L 8 RA 11/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 8 RA 2212/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 11/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. Januar 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin führt als Rechtsnachfolgerin den Rechtsstreit, in dem die (Umwertung der) Altersrente streitig ist, fort.

Die Klägerin ist die Alleinerbin der 1998 verstorbenen Versicherten I P. Die 1924 geborene Versicherte war im Beitrittsgebiet im Außenhandel beschäftigt. Ab Mai 1955 lagen die von ihr erzielten Bruttoarbeitsentgelte über 600,00 Mark der DDR monatlich. Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) entrichtete die Versicherte nicht.

Sie bezog seit 1. Januar 1984 eine Altersrente, die im Juli 1991 in Höhe von 869,00 DM gewährt wurde. Mit Bescheid vom 2. Dezember 1991 nahm die Landesversicherungsanstalt Berlin die Umwertung und Anpassung der Rente auf Grund des ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Rentenrechts vor (monatlicher Zahlbetrag 960,83 DM [mit Auffüllbetrag von 86,73 DM]). Widerspruch und Klage der Versicherten gegen den Umwertungsbescheid blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Februar 1994 - S 13 An 483/93). Die hiergegen eingelegte Berufung nahm die Versicherte wegen Fristversäumnis zurück (L 6 An 387/95).

Die im Juni 1995 beantragte Überprüfung der Rentenberechnung unter Berufung auf § 256a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) blieb erfolglos (Bescheid vom 2. Oktober 1995, Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 1996). Klage und Berufung, mit der die Klägerin die in der Zeit vor März 1971 erzielten oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegenden Arbeitsverdienste bei der Rentenberechnung berücksichtigt wissen wollte, blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts -SG- Berlin vom 5. September 1996 - S 35 An 3045/96 - und Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Berlin vom 7. April 1997 - L 16 An 113/96). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dass für Bestandsrentner wie die Versicherte die Umwertung nach Maßgabe des § 307a SGB VI und nicht nach § 256a SGB VI erfolge. Die letztgenannte Vorschrift, die die Berücksichtigung von so genannten Überentgelten zulasse, sei nur auf Zugangsrentner anzuwenden. Ein Verfassungsverstoß sei darin nicht zu erkennen.

Im Oktober 1997 beantragte die Versicherte erneut die Überprüfung aller Rentenbescheide, die ab 1. Juli 1990 wirksam geworden seien. Sie machte dazu geltend, sie werde durch diese Rentenbescheide unverhältnismäßig schlechter behandelt als jene, deren Renten über das gesamte Arbeitsleben gemäß § 6 Abs. 2 und 3 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) sanktionsartig vermindert würden, sowie auch gegenüber den Rentnern, deren Ansprüche in der DDR erworben seien und deren Rente jetzt nach den Vorschriften des SGB VI neu bzw. erstmals berechnet würden. Sie verlange eine Neuberechnung ihrer Rente in entsprechender Anwendung des § 307b SGB VI.

Mit Bescheid vom 27. Januar 1998 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag der Versicherten ab und führte dazu im Wesentlichen aus, die Überprüfung des Umwertungsbescheides habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Eine Neuberechnung nach § 307b SGB VI sei ausgeschlossen, weil die Versicherte keinen Anspruch auf Leistungen aus Zusatz- oder Sonderversorgungssystemen der DDR gehabt habe. Die Berücksichtigung so genannter Überentgelte gemäß § 256a Abs. 3 SGB VI sei nur für Leistungsfälle vorgesehen, die ab 1. Januar 1992 neu eintreten würden. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 1998 zurück.

Mit der zum SG erhobenen Klage hat die Klägerin weiterhin die Feststellung der Altersrente der Versicherten unter Berücksichtigung ihrer Lebensleistung und damit auf der Grundlage der über der Beitragsbemessungsgrenze liegenden Entgelte beansprucht. Ferner hat sie erstmals im Klageverfahren beantragt, den im Umwertungs- und Anpassungsbescheid vom 2. Dezember 1991 festgesetzten Auffüllbetrag nicht statisch zu gewähren und später abzuschmelzen, sondern ab 1. Januar 1992 an die Lohn- und Einkommensentwicklung im Beitrittsgebiet anzupassen und den bei einem Vergleich der Berechnungsergebnisse höheren Betrag der Klägerin zu zahlen.

