L 14 KG 25/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 KG 233/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KG 25/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15. März 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Kindergeldanspruch für eines von mehreren Kindern des Klägers, den am 1975 geborenen Sohn J., nachdem die Beklagte die Kindergeldbewilligung mit Wirkung ab 01.04.1997 aufgehoben hatte, und in Erstinstanz die diesbezüglichen Verwaltungsakte der Beklagten nur im Aufhebungszeitpunkt (jetzt mit Wirkung am 01.05.1997) abgeändert worden sind.

Der im Jahre 1947 geborene Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, hatte für mehrere Kinder von der Beklagten Kindergeld bezogen, zuletzt noch für die drei Kinder J. (1975), N. (1978) und P. (1984); das Kindergeld für J. war mit Bescheid vom 31.05.1977 bewilligt worden.

Seit dem 01.01.1992 ist der Kläger beim Deutschen Entwicklungsdienst in Berlin (DED) angestellt und seit dem 01.04.1992 als Entwicklungshelfer in Ecuador eingesetzt; die Familienangehörigen zogen dorthin mit, der Wohnsitz im Inland wurde aufgegeben. Die Tätigkeit des Klägers war auf die Zeit vom 01.04.1992 bis 31.05.1994 befristet und wurde dann mehrmals für ein Jahr verlängert, aktenkundig zuletzt bis Mai 1997 und dann bis Dezember 1997. Er erhielt monatliches Unterhaltsgeld mit Zuschlägen für die Familienangehörigen; der DED entrichtete für ihn Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und Rentenversicherung, jedoch nicht zur Arbeitslosenversicherung. Steuern fielen bereits wegen des (alleinigen) Wohnsitzes des Klägers in Ecuador nicht an. Das Kindergeld für J. ab dem 16. Lebensjahr wurde von der Beklagten wegen Schulausbildung dieses Kindes in der BRD (Gymnasium) und dann in Ecuador (Colegio Aléman - Hochschulreifeprüfung im Juni 1995) weiter gezahlt.

Im Juli 1995 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass der Sohn J. im Juni 1995 das Abitur abgelegt habe und beabsichtige, ab Oktober an der Universität von Cuena, Ecuador, Architektur zu studieren. J. dürfe mit seinem Visum in Ecuador nicht arbeiten, habe also kein eigenes Einkommen. Nach Vorlage einer Immatrikulationsbescheinigung wies die Beklagte das mit interner Befristung vorläufig mit Juni 1995 eingestellte Kindergeld nahtlos für die Zeit ab 01.07.1995 wieder an (interne Aktenverfügung vom 09.07.1995).

Mit Telefax vom 07.05.1996 informierte der Kläger die Beklagte darüber, dass die Universität in Cuena eher wie eine Schule funktioniere und sein Sohn daher ab Wintersemester 1996/97 in Deutschland weiterstudieren wolle. Hierzu erhielt die Beklagte am 23.09.1996 eine Studienbescheinigung der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule A. (erstes Semester Architektur ab 01.10.1996) und einen vom Kläger ausgefüllten Fragebogen, aus dem erstmals ersichtlich war, dass J. seinen Wohnsitz in K. , Holland, genommen und BAföG beantragt hatte. In der Zeit zwischen 14. und 30.10.1996 gingen bei der Beklagten mehrere vom Kläger ausgefüllte Formblätter ein (Erklärung zu den Einkünften und Bezügen eines über 18 Jahre alten Kindes, unterschrieben auch von J. mit "K. , 11.10.1996"; Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld), in denen wiederholt als (einziges) Wohnland des Sohnes J. "Holland" angegeben war; am 06.11.1996 folgte der Bescheid der Technischen Hochschule A. vom 30.10.1996 nach; hieraus ging die Bewilligung von BAföG von 995,00 DM (497,50 DM Zuschuss, 497,00 DM Darlehen) mit Wirkung ab 01.10.1996 hervor; bei der Bedarfsberechnung waren Unterkunftskosten von 75,00 DM berücksichtigt.

Die Beklagte stellte die Kindergeldzahlungen ein gemäß einem Sachbearbeitervermerk vom 10.03.1997, der eine akteninterne Verfügung/Kindergeldanweisung vom 21.10.1996 für die Zeit ab 01.11.1996 für eine von Anfang an unrichtige Kindergeldbewilligung (Verwaltungsakt) hielt. Ohne vorherige Anhörung erging der streitgegenständliche Bescheid vom 17.03.1997, mit dem die Bewilligung des Kindergelds für J. mit Wirkung für die Zukunft, ab 01.04.1997, gemäß § 45 Abs.1 des Sozialgesetzbuches Teil X (SGB X) aufgehoben wurde. Das Kind könne nicht berücksichtigt werden, weil es weder in Deutschland noch im Haushalt des Klägers in Ecuador lebe und somit die Voraussetzungen des § 2 Abs.5 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) nicht vorlägen. Auch eine Berücksichtigung nach dem BKGG i.V.m. Art.73 der Verordnung (EWG) Nr.1408/71 (im folgenden nur EG-VO bezeichnet) sei nicht möglich, weil der Kläger als Entwicklungshelfer nicht der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit gemäß § 168 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) unterliege und somit kein Arbeitnehmer im Sinne des Art.73 EG-VO sei.

