Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 26 U 203/98
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 10/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Klägerin gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2001 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Veranlagung der Klägerin zu den Gefahrklassen nach dem Gefahrtarif 1995, Gefahrtarifstellen 23 und 24 für die Jahre 1995 bis 1997 sowie nach dem Gefahrtarif 1998, Gefahrtarifstellen 48 und 49 für die Jahre 1998 bis 2000. Die auf dieser Veranlagung basierenden Beitragsbescheide sind nicht angegriffen. Die individuelle Herabsetzung durch Abschläge von der Gefahrklasse ist für die Jahre 1995 bis 1997 nicht im Streit, für die Jahre ab 1998 Gegenstand eines anderen sozialgerichtlichen Verfahrens. Die Frage der Zuständigkeit der Beklagten für das Unternehmen der Klägerin ist Streitgegenstand des Berufungsverfahrens L 3 U 14/01.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung.
Mit Bescheid vom 27. Oktober 1995 veranlagte die Beklagte sie mit Wirkung ab 1. Januar 1995 nach dem Gefahrtarif 1995/Gefahrtarifstelle 23 (Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung; Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt sind und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten) zu der Gefahrklasse 1,6 sowie nach der Gefahrtarifstelle 24 (Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, Beschäftigte, die nicht die in der Gefahrtarifstelle 23 genannten Voraussetzungen erfüllen) zu den Gefahrklassen 12,8 für 1995, 15,8 für 1996 und 18,8 für 1997.
Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 1998 zurück.
Die dagegen erhobene Klage (S 26 U 203/98) hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 26. Januar 2001 abgewiesen.
Für die Zeit ab 1. Januar 1998 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 31. März 1998 nach dem bis zum 31. Dezember 2000 gültigen Gefahrtarif 1998/Gefahrtarifstelle 48 (Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung; Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt sind und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten) zu der Gefahrklasse 0,57 und nach der Gefahrtarifstelle 49 (Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung; Beschäftigte, die nicht die in der Gefahrtarifstelle 48 genannten Voraussetzungen erfüllen) zu der Gefahrklasse 10,66.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1999 wies sie den Widerspruch zurück.
Das Sozialgericht hat die dagegen erhobene Klage (S 26 U 388/99) mit weiterem Gerichtsbescheid vom 26. Januar 2001 abgewiesen.
Gegen die ihr am 13. und 14. Februar 2001 zugestellten Gerichtsbescheide hat die Klägerin jeweils am 14. März 2001 Berufung eingelegt. Es sei nicht gerechtfertigt, dass sie einen wesentlich höheren Beitragssatz zahlen müsse als Unternehmen im Bereich der Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel und Gaststätten, obwohl sie hauptsächlich Arbeitnehmer in diesen Bereich – insbesondere als Produktionshelfer an eine Schokoladenfabrik – verleihe. Der Gleichheitssatz werde verletzt, weil ohne sachlichen Grund für die Leiharbeitnehmer ein um das Vielfache höherer Beitrag zu zahlen sei als für die Stammbelegschaft. Durch die erhöhten Lohnnebenkosten werde die Klägerin in ihrer Konkurrenzfähigkeit geschwächt. Statt alle Arbeitnehmerüberlassungsfirmen in einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen, müsse die Beklagte nach der Unfalllast zumindest so viele Tarifstellen bilden wie es Berufsgenossenschaftsbereiche gebe, in die Arbeitnehmer entliehen würden.
Die Klägerin beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2001 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1998 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu günstigeren Gefahrenklassen als denen nach den Gefahrtarifstellen 23 und 24 zu veranlagen,
2. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2001 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. März 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin in günstigere Gefahrklassen als denen nach den Gefahrtarifstellen 48 bzw. 49 zu veranlagen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen der Klägerin gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2001 zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass ihre Veranlagungsbescheide nicht zu beanstanden seien. In den Gefahrtarifen 1995 und 1998 sehe sie für den Gewerbezweig der Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen gesondert zwei Gefahrtarifstellen vor. Es gebe zwei Risikomerkmale für die Gefahrtarifstellenbildung, nämlich nach der Unternehmensart und nach den jeweils ausgeübten Tätigkeiten. Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile beider Merkmale habe sich bisher die Vertreterversammlung für das Risikomerkmal der Unternehmensart entschieden. Dieses sei das sachlich zutreffendere, weil die Zeitarbeitsunternehmen einwandfrei zugeordnet werden könnten und das Prinzip der Veranlagung nach Gefährdungsrisiken berücksichtigt würde. Mit Ausnahme der gesonderten Veranlagung der im kaufmännischen und verwaltenden Bereich tätigen Personen ließe sich eine Unterteilung nach der jeweiligen Arbeitnehmertätigkeit wegen des erheblichen Verwaltungsaufwandes praktisch nicht durchführen. Den individuellen Gegebenheiten in den Unternehmen werde durch Beitragszu- bzw. -abschläge Rechnung getragen. Alle bisherigen Versuche einer weiteren sinnvollen Untergruppenbildung seien gescheitert. Ein Teil der Unternehmen habe nicht mitgearbeitet, andere hätten erklärt, zur Meldung der Lohnsummen, getrennt nach Arbeitnehmertätigkeiten, nicht in der Lage zu sein, bzw. widersprüchliche Angaben zum Lohnnachweis und zu eingegangenen Unfallmeldungen gemacht.