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 14. Januar 2000 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anspruch auf Neufeststellung der Regelaltersrente der Versicherten für die Zeit ab 1. Januar 1992 unter Berücksichtigung der in der Zeit bis zum 28. Februar 1971 von ihr erzielten Arbeitsverdienste in voller Höhe bestehe nicht und damit auch kein Anspruch auf Rücknahme des Umwertungsbescheides der LVA Berlin vom 2. Dezember 1991 und des bestandskräftigen, den ersten Überprüfungsantrag der Versicherten ablehnenden Überprüfungsbescheides vom 2. Oktober 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 1996. Die Rente sei auf der Grundlage des § 307a SGB VI zu berechnen gewesen, weil die Versicherte am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine nach den Vorschriften der früheren DDR errechnete Altersrente gehabt habe. Eine Neuberechnung der Rente gemäß § 307b SGB VI sei dagegen nicht vorzunehmen gewesen. Entgelte über der Beitragsbemessungsgrenze von 600,00 Mark der DDR seien dabei nicht zu berücksichtigen gewesen, wie bereits das LSG Berlin in seinem ausführlichen und zutreffenden Urteil vom 7. April 1997 (L 16 An 113/96) näher dargelegt habe. Auch die neuere Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 24. März 1998 - B 4 RA 86/95 R = SozR 3-2600 § 307a Nr. 11 und B 4 RA 75/96 R) stütze diese Auffassung; ein Verfassungsverstoß liege daher nicht vor. Auch die Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 führten zu keiner anderen Beurteilung.

Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer Berufung gewandt, mit der weiterhin ab 1. Januar 1992 eine höhere Altersrente beansprucht und zur Begründung auf die bereits im Einigungsvertrag ersichtlichen und vom Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 28. April 1999 näher dargelegten Grundsätze zur Garantie einer angemessenen Altersversorgung verwiesen wird. Die derzeitigen Regelungen würden den gebotenen verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht gerecht, so dass das Verfahren bis zu einer abschließenden verfassungsgerichtlichen Klärung auszusetzen bzw. zum Ruhen zu bringen sei.

Die Klägerin beantragt (Schriftsatz vom 30. Mai 2000),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. Januar 2000 sowie den Überprüfungsbescheid vom 27. Januar 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 1998 und den Überprüfungsbescheid vom 2. Oktober 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 1996 aufzuheben und den Bescheid der LVA Berlin vom 2. Dezember 1991 über die Umwertung und Anpassung der Rente ab 1. Januar 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 1993 zurückzunehmen und die Beklagte zu verpflichten, einen neuen Rentenbescheid für Rentenbezugszeiten ab dem 1. Januar 1992 zu erteilen, der

a) die Lebensleistung der Versicherten sachgerecht berücksichtigt und auf den Arbeitseinkünften der Versicherten im Rahmen der einheitlichen allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze beruht,

b) den im Rentenbescheid vom 2. Dezember 1991 als Auffüllbetrag bezeichneten Betrag nicht statisch gewährt und nicht später abschmilzt, sondern ab 1. Januar 1992 an die Lohn- und Einkommensentwicklung im Beitrittsgebiet anpasst und

c) die Beklagte zu verpflichten, den im Vergleich der Ergebnisse der Berechnungen gemäß Punkt a und b sich ergebenden höheren Betrag an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Einem Ruhen des Verfahrens stimme sie nicht zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegte Rentenakte (Vers.Nr. ) sowie die beigezogene Gerichtsakte S 35 An 3045/96 / L 16 An 113/96, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Streitgegenstand ist der auf den Überprüfungsantrag vom Oktober 1997 ergangene Bescheid vom 27. Januar 1998 (in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 1998), mit dem eine Prüfung der Umwertung und Anpassung des Rentenanspruchs im Hinblick auf die für die Rentenberechnung maßgebenden Entgelte nach Maßgabe der §§ 307a, 256a SGB VI einerseits und des § 307b SGB VI andererseits entsprechend dem klägerischen Vorbringen durchgeführt worden ist. Dagegen ist nicht Streitgegenstand die weitere, erstmalig im Klageverfahren nach Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheides mit dem geänderten Klageantrag aufgeworfene Frage zur Behandlung des Auffüllbetrages gemäß § 315a SGB VI, zu der eine Prüfung und (Verwaltungs-)Entscheidung nicht vorliegt. Die insoweit vorliegende Klageänderung ist nicht zulässig in das sozialgerichtliche Verfahren eingeführt worden (§ 99 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-), da weder die Beklagte darin eingewilligt noch das SG die Änderung als sachdienlich zugelassen hat. Das SG hat lediglich den erweiterten Klageantrag aufgenommen, die Erweiterung und damit Klageänderung ersichtlich nicht als sachdienlich zugelassen und demgemäß über den erweiterten Klageantrag in der Sache auch nicht entschieden.

