Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 KN 6/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. November 2001 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
Streitig ist die rückwirkende Neufeststellung der Rente des Klägers, verbunden mit der Rückforderung einer Überzahlung in Höhe von 6.151,98 DM.
Der 1953 geborene Kläger bezieht seit Mai 1995 auf der Grundlage des Bescheids vom 12. Juni 1996 Rente wegen Berufsunfähigkeit. Mit Scheidungsurteil vom 13. August 1998, rechtskräftig am 1. Oktober 1998, übertrug das Amtsgericht Lünen seiner früheren Ehefrau Rentenanwartschaften in Höhe von (damals) monatlich 1.215,11 DM. Wegen des sog Rentnerprivilegs (§ 101 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI)) zahlte die Beklagte die laufende Rente des Klägers zunächst ungekürzt weiter.
Am 20. Juli 1999 teilte die Landesversicherungsanstalt Westfalen der Beklagten mit, dass die frühere Ehefrau des Klägers einen Antrag auf Rente aus eigener Versicherung gestellt habe. Mit Schreiben vom 4. August 1999, formell zugestellt am 14. August 1999, informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass seine frühere Ehefrau einen Rentenantrag gestellt habe und seine laufende Rente, sofern der Rentenanspruch anerkannt werde, ab dem Monat, in dem die Rente geleistet werde, um einen Abschlag aus dem Versorgungsausgleich von derzeit 1.236,91 DM zu mindern sei. Die Minderung wirke sich jedoch frühestens mit Ablauf des Monats aus, in dem der Kläger dieses Schreiben erhalten habe. Von diesem Zeitpunkt an würden die bisherigen Beträge zwar vorläufig weitergezahlt, der Kläger müsse aber mit einer Rückforderung der auf den Versorgungsausgleich entfallenden Leistungen rechnen. Es werde empfohlen, aus den künftigen Rentenzahlungen eine entsprechende Rücklage zu bilden. Über den Zeitpunkt der Rentenminderung und die tatsächlichen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs werde nach Entscheidung über den Rentenantrag aus der Versicherung des geschiedenen Ehegatten ein Bescheid erteilt.
Nachdem der früheren Ehefrau des Klägers mit Bescheid vom 19. Januar 2000 rückwirkend ab 1. August 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung der im Wege des Versorgungsausgleichs übertragenen Anwartschaften bewilligt worden war (Nachzahlung unter Einschluss der eigenen Anwartschaften 13.769,91 DM) stellte die Beklagte nach Anhörung des Klägers (mit Schreiben vom 10. Februar 2000) mit Bescheid vom 16. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2000 dessen Rente rückwirkend ab 1. September 1999 ohne die Rentenbeträge aus den übertragenen Anwartschaften neu fest und forderte die im Zeitraum vom 1. September 1999 bis 29. Februar 2000 entstandene Überzahlung in Höhe von 6.151,98 DM zurück.
Das Sozialgericht Dortmund (SG) hat mit Urteil vom 3. Juli 2001 entsprechend dem Antrag des Klägers die streitgegenständlichen Bescheide "insoweit aufgehoben, wie es den Zeitraum vom 1. September 1999 bis 29. Februar 2000 betrifft". Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat mit Urteil vom 27. November 2001 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen: Mit der rückwirkenden Rentenbewilligung an die frühere Ehefrau des Klägers ab 1. August 1999 sei nach § 101 Abs 3 SGB VI die laufende Rente des Klägers um einen Abschlag zu mindern, der dem Zuschlag entspreche, um den sich die Rente der Ausgleichsberechtigten erhöht habe. Die rückwirkende Minderung der Rente des Klägers müsse aber mittels Verwaltungsakt unter Beachtung der Vertrauensschutzregelung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) umgesetzt werden. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Neufeststellung der Rente des Klägers seien aber nicht erfüllt, denn der Kläger habe weder gewusst noch grob fahrlässig nicht gewusst, dass seine Rente kraft Gesetzes teilweise weggefallen sei. Mit Schreiben vom 4. August 1999 sei er nur über die Möglichkeit unterrichtet worden, dass seine frühere Ehefrau einen Rentenanspruch für die Vergangenheit haben könnte, der zum rückwirkenden teilweisen Wegfall seiner Rente führen könnte. Mit der erforderlichen positiven Kenntnis, die er erst mit Zugang des Anhörungsschreibens vom 10. Februar 2000 gehabt habe, sei dies nicht gleichzustellen. Dem Kläger könne auch keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, denn der Stand des Rentenfeststellungsverfahrens seiner früheren Ehefrau, das im Übrigen erst mit Bescheid vom 25. Januar 2000 (richtig: 19. Januar 2000) abgeschlossen worden sei, sei ihm nicht bekannt gewesen. Die weiteren Hinweise im Schreiben vom 4. August 1999, wonach die Rente ab 1. September 1999 nur vorläufig geleistet werde und mit einer Rückforderung in der genannten Höhe gerechnet werden müsse, seien unerheblich. Es handle sich nur um allgemeine Informationen und Hinweise zu den Auswirkungen des Versorgungsausgleichs ohne eigenständigen Regelungscharakter.
