nicht risikolos - von der Standspur aus. Aber auch bei diesen Erwägungen ist nicht recht ersichtlich, welche Erkenntnis sich mit dem Blick auf die Fahrbahn hätten ergeben können. Im Ergebnis ist es unter dem Gesichtspunkt eines einigermaßen folgerichtigen Verhaltens nicht nachvollziehbar, was den Versicherten bewogen hat, die Fahrbahn zu betreten. Das Aufsuchen der Gegenfahrbahn auf der vermeintlichen früheren Unfallstelle mag dem außenstehenden Betrachter als Motiv dem Bedürfnis nach Nachvollziehbarkeit noch am nächsten kommen. Der notwendige Beweis für die Handlungstendenz kann damit jedoch nicht geführt werden.
Selbst mit der Annahme einer entsprechenden Handlungstendenz des Versicherten könnte jedoch der Versicherungsschutz nicht begründet werden. Es ist nämlich nicht ersichtlich, welchen inneren Zusammenhang ein solches Verhalten des Versicherten mit seiner dem Versicherungsschutz unterstehenden betrieblichen Tätigkeit gehabt hätte. Eine entsprechende Weisung des Arbeitgebers hatte der Versicherte nicht. Er konnte auch nicht mit guten Gründen die Vorstellung haben, es diene seiner versicher- ten beruflichen Tätigkeit oder sonstigen, sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebenden objektiven Interessen des Arbeitgebers, wenn er die frühere Unfallstelle in Augenschein nahm. Schon gar nicht konnte dies für das Überqueren der Fahrbahn gelten. Sofern dem Versicherten an Feststellungen gelegen war, die einer Gefährdung seines Arbeitsplatzes entgegen wirken sollten, würde es sich um Maßnahmen zur Erhaltung des Arbeitsplatzes handeln, die nicht in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, sondern eigenwirtschaftlicher Natur sind.
Die Annahme einer versichterten Tätigkeit kann auch nicht auf § 8 Abs.2 Nr.1 SGB VII gestützt werden, wonach sich der Versicherungsschutz auch auf das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs zum Ort der Tätigkeit erstreckt.
Abweichend von dem Grundsatz, dass für die Beurteilung des Versicherungsschutzes die zum Unfall selbst führende Handlung heranzuziehen ist, kann sich der Versicherungsschutz dabei zwar auch auf kurzfristige und unwesentliche Unterbrechungen der versicherten Tätigkeiten erstrecken, wie dies hier für das kurzzeitige Verlassen des Firmenfahrzeuges auf der Strecke zwischen dem Firmensitz und der Arbeitsstelle in Betracht kommt (vgl. Ricke KassKomm § 8 SGB VII Rdnr.42 m.w.N.). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Unfall Folge einer aus persönlichen Motiven selbst geschaffenen Gefahrenlage ist (vgl. Ricke a.a.O. Rdn.99 m.w.N.). Mangels Nachweises eines betriebbezogenen Motives des Versicherten für das Betreten der Autobahn muss von einem von der versicherten Tätigkeit nicht mehr umfassten Motiv ausgegangen werden. Dann wäre der Versicherungsschutz ausgeschlossen, weil es sich um ein in hohem Grade leichtfertiges Verhalten gehandelt hat, bei dem der Versicherte mit einer Schädigung rechnen musste (vgl. BSGE 43, 15). Beim Überqueren einer befahrenen Autobahn als Fußgänger muss dies immer angenommen werden, auch wenn der Versicherte gegebenenfals der Meinung war, die Gefahr sei nicht sonderlich groß oder er könne sie vermeiden. Gerade letztere Vorstellungen müssten als grob unvernünftig angesehen werden.
Die Berufung der Beklagten führt deshalb zum Erfolg.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger im Ergebnis nicht obsiegt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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