Die Voraussetzungen für eine Korrektur der Leistungsbewilligung ab 1. Januar 1992 gemäß § 44 SGB X liegen nicht vor, denn mit dem die Leistungsgewährung ab diesem Zeitpunkt regelnden Umwertungs- und Anpassungsbescheid vom 2. Dezember 1991 ist weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweist. Die Klägerin bringt in dieser Hinsicht nichts vor und auch der Senat vermag entsprechende Anhaltspunkte nicht zu erkennen. Für die seit 1984 eine Altersrente (nur) der Sozialversicherung beziehende Versicherte als so genannte Bestandsrentnerin richtete sich die Überführung ihrer Altersversorgung in das Recht der Bundesrepublik Deutschland nach § 307a SGB VI; eine Neuberechnung ihrer Rente gemäß § 307b SGB VI auf der Grundlage der tatsächlich erzielten Entgelte war dagegen nicht vorzunehmen, weil die Versicherte bereits nach ihren eigenen Angaben nie einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem und deshalb auch nicht dem von § 307b SGB VI erfassten Personenkreis angehörte. Die für die Versicherte maßgebende Regelung zur Umwertung in § 307a SGB VI sieht ebenfalls eine Neuberechnung der Bestandsrente nach den Vorschriften des SGB VI nicht vor, sondern nur die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte in einem maschinellen Verfahren aus den vorhandenen Daten. Fehler bei dieser Berechnung macht die Klägerin ebenso wie in den vorangegangenen Verfahren nicht geltend und sind auch nicht ersichtlich. Das SG hat auch zutreffend ausgeführt, dass über der Bemessungsgrenze von 600,00 Mark der DDR liegende Bruttoarbeitsentgelte nicht zu berücksichtigen waren, weil die Versicherte der FZR nicht beigetreten war. Das gilt auch für die Zeit bis zum 28. Februar 1971 (also für die Zeit bis zur Einführung der FZR am 1. März 1971). Der Senat verweist dazu ebenso wie das SG auf das noch gegen die Versicherte ergangene Urteil des LSG Berlin vom 7. April 1997 (L 16 An 113/96); darin ist ausführlich dargelegt worden, dass sich ein anderes Ergebnis auch nicht über die Regelung in § 256a Abs. 3 SGB VI ergibt, weil diese Regelung nur Zugangsrentner begünstigt und darin kein Verfassungsverstoß liegt. Die mit der durch § 307a SGB VI vorgegebenen Pauschalierung, ausgehend von den vorhandenen Daten ohne die vollständige Ermittlung der gesamten Versicherungsbiographie, verbundenen möglichen Ungerechtigkeiten im Einzelfall sind hinzunehmen und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wie auch der bereits vom SG angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG SozR 3-2600 § 307a Nr. 11) entnommen werden kann und auf die zur Begründung im Einzelnen ausdrücklich Bezug genommen wird. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. April 1999 (1 BvR 1926/96 - 1 BvR 485/97) ausdrücklich ausgeführt, mit der in § 307a SGB VI gewählten Lösung habe der Gesetzgeber einerseits soweit wie möglich auf der Systematik des SGB VI aufgebaut, andererseits durch die besondere Sachlage bedingte Abweichungen und Pauschalierungen so ausgestaltet, dass sie die von ihnen betroffenen Bestandsrentner im Regelfall nicht belasteten; dabei sei nicht zu beanstanden, dass hierbei zur Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (Ost) Durchschnittseinkommen verglichen und Entgeltpositionen im 20-Jahres-Zeitraum vor Rentenbeginn auf das gesamte Versicherungsleben übertragen würden, denn verwertbare Daten über Arbeitsjahre und individuelle Durchschnittseinkommen seien nur für bestimmte zurückliegende Zeiträume gesichert. Diese Regelung unterliegt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts keiner verfassungsrechtlichen Bedenken.

Angesichts der angeführten Rechtsprechung vermochte sich der Senat nicht den von der Klägerin angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken anzuschließen; die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 114 Abs. 2 SGG sind daher nicht erfüllt mit der Folge, dass dem Aussetzungsantrag der Klägerin nicht zu folgen war. Mangels Zustimmung der Beklagten konnte auch nicht das Ruhen des Verfahrens gemäß § 202 SGG i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung angeordnet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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