Mit der Revision rügt die Beklagte die rechtsfehlerhafte Anwendung der §§ 100 Abs 1 Satz 1, 101 Abs 3 Satz 1 SGB VI sowie des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X: Vor dem Hintergrund der vom Gesetzgeber postulierten Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs seien die Anforderungen des LSG an die "Bösgläubigkeit" des Ausgleichsverpflichteten, der eine vorerst ungekürzte Rente beziehe, überspannt. Bisher habe das Bundessozialgericht (BSG) nur über Fallgestaltungen entschieden, bei denen der Ausgleichsverpflichtete erst nachträglich von der Rentenantragstellung des Ausgleichsberechtigten und der rückwirkenden Rentenbewilligung erfahren habe. Mit Schreiben vom 4. August 1999 - das sich im Übrigen inhaltlich an die Vorgaben eines Beschlusses des Fachausschusses des Verbandes der Deutschen Rentenversicherungsträger (VDR) gehalten habe - seien jedoch dem Kläger alle relevanten Tatsachen einschließlich der konkreten Höhe der möglichen Minderung mitgeteilt worden. Er habe seitdem damit rechnen können, dass dem Rentenantrag der früheren Ehefrau auch rückwirkend entsprochen werde. Somit sei ein "Wissen" bzw "Wissenmüssen" um den Wegfall des ungeminderten Anspruchs auf Rente gegeben. Das BSG habe in seiner Rechtsprechung an anderer Stelle die rückwirkende Anrechnung einer höheren Unfallrente auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ohne Vertrauensschutz für zulässig erachtet, weil ein Versicherter, der Antrag auf eine höhere - und später rückwirkend bewilligte - Unfallrente gestellt hatte, bei Empfang der bislang ungekürzten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung "wusste oder wissen musste", dass ihm diese in der bisherigen Höhe nicht zusteht, sollte seinem Erhöhungsbegehren hinsichtlich der Unfallrente entsprochen werden. Die Möglichkeit der Bewilligung einer höheren Unfallrente sei in diesen Fällen für eine rückwirkende Neufeststellung ausreichend gewesen. Auch im vorliegenden Fall sei der ausgleichspflichtige Kläger mit Schreiben vom 4. August 1999 in Bezug auf die eingetretene Rentenminderung "bösgläubig" gemacht worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. November 2001 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 3. Juli 2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG festgestellt, dass die rückwirkende Neufeststellung der Rente des Klägers für den hier allein streitigen Zeitraum vom 1. September 1999 bis 29. Februar 2000 gegen Verwaltungsverfahrensrecht verstößt.
1. Materiell-rechtlich stand dem Kläger bereits ab 1. August 1999 die ungekürzte Rente nicht mehr zu. Werden nach Beginn einer Rente zu Lasten des Versicherten Rentenanwartschaften im Wege des Versorgungsausgleichs durch eine Entscheidung des Familiengerichts übertragen, wird nach § 101 Abs 3 Satz 1 SGB VI die laufende Rente erst zu dem Zeitpunkt um einen Abschlag verändert, zu dem bei einer Rente aus der Versicherung des Ausgleichsberechtigten ein Zuschlag berücksichtigt wird (sog Rentnerprivileg). Dem Kläger kam diese Regelung zugute, weil er zur Zeit der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts (1. Oktober 1998) bereits seit Mai 1995 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bezogen hatte. Ab 1. August 1999, dem Zeitpunkt der rückwirkenden Bewilligung der Rente an die frühere Ehefrau des Klägers mit Bescheid vom 19. Januar 2000, war jedoch die Rente des Klägers kraft Gesetzes nach der Grundregelung des § 100 Abs 3 Satz 1 SGB VI um den Abschlag gemindert.
Das BSG hat zu den weitgehend gleich lautenden Vorläuferregelungen des § 83a Abs 4 Satz 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), § 96a Abs 4 Satz 2 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) und § 1304a Abs 4 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Grundsatz der Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs (vgl BT-Drucks 7/650 S 272; BT-Drucks 10/5447 S 9) nicht gebietet, diese Regelungen als "lex specialis" gegenüber verfahrensrechtlichen Schutzbestimmungen, insbesondere § 48 SGB X, anzusehen und von einem Selbstvollzug des Gesetzes auszugehen (aA noch Löschau, DAngVers 1987, 144). Vielmehr ist nach einem rückwirkenden Wegfall des sog Rentnerprivilegs - trotz materiell zu Unrecht empfangener Leistung - eine rückwirkende Neufeststellung der Rente des Ausgleichspflichtigen durch Verwaltungsakt erforderlich und ein daraus folgender Erstattungsanspruch hinsichtlich der Überzahlung (§ 50 Abs 1 Satz 1 SGB X) nur unter den Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X zulässig, selbst wenn es dadurch zu Doppelzahlungen kommen sollte. Eine Gesetzeslücke, die von der Rechtsprechung geschlossen werden könnte, besteht insoweit nicht (BSG Urteile vom 13. März 1985 - 5a RKn 2/84 - BSGE 58, 59 = SozR 2600 § 96a Nr 1, vom 26. März 1987 - 11a RA 38/86 - BSGE 61, 230 = SozR 2200 § 1304a Nr 10 (mit zustimmender Anmerkung von Löschau, DAngVers 1987, 363 und Maier, SGb 1988, 215) und vom 8. April 1987 - 5a RKn 6/86 - SozR 1300 § 48 Nr 36). Diese Rechtsprechung führt der Senat für den Rechtszustand nach Inkrafttreten des SGB VI fort, zumal die hier anzuwendende Regelung des § 101 Abs 3 Satz 1 SGB VI auch nach den Gesetzesmaterialien dem bisherigen Recht entspricht (BT-Drucks 11/4124, S 176 zu § 100 des Entwurfs).