Der Bescheid vom 17.03.1997 war an den Kläger "c/o DED ... Berlin" adressiert und ging - laut dessen Angaben in dem am 05.05.1997 erhobenen Widerspruch - ihm nach ca. fünf Wochen zu. Er führte im Widerspruch aus: "Mein Sohn J. hat ein Jahr hier in Ecuador studiert und wir hielten es nicht für sinnvoll, dass er weiterhin hier bleibt, da die Universitäten nun wirklich nicht dem europäischen Standard entsprechen. Seit Oktober 1996 studiert er nun in A. und wohnt in E. , das sind 20 km von der Uni entfernt, etwa 5 km in Holland. Er konnte dort bei einer Bekannten eine wesentlich günstigere Wohnung bekommen, als in A. zu finden war. Immerhin sind mehr als ein Viertel der Einwohner A. Studenten. Sie können sich sicher vorstellen, wie da die Wohnungssituation ist, und mein Gehalt als Entwicklungshelfer ist nicht so groß, dass ich J. groß unterstützen kann." Weiterhin machte der Kläger geltend, dass laut Blatt 3 des Kindergeld-Merkblatts der Beklagten Kindergeld für Kinder mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) gewährt werde. Laut Blatt 4 werde die Haushaltszugehörigkeit nicht durch eine zeitweilige auswärtige Unterbringung wegen Schul- oder Berufsausbildung oder Studiums des Kindes unterbrochen.

Die Widerspruchsstelle wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.1997 zurück. Sie wies darauf hin, dass gemäß § 2 Abs.5 Satz 1 BKGG Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten, bei der Kindergeldzahlung nicht berücksichtigt würden. Mit § 2 Abs.5 Satz 2 BKGG in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung habe der Gesetzgeber die Ausnahmen von diesem Grundsatz neu geregelt und bestimmt, dass § 2 Abs.5 Satz 1 BGKK nicht gegenüber Berechtigten nach § 1 Abs.1 Nrn.2 und 3 BKGG gelte, wenn sie die Kinder in ihren Haushalt im Ausland aufgenommen hätten. Auch über Art.73 EG-VO sei keine Kindergeldgewährung möglich, weil der Kläger nicht für den Fall der Arbeitslosigkeit pflichtversichert und damit kein Arbeitnehmer im Sinne der Verordnung sei. Aufgrund eines Vertrauensschutzes erfolge die Aufhebung der Kindergeldbewilligung mit Wirkung für die Zukunft. Für ihre Entscheidung legte die Widerspruchsstelle außerdem noch Ermessensgründe dar, unter anderem, dass der Kläger nicht dargelegt habe, dass er hinsichtlich der Kindergeldleistungen Vermögensdispositionen getroffen habe, die in zumutbarer Weise nicht mehr rückgängig zu machen seien. Zudem erhalte der Kläger einen entsprechenden Ausgleich für den Wegfall des Kindergelds über seine Unterhaltsleistungen nach dem Entwicklungshelfer-Gesetz (EhfG).

Mit der Klage trägt der Kläger vor, "Arbeitnehmer" oder "Selbständiger" im Sinne von Art.1 EG-VO seien Personen, die gegen ein Risiko oder mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige erfasst würden, pflichtversichert oder freiwillig versichert seien, worunter die beitragspflichtige Einbeziehung der Entwicklungshelfer in die Rentenversicherung (Antragspflichtversicherung) oder in den Familienlastenausgleich gemäß § 1 Abs.1 Nr.2 BKGG falle. Der Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne der EG-VO müsse unter anderem auch im Hinblick auf die besondere europäische Widmung des Begriffs des "deutschen" Entwicklungshelfers in § 1 Abs.1 Nr.4 EhfG (gesetzgeberischer Zweck der Erweiterung des Status des Entwicklungshelfers um Angehörige der EU-Staaten) entgegen getreten werden; die "arbeitsrechtliche Zulassung" von Entwicklungshelfern mit EU-Staatsangehörigkeit würde im Bereich der sozialen Sicherung nicht umgesetzt. Im Übrigen seien Entwicklungshelfer über § 13 Abs.1 EhfG im Sinne der Begriffsbestimmung von Art.1 EG-VO gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit pflichtversichert. Auch auf der Grundlage der Vorschriften des BKGG müsse man zu einem Kindergeldanspruch kommen. Aufgrund des Studiums in A. liege es nahe, dass das Kind J. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und nicht in den Niederlanden habe. J. wohne aus Kostengründen in der niederländischen Grenzregion von A ... Im Übrigen müsse eine Analogie zum Fall des "Grenzgängers" im Sinne von Art.1 Buchst.b EG-VO gezogen werden. Die Regelungen über die Krankenversicherung in Art.20 EG-VO seien hilfsweise sinngemäß heranzuziehen, weil J. von der gesetzlichen studentischen Krankenversicherung in A. nicht ausgeschlossen sei. Eine unterschiedliche Behandlung der Gruppe der Entwicklungshelfer würde national einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz bedeuten, gemeinschaftsrechtlich einen Verstoß gegen das Gebot der Gleichstellung der Gebiete (Art.10 Abs.1 EG-VO). Im Klageverfahren bestätigte der Kläger persönlich sowie dessen Prozessbevollmächtigter mit Telefax vom 23.12.1998 und Schriftsatz vom 05.01.1999, dass J. weiterhin in den Niederlanden wohne.

Mit Urteil vom 15.03.1999 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 17.03.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.1997 insoweit auf, als er den April 1997 betraf, wies im Übrigen die Klage ab und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Das Sozialgericht ging davon aus, dass J. nicht mehr im Haushalt des Klägers in Ecuador aufgenommen sei und es daher an den Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs.5 Satz 2 BKGG fehle. Es treffe zwar zu, dass eine Haushaltsaufnahme selbst dann vorliegen könne, wenn ein Kind sich zur Schul- oder Berufsausbildung auswärts aufhalte (vgl. BSGE 25, 109, 111 = SozR Nr.14 zu § 2 BKGG). Diese - zur Haushaltsaufnahme von Stiefkindern entwickelte - Rechtsprechung, die die Kammer für anwendbar auf den vorliegenden Fall halte, könne aber nicht dahingehend verstanden werden, dass stets eine Haushaltaufnahme fortbestehe, wenn sich ein Kind zur Schul- oder Berufsausbildung auswärts aufhalte.

