Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RJ 44/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. März 1999 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der im Januar 1945 geborene Kläger war ohne Lehre ab 1959 als Arbeiter in einer Ziegelei beschäftigt und arbeitete dort bis 1967 als Abstreicher, danach bis 1994 als Hebeliftbediener und ab 1995 als Ofenhilfe. Ab März 1995 war er arbeitsunfähig krank. Den im November 1995 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte nach medizinischer Sachaufklärung mit Bescheid vom 5. Januar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 1996 mit der Begründung ab, der Kläger könne zwar nicht mehr die zuletzt ausgeübte Tätigkeit in der Ziegelei, aber noch leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten.
Während des Klageverfahrens wurde der Kläger im Dezember 1996 wegen einer Schilddrüsenerkrankung stationär behandelt; im Oktober 1997 erlitt er einen Herzinfarkt, der eine weitere stationäre Krankenhausbehandlung und anschließende Heilbehandlung nach sich zog. Das SG hat - nach Einholung von Befund- und Behandlungsberichten sowie eines internistischen Gutachtens von Privatdozent Dr. K. vom 28. Januar 1998 - die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers, zu deren Begründung er ein - im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem SG Duisburg (S 5 Vs 175/96) auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz erstelltes - Sachverständigengutachten des Internisten Dr. K. vom 8. Januar 1997 vorgelegt hatte, ist ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat von dem Sachverständigen Dr. K. eine ergänzende Stellungnahme eingeholt und seine Entscheidung im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Der Kläger sei nicht berufsunfähig und damit auch nicht erwerbsunfähig. Sein Leistungsvermögen werde im wesentlichen durch einen statisch bedingten Wirbelsäulenschmerz bei Kyphose der Brustwirbelsäule, eine chronisch obstruktive Bronchitis, eine koronare Herzerkrankung mit Zustand nach Myokardinfarkt sowie eine behandelte autoimmune Thyreoiditis mit Hypothyreose herabgesetzt. Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Privatdozent Dr. K. vom 28. Januar 1998 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 15. Oktober 1998 und dem Entlassungsbericht der Klinik R. vom 4. Dezember 1997 ergebe, stünden diese beim Kläger diagnostizierten Gesundheitsstörungen einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Die orthopädischen und internistischen Gesundheitsstörungen schränkten in ihrer wechselseitigen Beeinflussung das berufliche Leistungsvermögen des Klägers nicht auf weniger als acht Stunden täglich ein. Bei Entlassung aus der Anschlußheilbehandlung nach akutem Myokardinfarkt im Dezember 1997 habe das Belastungs-EKG keinen Hinweis auf eine Belastungskoronarinsuffizienz ergeben. Es habe keine Angina pectoris bestanden, und der Lungenbefund sei unauffällig gewesen. Der Kläger habe lediglich bei größerer Belastung über Luftnot geklagt. Die von Dr. K. diagnostizierte akut behandlungsbedürftige ausgeprägte Hypothyreose sei zwischenzeitlich erfolgreich behandelt worden. Es bestehe auch keine seelische Erkrankung von Rentenwert. Bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Privatdozent Dr. K. hätten sich keine psychischen Befunde ergeben, die eine weitere Diagnostik erfordert hätten. Die von Dr. K. geschilderten Zeichen einer psychomotorischen Verlangsamung seien auf die damals noch unbehandelte Hypothyreose zurückzuführen. Zur weiteren medizinischen Sachaufklärung brauche sich der Senat nicht gedrängt fühlen. Den vom Kläger im Termin gestellten Hilfsanträgen sei nicht nachzukommen. Der Kläger habe zum einen keine Verschlimmerung seiner gesundheitlichen Leiden behauptet, zum anderen seien die psychophysisch bedingten Einschränkungen seiner beruflichen Leistungsfähigkeit von den eingeholten Gutachten zutreffend erfaßt und ausgewertet worden. Die Frage nach einer neurologisch-psychiatrischen Begutachtung stelle sich auch auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen Privatdozent Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Oktober 1998 nicht. Die von dem hirnorganischen Psychosyndrom bei Alkoholabusus ausgehenden funktionellen Einschränkungen würden von dessen Gutachten ebenso miterfaßt und bewertet wie von den Feststellungen des Dr. K. in seinem Gutachten vom 8. Januar 1997. Aufgrund der festgestellten Leistungseinschränkungen könne der Kläger zwar seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit in der Ziegelei nicht mehr verrichten, jedoch sei er auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Ungewöhnliche Leistungseinschränkungen oder spezifische Leistungsbehinderungen seien nicht festzustellen; die festgestellten Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit bewegten sich in dem Rahmen, in dem eine pauschale Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt für zulässig gehalten werde.