2.a) Die allein streitige rückwirkende Neufeststellung der Rente des Klägers hinsichtlich des Zeitraums vom 1. September 1999 bis 29. Februar 2000 und der daraus folgende Erstattungsanspruch nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X scheitern deshalb, weil die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X nicht erfüllt sind. Danach soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, "soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes ... teilweise weggefallen ist".
In diesem Sinne hatte der Kläger nach dem Schreiben der Beklagten vom 4. August 1999 jedenfalls nicht das erforderliche "Wissen", dass sich wegen der rückwirkenden Rentenbewilligung an seine frühere Ehefrau ab 1. August 1999 - und auch nicht für den streitigen Zeitraum ab 1. September 1999 - sein Rentenanspruch kraft Gesetzes um monatlich 1.236,91 DM vermindert.
Diese Kenntnis konnte und wollte indes das Schreiben vom 4. August 1999 nach seinem objektiven Erklärungswert nicht vermitteln. Denn hier wird lediglich die bestehende Rechtslage geschildert und nur insofern weiter konkretisiert, als auf die Tatsache der Rentenantragstellung durch seine frühere Ehefrau mit einer möglichen rückwirkenden Rentenbewilligung hingewiesen und der sich dann ergebende aktuelle Rentenabschlag berechnet wird. Ausdrücklich kündigt die Beklagte an, über den Zeitpunkt der Rentenminderung und die tatsächlichen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs erst nach der Entscheidung über den Rentenantrag aus der Versicherung des geschiedenen Ehegatten einen Bescheid zu erteilen, frühestens jedoch mit dem Ablauf des Monats, in dem der Kläger das Schreiben erhalten habe. Damit wusste der Kläger zwar, dass eine Rentenminderung drohte, und sein Wissen ging über das hinaus, was ihm durch das Scheidungsurteil oder infolge eigener Gesetzeskenntnis bekannt war. Der entscheidende Tatbestand für die Minderung seines Rentenanspruchs kraft Gesetzes blieb jedoch weiter im Ungewissen, also ob, und ggf rückwirkend ab wann, seiner früheren Ehefrau überhaupt auf Grund ihres Antrags eine (im vorliegenden Fall vorzeitige) Rente bewilligt werden würde. Nur hierauf, dh auf den erst durch die Rentenbewilligung mit Bescheid vom 19. Januar 2000 tatsächlich eingetretenen (teilweisen) Wegfall der Leistung bezieht sich aber das nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X erforderliche positive "Wissen"; das Wissen um die bloße Möglichkeit eines Wegfalls der Leistung genügt nicht.
Dem Kläger kann auch keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Denn vor dem Rentenbescheid konnte niemand Kenntnis davon erlangen, dass sich die Rente des Klägers entsprechend gemindert hat. Demgemäß hat auch das LSG - unter Bezugnahme auf die erst im Februar 2000 erfolgte Anhörung - bei dem Kläger eine Sorgfaltspflichtverletzung für den streitigen Zeitraum bis einschließlich Februar 2000 verneint, und eine solche wird auch von der Beklagten nicht behauptet.
b) Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung des BSG, wonach der Empfänger einer Rente aus der Rentenversicherung "wissen musste", dass ihm die Rente wegen der Anrechnung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung teilweise nicht zustand, sobald er dies ernsthaft annehmen (damit rechnen) konnte, ist nicht einschlägig, denn sie erging zur Rechtslage vor Inkrafttreten des SGB X. Das BSG hatte ein "Wissenmüssen" bereits im Falle einer Antragstellung auf eine höhere Verletztenrente angenommen und insoweit nicht auf das positive Wissen um den später ergangenen Erhöhungsbescheid des Unfallversicherungsträgers abgestellt (BSG vom 29. Juni 1977 - 11 RA 52/76 - SozR 2200 § 1301 Nr 4 und vom 26. September 1969 - 5 RKn 52/66 - SozR Nr 11 zu § 1301 RVO). Indes ist das damals im Rahmen des Rückforderungstatbestandes des § 80 AVG (§ 1301 RVO) geprüfte Merkmal des "Wissenmüssens" nicht vergleichbar mit dem jetzigen weitaus qualifizierteren des "Nichtwissens, weil die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde" nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X. Ein bloßes "Wissenmüssen", lediglich deshalb, weil ein Antrag auf Rente aus der Unfallversicherung vom Versicherten gestellt wurde - oder dem hier die Rentenantragstellung des Ausgleichsberechtigten mitgeteilt wurde - ist nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X nicht mehr ausreichend. Im Übrigen betrifft der Großteil der Erstattungsfälle nach altem wie neuem Recht den Wegfall oder die Minderung eines Anspruchs infolge der Anrechnung von Einkommen oder Vermögen. Hier greift die Sonderregelung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X ein, die einen rückwirkenden Wegfall oder eine rückwirkende Minderung der Leistung infolge der Anrechnung von Vermögen oder Einkommen ohne Vertrauensschutz ermöglicht.