Für die Tatbestandsmerkmale der Aufnahme in den Haushalt seien die tatsächlichen Umstände maßgebend, unter denen das Kind lebe, wo es untergebracht sei und wo es betreut werde (vgl. BSG, Urteil vom 17.05.1988 - 10 RKg 10/86, SozR 5870 § 3 Nr.6). Unter Haushaltsaufnahme sei zunächst ein örtlich gebundenes Zusammenleben zu verstehen. Zu diesem örtlichen Merkmal (Familienwohnung) müssten jedoch weitere Voraussetzungen materieller Art (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendungen von Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) hinzukommen (so BSG, a.a.O.). Das letztgenannte Tatbestandsmerkmal (Voraussetzungen immaterieller Art) betreffe sicherlich nur das Verhältnis von Stiefeltern und Stiefkindern, sei somit auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Damit verblieben als rechtliche Voraussetzungen die örtlichen Merkmale und die Voraussetzungen materieller Art.

Dazu gelte nach Auffassung der Kammer für den vorliegenden Fall: Aus dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten BAföG-Bescheid der Technischen Hochschule A. gehe hervor, dass der Unterhaltsbedarf von J. über die Leistungen nach dem BAföG abgedeckt sei und der Kläger im Rahmen der Bedarfsberechnung angesichts seiner Leistungen nach dem Entwicklungshelfer-Unterhaltsgesetz keinen finanziellen Unterhaltsbetrag an J. schulde. Entsprechend habe der Kläger im Schreiben vom 16.04.1997 mitgeteilt, sein Gehalt als Entwicklungshelfer sei nicht so, dass er J. groß unterstützen könne. Nicht verallgemeinerungsfähig sei - wie bereits ausgeführt -, dass eine Haushaltsaufnahme fortbestehen könne, wenn sich ein Kind zur Schul- oder Berufsausbildung auswärts aufhalte. Voraussetzung dafür sei nämlich ferner, dass sich die auswärtige Unterbringung nach den Gesamtumständen als nur vorübergehender Natur erweise. Sei aber die Unterbringung außerhalb der gemeinsamen Familienwohnung derart gestaltet, dass diese nicht der ortsbezogene Mittelpunkt gemeinschaftlicher Lebensinteressen werden solle, sei eine Aufnahme in den Haushalt zu verneinen. Auch im Falle des Klägers sei eine Haushaltsaufnahme im Ergebnis daher zu verneinen: Der Kläger selbst habe darauf hingewiesen, dass J. in Ecuador keiner Erwerbstätigkeit nachgehen dürfe, was den dortigen ausländerrechtlichen Bestimmungen entspreche. Das bedeute, dass eine berufliche Zukunft von J. in Ecuador (nach Abschluss seines Studiums) nicht ohne Weiteres in Betracht komme, so dass die vorliegenden Gesamtumstände gegen ein vorübergehendes Verlassen des elterlichen Haushaltes sprächen. Dagegen spreche ferner, dass das Studium von J., der nach einem einjährigen Studium der Architektur in Ecuador in A. noch einmal im ersten Studiumsemester habe anfangen müssen, so ausgerichtet sei, dass ein Studienplatzwechsel zurück nach Ecuador nicht in Betracht komme; hierzu habe der Kläger selbst ausgeführt, dass die Universitäten in Ecuador nun wirklich nicht dem europäischen Standard entsprächen. Aus dieser Mitteilung werde deutlich, dass die gesamte weitere Ausbildung von J. und die weitere berufliche Tätigkeit sich gerade nicht in Ecuador abspielen werde. Damit erweise sich, dass Ecuador nicht mehr der ortsbezogene Mittelpunkt gemeinschaftlicher Lebensinteressen von J. mit dem Rest seiner Familie sein könne.

Damit lägen ab der Aufnahme des Studiums in A. und der Begründung des Wohnsitzes von J. in den Niederlanden die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld mangels Haushaltsaufnahme nicht vor.

Ein gewöhnlicher Aufenthalt von J. im Sinne von § 2 Abs.5 Satz 1 BKGG n.F. in Deutschland aufgrund seines Studienortes bestehe nicht; nach § 30 Abs. 3 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch habe den gewöhnlichen Aufenthalt jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile. Mangels Hausstand in Deutschland käme ein (weiterer) Schwerpunkt der Lebensverhältnisse von J. in A. ohnehin nur für die Vorlesungszeiten in Betracht; dies genüge aber für den gewöhnlichen Aufenthalt nicht.

Auch auf die Vorschriften der EG-VO Nr.1408/71 könne sich der Kläger nicht berufen. Er selbst müsste in den Schutzbereich des koordinierenden europäischen Sozialrechtes einbezogen sein; dies sei aber bei einer Beschäftigung im Nichtmitgliedstaat Ecuador nicht der Fall. Dass für J. (aufenthaltsrechtlich oder im Hinblick auf das BAföG leistungsrechtlich) deutsches Recht in Verbindung mit Europarecht gelte, sei für den Rechtsstreit ohne Bedeutung.