Der Senat hat beide Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 113 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG-).
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 3. April 2002 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthaften, form- und fristgerecht eingelegten und auch im Übrigen zulässigen Berufungen der Klägerin (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) sind nicht begründet.
Die Veranlagungsbescheide vom 27. Oktober 1995 und 31. März 1998 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 30. April 1998 und 29. Juli 1999 sind rechtmäßig. Die ihnen zu Grunde liegenden – und inzident zu prüfenden - Gefahrtarife 1995 und 1998 verstoßen weder gegen formell noch materiell höherrangiges Recht.
Der Widerspruchsbescheid vom 30. April 1998 ist nicht aus formellen Gründen rechtswidrig. Das in der Verwaltungsakte befindliche Exemplar enthält die Unterschriften aller Mitglieder des Widerspruchsausschusses. Die der Klägerin übersandte Ausfertigung ist mangels gesetzlicher Vorschrift über eine insoweit einzuhaltende Form auch ohne Datumsangabe und mit einer Unterschrift bei Mitteilung des Vorliegens der weiteren Originalunterschriften durch Ausweisung als "gezeichnet" gültig.
Auf den Rechtsstreit L 3 U 10/01 (Veranlagung nach dem Gefahrtarif 1995) finden noch für die Jahre 1995 und 1996 die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung. Die Veranlagung für das Jahr 1997 sowie nach dem Gefahrtarif 1998 (Az: L 3 U 13/01) ist an den Vorschriften des SGB VII zu messen (§ 219 Abs. 1 Satz 1 und 2, Siebtes Buch Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, Sozialgesetzbuch VII, Kommentar zum Siebten Buche des Sozialgesetzbuchs und zu weiteren die Unfallversicherung betreffenden Gesetzen, Rdnr. 2 zu § 219 SGB VII).
Die Höhe der Beiträge richtet sich nach dem Entgelt der Versicherten und nach dem Grad der Unfallgefahr in den Unternehmen (§§ 725 Abs. 1 RVO, 153 Abs. 1 SGB VII). Zur Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr hat die Vertreterversammlung einen Gefahrtarif mit Gefahrklassen zu bilden (§§ 730 RVO, 157 Abs. 1 SGB VII). Die Berufsgenossenschaft veranlagt die Unternehmen für die Tarifzeit zu diesen Gefahrklassen (§§ 734 Abs. 1 RVO, 159 Abs. 1 SGB VII). Der Gefahrtarif ist autonomes Recht des Unfallversicherungsträgers. Die Vertreterversammlung hat einen weiten Regelungs- und zeitlichen Anpassungsspielraum, der nur durch die in den §§ 725 Abs. 1, 730 RVO bzw. die §§ 153 Abs. 1, 157 Abs. 1 bis 3, 167 Abs. 1 SGB VII zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen des Gesetzgebers begrenzt ist und nicht im Widerspruch zu den tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts stehen darf. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind befugt und verpflichtet, die Übereinstimmung des Gefahrtarifs mit diesen Grundentscheidungen des Gesetzgebers zu überprüfen. Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen spielen jedoch keine Rolle (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 1983, 2 RU 27/81, in: BSGE 55, 26 m. w. N.). Unter Berücksichtigung dieser eingeschränkten Überprüfungsbefugnis sind die Gefahrtarife 1995 und 1998 nicht zu beanstanden.
Sie sind formell rechtmäßig. Es sind keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das für ihre Aufstellung gesetzlich vorgeschriebene Verfahren (vgl. §§ 731 Abs. 2, 732 RVO, § 158 SGB VII) ersichtlich.
Die Gefahrtarife sind auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Bildung von Gefahrtarifstellen kann sowohl nach dem Gewerbezweig- als auch dem Tätigkeitsprinzip erfolgen, um so Gruppen entsprechend ihrer Gefährdungsrisiken zu bilden (vgl. Lauterbach, a. a. O., Rdnr. 7 zu § 157 SGB VII).