3. Das Schreiben der Beklagten vom 4. August 1999 ist ungeachtet seiner formellen Zustellung nicht als Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X anzusehen, der den bedingungs- und vorbehaltslosen Rentenbescheid vom 12. Juni 1996 abgeändert oder nachträglich mit einer Nebenbestimmung (§ 32 SGB X) versehen hätte. Von vornherein scheidet - wie auch die Beklagte vorträgt - aus, das Schreiben als "Vorbehaltsbescheid" nach § 42 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - (SGB I) auszulegen, denn die dort normierten Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor.
Ein Verwaltungsakt liegt nicht bereits darin, dass die Beklagte formuliert hatte, die bisherigen (Renten-)Beträge würden vorläufig weitergezahlt und der Kläger müsse mit einer Rückforderung der auf den Versorgungsausgleich entfallenden Leistungen rechnen. Denn mit einem solchen "Verfügungssatz" wird nicht die für die Verwaltungsaktqualität iS des § 31 SGB X entscheidende "Regelung" eines Einzelfalles, die auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist und dem bisherigen Rentenbescheid einen neuen Inhalt geben will, deutlich. Die Beklagte stellt selbst einen entsprechenden für den Kläger erkennbaren Erklärungswillen in Abrede. Nach ihrem Vortrag war Zweck des Schreibens - das den Vorgaben des Beschlusses des Versicherungs- und Rentenausschusses des VDR in der Sitzung 2/97 vom 5./6. Juni 1997 zu TOP 6 entspricht - die Information des versorgungsausgleichspflichtigen Rentners. Es sollte den Vertrauensschutz des Ausgleichspflichtigen "so rechtzeitig und so weitgehend wie möglich beseitigen" (vgl den og Beschluss) - anders ausgedrückt - ihn "bösgläubig" iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X machen, also das bereits angesprochene (für eine Rücknahme nicht ausreichende) "Wissen" vermitteln (vgl dazu BSG Urteile vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 - BSGE 60, 287 = SozR 1300 § 48 Nr 29 und vom 8. Dezember 1987 - 7 RAr 48/86 - SozR 4100 § 117 Nr 21). Darüber hinaus sprechen weitere Indizien gegen die Auslegung des Schreibens vom 4. August 1999 als Verwaltungsakt. So fehlen die Bezeichnung des abzuändernden Verwaltungsaktes, die Angabe der Rechtsgrundlage für die Änderung, die bei Eingriffen in Rechte eines Beteiligten nach § 24 Abs 1 SGB X erforderliche vorherige Anhörung sowie die Rechtsbehelfsbelehrung. Entscheidend ist aber, dass die Beklagte die eigentliche "Regelung" durch einen später zu erlassenden Verwaltungsakt erst ankündigt, aber noch nicht trifft, wenn sie schreibt, über den Zeitpunkt der Rentenminderung und die tatsächlichen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs werde nach Entscheidung über den Rentenantrag aus der Versicherung des geschiedenen Ehegatten ein Bescheid erteilt. Nach dem Empfängerhorizont handelt es sich deshalb lediglich um eine Mitteilung über eine (drohende) Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und die daraus erwachsenden rechtlichen Konsequenzen in Bezug auf die Höhe der laufenden Rente, nicht aber um die Regelung selbst (zu einer vergleichbaren Fallkonstellation bei einer Mitteilung über die Änderung der aktuellen Rechtslage und die sich daraus ergebenden Konsequenzen vgl BSG Urteil vom 24. April 1985 - 9a RVs 11/84 - BSGE 58, 72 = SozR 3870 § 58 Nr 1).
Da bereits kein Verwaltungsakt vorliegt, kann dahingestellt bleiben, ob die Änderung des Bescheides vom 12. Juni 1996 durch das Setzen einer Nebenbestimmung nach § 32 Abs 1 Alternative 2 SGB X in Verbindung mit der Variante nach § 32 Abs 2 Nr 2 SGB X (Bedingung) grundsätzlich möglich gewesen wäre. Die Bedingung, dass die Weitergewährung einer Vergünstigung (des sog Rentnerprivilegs nach § 101 Abs 1 Satz 1 SGB VI) von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig gemacht wird (der möglichen rückwirkenden Rentengewährung an den Ausgleichsberechtigten), würde zwar "sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden", und es würden Doppelzahlungen vermieden. Auch könnte sich der Ausgleichsverpflichtete auf die neue Rechtslage einstellen, also laufende Unterhaltszahlungen aus der ungekürzten Rente (dazu dient in erster Linie das sog Rentnerprivileg, vgl mwN Maier, SGb 1988, 215) ebenfalls unter Vorbehalt stellen und sich die künftige Rentennachzahlung des Ausgleichsberechtigten abtreten lassen bzw notfalls mit einem Arrest belegen. Jedoch bestehen Bedenken, ob wegen des Verbots der Zweckvereitelung (§ 32 Abs 3 SGB X) ein grundsätzlich bedingungsfeindlicher Bescheid über die Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit ohne vorherige Ankündigung (zB bereits in einem feststellenden Verwaltungsakt über die Gewährung des "Rentnerprivilegs" nach Zugang des Scheidungsurteils) nachträglich mit einer solchen Nebenbestimmung versehen werden kann (vgl BSG Urteile vom 27. Februar 1992 - 6 RKa 15/91 - BSGE 70, 167, 170 ff = SozR 3-2500 § 116 Nr 2 und vom 29. Oktober 1992 - 9b RAr 7/92 - BSGE 71, 202, 204 = SozR 3-4100 § 45 Nr 3 mwN - zu den Voraussetzungen einer zulässigen Nebenbestimmung).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe:
I
Streitig ist die rückwirkende Neufeststellung der Rente des Klägers, verbunden mit der Rückforderung einer Überzahlung in Höhe von 6.151,98 DM.