Nach Auffassung der Kammer zu Unrecht sei die Beklagte davon ausgegangen, dem Kläger sei von Anfang an durch einen rechtswidrigen Bewilligungsbescheid Kindergeld für J. ab Oktober 1996 bewilligt worden. Eine entsprechende von Anfang an rechtswidrige Bewilligung liege jedoch nicht vor; vielmehr wäre es in der Vergangenheit jeweils zu bloßen Zahlungseinstellungen gekommen, ohne dass die Beklagte einen schriftlichen Bescheid (vgl. § 14 Abs.1 BKGG n.F.) erteilt habe. Die jeweilige Auszahlungsverfügung (ggf. auch für zurückliegende Zeiträume) stelle jedoch - soweit es sich nicht um die erstmalige Bewilligung von Kindergeld handele - grundsätzlich keinen kindergeldrechtlichen eigenständigen Bewilligungsbescheid dar. Die Beklagte habe daher gemäß § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X die Bewilligung für die Zukunft aufheben können. Nachdem der entsprechende Aufhebungs- bescheid, der über die Adresse des Arbeitgebers dem Kläger bekannt gegeben worden sei (ohne dass eine Zustellungsbevollmächtigung des Arbeitgebers vorgelegen hätte) dem Kläger erst am 16.04.1997 bekannt geworden sei, wirke die Bewilligung erst ab Mai 1997, so dass dem Kläger Kindergeld noch für April 1997 für J. auszuzahlen sei. Für April 1997 sei die Klage daher aus formellen Gründen erfolgreich gewesen.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung bringt der Kläger unter weitgehender Wiederholung des Vortrags aus erster Instanz vor, dass sein Sohn auch in den Schutzbereich des europäischen Sozialrechts einbezogen sei, zumal aufenthaltsrechtlich und auch "BAföG-rechtlich" deutsches Recht in Verbindung mit dem Gemeinschaftsrecht gelte; letzteres müsse aber zum Tragen kommen, weil gemäß der Widmung des EhfG Entwicklungshelfer in arbeits- und sozialrechtlicher Hinsicht so zu stellen seien, wie sie bei der inländischen Beschäftigung stünden (Bundestags-Drucksache V 2696, S.8 unter A Allgemeines). Es gehe nicht an, dass Entwicklungshelfer Kindergeld für studierende Kinder in der BRD erhielten, aber nicht für die im Ausland wohnenden Kinder. Es sei auch lebensfremd zu unterstellen, dass J. keinen "Hausstand" in Deutschland habe. Weiterhin müsse die Privilegierung des "innereuropäischen" Grenzgängers zum Tragen kommen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.03.1999 hinsichtlich der Zeit ab Mai 1997 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 17.03.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.1997 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die zu Beweiszwecken beigezogene Kindergeldakte der Beklagten vor. Zur Ergänzung des Tatbestands im Einzelnen, insbesondere hinsichtlich des Vortrags der Beteiligten, wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), in der Sache jedoch nicht begründet.

Auch der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass ein Anspruch des Klägers auf Kindergeld ab 01.05.1997 - unter Beachtung des materiellen Rechts und der Verfahrensvorschriften des SGB X - nicht bestanden hat und die ehemalige Kindergeldbewilligung wirksam aufgehoben worden ist.

Wenn auch das Urteil des Sozialgerichts ("im Übrigen wird die Klage abgewiesen") in zweiter Instanz - dies betrifft lediglich den Urteilsspruch (Tenor) - zu bestätigen war, so ist dennoch darauf hinzuweisen, dass die erhobene Anfechtungsklage unbegründet, hingegen die Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage, vom Sozialgericht nicht erkannt, unzulässig war. Für letztere bestand kein Rechtschutzinteresse. Hätte die isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs.1 Satz 1, erster Fall SGG) Erfolg und würden die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten in vollem Umfange aufgehoben, so ist nach wie vor die "alte" Kindergeldbewilligung, die einen begünstigenden Dauerverwaltungsakt darstellt, wirksam. Die Beklagte kann daher nicht zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts (§ 54 Abs.1 Satz 1, Fall 2 SGG) verurteilt werden, der dann bereits vorliegt. Auch für die Verurteilung zur Zahlung des Kindergelds (Realakt) gemäß § 54 Abs.4 SGG bestand kein Raum, denn es ist davon auszugehen, dass die Beklagte bei entsprechender Gerichtsentscheidung (Aufhebung der streitgegenständlichen Auf- hebungsbescheide) ihrer kraft früherer Kindergeldbewilligung bestehenden Zahlungsverpflichtung nachkommen wird; entgegenstehende Anhaltspunkte, die einen Ausnahmefall begründen könnten, sind weder vom Kläger vorgetragen worden noch aktenkundig noch sonst wie gerichtsbekannt.

1. Zum Verfahrenrecht nach SGB X ergibt sich, dass § 48 SGB X und nicht § 45 SGB X der Aufhebung bzw. Rücknahme der Kindergeldbewilligung zu Grunde zu legen war. § 48 SGB X betrifft die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (§ 48 Abs.1 Satz 1 SGB X), wohingegen § 45 SGB X den Fall regelt, dass der Verwaltungsakt bereits im Zeitpunkt seines Erlasses unrichtig gewesen ist, also bereits von Anfang an auf einem unzutreffenden Sachverhalt oder/und einer unrichtigen Rechtsanwendung beruht. Vorliegend hat die Beklagte erstmals mit Bescheid vom 31.05. 1977 Kindergeld für J. bewilligt. Diese Bewilligung ist bis zum Jahre 1997 nie aufgehoben, zurückgenommen oder widerrufen worden und hat sich auch nicht durch Zeitablauf oder auf andere Weise, zum Beispiel auf Grund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (z.B. § 25 Abs.2 Nrn.1 und 2 BKGG a.F.) erledigt (§ 39 Abs.2 SGB X). Soweit die Beklagte - lediglich aktenintern - Befristungen des Kindergeld vorgesehen hat und bei verfügtem Wegfall des Zahlungsauftrags erneut das Kindergeld anwies, wenn die dem Kläger abverlangten Unterlagen eingingen (Schul- und Studienbescheinigungen, Formularblätter und Erklärungen, Nachweise über die Verlängerung der "Entsendung"), so handelte es sich hier nicht um Verwaltungsakte, die Außenwirkung haben müssen, also weder um Aufhebungs- bzw. Rücknahmebescheide noch um (erneute) Kindergeldbewilligungen. Soweit die Beklagte durch Bescheid die Kindergeldbewilligung aufgehoben hat (z.B. Bescheid vom 01.01.1995 - Entzug des Kindergelds gemäß § 66 Abs.1 SGB I wegen mangelnder Mitwirkung), sind diese Bescheide in der Folgezeit wieder aufgehoben worden, so dass nach wie vor die "erste" Kindergeldbewilligung vom 31.05.1977 in Kraft blieb und weiterhin wirksam war.