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von §§ 43, 44 SGB VI sowie von § 136 Abs 1 Nr 6 SGG und § 103 iVm §§ 62, 128 SGG und Art 103 GG. Er trägt im wesentlichen vor: Das LSG habe den geltend gemachten Anspruch sowohl für die Vergangenheit ab Antragstellung als auch für die Zukunft zurückgewiesen, jedoch keine Begründung dafür gegeben, weshalb Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit ab Antragstellung bis zum Gutachten von Privatdozent Dr. K. am 28. Januar 1998 ebenfalls nicht zustehe. Dafür habe es aber im Hinblick darauf einer besonderen Begründung bedurft, daß Dr. K. im Dezember 1996 eine schwere, letztlich auf einen vitalbedrohlichen Zustand zulaufende Schilddrüsenerkrankung diagnostiziert habe, die bereits so stark fortgeschritten gewesen sei, daß cerebrale Symptomatiken aufgetreten seien. Das LSG sei ohne hinreichende Begründung einem von ihm - dem Kläger - gestellten Beweisantrag auf Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens nicht gefolgt. Denn bereits im Verwaltungsgutachten von Dr. D. und auch im Gutachten von Dr. K. fänden sich auf eine cerebrale Symptomatik hinweisende Befunde. Der Sachverständige Privatdozent Dr. K. habe in seinem Gutachten eingeräumt, daß er den Gesundheitszustand des Klägers auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet ohne Eigendiagnostik beurteilt habe. Hinzu komme, daß dieser Sachverständige als Internist und Rheumatologe seinen - des Klägers - psychologischen oder neurologischen Gesundheitszustand nicht abschließend beurteilen könne. Da die psychophysisch bedingten Einschränkungen seiner beruflichen Leistungsfähigkeit entgegen der Auffassung des LSG von den eingeholten Gutachten nicht zutreffend erfaßt und ausgewertet worden seien, habe das LSG insoweit außerdem die Würdigung des beantragten Beweises vorweggenommen und dadurch das rechtliche Gehör verletzt. Nach entsprechender Sachaufklärung hätte sich ein untervollschichtiges, wenn nicht sogar vollständig aufgehobenes Leistungsvermögen ergeben; zumindest hätte sich die Notwendigkeit der Benennung wenigstens einer konkreten Verweisungstätigkeit wegen der "Minderbegabung bei hirnorganischem Psychosyndrom" herausgestellt, wobei sich ergeben hätte, daß mit einer solchen spezifischen Leistungseinschränkung der Arbeitsmarkt für ihn, den Kläger, praktisch verschlossen und ihm deswegen Erwerbsunfähigkeitsrente zuzusprechen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29. März 1999 und das Urteil des SG Duisburg vom 18. Juni 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Dezember 1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, aus der Revisionsbegründung ergäben sich keine neuen medizinischen Sachverhalte, die diese Entscheidung in Frage stellen würden. Es finde sich auch kein Anhalt für ein aufgehobenes Leistungsvermögen für die Zeit vor Erstellung des Sachverständigengutachtens vom 28. Januar 1998. Daß das LSG zum Gutachten des Dr. K. und dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsschrift lediglich eine ergänzende Stellungnahme des medizinischen Sachverständigen eingeholt habe, stelle keinen Verfahrensmangel dar. In dieser Stellungnahme habe der Sachverständige das Leistungsvermögen des Klägers umfassend dargestellt.
II
Die zulässige Revision ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtstreit an das LSG zurückzuverweisen ist.
Das angefochtene Urteil beruht jedenfalls deshalb auf einem Verfahrensmangel, weil das LSG die Pflicht zur Sachaufklärung (§ 103 SGG) verletzt hat. Das Berufungsgericht hätte sich von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen in medizinischer Hinsicht gedrängt fühlen müssen. Dies hat der Kläger in zulässiger Weise gerügt. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die weiteren, vom Kläger gerügten Verfahrensmängel vorliegen.
1. Der Rentenanspruch des Klägers richtet sich nach den §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 gültigen Fassung; die ab 1. Januar 2001 geltende Neuregelung durch das Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl I, 1827) ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar (vgl § 300 Abs 1 iVm Abs 2 SGB VI).
a) Auf dieser Rechtsgrundlage ist das LSG zwar zu Recht davon ausgegangen, daß der Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit von seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit abhängt, und es hat dabei zutreffend berücksichtigt, daß - wie in § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI ausdrücklich bestimmt ist - eine krankheitsbedingte Beeinträchtigung des Leistungsvermögens auch infolge eines psychischen Leidens gegeben sein kann. Für seine diesbezüglichen Feststellungen, beim Kläger liege eine derartige Beeinträchtigung nicht vor, reichen aber die vorliegenden Befundberichte und gutachtlichen Äußerungen nicht aus. Insoweit greift die auf § 103 SGG gestützte Verfahrensrüge des Klägers durch. Das LSG hätte sich hinsichtlich dieses Punktes nach den Umständen des vorliegenden Falles zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müssen. Es konnte sich insbesondere insoweit nicht darauf stützen, daß der Kläger bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Privatdozent Dr. K. im Januar 1998 psychisch unauffällig erschien. Vielmehr hätte es das psychische Leistungsvermögen des Klägers im Zusammenhang mit den Verläufen der bei ihm seit der Rentenantragstellung diagnostizierten organischen Erkrankungen näher aufklären müssen, um feststellen zu können, ob der Kläger aktuell wie auch für den gesamten Zeitraum seit der Rentenantragstellung wesentlich durch eine psychische Erkrankung beeinträchtigt war oder nicht.
b) Wie der Kläger zu Recht geltend macht, ergaben sich bereits aus den im Verfahren beigezogenen medizinischen Unterlagen Hinweise auf psychische Besonderheiten des Klägers, die unterschiedlich beurteilt wurden, wobei zu keinem Zeitpunkt eine psychiatrisch-neurologische Untersuchung oder einschlägige Beurteilung der anderweitig vorliegenden ärztlichen Feststellungen erfolgt war.