In den Gefahrtarifen 1995 und 1998 hat die Beklagte die Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung als Gewerbezweig zusammengefasst und nur eine weitere Unterteilung –zu Gunsten der Klägerin– nach dem tätigkeitsbezogenen Merkmal der Arbeit im kaufmännischen oder verwaltenden Bereich vorgenommen. Die gemeinsame Erfassung aller Zeitarbeitsunternehmen ist dabei durch die für sie gewerbetypische Unfallgefahr gerechtfertigt. Die Leiharbeitnehmer werden zu verschiedenen Arbeiten herangezogen und in wechselnden Entleihbetrieben sowie auf unterschiedlichen Arbeitsplätzen eingesetzt. Die sich aus den jeweiligen Betätigungen der Verleihunternehmen ergebenden Unfallgefahren sind vielfältig und ihr Auftreten in unterschiedlichen Kombinationen möglich. Der die Arbeitsverhältnisse kennzeichnende häufige Wechsel führt dazu, dass eine Eingewöhnung in die neue Arbeitsumwelt mit ihren spezifischen Risiken erfolgen muss (z. B. wegen neuer betrieblicher Abläufe und örtlicher Gegebenheiten, anderer Maschinen, ungewohnter Arbeitswege). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist es deswegen grundsätzlich zulässig, die Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung zu einem gemeinsamen Gewerbezweigtarif zu veranlagen (Bundessozialgericht, Urteil vom 21.08.1991, 2 RU 54/90, in: HV-Info 1991, 2159 = Ez AÜG Nr. 387).
Es kann unentschieden bleiben, ob die Klägerin, die nach eigenem Vortrag seit einigen Jahren 80 % ihrer Arbeitnehmer an eine bestimmte Schokoladenfabrik verleiht, bereits als sogenanntes monostrukturelles Unternehmen zu klassifizieren wäre. Bei der Definition dieses Begriffs ist insbesondere unklar, wie hoch der Anteil der in einen bestimmten Bereich verliehenen Arbeitnehmer sein muss, ehe ein (Allein-) Verleih in diesen Gewerbezweig vorliegt, und welche Anforderungen an die Stetigkeit dieser Unternehmensausrichtung in der Vergangenheit sowie der prognostisch zu beurteilenden Zukunft gestellt werden müssen. Auch monostrukturelle Unternehmen gehören zum Gewerbezweig der Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen und dürfen mit den anderen Unternehmen dieser Gruppe zusammen gefasst werden. Das ergibt sich daraus, dass sie ebenfalls die oben dargelegten gewerbezweigtypischen Kriterien aufweisen. Dem gegenüber unterscheiden sie sich von den Entleihunternehmen dadurch, dass sie über keine auf Dauer beschäftigte Stammbelegschaft verfügen, sondern Arbeitnehmer nur zeitlich begrenzt (bis zu 12 Monaten; vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 6 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) an einem bestimmten Arbeitsplatz einsetzen. Außerdem können und müssen die Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung auf eine veränderte Nachfrage nach Leiharbeitnehmern reagieren. Ihr Unternehmen weist deswegen im Vergleich zu sonstigen –oft bereits durch die sächlichen Produktionsmittel festgelegten– Unternehmen keine so hohe Kontinuität in der Ausrichtung des Tätigkeitsschwerpunktes auf. Wegen dieser Gewerbezweigtypik sind monostrukturelle Unternehmen nicht in der Branche des Entleihunternehmens zu veranlagen.
Eine über den Gewerbezweigtarif mit der Untergruppe für kaufmännische und verwaltende Tätigkeit hinaus gehende Unterteilung brauchte die Beklagte (bisher) nicht vorzunehmen. Die Klägerin selbst hat mit Büropersonal und Leiharbeitnehmern im Bereich Produktionshelfer, Lager- und Packhelfer sowie Stapelfahrer im Jahre 1999 (bzw. zusätzlich Schlosser im Jahre 1992) trotz ihrer geringen Größe Arbeitnehmer in mehrere Berufszweigen überlassen. Im letzten Jahrzehnt war ihre Ausrichtung einem deutlichen Wandel unterworfen. Dass die Beklagte angesichts dieser gewerbezweigtypischen Vielfalt der Betätigungen –bei größeren Unternehmen noch ausgeprägter– und der im zeitlichen Ablauf eintretenden Veränderungen bisher nicht zu einer sinnvollen Aufteilung in weitere Untergruppen gelangt ist, ist nicht zu beanstanden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass solche Untergruppen ausreichend groß sein müssen, um dem Versicherungsprinzip zu entsprechen und eine angemessene Differenzierung zur möglichst weitgehenden Verwirklichung des Prinzips der Beitragsgerechtigkeit aufzuweisen (vgl. Lauterbach, a. a. O., Rdnr. 10 zu § 157 SGB VII m. w. N.).
Aus sachlichen Gründen hat die Beklagte zu Recht die von der Klägerin vorgeschlagenen Aufteilungsmöglichkeiten abgelehnt.
Dass eine Aufteilung nach dem jeweiligen Berufsgenossenschaftsbereich des Entleihunternehmens nicht sachgerecht sein kann, ergibt sich schon aus den Unterschieden zwischen den Gefahrklassen in den jeweiligen Gefahrtarifen der einzelnen Berufsgenossenschaften. Beispielsweise findet sich bei der Beklagten ein Spektrum von 1,0 bis 110,9 (vgl. Gefahrtarif 1995). Die Bildung eines Durchschnittswertes für den Bereich einer Berufsgenossenschaft kann deswegen nicht das Gefährdungspotential zutreffend widerspiegeln.