Vorliegend besteht die wesentliche Änderung der Verhältnisse darin, dass J. den Haushalt des Klägers verließ und seinen Wohnsitz in Holland nahm. Irreführend erscheinen insoweit die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, nämlich dass (auch) wegen Gesetzesänderung - aufgrund des ab 01.01.1996 geltenden Rechts - Kindergeld nicht mehr zustehe. Richtig ist zwar, dass das Kindergeldrecht eine grundlegende Neuregelung erfahren hat und in wesentlichen Teilen in das Einkommensteuergesetz überführt worden ist (Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995, BGBl.I 1995, S.1250 ff.). Für den Kläger gilt aber nach wie vor das BKGG n.F., weil er im Inland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat und er nach dem EStG n.F. und dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Ecuador (BGBl. 1982 II. 637) in der BRD nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (§ 62 Abs.1 EStG n.F., § 1 Abs.1 Satz 1 BKGG n.F., Art.1, 2, 4,15 des Doppelbesteuerungsabkommens).

Nach dem BKGG a.F. bestand bereits für bestimmte Personengruppen, unter anderem Entwicklungshelfer, eine Ausnahmebestimmung für die Kindergeldberechtigung. Nach § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.d BKGG a.F. waren Entwicklungshelfer ohne Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, die Unterhaltsleistungen im Sinne des § 4 Abs.1 EhfG bezogen, kindergeldberechtigt. § 2 Abs.5 Satz 1 und 2 BKGG a.F. bestimmten hierzu: Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, werden nicht berücksichtigt. Dies gilt jedoch nicht gegenüber Berechtigten nach § 1 Abs.1 Nr.2, wenn sie die Kinder in ihren Haushalt aufgenommen haben. Durch §§ 1 und 2 BKGG n.F. wurde der Kreis der Sondergruppen, die ausnahmsweise abweichend vom Territorialitätsprinzip Kindergeldberechtigte sein sollten, eingeschränkt und nunmehr bestimmt: Kindergeld nach diesem Gesetz für seine Kinder erhält, wer nach § 1 Abs.1 und 2 des Einkommensteuergesetzes nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist und auch nicht nach § 1 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird und 1. eine der Beitragspflicht der Bundesanstalt für Arbeit unterliegende oder nach § 169c Nr.1 des Arbeitsförderungsgesetzes beitragsfreie Beschäftigung als Arbeitnehmer ausübt oder 2. als Entwicklungshelfer Unterhaltsleistungen im Sinne des § 4 Abs.1 Nr.1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes erhält oder 3. eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes bei einer Einrichtung außerhalb Deutschland zugewiesene Tätigkeit ausübt oder 4. als Ehegatte eines Mitglieds der Truppe oder des zivilen Gefolges eines Nato-Mitgliedstaates ... Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, werden nicht berücksichtigt. Dies gilt nicht gegenüber Berechtigten nach § 1 Abs.1 Nr.2 und 3, wenn sie die Kinder in ihren Haushalt aufgenommen haben. (Anmerkung: Die Kinder von ins Ausland entsandten Arbeitnehmern, die der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit unterliegen, werden ab 01.01.1996 also nicht mehr berücksichtigt.)

Der Kläger ist nicht durch die mit Wirkung ab 01.01.1996 erfolgten Änderungen des BKGG betroffen, sondern vor allem deshalb, weil der Sohn J. nicht mehr in dessen ausländischem Haushalt aufgenommen war (wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse). Wenn die Beklagte hierauf unzutreffenderweise § 45 ff. SGB X anwendet, vermag dies eine Rechtswidrigkeit des erteilten Aufhebungsbescheids nicht zu begründen, weil der erteilte Ermessensbescheid ohne weiteres in einen gebundenen Verwaltungsakt umgedeutet werden kann und inhaltlich alle Merkmale eines Verwaltungsakts gemäß § 48 SGB X vorliegen (§ 43 Abs.1 bis 3 SGB X). Auch die von der Beklagten unterlassene Anhörung blieb ohne Folgen. Zwar musste dem Kläger vor Erlass eines in seine Rechte eingreifenden Verwaltungsakts Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 Abs.1 SGB X); der Mangel führt jedoch nicht zur Aufhebung des Bescheids vom 17.03.1997, weil er im Widerspruchsverfahren geheilt worden ist (§§ 41, 42 SGB X). Ab dem Zugang des Bescheids vom 17.03.1997 hatte der Kläger von allen Tatsachen, die einen (auch auf § 48 SGB X gestützten) Verwaltungsakt tragen, Kenntnis und Gelegenheit, sich hierzu zu äußern; er hat hiervon auch ausführlich Gebrauch gemacht.

2. Nach den materiellrechtlichen Vorschriften besteht kein Anspruch des Klägers auf Kindergeld für J. mehr. Die diesbezüglichen Bestimmungen des BKGG sind auch nicht verfassungswidrig.

2.1. Gedacht werden könnte zunächst an eine Kindergeldberechtigung des Klägers als "Arbeitnehmer", d.h. als Person, die eine der Beitragspflicht der Bundesanstalt für Arbeit unterliegende Beschäftigung oder eine nach § 169c Nr.1 des Arbeitsförderungsgesetzes beitragsfreie Beschäftigung als Arbeitnehmer ausübt (so § 1 Abs.1 Nr.1 BKGG in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung, inhaltlich gleich mit der ab 01.01.1998 geltenden Fassung: "Wer in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesanstalt für Arbeit nach § 24 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch steht oder versicherungsfrei nach § 28 Nr.1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch ist".) Der Kläger unterliegt jedoch nicht der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung. Soweit er sich zur Begründung des Gegenteils auf § 13 EhfG bezieht, ist dies nicht schlüssig. Gerade weil keine Versicherungspflicht besteht, wurde in § 13 Abs.1 EhfG geregelt: "Soweit ein Anspruch nach dem AFG (bzw. jetzt SGB III) davon abhängt, dass der Antragsteller in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, werden auch Zeiten des Entwicklungsdienstes einschließlich des Vorbereitungsdienstes berücksichtigt." Dies bedeutet lediglich, dass die Zeiten der Tätigkeit als Entwicklungshelfer - im Fall der späteren Arbeitslosigkeit im Inland - bei Anspruchsbegründung und -erhaltung mitgezählt werden.