So stellte der - zwecks Abklärung einer Berufskrankheit beauftragte - Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. F. bereits im Januar 1995 die Verdachtsdiagnose einer Leberzirrhose und beschrieb als mögliche Folgen einer solchen Erkrankung eine erhebliche Einschränkung der psychomentalen Leistung und Zuverlässigkeit (vgl Befundbericht vom 15. Juni 1997). Anläßlich der Erstuntersuchung im Verwaltungsverfahren diagnostizierte Dr. D. , Facharzt für innere Medizin, im Dezember 1995 nach Rücksprache mit dem Hausarzt Dr. D. eine Minderbegabung bei hirnorganischem Psychosyndrom bei früherem Alkoholmißbrauch. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Privatdozent Dr. K. hatte die von ihm bei der Untersuchung am 5. Dezember 1996 diagnostizierte, bis dahin unerkannte Schilddrüsenerkrankung bereits cerebrale Symptomatiken ausgelöst, wobei er nach den Angaben des den Kläger begleitenden Sohnes von einem über Monate ablaufenden körperlichen und geistigen Verfall mit zunehmender Aktivitätseinschränkung, zunehmender geistiger Reglosigkeit und körperlicher Schwäche (Adynamie) ausging. Die Diagnose einer Schilddrüsenerkrankung war anläßlich der anschließenden stationären Behandlung vom 6. bis 19. Dezember 1996 - wie im Gutachten des Sachverständigen Privatdozent Dr. K. vom 28. Januar 1998 erwähnt - bestätigt worden. Hinsichtlich der Behandlung dieser Erkrankung war im Entlassungsbericht der Klinik R vom 4. Dezember 1997 der Verdacht auf eine Unzuverlässigkeit des Klägers bezüglich seiner Medikation (Noncompliance) geäußert worden.
Vor diesem Hintergrund lassen die Ausführungen des internistischen Sachverständigen Privatdozent Dr. K. in seinem Gutachten vom 28. Januar 1998: der Verdacht auf Leberzirrhose habe sich bislang nicht erhärten lassen und zu der ebenfalls geäußerten Vermutung einer Minderbegabung infolge eines hirnorganischen Psychosyndroms bei Alkoholmißbrauch sei festzustellen, daß der Patient einen Schulabschluß (Hauptschule) erreicht habe, auch keine Störung der Schreibfähigkeit (Agraphie) oder eine Leseunfähigkeit (Alexie) feststellbar sei, der Patient insgesamt in seinem Verhalten "einfach strukturiert, aber seiner bisherigen schulischen und beruflichen Ausbildung entsprechend begabt (sei)", keine hinreichende Beurteilung des psychischen Leistungsvermögens des Klägers zu. Auch die Ausführungen in der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 15. Oktober 1998, wonach die von Dr. K. beschriebenen Zeichen einer psychomotorischen Verlangsamung ohne weiteres in die Gesamtsymptomatik der damals noch unbehandelten Hypothyreose eingeordnet werden könnten und sich bei seiner (Dr. K. ) Untersuchung keine Befunde ergeben hätten, welche begründeten Anlaß für eine weitergehende psychiatrisch/psychologische Diagnostik gegeben hätten, reichen als Beweismittel für eine Bejahung der vollschichtigen Einsatzfähigkeit ohne spezifische Leistungseinschränkung des Klägers nicht aus. Diesen Ausführungen konnte das LSG allenfalls eine Aussage bzw Prognose für den Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen entnehmen. Denn dazu, ob (dh insbesondere über welchen Zeitraum) und inwieweit die unerkannte Schilddrüsenerkrankung das psychische Leistungsvermögen des Klägers zuvor (zusätzlich) beeinträchtigt hatte, hat sich Privatdozent Dr. K. weder in seinem Gutachten noch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Oktober 1998 geäußert.
c) Das Leistungsvermögen des Versicherten ist iS von § 44 Abs 2 Satz 1 SGB VI aber bereits dann auf nicht absehbare Zeit aufgehoben, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit länger als sechsundzwanzig Wochen dauert (BSG Urteil vom 23. März 1977 - 4 RJ 49/76 - SozR 2200 § 1247 Nr 16). Dies ist (auch) rückschauend zu beurteilen. Wird festgestellt, daß die Leistungsunfähigkeit tatsächlich länger als sechsundzwanzig Wochen gedauert hat, so ist die Erwerbsunfähigkeit bei Beginn der Leistungsunfähigkeit eingetreten, gleichgültig, ob damals Aussicht auf Behebung der Leistungsunfähigkeit bestanden hat oder noch besteht (BSG aaO SozR 2200 § 1247 Nr 16, S 27 f). In letzterem Fall ist dann allerdings zu prüfen, ob eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur auf Zeit (§ 102 Abs 2 SGB VI) in Betracht kommt. Nachdem der Sachverständige Privatdozent Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme die von Dr. K. beschriebene cerebrale Symptomatik als Folge der unbehandelten Schilddrüsenerkrankung bestätigt hatte, mußte daher der abschließende (auf die beigefügte Berufungsbegründung des Klägers bezogene) Hinweis des Sachverständigen, "Offenbar wird jetzt erneut vorgebracht, Herr A. sei aufgrund neurologischer oder psychischer Defekte in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt. Falls sich diese Frage stellt, dann wäre für eine umfassende gutachterliche Beurteilung ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten aus unserer Sicht erforderlich", das LSG zumindest drängen, durch eine gezielte Rückfrage bei dem Sachverständigen zu klären, ob und inwieweit er sich zu einer differenzierten Zuordnung der Beschwerdebilder und zu einer fachübergreifenden Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers für den gesamten Zeitraum seit November 1995 (Zeitpunkt des Rentenantrags) in der Lage sehe.