Der 1953 geborene Kläger bezieht seit Mai 1995 auf der Grundlage des Bescheids vom 12. Juni 1996 Rente wegen Berufsunfähigkeit. Mit Scheidungsurteil vom 13. August 1998, rechtskräftig am 1. Oktober 1998, übertrug das Amtsgericht Lünen seiner früheren Ehefrau Rentenanwartschaften in Höhe von (damals) monatlich 1.215,11 DM. Wegen des sog Rentnerprivilegs (§ 101 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI)) zahlte die Beklagte die laufende Rente des Klägers zunächst ungekürzt weiter.
Am 20. Juli 1999 teilte die Landesversicherungsanstalt Westfalen der Beklagten mit, dass die frühere Ehefrau des Klägers einen Antrag auf Rente aus eigener Versicherung gestellt habe. Mit Schreiben vom 4. August 1999, formell zugestellt am 14. August 1999, informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass seine frühere Ehefrau einen Rentenantrag gestellt habe und seine laufende Rente, sofern der Rentenanspruch anerkannt werde, ab dem Monat, in dem die Rente geleistet werde, um einen Abschlag aus dem Versorgungsausgleich von derzeit 1.236,91 DM zu mindern sei. Die Minderung wirke sich jedoch frühestens mit Ablauf des Monats aus, in dem der Kläger dieses Schreiben erhalten habe. Von diesem Zeitpunkt an würden die bisherigen Beträge zwar vorläufig weitergezahlt, der Kläger müsse aber mit einer Rückforderung der auf den Versorgungsausgleich entfallenden Leistungen rechnen. Es werde empfohlen, aus den künftigen Rentenzahlungen eine entsprechende Rücklage zu bilden. Über den Zeitpunkt der Rentenminderung und die tatsächlichen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs werde nach Entscheidung über den Rentenantrag aus der Versicherung des geschiedenen Ehegatten ein Bescheid erteilt.
Nachdem der früheren Ehefrau des Klägers mit Bescheid vom 19. Januar 2000 rückwirkend ab 1. August 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung der im Wege des Versorgungsausgleichs übertragenen Anwartschaften bewilligt worden war (Nachzahlung unter Einschluss der eigenen Anwartschaften 13.769,91 DM) stellte die Beklagte nach Anhörung des Klägers (mit Schreiben vom 10. Februar 2000) mit Bescheid vom 16. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2000 dessen Rente rückwirkend ab 1. September 1999 ohne die Rentenbeträge aus den übertragenen Anwartschaften neu fest und forderte die im Zeitraum vom 1. September 1999 bis 29. Februar 2000 entstandene Überzahlung in Höhe von 6.151,98 DM zurück.
Das Sozialgericht Dortmund (SG) hat mit Urteil vom 3. Juli 2001 entsprechend dem Antrag des Klägers die streitgegenständlichen Bescheide "insoweit aufgehoben, wie es den Zeitraum vom 1. September 1999 bis 29. Februar 2000 betrifft". Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat mit Urteil vom 27. November 2001 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen: Mit der rückwirkenden Rentenbewilligung an die frühere Ehefrau des Klägers ab 1. August 1999 sei nach § 101 Abs 3 SGB VI die laufende Rente des Klägers um einen Abschlag zu mindern, der dem Zuschlag entspreche, um den sich die Rente der Ausgleichsberechtigten erhöht habe. Die rückwirkende Minderung der Rente des Klägers müsse aber mittels Verwaltungsakt unter Beachtung der Vertrauensschutzregelung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) umgesetzt werden. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Neufeststellung der Rente des Klägers seien aber nicht erfüllt, denn der Kläger habe weder gewusst noch grob fahrlässig nicht gewusst, dass seine Rente kraft Gesetzes teilweise weggefallen sei. Mit Schreiben vom 4. August 1999 sei er nur über die Möglichkeit unterrichtet worden, dass seine frühere Ehefrau einen Rentenanspruch für die Vergangenheit haben könnte, der zum rückwirkenden teilweisen Wegfall seiner Rente führen könnte. Mit der erforderlichen positiven Kenntnis, die er erst mit Zugang des Anhörungsschreibens vom 10. Februar 2000 gehabt habe, sei dies nicht gleichzustellen. Dem Kläger könne auch keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, denn der Stand des Rentenfeststellungsverfahrens seiner früheren Ehefrau, das im Übrigen erst mit Bescheid vom 25. Januar 2000 (richtig: 19. Januar 2000) abgeschlossen worden sei, sei ihm nicht bekannt gewesen. Die weiteren Hinweise im Schreiben vom 4. August 1999, wonach die Rente ab 1. September 1999 nur vorläufig geleistet werde und mit einer Rückforderung in der genannten Höhe gerechnet werden müsse, seien unerheblich. Es handle sich nur um allgemeine Informationen und Hinweise zu den Auswirkungen des Versorgungsausgleichs ohne eigenständigen Regelungscharakter.