Die Motive bei der Einführung des EhfG und der Änderung von Vorschriften, auf die sich der Kläger beruft, führen in seiner Sache nicht weiter. Tatsächlich wurde der Entwicklungshelfer nicht kraft Gesetzesfiktion einem Arbeitnehmer gleichgestellt, sondern in Vorschriften des EhfG und in anderen Gesetzen versucht, in den vielen Bereichen der sozialen Absicherung durch jeweils abgestimmte Sonderregelungen zu erreichen, dass der Entwicklungshelfer, soweit er nicht den allgemeinen Vorschriften unterliegt, annähernd Leistungen wie ein Arbeitnehmer erhält. Die Motive des Gesetzgebers für die Regelungen des EhfG helfen nicht weiter, abgesehen davon, dass diese Motive nicht Gesetzeskraft haben und (als leges speciales) das BKGG abändern bzw. erweitern können, geschweige denn zur Auslegung oder Änderung von Vorschriften des höherrangigen überstaatlichen Rechts geeignet sind.

Aus den Einzelregelungen zu Gunsten des EhfG (sowie auch bei einer hypothetisch gedachten Fiktion des Status eines Arbeitnehmers) oder einer Gesetzesanalogie ließe sich aber keine Kindergeldberechtigung des Klägers ableiten. Für im Ausland tätige Arbeitnehmer, auch wenn sie ins Ausland entsandt sind (dann für einen Arbeitnehmer Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 SGB IV), kann gemäß § 2 Abs.5 BKGG n.F. Kindergeld nur für die im Inland wohnenden Kinder gewährt werden. Dies entspricht dem Territorialitätsgrundsatz. Der Grundsatz der Gleichbehandlung (Art.3 des Grundgesetzes - GG -) ist nicht verletzt, weil ein sachlicher Grund für die Differenzierung besteht. Der Staat muss beitragsunabhängige Sozialleistungen nicht ins Ausland erbringen. Weicht er aber von diesem - auch im BKGG vorherrschenden Grundsatz - ausnahmsweise, in eng begrenzten Sonderfällen ab, so ist dies im Vergleich zu den nicht Privilegierten aus einem sachlichen Grunde gerechtfertigt. Der Ausnahmetatbestand muss aber nicht soweit gefasst werden, dass er nicht nur den Auslandsaufenthalt des in Frage kommenden Kindergeldberechtigten abdeckt, sondern zugleich auch den ausländischen Aufenthalt des Kindes. Auch insoweit käme zwar eine (zweite) Privilegierung in Frage, zum Beispiel hinsichtlich der Kinder der nach § 123a BRGG entsandten Beamten mit den im ausländischen Aufenthalt aufgenommenen Kindern (besondere Fürsorgepflicht des Staates gegenüber Beamten auch hinsichtlich Familienleistungen, die er wegen des Alimentationsprinzips bei Wegfall des Kindergelds auf andere Weise, über die Besoldung, gewährleisten müsste). Besteht kein zwingender Grund für die zusätzliche Privilegierung (z.B. bei den entsandten Arbeitnehmern allgemein hin), kann es bei der ersten Begünstigung (Entsandte im Ausland mit Kindern im Inland) bleiben. Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass die im Inland ansässigen Kinder in die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen der Gesellschaft der BRD eingebunden oder zumindest enger eingebunden sind (BSG vom 26.10.1978 - 8 RKg 5/77, 06.12.1978 - 8 RKg 2/78, 22.01.1981 - 10/8b RKg 7/79 und 17.12.1981 - 10 RKg 4/81 in SozR 5870 § 2 Nr.11, 13, 21 und 24, jeweils unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Insoweit besteht kein Unterschied zwischen Arbeitnehmern im Inland (stets kindergeldberechtigt im Sinne von § 1 BKGG n.F.) und Arbeitnehmern im Ausland (zum Großteil nicht oder nur ausnahmsweise Kindergeldberechtigte); gleichermaßen muss Kindergeld für die im Ausland lebenden Kinder grundsätzlich nicht vorgesehen werden.

Das EG-Recht (vgl. hierzu die mehr oder minder deklaratorische "Anpassung" nationaler Vorschriften an ohnehin höherrangiges überstaatliches Recht in § 17 BKGG n.F. entsprechend § 42 BKGG a.F.) führt über den Begriff des Arbeitnehmers zu keinem anderen Ergebnis. Ins Auge fallen mag zwar auf den ersten Blick der Art.73 in den speziellen Vorschriften der EG-VO (Titel III. Besondere Vorschriften für die einzelnen Leistungen. Kapitel VII. Familienleistungen): Ein "Arbeitnehmer" oder ein "Selbständiger" (Anmerkung: allgemeine Definition in Art.1 Buchst.a EG-VO), der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates unterliegt, hat, vorbehaltlich der Bestimmungen im Anhang VI (Anmerkung: besondere Bestimmungen über die vorrangige Anwendung der Rechtsvorschriften bestimmter Mitgliedstaaten) für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten. Es hat wenig Sinn, über den allgemeinen Begriff des Arbeitnehmers im Sinne von Art.1 Buchst.a EG-VO mit der Einschränkung in Anhang I (persönlicher Geltungsbereich der VO. I. Arbeitnehmer und/oder Selbständiger. Abschnitt C Deutschland (für deutsche Träger von Familienleistungen nach Kap.7 der Verordnung gilt in weiten Bereichen die Einschränkung, dass Arbeitnehmer nur der für den Fall der Arbeitslosigkeit Pflichtversicherte ist)) zu argumentieren oder über den des Grenzgängers (Art.1 Buchst.b EG-VO), der jedenfalls an den Begriff "Arbeitnehmer oder Selbständiger" anknüpft, so dass eine Analogie bei Familienangehörigen (besonders definiert in Art.1 Buchst.f EG-VO) nicht möglich ist. Es muss folgender Grundsatz beachtet werden: Sieht das nationale Recht keinen Leistungsexport ins Ausland - außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der EG-VO 1408/71 - vor, so kann dies auch nicht über Art.2 (persönlicher Geltungsbereich), Art.3 (Gleichbehandlung), Art.4 (sachlicher Geltungs- bereich) und sonstige Vorschriften der EG-VO 1408/71 erreicht werden. Der Hinweis des Klägers auf Art.10 EG-VO 1408/71 (Aufhebung der Wohnortklauseln) liegt schon deswegen neben der Sache, weil er nur Rentenleistungen und Sterbegelder betrifft, die nicht gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden dürfen, weil der Berechtigte nicht im Gebiet des Trägers der Leistung wohnt, sondern in einem anderen EG-Staat.