d) Nicht ausreichend geklärt ist zudem, ob von der Schilddrüsenerkrankung auch weiterhin dauerhaft keine wesentlichen Beeinträchtigungen ausgehen. Das LSG hat insoweit ausgeführt, diese Erkrankung sei erfolgreich behandelt. Für diese Feststellung reichten aber die vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht aus. Vielmehr bestand Anlaß zu Zweifeln. Nach den Angaben in der ergänzenden Stellungnahme von Dr. K. wurde der Kläger nach Stellung der Diagnose einer Hypothyreose vom 25. Oktober bis 5. November 1997 - knapp ein Jahr nach Beginn der Substitutionstherapie - stationär behandelt. Im Entlassungsbericht der Klinik R. vom 4. Dezember 1997 war ausgeführt, es falle eine ausgeprägte primäre Hypothyreose auf, die bereits "antherapiert" sei, und es wurde eine weitere Steigerung der Schilddrüsensubstitution mit engmaschigen Kontrollen empfohlen. Wenn daher bei der für das Sachverständigengutachten von Privatdozent Dr. K. durchgeführten Untersuchung vom 20. bis 22. Januar 1998 keine unzureichende Substitution erkennbar war, ließ dies keineswegs den Schluß zu, daß dies auch zuvor schon dauerhaft so war und weiterhin der Fall sein werde. In diesem Sachverständigengutachten fand sich auch weder ein Hinweis auf eine im Oktober 1997 erfolgte stationäre (Mit-)Behandlung oder Kontrolle der Schilddrüsenerkrankung noch auf den diese Erkrankung betreffenden Teil des Entlassungsberichts der Klinik R. vom 4. Dezember 1997. Privatdozent Dr. K. hat zwar auf den Arztbericht der Inneren Abteilung des St. W. -Spitals, E. vom 12. November 1997 über eine - vorrangig den Herzinfarkt betreffende - Behandlung vom 25. Oktober bis 5. November 1997 hingewiesen, die Schilddrüsenerkrankung in diesem Zusammenhang jedoch nicht erwähnt. Seine Angaben zum Verlauf dieser Erkrankung des Klägers beschränkten sich vielmehr auf die Wiedergabe der Ausführungen in dem Arztbericht der Inneren Abteilung des St.-W. -Spitals vom 23. Januar 1997 über die dortige stationäre Behandlung des Klägers vom 6. bis 19. Dezember 1996, worin eine deutliche Besserung des Allgemeinbefindens nach der dort durchgeführten Substitutionsbehandlung beschrieben wurde. Das LSG hätte daher zumindest durch Nachfrage bei dem Sachverständigen klären müssen, ob er diese Behandlung auch für die nachfolgende Zeit als erfolgreich durchgeführt bzw die ausreichende Hormonsubstitution als gesichert ansieht.
2. Da das BSG die erforderlichen Ermittlungen nicht selbst durchführen kann, war der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung � auch über die Kosten � an das LSG zurückzuverweisen. Das LSG wird dabei auch zu prüfen haben, inwieweit dem Hinweis des Klägers auf die im März 1999 erfolgte stationäre Behandlung "wegen Luftnot" nachzugehen ist. Ein Anlaß dazu könnte im Hinblick auf die Ausführungen im Sachverständigengutachten bestehen, wonach sich beim Kläger "bislang" keine Staublungenerkrankung (Silikose) und auch keine Silikose-typischen Einschränkungen der Lungenfunktion nachweisen ließen und es sich bei der festgestellten "unter medikamentöser Therapie jetzt noch geringgradigen obstruktiven Lungenfunktionsstörung" um die Beschreibung eines momentanen Zustands handele, wobei eine erneute Verschlechterung der Lungenfunktion zB witterungsabhängig möglich sei. Sollten die weiteren Ermittlungen ergeben, daß - gegenüber dem bisherigen Erkenntnisstand des LSG - zusätzliche wesentliche Leistungsbeeinträchtigungen vorliegen oder - in der gesamten Zeit ab Rentenantragstellung - für einen (wenn ggf auch abgeschlossenen) Zeitraum von mehr als sechs Monaten vorgelegen haben, wird das LSG ferner zu prüfen haben, ob insoweit eine untervollschichtige Leistungsfähigkeit vorlag. Wenn nein, bleibt zu untersuchen, ob eine schwere spezifische Leistungseinschränkung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen anzunehmen ist und dem Kläger deswegen auch bei grundsätzlicher Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt für ungelernte Tätigkeiten nach der stRspr des BSG (vgl Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8; Senatsurteil vom 24. Februar 1999 - B 5 RJ 30/98 R - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 mwN) zum Ausschluß von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit eine gesundheitlich vollschichtig zumutbare Berufstätigkeit (Verweisungstätigkeit) konkret benannt werden muß.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der im Januar 1945 geborene Kläger war ohne Lehre ab 1959 als Arbeiter in einer Ziegelei beschäftigt und arbeitete dort bis 1967 als Abstreicher, danach bis 1994 als Hebeliftbediener und ab 1995 als Ofenhilfe. Ab März 1995 war er arbeitsunfähig krank. Den im November 1995 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte nach medizinischer Sachaufklärung mit Bescheid vom 5. Januar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 1996 mit der Begründung ab, der Kläger könne zwar nicht mehr die zuletzt ausgeübte Tätigkeit in der Ziegelei, aber noch leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten.
