L 2 B 278/02 U

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 97/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 B 278/02 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 17.07.2002 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

In dem diesem Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Klageverfahren begehrt der Beschwerdeführer (Bf.) höhere Verletztenrente. Zur Ermittlung des Sachverhalts hat das Sozialgericht u.a. den Leiter des Privatrechtlichen Instituts für Medizinische Begutachtung (IMB) in R. Dr.H. zum Sachverständigen bestimmt und ein Gutachten vom 01.02.2002 eingeholt. Bereits im Vorfeld hatte der Bf. dazu geltend gemacht, es bestehe kein Einverständnis mit der Begutachtung durch Dr.H ... Es handle sich dabei um einen Arzt, der nicht über fundierte Erfahrung mit der Behandlung orthopädischer Leiden verfüge. Er unterhalte noch nicht einmal eine Arztpraxis. Seine Tätigkeit bestehe praktisch ausschließlich darin, Gutachten zu erstellen und dies überwiegend für Sozialversicherungsträger und andere Versicherer. Dazu hatte das Sozialgericht dem Bf. mit Schreiben vom 07.01.2002 mitgeteilt, es verbleibe bei der Begutachtung durch Dr.H ... In dem nach Untersuchung des Bf. erstatteten Gutachten gelangte der Sachverständige zu dem Ergebnis, beim Bf. liege ein Berstungsbruch des 5. Lendenwirbelkörpers vor. Die dadurch bedingte MdE betrage ab 11.08.1999 10 v.H. Dieses Gutachten wurde dem Bevollmächtigten des Bf. mit Schreiben vom 26.03.2002 übersandt. Mit Schreiben vom 06.05.2002 lehnte der Bf. den Sachverständigen Dr.H. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Wie er nunmehr erfahren habe, habe der Zeuge H. in der 4. Kalenderwoche 2002 bei dem Sachverständigen Dr.H. angerufen und gefragt, ob dieser sich in der Lage sehe, im Auftrag des Zeugen ein Privatgutachten über eine bei ihm vorliegende Knieverletzung zu erstellen. Dr.H. habe ihn sodann gefragt, ob er bei einer Berufsgenossenschaft versichert sei und als er daraufhin entgegnet habe, dies sei der Fall; hierbei ginge es aber bei dem zu erstellenden Gutachten nicht, habe Dr.H. erklärt, er erstatte nur Gutachten für Versicherungen. Diese Äußerungen des Sachverständigen begründeten die ernstliche Besorgnis der Befangenheit, zeigten sie doch, dass sich der Gutachter nach seinem eigenen beruflichen Selbstverständnis ausschließlich auf der Seite von Versicherungen bzw. Versicherungsträgern sehe. Mit Schreiben vom 21.05.2002 ergänzte der Bf. sein Vorbringen, der Sachverständige komme zu seinen Lasten zu einer viel zu niedrigen Einschätzung der MdE. Zu Unrecht versuche Dr.H. ihm Aggravation bei der Untersuchung zu unterstellen. Diese Unterstellung könne lediglich als Ausfluss der bei diesem Gutachter vorliegenden extremen Voreingenommenheit zugunsten der Beklagten und anderer Versicherungsträger erklärt werden. Anders als Dr.H. ausführe, sei ein chronisches Schmerzsyndrom, das auch zu entsprechenden Einschränkungen im Bewegungsverhalten führen könne, keineswegs diagnostisch aussagelos, sondern sei in die Bewertung der MdE einzubeziehen. In der Folge macht der Bf. weitere sachliche Unrichtigkeiten des Gutachtens geltend. Die Voreingenommenheit des Sachverständigen Dr.H. werde auch dadurch deutlich, dass dieser in seinem Gutachten eine nochmalige Plausibilitätsprüfung zu Lasten des Bf. auf psychiatrischem Fachgebiet fordere, obwohl nicht zu erkennen sei, wie der Gutachter als Orthopäde auf diesem Gebiet überhaupt sachkundig sein wolle. Der Bf. legte eine eidesstattliche Versicherung des J. H. vor, wonach dieser eidesstattlich den bereits mitgeteilten Sachverhalt versicherte. Das Sozialgericht holte eine Stellungnahme des Dr.H. vom 18.06.2002 ein, in welcher dieser ausführte, soweit es um die Einlassungen des Bf. im Schreiben vom 06.05.2002 gehe, müsse er sie nicht kommentieren, da sie erkennbar nicht medizinische Sachverhalte beträfen. Ob das Gericht diesen Ausführungen folgen könne und nachzuvollziehen vermöge, sei nicht Gegenstand der medizinischen Plausibilitätsprüfung. Der Vorwurf, er unterstelle dem Kläger Aggravation, sei unsubstantiiert. In der Folge nimmt er zu den medizinischen Einwendungen gegen das Gutachten Stellung. Unter anderem wird ausgeführt, zu einer Plausibilitätsprüfung auf psychiatrischem Gebiet sei gerade deswegen geraten worden, da in Orientierung an Regelverläufen der sicherbare Befund das angeblich bestehende chronische Schmerzsyndrom nicht erkläre. Auf die Stellungnahme wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom 17.07.2002 hat das Sozialgericht Regensburg den Befangenheitsantrag des Bf. zurückgewiesen. Die Besorgnis der Befangenheit könne nicht mit der Behauptung begründet werden, dass Dr.H. gegenüber einer dem Gericht nicht näher bekannten Person mitgeteilt habe, dass er Gutachten ausschließlich für Versicherungen erstelle, denn hier sei keine Versicherung Partei. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Umstand, wonach ein Sachverständiger auch für verschiedene Berufsgenossenschaften bereits Gutachten erstellt habe, allein keine Besorgnis der Befangenheit begründe, weil es keinen Anlass zu der Annahme gebe, der Sachverständige sei parteilich und voreingenommen, dies auch deswegen, weil die von den Sozialleistungsträgern in Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten keine Parteigutachten seien. Auf die Begründung des Beschlusses wird verwiesen. Dagegen hat der Bf. mit Schriftsatz vom 30.07.2002 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht Regensburg nicht abgeholfen, sondern sie dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt hat. Der Bf. hat in seiner Beschwerde vorgetragen, ein Sachverständiger, der sich weigere, im Auftrag eines Versicherten in der gesetzlichen Unfallversicherung ein Gutachten zu erstellen und die Annahme dieses Auftrags mit der Begründung ablehne, er sei ausschließlich für Versicherungen bzw. Versicherungsträger tätig, begründe sehr wohl die Besorgnis der Befangenheit, zeige doch eine derartige Äußerung, dass der Sachverständige sich selbst auf die Seite der Versicherungsträger sehe. Erneut weist er darauf hin, dass der Sachverständige nicht über eine eingerichtete Arztpraxis verfüge. Man frage sich, wie er praktische Erfahrungen auch in der Behandlung von orthopädischen Erkrankungen haben wolle und wie sich diese praktische Erfahrung dem Sozialgericht Regensburg vermittelt haben solle. Er legt einen Beschluss des OLG München vom 21.06.2001, Az.: 1 W 1161/01, vor.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet. Gemäß § 118 Abs.2 SGG iVm § 406 Abs.1 ZPO und § 60 SGG können Sachverständige aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen (§ 42 Abs.2 ZPO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist; entscheidend ist vielmehr, ob ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus vernünftigerweise Bedenken gegen dessen Unparteilichkeit haben kann (vgl. BSG in SozR 1500 § 60 Nr.3). Auch wenn es zutrifft, dass Dr.H. einem Dritten auf dessen Anfrage mitgeteilt hat, dass er nur Gutachten für Versicherungen erstelle, begründet dies nicht die Besorgnis der Befangenheit gegen den Sachverständigen. Es ist eine unvernünftige und irrige Auffassung, dass Gutachter, die für Berufsgenossenschaften Gutachten erstatten, diese nicht unparteiisch erstellen. Zu Recht hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz im Beschluss vom 18.11.1985, Az.: L 3 Sb 96/85, in Breithaupt 1986, S.638 ff. ausgeführt, dass die von den Versicherungsträgern im Verwaltungsverfahren eingeholten, von den Gerichten im Weg des Urkundenbeweises zu verwertenden Gutachten keine Privatgutachten sind, da auch die Sozialversicherungsträger, wie die Gerichte, den öffentlich-rechtlichen Auftrag haben, die Durchsetzung der Rechte der Bürger in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren zu gewährleisten. Sie und die von ihnen zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts herangezogenen Ärzte haben den Sachverhalt objektiv zu ermitteln und daher von Amts wegen auch für den Versicherten günstige Umstände zu berücksichtigen (§ 20 abs.2 SGB X). Es ist vielmehr vernünftigerweise davon auszugehen, dass den Sozialversicherungsträgern und den für sie tätigen Ärzten daran gelegen ist, dass die Gutachten von Sachkunde und Objektivität getragen sind und einer eventuell erfolgenden gerichtlichen Überprüfung standhalten. Dass Dr.H. nicht nur für Versicherungen tätig wird, ergibt sich zudem aus dem Umstand, dass er ohne weiteres dem gerichtlichen Gutachtensauftrag nachgekommen ist. Dem steht die vom Bevollmächtigten des Bf. eingereichte Entscheidung des OLG München im Beschluss vom 21.06.2001 nicht entgegen, denn in diesem Fall ging es darum, dass ein Beamter des Freistaats Bayern im Zivilprozess die behauptete Fehlerhaftigkeit der Arbeit eines anderen Beamten des Freistaats Bayern als Sachverständiger beurteilen sollte. Das OLG sah die Gefahr der Befangenheit in sublimen Formen der Rücksichtnahme des Gutachters auf seinen Dienstherrn, die sich gerade im Arzthaftungsprozess entscheidend auswirken könne. Dieser Sachverhalt ist mit dem vorliegenden, in welchem der Gutachter für verschiedene Versicherungen innerhalb des von ihm mitbetriebenen Instituts für Begutachtung tätig wird, nicht vergleichbar. Auch im Übrigen ergibt sich aus dem Gutachten selbst kein Grund, der zur Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen Dr.H. Anlass geben könnte. Es ist selbstverständliche Aufgabe des Sachverständigen, auch auf mangelhafte Mitarbeit des Probanden hinzuweisen, da die Kooperation bei Bewertung der Befunde zu berücksichtigen ist. Auch darf der Sachverständige aus seiner Sicht geltend machen, dass nach den objektiv vorliegenden Befunden auf seinem Fachgebiet die MdE-Einschätzung auf einem anderen Fachgebiet einer nochmaligen Plausibilitätsprüfung unterzogen werden sollte, ohne sich dem Verdacht der Befangenheit auszusetzen. Dies hat Dr.H. selbst in seiner Stellungnahme zum Befangenheitsantrag zutreffend ausgeführt.

Nach alldem ist der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 17.07.2002 nicht zu beanstanden.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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