Mit der Revision rügt die Beklagte die rechtsfehlerhafte Anwendung der §§ 100 Abs 1 Satz 1, 101 Abs 3 Satz 1 SGB VI sowie des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X: Vor dem Hintergrund der vom Gesetzgeber postulierten Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs seien die Anforderungen des LSG an die "Bösgläubigkeit" des Ausgleichsverpflichteten, der eine vorerst ungekürzte Rente beziehe, überspannt. Bisher habe das Bundessozialgericht (BSG) nur über Fallgestaltungen entschieden, bei denen der Ausgleichsverpflichtete erst nachträglich von der Rentenantragstellung des Ausgleichsberechtigten und der rückwirkenden Rentenbewilligung erfahren habe. Mit Schreiben vom 4. August 1999 - das sich im Übrigen inhaltlich an die Vorgaben eines Beschlusses des Fachausschusses des Verbandes der Deutschen Rentenversicherungsträger (VDR) gehalten habe - seien jedoch dem Kläger alle relevanten Tatsachen einschließlich der konkreten Höhe der möglichen Minderung mitgeteilt worden. Er habe seitdem damit rechnen können, dass dem Rentenantrag der früheren Ehefrau auch rückwirkend entsprochen werde. Somit sei ein "Wissen" bzw "Wissenmüssen" um den Wegfall des ungeminderten Anspruchs auf Rente gegeben. Das BSG habe in seiner Rechtsprechung an anderer Stelle die rückwirkende Anrechnung einer höheren Unfallrente auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ohne Vertrauensschutz für zulässig erachtet, weil ein Versicherter, der Antrag auf eine höhere - und später rückwirkend bewilligte - Unfallrente gestellt hatte, bei Empfang der bislang ungekürzten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung "wusste oder wissen musste", dass ihm diese in der bisherigen Höhe nicht zusteht, sollte seinem Erhöhungsbegehren hinsichtlich der Unfallrente entsprochen werden. Die Möglichkeit der Bewilligung einer höheren Unfallrente sei in diesen Fällen für eine rückwirkende Neufeststellung ausreichend gewesen. Auch im vorliegenden Fall sei der ausgleichspflichtige Kläger mit Schreiben vom 4. August 1999 in Bezug auf die eingetretene Rentenminderung "bösgläubig" gemacht worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. November 2001 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 3. Juli 2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG festgestellt, dass die rückwirkende Neufeststellung der Rente des Klägers für den hier allein streitigen Zeitraum vom 1. September 1999 bis 29. Februar 2000 gegen Verwaltungsverfahrensrecht verstößt.
1. Materiell-rechtlich stand dem Kläger bereits ab 1. August 1999 die ungekürzte Rente nicht mehr zu. Werden nach Beginn einer Rente zu Lasten des Versicherten Rentenanwartschaften im Wege des Versorgungsausgleichs durch eine Entscheidung des Familiengerichts übertragen, wird nach § 101 Abs 3 Satz 1 SGB VI die laufende Rente erst zu dem Zeitpunkt um einen Abschlag verändert, zu dem bei einer Rente aus der Versicherung des Ausgleichsberechtigten ein Zuschlag berücksichtigt wird (sog Rentnerprivileg). Dem Kläger kam diese Regelung zugute, weil er zur Zeit der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts (1. Oktober 1998) bereits seit Mai 1995 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bezogen hatte. Ab 1. August 1999, dem Zeitpunkt der rückwirkenden Bewilligung der Rente an die frühere Ehefrau des Klägers mit Bescheid vom 19. Januar 2000, war jedoch die Rente des Klägers kraft Gesetzes nach der Grundregelung des § 100 Abs 3 Satz 1 SGB VI um den Abschlag gemindert.
Das BSG hat zu den weitgehend gleich lautenden Vorläuferregelungen des § 83a Abs 4 Satz 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), § 96a Abs 4 Satz 2 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) und § 1304a Abs 4 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Grundsatz der Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs (vgl BT-Drucks 7/650 S 272; BT-Drucks 10/5447 S 9) nicht gebietet, diese Regelungen als "lex specialis" gegenüber verfahrensrechtlichen Schutzbestimmungen, insbesondere § 48 SGB X, anzusehen und von einem Selbstvollzug des Gesetzes auszugehen (aA noch Löschau, DAngVers 1987, 144). Vielmehr ist nach einem rückwirkenden Wegfall des sog Rentnerprivilegs - trotz materiell zu Unrecht empfangener Leistung - eine rückwirkende Neufeststellung der Rente des Ausgleichspflichtigen durch Verwaltungsakt erforderlich und ein daraus folgender Erstattungsanspruch hinsichtlich der Überzahlung (§ 50 Abs 1 Satz 1 SGB X) nur unter den Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X zulässig, selbst wenn es dadurch zu Doppelzahlungen kommen sollte. Eine Gesetzeslücke, die von der Rechtsprechung geschlossen werden könnte, besteht insoweit nicht (BSG Urteile vom 13. März 1985 - 5a RKn 2/84 - BSGE 58, 59 = SozR 2600 § 96a Nr 1, vom 26. März 1987 - 11a RA 38/86 - BSGE 61, 230 = SozR 2200 § 1304a Nr 10 (mit zustimmender Anmerkung von Löschau, DAngVers 1987, 363 und Maier, SGb 1988, 215) und vom 8. April 1987 - 5a RKn 6/86 - SozR 1300 § 48 Nr 36). Diese Rechtsprechung führt der Senat für den Rechtszustand nach Inkrafttreten des SGB VI fort, zumal die hier anzuwendende Regelung des § 101 Abs 3 Satz 1 SGB VI auch nach den Gesetzesmaterialien dem bisherigen Recht entspricht (BT-Drucks 11/4124, S 176 zu § 100 des Entwurfs).