Während des Klageverfahrens wurde der Kläger im Dezember 1996 wegen einer Schilddrüsenerkrankung stationär behandelt; im Oktober 1997 erlitt er einen Herzinfarkt, der eine weitere stationäre Krankenhausbehandlung und anschließende Heilbehandlung nach sich zog. Das SG hat - nach Einholung von Befund- und Behandlungsberichten sowie eines internistischen Gutachtens von Privatdozent Dr. K. vom 28. Januar 1998 - die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers, zu deren Begründung er ein - im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem SG Duisburg (S 5 Vs 175/96) auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz erstelltes - Sachverständigengutachten des Internisten Dr. K. vom 8. Januar 1997 vorgelegt hatte, ist ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat von dem Sachverständigen Dr. K. eine ergänzende Stellungnahme eingeholt und seine Entscheidung im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Der Kläger sei nicht berufsunfähig und damit auch nicht erwerbsunfähig. Sein Leistungsvermögen werde im wesentlichen durch einen statisch bedingten Wirbelsäulenschmerz bei Kyphose der Brustwirbelsäule, eine chronisch obstruktive Bronchitis, eine koronare Herzerkrankung mit Zustand nach Myokardinfarkt sowie eine behandelte autoimmune Thyreoiditis mit Hypothyreose herabgesetzt. Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Privatdozent Dr. K. vom 28. Januar 1998 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 15. Oktober 1998 und dem Entlassungsbericht der Klinik R. vom 4. Dezember 1997 ergebe, stünden diese beim Kläger diagnostizierten Gesundheitsstörungen einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Die orthopädischen und internistischen Gesundheitsstörungen schränkten in ihrer wechselseitigen Beeinflussung das berufliche Leistungsvermögen des Klägers nicht auf weniger als acht Stunden täglich ein. Bei Entlassung aus der Anschlußheilbehandlung nach akutem Myokardinfarkt im Dezember 1997 habe das Belastungs-EKG keinen Hinweis auf eine Belastungskoronarinsuffizienz ergeben. Es habe keine Angina pectoris bestanden, und der Lungenbefund sei unauffällig gewesen. Der Kläger habe lediglich bei größerer Belastung über Luftnot geklagt. Die von Dr. K. diagnostizierte akut behandlungsbedürftige ausgeprägte Hypothyreose sei zwischenzeitlich erfolgreich behandelt worden. Es bestehe auch keine seelische Erkrankung von Rentenwert. Bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Privatdozent Dr. K. hätten sich keine psychischen Befunde ergeben, die eine weitere Diagnostik erfordert hätten. Die von Dr. K. geschilderten Zeichen einer psychomotorischen Verlangsamung seien auf die damals noch unbehandelte Hypothyreose zurückzuführen. Zur weiteren medizinischen Sachaufklärung brauche sich der Senat nicht gedrängt fühlen. Den vom Kläger im Termin gestellten Hilfsanträgen sei nicht nachzukommen. Der Kläger habe zum einen keine Verschlimmerung seiner gesundheitlichen Leiden behauptet, zum anderen seien die psychophysisch bedingten Einschränkungen seiner beruflichen Leistungsfähigkeit von den eingeholten Gutachten zutreffend erfaßt und ausgewertet worden. Die Frage nach einer neurologisch-psychiatrischen Begutachtung stelle sich auch auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen Privatdozent Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Oktober 1998 nicht. Die von dem hirnorganischen Psychosyndrom bei Alkoholabusus ausgehenden funktionellen Einschränkungen würden von dessen Gutachten ebenso miterfaßt und bewertet wie von den Feststellungen des Dr. K. in seinem Gutachten vom 8. Januar 1997. Aufgrund der festgestellten Leistungseinschränkungen könne der Kläger zwar seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit in der Ziegelei nicht mehr verrichten, jedoch sei er auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Ungewöhnliche Leistungseinschränkungen oder spezifische Leistungsbehinderungen seien nicht festzustellen; die festgestellten Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit bewegten sich in dem Rahmen, in dem eine pauschale Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt für zulässig gehalten werde.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von §§ 43, 44 SGB VI sowie von § 136 Abs 1 Nr 6 SGG und § 103 iVm §§ 62, 128 SGG und Art 103 GG. Er trägt im wesentlichen vor: Das LSG habe den geltend gemachten Anspruch sowohl für die Vergangenheit ab Antragstellung als auch für die Zukunft zurückgewiesen, jedoch keine Begründung dafür gegeben, weshalb Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit ab Antragstellung bis zum Gutachten von Privatdozent Dr. K. am 28. Januar 1998 ebenfalls nicht zustehe. Dafür habe es aber im Hinblick darauf einer besonderen Begründung bedurft, daß Dr. K. im Dezember 1996 eine schwere, letztlich auf einen vitalbedrohlichen Zustand zulaufende Schilddrüsenerkrankung diagnostiziert habe, die bereits so stark fortgeschritten gewesen sei, daß cerebrale Symptomatiken aufgetreten seien. Das LSG sei ohne hinreichende Begründung einem von ihm - dem Kläger - gestellten Beweisantrag