Die Unionsbürgerschaft verbietet lediglich den Mitgliedstaaten, die Inanspruchnahme von Rechten durch im Inland lebende Angehörige anderer Mitgliedstaaten von formellen Voraussetzungen abhängig zu machen, die von eigenen Staatsangehörigen nicht verlangt werden (vgl. EuGH vom 12.05.1998 - C-85/96 - Martinez Sala). Sie begründet ein unmittelbar wirkendes Diskriminierungsverbot nach der Staatsangehörigkeit, ist aber nicht geeignet, Ansprüche aus dem Bereich der sozialen Sicherheit, z.B. Ansprüche auf Familienleistungen, erst zu schaffen, die nach den einschlägigen Vorschriften, die zur Regelung dieses Bereichs erlassen worden sind (z.B. EG-VO 1408/71 und 574/72), nicht vorgesehen sind (Zur Rechtmäßigkeit des § 2 Abs.5 BKGG in Bezug auf EG-Vorschriften und auf das Grundgesetz vgl. im Übrigen BSG vom 24.06.1998 - B 14 KG 2/98 R in SozR 3-5870 § 2 Nr.40 im Falle eines in Deutschland wohnenden Ruhestandsbeamten mit einem in Frankreich lebenden Kind).

Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass ein Entwicklungshelfer - abgesehen davon, dass eine völlige Gleichstellung mit Arbeitnehmern bereits nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften nicht besteht - auch über den Begriff des "Arbeitnehmers" im Sinne von § 1 Abs.1 Nr.1 BKGG n.F. (ggf. i.V.m. der EG-VO) nicht berechtigt wäre, bei seinem Aufenthalt im Ausland (außerhalb des EG-Bereichs) Kindergeld zu beziehen.

2.2. Nach nationalem Recht gilt für Entwicklungshelfer eine weitergehende Regelung als für den "allgemeinen" Arbeitnehmer bei Entsendung im Sinne des § 1 BKGG n.F.

Abweichend vom Territorialitätsprinzip kommen der Missionar und der Entwicklungshelfer auch dann als Kindergeldberechtigte in Frage, wenn sie im Ausland tätig sind (§ 1 Abs.1 Nr.2 BKGG n.F.). Hinsichtlich der Kinder ist das Territorialitätsprinzip hingegen nicht in vollem Umfang außer Kraft gesetzt: Im Ausland wohnende oder sich gewöhnlich aufhaltende Kinder werden grundsätzlich nicht berücksichtigt, es sei denn, der nach § 1- Haushalt aufgenommen (§ 2 Abs.5 BKGG n.F.). Hier muss besonders darauf hingewiesen werden, dass ein Aufenthalt irgendwo im Ausland oder in dem ausländischen Staat, in dem der Kindergeldberechtigte wohnt, allein noch nicht für einen Anspruch ausreichend ist. Maßgebend ist vielmehr darüber hinaus eine ortsnahe und persönliche Beziehung (örtlich gebundenes, "räumliches" Zusammenleben, materielle Sorge, z.B. durch Gewährung von Kost und Wohnung, sowie eine Fürsorge, die bei Kindern unter 18 Jahren mit der Erziehung verbunden ist und bei volljährigen Kindern immerhin noch eine gewisse Betreuung bzw. Zuwendung voraussetzt.).

Es steht im weiten Ermessensspielraum des Staates, ob er beitragsunabhängige Sozialleistungen überhaupt ins Ausland gewährt. Wenn er dies aber in Ausnahmefällen tut, kann er auch die "Bedingungen" hierfür aufstellen. Nachdem vorliegend mangels Steuerpflicht des Klägers nicht die mit dem steuerrechtlichen Familienlastenausgleich verbundenen Grundsätze auch verfassungsrechtlicher Art zum Tragen kommen, muss der Gesetzgeber bei einer Sonderregelung lediglich das Willkürverbot des Art.3 GG beachten, d.h., es muss ein sachlicher Grund für die Privilegierung in einem Sonderfall (Kinder im ausländischen Haushalt aufgenommen) bzw. für die Nichtberücksichtigung sonstiger Fälle (Kinder allgemeinhin im Ausland) vorliegen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber die jeweils gerechteste oder zweckmäßigste Lösung gefunden hat, sondern lediglich darauf, dass ein sachlicher Gesichtspunkt vorhanden ist, mithin nicht eine Gruppe bevorzugt und eine andere Gruppe willkürlich ausgeschlossen wird. Ein sachlicher Grund liegt offensichtlich in dem Umstand, dass der Gesetzgeber dann, wenn der Entwicklungshelfer (wie auch der Missionar und entsandte Beamte) sich ins Ausland begibt und seine Kinder nicht im Inland belässt, eine Vergütung nur erfolgen soll, wenn eine räumlich und persönlich enge Beziehung (Haushaltsaufnahme) vorliegt. Von seiten des Grundgesetzes bestehen für den Senat keinerlei Bedenken.