2.a) Die allein streitige rückwirkende Neufeststellung der Rente des Klägers hinsichtlich des Zeitraums vom 1. September 1999 bis 29. Februar 2000 und der daraus folgende Erstattungsanspruch nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X scheitern deshalb, weil die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X nicht erfüllt sind. Danach soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, "soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes ... teilweise weggefallen ist".
In diesem Sinne hatte der Kläger nach dem Schreiben der Beklagten vom 4. August 1999 jedenfalls nicht das erforderliche "Wissen", dass sich wegen der rückwirkenden Rentenbewilligung an seine frühere Ehefrau ab 1. August 1999 - und auch nicht für den streitigen Zeitraum ab 1. September 1999 - sein Rentenanspruch kraft Gesetzes um monatlich 1.236,91 DM vermindert.
Diese Kenntnis konnte und wollte indes das Schreiben vom 4. August 1999 nach seinem objektiven Erklärungswert nicht vermitteln. Denn hier wird lediglich die bestehende Rechtslage geschildert und nur insofern weiter konkretisiert, als auf die Tatsache der Rentenantragstellung durch seine frühere Ehefrau mit einer möglichen rückwirkenden Rentenbewilligung hingewiesen und der sich dann ergebende aktuelle Rentenabschlag berechnet wird. Ausdrücklich kündigt die Beklagte an, über den Zeitpunkt der Rentenminderung und die tatsächlichen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs erst nach der Entscheidung über den Rentenantrag aus der Versicherung des geschiedenen Ehegatten einen Bescheid zu erteilen, frühestens jedoch mit dem Ablauf des Monats, in dem der Kläger das Schreiben erhalten habe. Damit wusste der Kläger zwar, dass eine Rentenminderung drohte, und sein Wissen ging über das hinaus, was ihm durch das Scheidungsurteil oder infolge eigener Gesetzeskenntnis bekannt war. Der entscheidende Tatbestand für die Minderung seines Rentenanspruchs kraft Gesetzes blieb jedoch weiter im Ungewissen, also ob, und ggf rückwirkend ab wann, seiner früheren Ehefrau überhaupt auf Grund ihres Antrags eine (im vorliegenden Fall vorzeitige) Rente bewilligt werden würde. Nur hierauf, dh auf den erst durch die Rentenbewilligung mit Bescheid vom 19. Januar 2000 tatsächlich eingetretenen (teilweisen) Wegfall der Leistung bezieht sich aber das nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X erforderliche positive "Wissen"; das Wissen um die bloße Möglichkeit eines Wegfalls der Leistung genügt nicht.
Dem Kläger kann auch keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Denn vor dem Rentenbescheid konnte niemand Kenntnis davon erlangen, dass sich die Rente des Klägers entsprechend gemindert hat. Demgemäß hat auch das LSG - unter Bezugnahme auf die erst im Februar 2000 erfolgte Anhörung - bei dem Kläger eine Sorgfaltspflichtverletzung für den streitigen Zeitraum bis einschließlich Februar 2000 verneint, und eine solche wird auch von der Beklagten nicht behauptet.
b) Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung des BSG, wonach der Empfänger einer Rente aus der Rentenversicherung "wissen musste", dass ihm die Rente wegen der Anrechnung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung teilweise nicht zustand, sobald er dies ernsthaft annehmen (damit rechnen) konnte, ist nicht einschlägig, denn sie erging zur Rechtslage vor Inkrafttreten des SGB X. Das BSG hatte ein "Wissenmüssen" bereits im Falle einer Antragstellung auf eine höhere Verletztenrente angenommen und insoweit nicht auf das positive Wissen um den später ergangenen Erhöhungsbescheid des Unfallversicherungsträgers abgestellt (BSG vom 29. Juni 1977 - 11 RA 52/76 - SozR 2200 § 1301 Nr 4 und vom 26. September 1969 - 5 RKn 52/66 - SozR Nr 11 zu § 1301 RVO). Indes ist das damals im Rahmen des Rückforderungstatbestandes des § 80 AVG (§ 1301 RVO) geprüfte Merkmal des "Wissenmüssens" nicht vergleichbar mit dem jetzigen weitaus qualifizierteren des "Nichtwissens, weil die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde" nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X. Ein bloßes "Wissenmüssen", lediglich deshalb, weil ein Antrag auf Rente aus der Unfallversicherung vom Versicherten gestellt wurde - oder dem hier die Rentenantragstellung des Ausgleichsberechtigten mitgeteilt wurde - ist nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X nicht mehr ausreichend. Im Übrigen betrifft der Großteil der Erstattungsfälle nach altem wie neuem Recht den Wegfall oder die Minderung eines Anspruchs infolge der Anrechnung von Einkommen oder Vermögen. Hier greift die Sonderregelung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X ein, die einen rückwirkenden Wegfall oder eine rückwirkende Minderung der Leistung infolge der Anrechnung von Vermögen oder Einkommen ohne Vertrauensschutz ermöglicht.