Bei einer weitergehenderen Aufteilung nach allen von den einzelnen Berufsgenossenschaften geschaffenen Unterbereichen liegt die Vermutung nahe, dass die so gebildeten Gruppen zu klein werden, um dem Versicherungsprinzip noch zu entsprechen. Bereits bei diesen alle Unternehmen außerhalb der Arbeitnehmerüberlassung erfassenden Gruppen gibt es neben großen auch kleine Einheiten, die sich erheblich verkleinern müssten, wenn ein einzelner Gewerbezweig derartig unterteilt würde. Zwar sind insoweit keine konkreten Zahlen über die zu erwartende Gruppengröße bekannt. Die Beklagte darf aber eine solche Unterteilung aus –vom Gericht nicht näher überprüfbaren– Zweckmäßigkeitserwägungen ablehnen. Sie verweist nämlich darauf, dass eine solche Unterteilung wegen des mit ihr verbundenen erheblichen Verwaltungs- und Kontrollaufwandes bei ihr selbst als auch den gesteigert differenzierten Meldepflichten der Unternehmen praktisch nicht durchführbar ist.
Für die Bildung einer sinnvollen Zahl von Untergruppen mit etwa gleichem Unfallrisiko fehlen der Beklagten (noch) die notwendigen Informationen. Alle bisherigen Versuche, durch Erhebung bei den Unternehmen der Zeitarbeit entsprechende Daten zu bekommen, sind gescheitert. Die Beklagte ist verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte, die für oder gegen eine bestimmte Variante der Beitragsgestaltung sprechen, abzuwägen. Dazu muss sie Erfahrungen sammeln, aus den so gewonnen Informationen die bisherige Regelung auf ihre Mängel hin analysieren und ein Änderungskonzept entwickeln, von dem anzunehmen ist, dass es den gesetzlichen Zielen besser gerecht wird. Gerade bei komplexen Sachverhalten und einem Unternehmenszweig wie dem der Arbeitnehmerüberlassung, der sich sprunghaft entwickelt und verändert (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 21.08.1991, 2 RU 54/90, a.a.O.), gehört hierzu auch ein zeitlicher Anpassungsspielraum (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 1985, 2 RU 40/85, in: SozR 2200 § 731 Nr. 2).
Die angemessene Zeit zur Beobachtung und Entscheidung ist zur Überzeugung des Senats noch nicht abgelaufen. Dies ist so lange nicht der Fall, wie es ohne Verschulden der Beklagten nicht möglich ist, die Unfallgefahr nach Einsatzbereichen der Leiharbeitnehmer getrennt zu ermitteln und über einen angemessenen Zeitraum zu beobachten. Da hierfür die bei der Beklagten vorhandenen Daten nicht ausreichen, ist sie auf die Mitarbeit der Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen angewiesen.
Bis zum Vorliegen der eine weitere Unterteilung ermöglichenden Daten ist auch ein ggfs. vorhandenes Belastungsgefälle innerhalb des Gewerbezweiges nicht zu vermeiden. Zur Feststellung dieses Gefälles ist es erforderlich, abgrenzbare Teilgruppen des Gewerbezweiges zu bilden, die miteinander verglichen werden können. Ein Belastungsgefälle liegt nämlich noch nicht dann vor, wenn die zufallsbehaftete Unfalllast der einzelnen Unternehmen differiert, da Unterschiede der individuellen Unfalllasten der zusammengefassten Einzelunternehmen systemimmanent sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 1985, a.a.O.).
Zur Zeit ist es deswegen nur möglich, den Beitrag der Klägerin durch die Gewährung individueller Abschläge herabzusetzen. Diese auf Einzelfälle begrenzte Korrekturmöglichkeit entbindet die Beklagte jedoch auch für die Zukunft nicht von ihrer Pflicht zu einer an die wirtschaftliche Entwicklung angepassten Ausgestaltung des Gefahrtarifs (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 21.08.1991, 2 RU 54/90, a.a.O.).
Anhaltspunkte dafür, dass die Berechnung der Gefahrklassen unzutreffend ist, hat weder die Klägerin vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich.
Auf der Grundlage der Gefahrtarife 1995 und 1998 hat die Beklagte mit den Veranlagungsbescheiden vom 27. Oktober 1995 und 31. März 1998 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 30. April 1998 und 29. Juli 1999 die Klägerin zutreffend veranlagt.