Aus dem EG-Recht ist nichts anderes herzuleiten (siehe oben). Abgesehen davon wird auf folgendes hingewiesen: Der inländische Gesetzgeber kann die Möglichkeit eines Leistungsexports ins Ausland (hier: außerhalb des Bereichs der EG) vorsehen. Wenn in einem solchen Sonderfall die Gewährung von Kindergeld für in Ausbildung stehende Kinder nicht nur vom Wohnort/Aufenthaltsort des Kindes abhängt, sondern zusätzlich von einer räumlichen und persönlichen Beziehung, so vermag - unabhängig von sonstigen Vorschriften über persönliche Gleichstellung - der Grundsatz der Gleichstellung der Staatsgebiete allein nicht greifen. Der Ort, an dem J. in Holland wohnt, "wird" dadurch nicht zum Haushalt des Klägers, und der Ort, an dem der Kläger lebt, befindet sich außerhalb des räumlichen Bereichs der EG und ist keinesfalls einem Wohnort in der BRD bzw. im räumlichen Bereich der EG gleichgestellt.

Zur Tatsache, dass J. nicht mehr in den Haushalt des Klägers in Ecuador aufgenommen ist und seinen alleinigen Wohnsitz sowie gewöhnlichen Aufenthalt in Holland hat, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils (§ 153 Abs.2 SGG). In Abweichung hiervon sieht der Senat allerdings in dem Erfordernis der Haushaltsnahme das Moment einer engen persönlichen Beziehung auch bei volljährigen Kindern (Betreuung oder zumindest Zuwendung). Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung des BSG zur kindergeldberechtigenden Schul- und Berufsausbildung im Ausland nur die Fälle betraf, in denen von vornherein der Aufenthalt des Kindes außerhalb des elterlichen Haushalts (z.B. eines Internats in der Schweiz) als vorübergehender geplant war, eine (anfängliche) zeitliche Begrenzung vorgesehen war oder sich aus der Natur der Sache ergab und die Rückkehrmöglichkeit sowie der Rückkehrwille gegeben sein mussten. Weiterhin musste auch der vorübergehende auswärtige Aufenthalt nur zu Ausbildungszwecken durch objektive Umstände nach außen hin dokumentiert sein; vorliegend sind aber nicht die (notwendigen) gesicherten Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Trennung J. vom Haushalt der Eltern in Ecuador nur vorübergehend gewesen ist und von Anfang an geplant war, den gemeinsamen Lebensmittelpunkt im Ausland in vorhersehbarer Zeit wieder herzustellen. In diesem Zusammenhang wird auch auf das Urteil des BSG vom 28.05.1997 - 14/10 RKg 14/94 in SozR 3-5870 § 2 Nr.36 verwiesen, nach dem ein Student mit der Aufnahme eines mehrjährigen Auslandstudiums seinen Wohnsitz am Ort der elterlichen Wohnung aufgegeben hat, wenn er während des Studiums jährlich jeweils nur für drei Wochen zurückkehrt, ohne an längeren Aufenthalten gehindert zu sein.

Weit neben der Sache liegt die Ansicht des Klägers, J. habe aber einen "Hausstand" in A./BRD. Der befristete und auch zeitlich während der Ausbildung beschränkte Besuch einer Ausbildungsstätte vermag keinen (zusätzlichen) Wohnsitz oder (zusätzlichen) gewöhnlichen Aufenthalt dort zu begründen. J. hat keine Wohnung in A. ; bereits nach dem Zweck des Aufenthalts in Deutschland ist davon auszugehen, dass er auch an diesem Ort zwar häufig, aber nur vorübergehend verweilt. Ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in der BRD im Sinne von § 30 Abs.1 und 3 SGB I liegt nicht vor.

Mangels extensiver Sondervorschriften besteht kein Anspruch des Klägers auf Kindergeld. Hierzu wird in Zusammenhang mit dem Grundgesetz noch darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber nicht jede nur denkbare Fallgestaltung in seine Überlegungen einbeziehen und regeln muss und pauschalierende Fallgestaltungen vorsehen kann. Selbst wenn im Falle des Klägers ein seltener unberücksichtigter Fall vorliegen sollte, in dem - dies soll jetzt einmal unterstellt werden - an sich die Gewährung von Kindergeld gerechtfertigt oder notwendig sein könnte, so begründet dies keinen Verstoß gegen Art.3 GG.

Daher war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 (grundsätzliche Bedeutung) und Nr.2 (Divergenzentscheidung) SGG sind nicht ersichtlich.

Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage kann der Senat nicht schon deswegen bejahen, weil der Kläger in undifferenzierter Weise Motive des Gesetzgebers zur Regelung des Status des Entwicklungshelfers in andere Gesetze und sogar in die Vorschriften der EG-VO "hineininterpretieren", d.h. in Wirklichkeit in seinem Sinne abändern und ergänzen will. Hierfür besteht allerdings keine Handhabe. Ein Interesse an der Erhaltung der Rechtseinheit in ihrem Bestand und der Förderung der Weiterentwicklung des Rechts kann nicht gesehen werden. Zwar hat das BSG den vorliegenden Einzelfall nicht entschieden; es ist jedoch unzweifelhaft, dass die rechtlichen Konstruktionen des Klägers bereits im Ansatzpunkt unzutreffend sind (BSGE 40, 40 und 40, 159). Dies ergibt sich bereits unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz.

Im Übrigen hat das BSG in zahlreichen Fällen von Sozialleistungen und hier wiederum des Kindergelds - unter Bezugnahme auf die vom BVerfG herausgearbeiteten Grundsätze - klargestellt, dass bei sozialrechtlichen Leistungen (ohne Bezug zum Steuerrecht) ein weitgehender Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers besteht und jede nicht willkürlich benachteiligende Regelung Bestand hat, abgesehen davon, dass vereinzelte Sonder- und Härtefälle nicht zu einem Verstoß gegen Art.3 GG führen können.
Rechtskraft
Aus
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