auf Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens nicht gefolgt. Denn bereits im Verwaltungsgutachten von Dr. D. und auch im Gutachten von Dr. K. fänden sich auf eine cerebrale Symptomatik hinweisende Befunde. Der Sachverständige Privatdozent Dr. K. habe in seinem Gutachten eingeräumt, daß er den Gesundheitszustand des Klägers auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet ohne Eigendiagnostik beurteilt habe. Hinzu komme, daß dieser Sachverständige als Internist und Rheumatologe seinen - des Klägers - psychologischen oder neurologischen Gesundheitszustand nicht abschließend beurteilen könne. Da die psychophysisch bedingten Einschränkungen seiner beruflichen Leistungsfähigkeit entgegen der Auffassung des LSG von den eingeholten Gutachten nicht zutreffend erfaßt und ausgewertet worden seien, habe das LSG insoweit außerdem die Würdigung des beantragten Beweises vorweggenommen und dadurch das rechtliche Gehör verletzt. Nach entsprechender Sachaufklärung hätte sich ein untervollschichtiges, wenn nicht sogar vollständig aufgehobenes Leistungsvermögen ergeben; zumindest hätte sich die Notwendigkeit der Benennung wenigstens einer konkreten Verweisungstätigkeit wegen der "Minderbegabung bei hirnorganischem Psychosyndrom" herausgestellt, wobei sich ergeben hätte, daß mit einer solchen spezifischen Leistungseinschränkung der Arbeitsmarkt für ihn, den Kläger, praktisch verschlossen und ihm deswegen Erwerbsunfähigkeitsrente zuzusprechen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29. März 1999 und das Urteil des SG Duisburg vom 18. Juni 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Dezember 1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, aus der Revisionsbegründung ergäben sich keine neuen medizinischen Sachverhalte, die diese Entscheidung in Frage stellen würden. Es finde sich auch kein Anhalt für ein aufgehobenes Leistungsvermögen für die Zeit vor Erstellung des Sachverständigengutachtens vom 28. Januar 1998. Daß das LSG zum Gutachten des Dr. K. und dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsschrift lediglich eine ergänzende Stellungnahme des medizinischen Sachverständigen eingeholt habe, stelle keinen Verfahrensmangel dar. In dieser Stellungnahme habe der Sachverständige das Leistungsvermögen des Klägers umfassend dargestellt.
II
Die zulässige Revision ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtstreit an das LSG zurückzuverweisen ist.
Das angefochtene Urteil beruht jedenfalls deshalb auf einem Verfahrensmangel, weil das LSG die Pflicht zur Sachaufklärung (§ 103 SGG) verletzt hat. Das Berufungsgericht hätte sich von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen in medizinischer Hinsicht gedrängt fühlen müssen. Dies hat der Kläger in zulässiger Weise gerügt. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die weiteren, vom Kläger gerügten Verfahrensmängel vorliegen.
1. Der Rentenanspruch des Klägers richtet sich nach den §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 gültigen Fassung; die ab 1. Januar 2001 geltende Neuregelung durch das Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl I, 1827) ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar (vgl § 300 Abs 1 iVm Abs 2 SGB VI).
a) Auf dieser Rechtsgrundlage ist das LSG zwar zu Recht davon ausgegangen, daß der Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit von seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit abhängt, und es hat dabei zutreffend berücksichtigt, daß - wie in § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI ausdrücklich bestimmt ist - eine krankheitsbedingte Beeinträchtigung des Leistungsvermögens auch infolge eines psychischen Leidens gegeben sein kann. Für seine diesbezüglichen Feststellungen, beim Kläger liege eine derartige Beeinträchtigung nicht vor, reichen aber die vorliegenden Befundberichte und gutachtlichen Äußerungen nicht aus. Insoweit greift die auf § 103 SGG gestützte Verfahrensrüge des Klägers durch. Das LSG hätte sich hinsichtlich dieses Punktes nach den Umständen des vorliegenden Falles zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müssen. Es konnte sich insbesondere insoweit nicht darauf stützen, daß der Kläger bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Privatdozent Dr. K. im Januar 1998 psychisch unauffällig erschien. Vielmehr hätte es das psychische Leistungsvermögen des Klägers im Zusammenhang mit den Verläufen der bei ihm seit der Rentenantragstellung diagnostizierten organischen Erkrankungen näher aufklären müssen, um feststellen zu können, ob der Kläger aktuell wie auch für den gesamten Zeitraum seit der Rentenantragstellung wesentlich durch eine psychische Erkrankung beeinträchtigt war oder nicht.
b) Wie der Kläger zu Recht geltend macht, ergaben sich bereits aus den im Verfahren beigezogenen medizinischen Unterlagen Hinweise auf psychische Besonderheiten des Klägers, die unterschiedlich beurteilt wurden, wobei zu keinem Zeitpunkt eine psychiatrisch-neurologische Untersuchung oder einschlägige Beurteilung der anderweitig vorliegenden ärztlichen Feststellungen erfolgt war.