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ist nicht ersichtlich. Bei der Aufstellung von Gefahrtarifen lässt das Gleichbehandlungsgebot eine den Bedürfnissen der Massenverwaltung entsprechende Typisierung zu, wobei Härten im Einzelfall hinzunehmen sind (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 04.03.1982, 1 BvR 34/82 in: SozR 2200 § 734 Nr. 2).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere weicht der Senat auch nicht von den bisher zu diesem Problembereich ergangenen Urteilen anderer Landessozialgerichte ab (Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. November 1998, des Sächsischen Landessozialgerichts vom 7. März 2001, des Landessozialgerichts für das Saarland vom 31. Oktober 2001 und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Februar 2002).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Veranlagung der Klägerin zu den Gefahrklassen nach dem Gefahrtarif 1995, Gefahrtarifstellen 23 und 24 für die Jahre 1995 bis 1997 sowie nach dem Gefahrtarif 1998, Gefahrtarifstellen 48 und 49 für die Jahre 1998 bis 2000. Die auf dieser Veranlagung basierenden Beitragsbescheide sind nicht angegriffen. Die individuelle Herabsetzung durch Abschläge von der Gefahrklasse ist für die Jahre 1995 bis 1997 nicht im Streit, für die Jahre ab 1998 Gegenstand eines anderen sozialgerichtlichen Verfahrens. Die Frage der Zuständigkeit der Beklagten für das Unternehmen der Klägerin ist Streitgegenstand des Berufungsverfahrens L 3 U 14/01.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung.
Mit Bescheid vom 27. Oktober 1995 veranlagte die Beklagte sie mit Wirkung ab 1. Januar 1995 nach dem Gefahrtarif 1995/Gefahrtarifstelle 23 (Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung; Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt sind und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten) zu der Gefahrklasse 1,6 sowie nach der Gefahrtarifstelle 24 (Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, Beschäftigte, die nicht die in der Gefahrtarifstelle 23 genannten Voraussetzungen erfüllen) zu den Gefahrklassen 12,8 für 1995, 15,8 für 1996 und 18,8 für 1997.
Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 1998 zurück.
Die dagegen erhobene Klage (S 26 U 203/98) hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 26. Januar 2001 abgewiesen.
Für die Zeit ab 1. Januar 1998 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 31. März 1998 nach dem bis zum 31. Dezember 2000 gültigen Gefahrtarif 1998/Gefahrtarifstelle 48 (Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung; Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt sind und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten) zu der Gefahrklasse 0,57 und nach der Gefahrtarifstelle 49 (Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung; Beschäftigte, die nicht die in der Gefahrtarifstelle 48 genannten Voraussetzungen erfüllen) zu der Gefahrklasse 10,66.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1999 wies sie den Widerspruch zurück.
Das Sozialgericht hat die dagegen erhobene Klage (S 26 U 388/99) mit weiterem Gerichtsbescheid vom 26. Januar 2001 abgewiesen.
Gegen die ihr am 13. und 14. Februar 2001 zugestellten Gerichtsbescheide hat die Klägerin jeweils am 14. März 2001 Berufung eingelegt. Es sei nicht gerechtfertigt, dass sie einen wesentlich höheren Beitragssatz zahlen müsse als Unternehmen im Bereich der Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel und Gaststätten, obwohl sie hauptsächlich Arbeitnehmer in diesen Bereich – insbesondere als Produktionshelfer an eine Schokoladenfabrik – verleihe. Der Gleichheitssatz werde verletzt, weil ohne sachlichen Grund für die Leiharbeitnehmer ein um das Vielfache höherer Beitrag zu zahlen sei als für die Stammbelegschaft. Durch die erhöhten Lohnnebenkosten werde die Klägerin in ihrer Konkurrenzfähigkeit geschwächt. Statt alle Arbeitnehmerüberlassungsfirmen in einer Gefahrtarifstelle zusammenzufassen, müsse die Beklagte nach der Unfalllast zumindest so viele Tarifstellen bilden wie es Berufsgenossenschaftsbereiche gebe, in die Arbeitnehmer entliehen würden.
Die Klägerin beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2001 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1998 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu günstigeren Gefahrenklassen als denen nach den Gefahrtarifstellen 23 und 24 zu veranlagen,
2. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2001 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. März 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin in günstigere Gefahrklassen als denen nach den Gefahrtarifstellen 48 bzw. 49 zu veranlagen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen der Klägerin gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2001 zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass ihre Veranlagungsbescheide nicht zu beanstanden seien. In den Gefahrtarifen 1995 und 1998 sehe sie für den Gewerbezweig der Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen gesondert zwei Gefahrtarifstellen vor. Es gebe zwei Risikomerkmale für die Gefahrtarifstellenbildung, nämlich nach der Unternehmensart und nach den jeweils ausgeübten Tätigkeiten. Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile beider Merkmale habe sich bisher die Vertreterversammlung für das Risikomerkmal der Unternehmensart entschieden. Dieses sei das sachlich zutreffendere, weil die Zeitarbeitsunternehmen einwandfrei zugeordnet werden könnten und das Prinzip der Veranlagung nach Gefährdungsrisiken berücksichtigt würde. Mit Ausnahme der gesonderten Veranlagung der im kaufmännischen und verwaltenden Bereich tätigen Personen ließe sich eine Unterteilung nach der jeweiligen Arbeitnehmertätigkeit wegen des erheblichen Verwaltungsaufwandes praktisch nicht durchführen. Den individuellen Gegebenheiten in den Unternehmen werde durch Beitragszu- bzw. -abschläge Rechnung getragen. Alle bisherigen Versuche einer weiteren sinnvollen Untergruppenbildung seien gescheitert. Ein Teil der Unternehmen habe nicht mitgearbeitet, andere hätten erklärt, zur Meldung der Lohnsummen, getrennt nach Arbeitnehmertätigkeiten, nicht in der Lage zu sein, bzw. widersprüchliche Angaben zum Lohnnachweis und zu eingegangenen Unfallmeldungen gemacht.