3. Das Schreiben der Beklagten vom 4. August 1999 ist ungeachtet seiner formellen Zustellung nicht als Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X anzusehen, der den bedingungs- und vorbehaltslosen Rentenbescheid vom 12. Juni 1996 abgeändert oder nachträglich mit einer Nebenbestimmung (§ 32 SGB X) versehen hätte. Von vornherein scheidet - wie auch die Beklagte vorträgt - aus, das Schreiben als "Vorbehaltsbescheid" nach § 42 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - (SGB I) auszulegen, denn die dort normierten Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor.
Ein Verwaltungsakt liegt nicht bereits darin, dass die Beklagte formuliert hatte, die bisherigen (Renten-)Beträge würden vorläufig weitergezahlt und der Kläger müsse mit einer Rückforderung der auf den Versorgungsausgleich entfallenden Leistungen rechnen. Denn mit einem solchen "Verfügungssatz" wird nicht die für die Verwaltungsaktqualität iS des § 31 SGB X entscheidende "Regelung" eines Einzelfalles, die auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist und dem bisherigen Rentenbescheid einen neuen Inhalt geben will, deutlich. Die Beklagte stellt selbst einen entsprechenden für den Kläger erkennbaren Erklärungswillen in Abrede. Nach ihrem Vortrag war Zweck des Schreibens - das den Vorgaben des Beschlusses des Versicherungs- und Rentenausschusses des VDR in der Sitzung 2/97 vom 5./6. Juni 1997 zu TOP 6 entspricht - die Information des versorgungsausgleichspflichtigen Rentners. Es sollte den Vertrauensschutz des Ausgleichspflichtigen "so rechtzeitig und so weitgehend wie möglich beseitigen" (vgl den og Beschluss) - anders ausgedrückt - ihn "bösgläubig" iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X machen, also das bereits angesprochene (für eine Rücknahme nicht ausreichende) "Wissen" vermitteln (vgl dazu BSG Urteile vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 - BSGE 60, 287 = SozR 1300 § 48 Nr 29 und vom 8. Dezember 1987 - 7 RAr 48/86 - SozR 4100 § 117 Nr 21). Darüber hinaus sprechen weitere Indizien gegen die Auslegung des Schreibens vom 4. August 1999 als Verwaltungsakt. So fehlen die Bezeichnung des abzuändernden Verwaltungsaktes, die Angabe der Rechtsgrundlage für die Änderung, die bei Eingriffen in Rechte eines Beteiligten nach § 24 Abs 1 SGB X erforderliche vorherige Anhörung sowie die Rechtsbehelfsbelehrung. Entscheidend ist aber, dass die Beklagte die eigentliche "Regelung" durch einen später zu erlassenden Verwaltungsakt erst ankündigt, aber noch nicht trifft, wenn sie schreibt, über den Zeitpunkt der Rentenminderung und die tatsächlichen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs werde nach Entscheidung über den Rentenantrag aus der Versicherung des geschiedenen Ehegatten ein Bescheid erteilt. Nach dem Empfängerhorizont handelt es sich deshalb lediglich um eine Mitteilung über eine (drohende) Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und die daraus erwachsenden rechtlichen Konsequenzen in Bezug auf die Höhe der laufenden Rente, nicht aber um die Regelung selbst (zu einer vergleichbaren Fallkonstellation bei einer Mitteilung über die Änderung der aktuellen Rechtslage und die sich daraus ergebenden Konsequenzen vgl BSG Urteil vom 24. April 1985 - 9a RVs 11/84 - BSGE 58, 72 = SozR 3870 § 58 Nr 1).
Da bereits kein Verwaltungsakt vorliegt, kann dahingestellt bleiben, ob die Änderung des Bescheides vom 12. Juni 1996 durch das Setzen einer Nebenbestimmung nach § 32 Abs 1 Alternative 2 SGB X in Verbindung mit der Variante nach § 32 Abs 2 Nr 2 SGB X (Bedingung) grundsätzlich möglich gewesen wäre. Die Bedingung, dass die Weitergewährung einer Vergünstigung (des sog Rentnerprivilegs nach § 101 Abs 1 Satz 1 SGB VI) von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig gemacht wird (der möglichen rückwirkenden Rentengewährung an den Ausgleichsberechtigten), würde zwar "sicherstellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden", und es würden Doppelzahlungen vermieden. Auch könnte sich der Ausgleichsverpflichtete auf die neue Rechtslage einstellen, also laufende Unterhaltszahlungen aus der ungekürzten Rente (dazu dient in erster Linie das sog Rentnerprivileg, vgl mwN Maier, SGb 1988, 215) ebenfalls unter Vorbehalt stellen und sich die künftige Rentennachzahlung des Ausgleichsberechtigten abtreten lassen bzw notfalls mit einem Arrest belegen. Jedoch bestehen Bedenken, ob wegen des Verbots der Zweckvereitelung (§ 32 Abs 3 SGB X) ein grundsätzlich bedingungsfeindlicher Bescheid über die Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit ohne vorherige Ankündigung (zB bereits in einem feststellenden Verwaltungsakt über die Gewährung des "Rentnerprivilegs" nach Zugang des Scheidungsurteils) nachträglich mit einer solchen Nebenbestimmung versehen werden kann (vgl BSG Urteile vom 27. Februar 1992 - 6 RKa 15/91 - BSGE 70, 167, 170 ff = SozR 3-2500 § 116 Nr 2 und vom 29. Oktober 1992 - 9b RAr 7/92 - BSGE 71, 202, 204 = SozR 3-4100 § 45 Nr 3 mwN - zu den Voraussetzungen einer zulässigen Nebenbestimmung).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
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