So stellte der - zwecks Abklärung einer Berufskrankheit beauftragte - Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. F. bereits im Januar 1995 die Verdachtsdiagnose einer Leberzirrhose und beschrieb als mögliche Folgen einer solchen Erkrankung eine erhebliche Einschränkung der psychomentalen Leistung und Zuverlässigkeit (vgl Befundbericht vom 15. Juni 1997). Anläßlich der Erstuntersuchung im Verwaltungsverfahren diagnostizierte Dr. D. , Facharzt für innere Medizin, im Dezember 1995 nach Rücksprache mit dem Hausarzt Dr. D. eine Minderbegabung bei hirnorganischem Psychosyndrom bei früherem Alkoholmißbrauch. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Privatdozent Dr. K. hatte die von ihm bei der Untersuchung am 5. Dezember 1996 diagnostizierte, bis dahin unerkannte Schilddrüsenerkrankung bereits cerebrale Symptomatiken ausgelöst, wobei er nach den Angaben des den Kläger begleitenden Sohnes von einem über Monate ablaufenden körperlichen und geistigen Verfall mit zunehmender Aktivitätseinschränkung, zunehmender geistiger Reglosigkeit und körperlicher Schwäche (Adynamie) ausging. Die Diagnose einer Schilddrüsenerkrankung war anläßlich der anschließenden stationären Behandlung vom 6. bis 19. Dezember 1996 - wie im Gutachten des Sachverständigen Privatdozent Dr. K. vom 28. Januar 1998 erwähnt - bestätigt worden. Hinsichtlich der Behandlung dieser Erkrankung war im Entlassungsbericht der Klinik R vom 4. Dezember 1997 der Verdacht auf eine Unzuverlässigkeit des Klägers bezüglich seiner Medikation (Noncompliance) geäußert worden.
Vor diesem Hintergrund lassen die Ausführungen des internistischen Sachverständigen Privatdozent Dr. K. in seinem Gutachten vom 28. Januar 1998: der Verdacht auf Leberzirrhose habe sich bislang nicht erhärten lassen und zu der ebenfalls geäußerten Vermutung einer Minderbegabung infolge eines hirnorganischen Psychosyndroms bei Alkoholmißbrauch sei festzustellen, daß der Patient einen Schulabschluß (Hauptschule) erreicht habe, auch keine Störung der Schreibfähigkeit (Agraphie) oder eine Leseunfähigkeit (Alexie) feststellbar sei, der Patient insgesamt in seinem Verhalten "einfach strukturiert, aber seiner bisherigen schulischen und beruflichen Ausbildung entsprechend begabt (sei)", keine hinreichende Beurteilung des psychischen Leistungsvermögens des Klägers zu. Auch die Ausführungen in der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 15. Oktober 1998, wonach die von Dr. K. beschriebenen Zeichen einer psychomotorischen Verlangsamung ohne weiteres in die Gesamtsymptomatik der damals noch unbehandelten Hypothyreose eingeordnet werden könnten und sich bei seiner (Dr. K. ) Untersuchung keine Befunde ergeben hätten, welche begründeten Anlaß für eine weitergehende psychiatrisch/psychologische Diagnostik gegeben hätten, reichen als Beweismittel für eine Bejahung der vollschichtigen Einsatzfähigkeit ohne spezifische Leistungseinschränkung des Klägers nicht aus. Diesen Ausführungen konnte das LSG allenfalls eine Aussage bzw Prognose für den Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen entnehmen. Denn dazu, ob (dh insbesondere über welchen Zeitraum) und inwieweit die unerkannte Schilddrüsenerkrankung das psychische Leistungsvermögen des Klägers zuvor (zusätzlich) beeinträchtigt hatte, hat sich Privatdozent Dr. K. weder in seinem Gutachten noch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Oktober 1998 geäußert.
c) Das Leistungsvermögen des Versicherten ist iS von § 44 Abs 2 Satz 1 SGB VI aber bereits dann auf nicht absehbare Zeit aufgehoben, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit länger als sechsundzwanzig Wochen dauert (BSG Urteil vom 23. März 1977 - 4 RJ 49/76 - SozR 2200 § 1247 Nr 16). Dies ist (auch) rückschauend zu beurteilen. Wird festgestellt, daß die Leistungsunfähigkeit tatsächlich länger als sechsundzwanzig Wochen gedauert hat, so ist die Erwerbsunfähigkeit bei Beginn der Leistungsunfähigkeit eingetreten, gleichgültig, ob damals Aussicht auf Behebung der Leistungsunfähigkeit bestanden hat oder noch besteht (BSG aaO SozR 2200 § 1247 Nr 16, S 27 f). In letzterem Fall ist dann allerdings zu prüfen, ob eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur auf Zeit (§ 102 Abs 2 SGB VI) in Betracht kommt. Nachdem der Sachverständige Privatdozent Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme die von Dr. K. beschriebene cerebrale Symptomatik als Folge der unbehandelten Schilddrüsenerkrankung bestätigt hatte, mußte daher der abschließende (auf die beigefügte Berufungsbegründung des Klägers bezogene) Hinweis des Sachverständigen, "Offenbar wird jetzt erneut vorgebracht, Herr A. sei aufgrund neurologischer oder psychischer Defekte in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt. Falls sich diese Frage stellt, dann wäre für eine umfassende gutachterliche Beurteilung ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten aus unserer Sicht erforderlich", das LSG zumindest drängen, durch eine gezielte Rückfrage bei dem Sachverständigen zu klären, ob und inwieweit er sich zu einer differenzierten Zuordnung der Beschwerdebilder und zu einer fachübergreifenden Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers für den gesamten Zeitraum seit November 1995 (Zeitpunkt des Rentenantrags) in der Lage sehe.