Der Senat hat beide Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 113 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG-).
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 3. April 2002 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthaften, form- und fristgerecht eingelegten und auch im Übrigen zulässigen Berufungen der Klägerin (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) sind nicht begründet.
Die Veranlagungsbescheide vom 27. Oktober 1995 und 31. März 1998 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 30. April 1998 und 29. Juli 1999 sind rechtmäßig. Die ihnen zu Grunde liegenden – und inzident zu prüfenden - Gefahrtarife 1995 und 1998 verstoßen weder gegen formell noch materiell höherrangiges Recht.
Der Widerspruchsbescheid vom 30. April 1998 ist nicht aus formellen Gründen rechtswidrig. Das in der Verwaltungsakte befindliche Exemplar enthält die Unterschriften aller Mitglieder des Widerspruchsausschusses. Die der Klägerin übersandte Ausfertigung ist mangels gesetzlicher Vorschrift über eine insoweit einzuhaltende Form auch ohne Datumsangabe und mit einer Unterschrift bei Mitteilung des Vorliegens der weiteren Originalunterschriften durch Ausweisung als "gezeichnet" gültig.
Auf den Rechtsstreit L 3 U 10/01 (Veranlagung nach dem Gefahrtarif 1995) finden noch für die Jahre 1995 und 1996 die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung. Die Veranlagung für das Jahr 1997 sowie nach dem Gefahrtarif 1998 (Az: L 3 U 13/01) ist an den Vorschriften des SGB VII zu messen (§ 219 Abs. 1 Satz 1 und 2, Siebtes Buch Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, Sozialgesetzbuch VII, Kommentar zum Siebten Buche des Sozialgesetzbuchs und zu weiteren die Unfallversicherung betreffenden Gesetzen, Rdnr. 2 zu § 219 SGB VII).
Die Höhe der Beiträge richtet sich nach dem Entgelt der Versicherten und nach dem Grad der Unfallgefahr in den Unternehmen (§§ 725 Abs. 1 RVO, 153 Abs. 1 SGB VII). Zur Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr hat die Vertreterversammlung einen Gefahrtarif mit Gefahrklassen zu bilden (§§ 730 RVO, 157 Abs. 1 SGB VII). Die Berufsgenossenschaft veranlagt die Unternehmen für die Tarifzeit zu diesen Gefahrklassen (§§ 734 Abs. 1 RVO, 159 Abs. 1 SGB VII). Der Gefahrtarif ist autonomes Recht des Unfallversicherungsträgers. Die Vertreterversammlung hat einen weiten Regelungs- und zeitlichen Anpassungsspielraum, der nur durch die in den §§ 725 Abs. 1, 730 RVO bzw. die §§ 153 Abs. 1, 157 Abs. 1 bis 3, 167 Abs. 1 SGB VII zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen des Gesetzgebers begrenzt ist und nicht im Widerspruch zu den tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts stehen darf. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind befugt und verpflichtet, die Übereinstimmung des Gefahrtarifs mit diesen Grundentscheidungen des Gesetzgebers zu überprüfen. Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen spielen jedoch keine Rolle (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 1983, 2 RU 27/81, in: BSGE 55, 26 m. w. N.). Unter Berücksichtigung dieser eingeschränkten Überprüfungsbefugnis sind die Gefahrtarife 1995 und 1998 nicht zu beanstanden.
Sie sind formell rechtmäßig. Es sind keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das für ihre Aufstellung gesetzlich vorgeschriebene Verfahren (vgl. §§ 731 Abs. 2, 732 RVO, § 158 SGB VII) ersichtlich.
Die Gefahrtarife sind auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Bildung von Gefahrtarifstellen kann sowohl nach dem Gewerbezweig- als auch dem Tätigkeitsprinzip erfolgen, um so Gruppen entsprechend ihrer Gefährdungsrisiken zu bilden (vgl. Lauterbach, a. a. O., Rdnr. 7 zu § 157 SGB VII).
In den Gefahrtarifen 1995 und 1998 hat die Beklagte die Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung als Gewerbezweig zusammengefasst und nur eine weitere Unterteilung –zu Gunsten der Klägerin– nach dem tätigkeitsbezogenen Merkmal der Arbeit im kaufmännischen oder verwaltenden Bereich vorgenommen. Die gemeinsame Erfassung aller Zeitarbeitsunternehmen ist dabei durch die für sie gewerbetypische Unfallgefahr gerechtfertigt. Die Leiharbeitnehmer werden zu verschiedenen Arbeiten herangezogen und in wechselnden Entleihbetrieben sowie auf unterschiedlichen Arbeitsplätzen eingesetzt. Die sich aus den jeweiligen Betätigungen der Verleihunternehmen ergebenden Unfallgefahren sind vielfältig und ihr Auftreten in unterschiedlichen Kombinationen möglich. Der die Arbeitsverhältnisse kennzeichnende häufige Wechsel führt dazu, dass eine Eingewöhnung in die neue Arbeitsumwelt mit ihren spezifischen Risiken erfolgen muss (z. B. wegen neuer betrieblicher Abläufe und örtlicher Gegebenheiten, anderer Maschinen, ungewohnter Arbeitswege). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist es deswegen grundsätzlich zulässig, die Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung zu einem gemeinsamen Gewerbezweigtarif zu veranlagen (Bundessozialgericht, Urteil vom 21.08.1991, 2 RU 54/90, in: HV-Info 1991, 2159 = Ez AÜG Nr. 387).
Es kann unentschieden bleiben, ob die Klägerin, die nach eigenem Vortrag seit einigen Jahren 80 % ihrer Arbeitnehmer an eine bestimmte Schokoladenfabrik verleiht, bereits als sogenanntes monostrukturelles Unternehmen zu klassifizieren wäre. Bei der Definition dieses Begriffs ist insbesondere unklar, wie hoch der Anteil der in einen bestimmten Bereich verliehenen Arbeitnehmer sein muss, ehe ein (Allein-) Verleih in diesen Gewerbezweig vorliegt, und welche Anforderungen an die Stetigkeit dieser Unternehmensausrichtung in der Vergangenheit sowie der prognostisch zu beurteilenden Zukunft gestellt werden müssen. Auch monostrukturelle Unternehmen gehören zum Gewerbezweig der Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen und dürfen mit den anderen Unternehmen dieser Gruppe zusammen gefasst werden. Das ergibt sich daraus, dass sie ebenfalls die oben dargelegten gewerbezweigtypischen Kriterien aufweisen. Dem gegenüber unterscheiden sie sich von den Entleihunternehmen dadurch, dass sie über keine auf Dauer beschäftigte Stammbelegschaft verfügen, sondern Arbeitnehmer nur zeitlich begrenzt (bis zu 12 Monaten; vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 6 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) an einem bestimmten Arbeitsplatz einsetzen. Außerdem können und müssen die Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung auf eine veränderte Nachfrage nach Leiharbeitnehmern reagieren. Ihr Unternehmen weist deswegen im Vergleich zu sonstigen –oft bereits durch die sächlichen Produktionsmittel festgelegten– Unternehmen keine so hohe Kontinuität in der Ausrichtung des Tätigkeitsschwerpunktes auf. Wegen dieser Gewerbezweigtypik sind monostrukturelle Unternehmen nicht in der Branche des Entleihunternehmens zu veranlagen.
Eine über den Gewerbezweigtarif mit der Untergruppe für kaufmännische und verwaltende Tätigkeit hinaus gehende Unterteilung brauchte die Beklagte (bisher) nicht vorzunehmen. Die Klägerin selbst hat mit Büropersonal und Leiharbeitnehmern im Bereich Produktionshelfer, Lager- und Packhelfer sowie Stapelfahrer im Jahre 1999 (bzw. zusätzlich Schlosser im Jahre 1992) trotz ihrer geringen Größe Arbeitnehmer in mehrere Berufszweigen überlassen. Im letzten Jahrzehnt war ihre Ausrichtung einem deutlichen Wandel unterworfen. Dass die Beklagte angesichts dieser gewerbezweigtypischen Vielfalt der Betätigungen –bei größeren Unternehmen noch ausgeprägter– und der im zeitlichen Ablauf eintretenden Veränderungen bisher nicht zu einer sinnvollen Aufteilung in weitere Untergruppen gelangt ist, ist nicht zu beanstanden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass solche Untergruppen ausreichend groß sein müssen, um dem Versicherungsprinzip zu entsprechen und eine angemessene Differenzierung zur möglichst weitgehenden Verwirklichung des Prinzips der Beitragsgerechtigkeit aufzuweisen (vgl. Lauterbach, a. a. O., Rdnr. 10 zu § 157 SGB VII m. w. N.).
Aus sachlichen Gründen hat die Beklagte zu Recht die von der Klägerin vorgeschlagenen Aufteilungsmöglichkeiten abgelehnt.
Dass eine Aufteilung nach dem jeweiligen Berufsgenossenschaftsbereich des Entleihunternehmens nicht sachgerecht sein kann, ergibt sich schon aus den Unterschieden zwischen den Gefahrklassen in den jeweiligen Gefahrtarifen der einzelnen Berufsgenossenschaften. Beispielsweise findet sich bei der Beklagten ein Spektrum von 1,0 bis 110,9 (vgl. Gefahrtarif 1995). Die Bildung eines Durchschnittswertes für den Bereich einer Berufsgenossenschaft kann deswegen nicht das Gefährdungspotential zutreffend widerspiegeln.