d) Nicht ausreichend geklärt ist zudem, ob von der Schilddrüsenerkrankung auch weiterhin dauerhaft keine wesentlichen Beeinträchtigungen ausgehen. Das LSG hat insoweit ausgeführt, diese Erkrankung sei erfolgreich behandelt. Für diese Feststellung reichten aber die vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht aus. Vielmehr bestand Anlaß zu Zweifeln. Nach den Angaben in der ergänzenden Stellungnahme von Dr. K. wurde der Kläger nach Stellung der Diagnose einer Hypothyreose vom 25. Oktober bis 5. November 1997 - knapp ein Jahr nach Beginn der Substitutionstherapie - stationär behandelt. Im Entlassungsbericht der Klinik R. vom 4. Dezember 1997 war ausgeführt, es falle eine ausgeprägte primäre Hypothyreose auf, die bereits "antherapiert" sei, und es wurde eine weitere Steigerung der Schilddrüsensubstitution mit engmaschigen Kontrollen empfohlen. Wenn daher bei der für das Sachverständigengutachten von Privatdozent Dr. K. durchgeführten Untersuchung vom 20. bis 22. Januar 1998 keine unzureichende Substitution erkennbar war, ließ dies keineswegs den Schluß zu, daß dies auch zuvor schon dauerhaft so war und weiterhin der Fall sein werde. In diesem Sachverständigengutachten fand sich auch weder ein Hinweis auf eine im Oktober 1997 erfolgte stationäre (Mit-)Behandlung oder Kontrolle der Schilddrüsenerkrankung noch auf den diese Erkrankung betreffenden Teil des Entlassungsberichts der Klinik R. vom 4. Dezember 1997. Privatdozent Dr. K. hat zwar auf den Arztbericht der Inneren Abteilung des St. W. -Spitals, E. vom 12. November 1997 über eine - vorrangig den Herzinfarkt betreffende - Behandlung vom 25. Oktober bis 5. November 1997 hingewiesen, die Schilddrüsenerkrankung in diesem Zusammenhang jedoch nicht erwähnt. Seine Angaben zum Verlauf dieser Erkrankung des Klägers beschränkten sich vielmehr auf die Wiedergabe der Ausführungen in dem Arztbericht der Inneren Abteilung des St.-W. -Spitals vom 23. Januar 1997 über die dortige stationäre Behandlung des Klägers vom 6. bis 19. Dezember 1996, worin eine deutliche Besserung des Allgemeinbefindens nach der dort durchgeführten Substitutionsbehandlung beschrieben wurde. Das LSG hätte daher zumindest durch Nachfrage bei dem Sachverständigen klären müssen, ob er diese Behandlung auch für die nachfolgende Zeit als erfolgreich durchgeführt bzw die ausreichende Hormonsubstitution als gesichert ansieht.
2. Da das BSG die erforderlichen Ermittlungen nicht selbst durchführen kann, war der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung � auch über die Kosten � an das LSG zurückzuverweisen. Das LSG wird dabei auch zu prüfen haben, inwieweit dem Hinweis des Klägers auf die im März 1999 erfolgte stationäre Behandlung "wegen Luftnot" nachzugehen ist. Ein Anlaß dazu könnte im Hinblick auf die Ausführungen im Sachverständigengutachten bestehen, wonach sich beim Kläger "bislang" keine Staublungenerkrankung (Silikose) und auch keine Silikose-typischen Einschränkungen der Lungenfunktion nachweisen ließen und es sich bei der festgestellten "unter medikamentöser Therapie jetzt noch geringgradigen obstruktiven Lungenfunktionsstörung" um die Beschreibung eines momentanen Zustands handele, wobei eine erneute Verschlechterung der Lungenfunktion zB witterungsabhängig möglich sei. Sollten die weiteren Ermittlungen ergeben, daß - gegenüber dem bisherigen Erkenntnisstand des LSG - zusätzliche wesentliche Leistungsbeeinträchtigungen vorliegen oder - in der gesamten Zeit ab Rentenantragstellung - für einen (wenn ggf auch abgeschlossenen) Zeitraum von mehr als sechs Monaten vorgelegen haben, wird das LSG ferner zu prüfen haben, ob insoweit eine untervollschichtige Leistungsfähigkeit vorlag. Wenn nein, bleibt zu untersuchen, ob eine schwere spezifische Leistungseinschränkung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen anzunehmen ist und dem Kläger deswegen auch bei grundsätzlicher Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt für ungelernte Tätigkeiten nach der stRspr des BSG (vgl Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8; Senatsurteil vom 24. Februar 1999 - B 5 RJ 30/98 R - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 mwN) zum Ausschluß von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit eine gesundheitlich vollschichtig zumutbare Berufstätigkeit (Verweisungstätigkeit) konkret benannt werden muß.
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