Bei einer weitergehenderen Aufteilung nach allen von den einzelnen Berufsgenossenschaften geschaffenen Unterbereichen liegt die Vermutung nahe, dass die so gebildeten Gruppen zu klein werden, um dem Versicherungsprinzip noch zu entsprechen. Bereits bei diesen alle Unternehmen außerhalb der Arbeitnehmerüberlassung erfassenden Gruppen gibt es neben großen auch kleine Einheiten, die sich erheblich verkleinern müssten, wenn ein einzelner Gewerbezweig derartig unterteilt würde. Zwar sind insoweit keine konkreten Zahlen über die zu erwartende Gruppengröße bekannt. Die Beklagte darf aber eine solche Unterteilung aus –vom Gericht nicht näher überprüfbaren– Zweckmäßigkeitserwägungen ablehnen. Sie verweist nämlich darauf, dass eine solche Unterteilung wegen des mit ihr verbundenen erheblichen Verwaltungs- und Kontrollaufwandes bei ihr selbst als auch den gesteigert differenzierten Meldepflichten der Unternehmen praktisch nicht durchführbar ist.
Für die Bildung einer sinnvollen Zahl von Untergruppen mit etwa gleichem Unfallrisiko fehlen der Beklagten (noch) die notwendigen Informationen. Alle bisherigen Versuche, durch Erhebung bei den Unternehmen der Zeitarbeit entsprechende Daten zu bekommen, sind gescheitert. Die Beklagte ist verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte, die für oder gegen eine bestimmte Variante der Beitragsgestaltung sprechen, abzuwägen. Dazu muss sie Erfahrungen sammeln, aus den so gewonnen Informationen die bisherige Regelung auf ihre Mängel hin analysieren und ein Änderungskonzept entwickeln, von dem anzunehmen ist, dass es den gesetzlichen Zielen besser gerecht wird. Gerade bei komplexen Sachverhalten und einem Unternehmenszweig wie dem der Arbeitnehmerüberlassung, der sich sprunghaft entwickelt und verändert (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 21.08.1991, 2 RU 54/90, a.a.O.), gehört hierzu auch ein zeitlicher Anpassungsspielraum (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 1985, 2 RU 40/85, in: SozR 2200 § 731 Nr. 2).
Die angemessene Zeit zur Beobachtung und Entscheidung ist zur Überzeugung des Senats noch nicht abgelaufen. Dies ist so lange nicht der Fall, wie es ohne Verschulden der Beklagten nicht möglich ist, die Unfallgefahr nach Einsatzbereichen der Leiharbeitnehmer getrennt zu ermitteln und über einen angemessenen Zeitraum zu beobachten. Da hierfür die bei der Beklagten vorhandenen Daten nicht ausreichen, ist sie auf die Mitarbeit der Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen angewiesen.
Bis zum Vorliegen der eine weitere Unterteilung ermöglichenden Daten ist auch ein ggfs. vorhandenes Belastungsgefälle innerhalb des Gewerbezweiges nicht zu vermeiden. Zur Feststellung dieses Gefälles ist es erforderlich, abgrenzbare Teilgruppen des Gewerbezweiges zu bilden, die miteinander verglichen werden können. Ein Belastungsgefälle liegt nämlich noch nicht dann vor, wenn die zufallsbehaftete Unfalllast der einzelnen Unternehmen differiert, da Unterschiede der individuellen Unfalllasten der zusammengefassten Einzelunternehmen systemimmanent sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 1985, a.a.O.).
Zur Zeit ist es deswegen nur möglich, den Beitrag der Klägerin durch die Gewährung individueller Abschläge herabzusetzen. Diese auf Einzelfälle begrenzte Korrekturmöglichkeit entbindet die Beklagte jedoch auch für die Zukunft nicht von ihrer Pflicht zu einer an die wirtschaftliche Entwicklung angepassten Ausgestaltung des Gefahrtarifs (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 21.08.1991, 2 RU 54/90, a.a.O.).
Anhaltspunkte dafür, dass die Berechnung der Gefahrklassen unzutreffend ist, hat weder die Klägerin vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich.
Auf der Grundlage der Gefahrtarife 1995 und 1998 hat die Beklagte mit den Veranlagungsbescheiden vom 27. Oktober 1995 und 31. März 1998 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 30. April 1998 und 29. Juli 1999 die Klägerin zutreffend veranlagt.
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ist nicht ersichtlich. Bei der Aufstellung von Gefahrtarifen lässt das Gleichbehandlungsgebot eine den Bedürfnissen der Massenverwaltung entsprechende Typisierung zu, wobei Härten im Einzelfall hinzunehmen sind (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 04.03.1982, 1 BvR 34/82 in: SozR 2200 § 734 Nr. 2).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere weicht der Senat auch nicht von den bisher zu diesem Problembereich ergangenen Urteilen anderer Landessozialgerichte ab (Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. November 1998, des Sächsischen Landessozialgerichts vom 7. März 2001, des Landessozialgerichts für das Saarland vom 31. Oktober 2001 und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Februar 2002).
Rechtskraft
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